Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.03.2021, Az. 3 StR 22/21

3. Strafsenat | REWIS RS 2021, 7534

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Strafbarer Aufenthalt eines Ausländers: Tatbestandsverwirklichung bei Einreise als Positivstaater mit der Absicht zur Arbeitsaufnahme


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 28. September 2020 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat:

1. Entgegen der Auffassung des [X.] hat das [X.] die im Fall II.1 der Urteilsgründe abgeurteilte Tat rechtsfehlerfrei als unerlaubten Aufenthalt im [X.] gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a [X.] gewertet. Denn auch nach der zur Tatzeit gültigen Verordnung ([X.]) Nr. 539/2001 vom 15. März 2001 war der Angeklagte, der [X.] Staatsangehöriger ist, ein sog. "Positivstaater", der nach Art. 1 Abs. 2 in Verbindung mit [X.] der Verordnung bei einem Kurzaufenthalt von bis zu drei Monaten von dem Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit war, sofern er - wie hier - Inhaber eines biometrischen Reisepasses ist.

Auch die durch das [X.] festgestellte, bereits bei Einreise bestehende Absicht des Angeklagten, in [X.] eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar entsteht mit Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auch für einen sog. "Positivstaater" nach Art. 4 Abs. 3 der Verordnung ([X.]) Nr. 539/2001 vom 15. März 2001 in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Aufenthaltsverordnung (im Folgenden [X.]) eine Visumspflicht mit der Folge, dass ab diesem Zeitpunkt bei Fehlen eines solchen der Tatbestand des unerlaubten Aufenthalts gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a [X.] erfüllt ist. Die Strafbarkeit des Ausländers bei der Einreise und bis zur Aufnahme der Erwerbstätigkeit bemisst sich jedoch ausschließlich nach objektiven Kriterien; auf einen individuell verfolgten Aufenthaltszweck kommt es hierbei nicht an (vgl. [X.], Urteile vom 11. Februar 2000 - 3 StR 308/99, [X.]R [X.] § 92 unerlaubter Aufenthalt 2; vom 27. April 2005 - 2 [X.], [X.]St 50, 105, 110 ff.; vom 8. März 2017 - 5 [X.], [X.], 1624 Rn. 9; vom 26. Januar 2021 - 1 StR 289/20, juris Rn. 39 ff.; Beschluss vom 25. September 2012 - 4 StR 142/12, [X.], 481, 482). Der [X.] hat dies betreffend die Strafbarkeit sog. "Positivstaater" nach § 92 des Ausländergesetzes (BGBl. 1990 I S. 1354) mit Urteil vom 27. April 2005 (2 [X.], [X.]St 50, 105, 119 f.) entschieden. Die Ersetzung des Ausländergesetzes durch das [X.] mit Wirkung zum 1. Januar 2005 (vgl. Art. 15 Abs. 3 Nr. 1 [X.], BGBl. 2004 I S. 1950 ff.) gibt keinen Anlass zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung (vgl. dazu [X.], Urteile vom 8. März 2017 - 5 [X.], [X.], 1624 Rn. 9; vom 26. Januar 2021 - 1 StR 289/20, juris Rn. 55; so auch [X.], Beschluss vom 13. Mai 2014 - 1 Ws 216/14, juris Rn. 11; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 199. EL, § 95 Rn. 6; [X.] Ausländerrecht/[X.], [X.]., [X.], § 95 Rn. 16.1; [X.], 3. Aufl., § 95 [X.] Rn. [X.]/[X.]/[X.]/Kolber, Ausländerrecht, 13. Aufl., § 14 [X.] Rn. 13). Das folgt schon aus der Begründung zu dem Gesetzentwurf zum [X.], wonach sich die Erforderlichkeit des Aufenthaltstitels nach objektiven Kriterien und nicht nach dem beabsichtigten Zweck bemessen soll. Der Gesetzgeber wollte insoweit gerade eine Klarstellung angesichts der unterschiedlichen Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur (vgl. BT-Drucks. 22/03, [X.]; BT-Drucks. 15/420, [X.]; [X.], Urteil vom 26. Januar 2021 - 1 StR 289/20, juris Rn. 50).

Aus dem Wortlaut des § 17 Abs. 1 [X.] ergibt sich nichts Anderes (so aber [X.]/[X.], 3. Aufl., § 95 [X.] Rn. 40). Denn § 17 Abs. 1 [X.] stellt hinsichtlich der Befreiung von der Visumspflicht nicht darauf ab, ob die einreisende Person bei Betreten des [X.]s die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit beabsichtigt, sondern darauf, ob diese eine solche bei Einreise bereits ausübt.

2. Der Senat kann die Verwerfung der Revision des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO durch Beschluss aussprechen. Der [X.] hat einen entsprechenden Antrag gestellt, jedoch mit der Maßgabe, den Schuldspruch im Fall II.1 der Urteilsgründe - von unerlaubtem Aufenthalt im [X.] in Tateinheit mit Urkundenfälschung in unerlaubte Einreise in das [X.] in Tateinheit mit Urkundenfälschung - abzuändern. Der Zusatz hindert den Senat nicht an der uneingeschränkten Verwerfung des Rechtsmittels (vgl. [X.], Beschluss vom 3. Mai 2011 - 5 [X.], juris mwN).

Spaniol     

        

     Wimmer     

        

Berg   

        

Ri[X.] Hoch befindet sich in Urlaub
und ist deshalb an der Unterschrift
gehindert.

                          
        

Spaniol

        

Kreicker     

        

Meta

3 StR 22/21

24.03.2021

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Osnabrück, 28. September 2020, Az: 10 KLs 12/20

§ 92 Abs 1 Nr 1 AuslG, § 95 Abs 1 Nr 2 Buchst a AufenthG, § 17 Abs 1 AufenthV, Art 1 Abs 1 Anh 2 EGV 539/2001

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.03.2021, Az. 3 StR 22/21 (REWIS RS 2021, 7534)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 7534

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 278/23 (Bundesgerichtshof)


3 StR 69/17 (Bundesgerichtshof)

Beihilfe zur unerlaubten Einreise eines Flüchtlings: Auswirkungen auf die Strafbarkeit des Teilnehmers bei Straflosigkeit der …


1 StR 426/17 (Bundesgerichtshof)

Strafbares gewerbsmäßiges Einschleusen von Ausländern: Doppelverwertungsverbot; Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts; Einreise von Syrern mit einem …


1 StR 289/20 (Bundesgerichtshof)

Einschleusen von Ausländern: Strafrechtliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Einreise und des Aufenthalts eines Drittausländers mit …


3 StR 238/22 (Bundesgerichtshof)

Versuch der Ausländereinschleusung bei Festnahme an griechischem Flughafen


Referenzen
Wird zitiert von

2 StR 232/21

6 StR 334/20

2 StR 231/21

8 L 530/22

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.