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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Betäubungsmitteldelikt: Anforderungen an die Bestimmung des Wirkstoffgehalts durch Schätzung
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 28. Juni 2019, soweit es ihn betrifft, aufgehoben
a) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen [X.] und 11. der Urteilsgründe mit den dazugehörigen Feststellungen zum Wirkstoffgehalt der Betäubungsmittel,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe,
c) im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 159.800 € mit den dazugehörigen Feststellungen.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen, Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, Besitzes von Betäubungsmitteln und Verschaffens von falschen amtlichen Ausweisen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt und im Übrigen freigesprochen. Zudem hat es die Einziehung des Wertes von [X.]n in Höhe von 159.800 € sowie des sichergestellten [X.] und eines gefälschten [X.] Führerscheins angeordnet.
Die auf ein Verfahrenshindernis und die Sachrüge gestützte Revision hat in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen des [X.]s kaufte der Angeklagte zwischen Anfang 2016 und seiner Festnahme am 4. Juli 2018 in drei Fällen Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 3,5 % Tetrahydrocannabinol (Fall [X.]: 12,5 Kilogramm zu einem Preis von 50.000 €, Fall [X.]: 500 Gramm zum Preis von 2.000 € sowie Fall [X.]: 5 Kilogramm zu einem Preis von 19.000 €) und in drei weiteren Fällen Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 30 % [X.] (Fall [X.]: 600 Gramm Kokain zu einem Preis von 33.000 €, [X.]: 480 Gramm Kokain zu einem Preis von 24.000 € und Fall [X.]6.: 200 Gramm zu einem Preis von 10.000 €) und verkaufte es anschließend gewinnbringend weiter. Im Fall [X.]11. der Urteilsgründe verwahrte der Angeklagte 7,135 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 3,5 % in seiner Wohnung.
2. Die Feststellungen des [X.]s zu den Wirkstoffgehalten der gehandelten Betäubungsmittel in den Fällen [X.] bis 6. der Urteilsgründe und zu dem Marihuana in der Wohnung im Fall [X.]11. der Urteilsgründe halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Das [X.] hat den Wirkstoffgehalt des [X.] in den Fällen [X.] bis 3. und 11. geschätzt und dabei die Einkaufspreise bei den Taten [X.] bis 3. von 4.000 € und 3.800 € pro Kilogramm auf Zwischenhändlerebene zugrunde gelegt sowie zugunsten des Angeklagten angenommen, dass es sich um Marihuana durchschnittlicher Qualität handele ([X.]). Der Schätzung des [X.] des Kokains in den Fällen [X.] bis 6. liegen die Einkaufspreise von 55 €/Gramm ([X.]) und 50 €/Gramm ([X.] Fälle 5 und 6) zugrunde ([X.]).
b) Zwar durfte das [X.] den Wirkstoffgehalt der Betäubungsmittel in den Fällen [X.] bis 6. der Urteilsgründe durch Schätzung bestimmen. Soweit konkrete Feststellungen zum Wirkstoffgehalt nicht getroffen werden können, da die Betäubungsmittel inzwischen vernichtet, verbraucht oder an Unbekannte weitergegeben wurden und deshalb für eine Untersuchung nicht zur Verfügung stehen, muss das Tatgericht unter Berücksichtigung der anderen hinreichend sicher festgestellten Tatumstände (wie Herkunft, Preis, Aussehen, Verpackung, Verplombung des Rauschmittels, Beurteilung durch die Tatbeteiligten, Qualität eines bestimmten Lieferanten) und des Grundsatzes „in dubio pro reo“ die für den Angeklagten günstigste Wirkstoffkonzentration und Betäubungsmittelqualität bestimmen; ansonsten lässt er einen für die Bestimmung des Schuldumfangs wesentlichen Umstand außer Betracht (vgl. [X.], Beschlüsse vom 12. Mai 2016 - 1 StR 43/16 Rn. 4 und vom 31. Mai 2016 - 3 [X.] Rn. 3; [X.]/[X.]/[X.], BtMG, 9. Aufl. 2019, Vor §§ 29 ff. Rn. 309).
c) Das [X.] hat jedoch nicht in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Weise dargelegt, auf welcher Grundlage die Schätzung beruht (siehe dazu [X.], Beschlüsse vom 27. November 2014 - 2 [X.] Rn. 12 und vom 14. September 2016 - 2 StR 300/16 Rn. 5; [X.]/[X.]/[X.], BtMG, 9. Aufl. 2019, Vor §§ 29 ff. Rn. 313). Der lediglich pauschale Hinweis auf die festgestellten Einkaufspreise und bezogen auf das Marihuana zudem auf dessen durchschnittliche Qualität reicht insoweit nicht aus. Es kommt hinzu, dass aus der am 4. Juli 2018 in der Wohnung des Angeklagten sichergestellten Teilmenge von Marihuana (Fall [X.]11. der Urteilsgründe) gegebenenfalls Rückschlüsse auf den Wirkstoffgehalt der zuvor in den Fällen 1. bis 3. von dem Angeklagten erworbenen Betäubungsmittel hätten gezogen werden können. Gänzlich unverständlich sind überdies die Ausführungen des [X.]s zu dem Wirkstoffgehalt „des Amphetamins aus der festgestellten Tat Nr. 11“ ([X.]), da Fall [X.]11. der Urteilsgründe sich nur auf Marihuana bezieht.
3. Der Rechtsfehler lässt den Schuldspruch in den Fällen [X.] bis 6. sowie 11. der Urteilsgründe unberührt.
Angesichts der jeweils ganz erheblichen Mengen von Betäubungsmitteln in den Fällen [X.] bis 6. der Urteilsgründe (500 Gramm bis 12,5 Kilogramm Marihuana, 200 bis 600 Gramm Kokain) ist auszuschließen, dass im Einzelfall die Grenze zur nicht geringen Menge unterschritten wurde. Für Fall [X.]11. der Urteilsgründe folgt dies bereits daraus, dass der Angeklagte in diesem Fall nur wegen Besitzes von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG verurteilt wurde.
4. Allerdings hält die Strafzumessung in den Fällen [X.] bis 6. und 11. der Urteilsgründe sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Wie dargelegt fehlt es in diesen Fällen an einer tragfähigen und nachvollziehbaren Bestimmung des [X.] der jeweiligen Betäubungsmittel und damit an der Feststellung eines bestimmenden Strafzumessungsgrundes. Das Unrecht einer Betäubungsmittelstraftat und die Schuld des [X.] werden maßgeblich durch die Wirkstoffkonzentration und die Wirkstoffmenge des Rauschgifts bestimmt (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 12. Mai 2016 - 1 StR 43/16 Rn. 4 mwN).
Die in den Fällen [X.] bis 6. und 11. der Urteilsgründe verhängten - teilweise sehr hohen - Einzelstrafen können deshalb nicht bestehen bleiben. Dies zieht die Aufhebung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.
5. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet schließlich auch die Anordnung der Einziehung des Wertes von [X.]n in Höhe von 159.800 €. Die Feststellungen zu den Verkaufspreisen, die der Entscheidung über die Einziehung des Wertersatzes der [X.] nach § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB zugrunde liegen, beruhen ebenfalls auf einer Schätzung des [X.]s. Danach sei zugunsten des Angeklagten hinsichtlich des [X.] von einem Gewinn von nur 500 € pro Kilogramm und hinsichtlich des Kokains von einem Gewinn von lediglich 10 € pro Gramm auszugehen ([X.] 28). Zwar kann die Höhe des Wertes von [X.]n gemäß § 73d Abs. 2 StGB geschätzt werden. Es fehlt jedoch auch hier an einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Darlegung, auf welcher tatsächlichen Grundlage das [X.] zu den genannten Gewinnen gelangt ist.
6. Mit Ausnahme der Feststellungen zu dem Wirkstoffgehalt der Betäubungsmittel in den Fällen [X.] bis 6. und 11. der Urteilsgründe und zu den Verkaufspreisen in den Fällen [X.] bis 6. der Urteilsgründe können die Feststellungen bestehen bleiben, da sie nicht von dem Rechtsfehler betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Insoweit können ergänzende Feststellungen getroffen werden, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.
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Meta
18.03.2020
Bundesgerichtshof 1. Strafsenat
Beschluss
Sachgebiet: StR
vorgehend LG Baden-Baden, 28. Juni 2019, Az: 301 Js 8679/18 - 4 KLs
§ 29 Abs 1 S 1 Nr 1 BtMG, § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.03.2020, Az. 1 StR 600/19 (REWIS RS 2020, 1726)
Papierfundstellen: REWIS RS 2020, 1726
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
4 StR 125/23 (Bundesgerichtshof)
Strafzumessung bei unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Strafschärfung wegen hoher Wirkstoffmenge; Strafmilderung …
5 StR 343/22 (Bundesgerichtshof)
Bestimmung des Wirkstoffgehalts bei Betäubungsmitteldelikten; Strafmilderung bei langem Zeitablauf zwischen Tat und Urteil
5 StR 506/23 (Bundesgerichtshof)
5 StR 426/20 (Bundesgerichtshof)
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.: Mindestanforderungen an die Tatkonkretisierung; Strafzumessung im Zweifelsfall
4 StR 590/18 (Bundesgerichtshof)
Bewertung des Konkurrenzverhältnisses bei mehrfachen Betäubungsmitteltaten