Bundesfinanzhof, Beschluss vom 05.06.2014, Az. VI R 15/12

6. Senat | REWIS RS 2014, 4989

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Gegenstand

(Kindergeld: Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers bei nachträglicher Kindergeldfestsetzung nach § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. §§ 9 AsylbLG, 107 Abs. 1 SGB X, 104 Abs. 1 SGB X - Wirksame Geltendmachung von Erstattungsansprüchen - Kindergeld als Einkommen)


Leitsatz

1. Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (§ 2 AsylbLG i.V.m. § 28 SGB XII) sind bedarfsabhängige Leistungen für den notwendigen Lebensunterhalt von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern sowie ihnen gleichgestellten ausländischen Staatsangehörigen und damit dem Kindergeld gleichartige und nachrangige Leistungen .

2. Hat ein Sozialhilfeträger Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (§ 2 AsylbLG i.V.m. § 28 SGB XII) für Eltern und Kinder erbracht, die in einem Haushalt zusammenleben und eine Bedarfsgemeinschaft bilden, so steht ihm ein Anspruch auf Erstattung des nachträglich festgesetzten Kindergeldes zu .

Tatbestand

1

I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Verrechnung von nachträglich festgesetztem Kindergeld mit von [X.] geltend gemachten Erstattungsansprüchen.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), die die [X.] Staatsangehörigkeit besitzt, und ihr Ehemann lebten während des gesamten [X.] (Dezember 2004 bis April 2008) mit ihrer zunächst noch minderjährigen Tochter (Kind [X.]) und zeitweise mit ihrem volljährigen [X.] (Kind A) in [X.]edarfsgemeinschaft. Die volljährige Tochter ([X.]) lebte durchgehend in einer eigenen Wohnung.

3

Jeweils ohne Anrechnung von Kindergeld bezog die Klägerin von der Stadt [X.] ([X.]eigeladene zu 1) im Dezember 2004 für sich, ihren Ehemann und die mit ihr in [X.]edarfsgemeinschaft lebenden Kinder Sozialleistungen in Form von Hilfe zum Lebensunterhalt ([X.]) nach dem [X.] ([X.]), von Januar 2005 bis Februar 2008 Leistungen nach dem [X.] --[X.]-- (§ 2 [X.] i.V.m. § 28 des [X.]) und vom Jobcenter im [X.] ([X.] zu 2) von März 2008 bis April 2008 für sich und ihr Kind [X.] Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] (SG[X.] II).

4

Mit Schreiben vom 14. März 2008 und vom 20. März 2008 machten der [X.]eigeladene zu 2 und die [X.]eigeladene zu 1 gegenüber der [X.]eklagten und Revisionsbeklagten (Familienkasse) Erstattungsansprüche gemäß §§ 102 ff. des [X.] ([X.]) i.V.m. § 74 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) im Hinblick auf das von der Klägerin am 11. März 2008 für zurückliegende Zeiträume für die [X.], [X.] und [X.] beantragte Kindergeld geltend. Der [X.]eigeladene zu 2 führte dazu in seinem Schreiben aus:

5

"Frau ... [Klägerin] hat für ihre Tochter ... [[X.]] ... Kindergeld beantragt. Frau ... und ihre Tochter erhalten seit dem 01.03.08 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SG[X.] II."

6

Auf fernmündliche Nachfrage durch die Familienkasse erklärte der [X.]eigeladene zu 2, dass sich der Erstattungsanspruch auf die Monate März und April 2008 erstrecke, und bezifferte diesen mit Telefaxschreiben vom 10. April 2008 auf einen [X.]etrag in Höhe von 248 €.

7

Die [X.]eigeladene zu 1 verwies in ihrem Schreiben vom 20. März 2008 auf folgenden Sachverhalt:

8

"Familie ... hat bei [X.] bis zum 29.02.2008 laufende Leistungen nach dem [X.] ([X.]), ohne Anrechnung von Kindergeld, erhalten ... Seitens der Familie ... wurde mitgeteilt, dass das Kindergeld eventuell rückwirkend ab dem [X.] bewilligt wird. Sollte dies zutreffen, bitte ich meinen Ersatzanspruch zu berücksichtigen ..."

9

Auf diesem Schreiben der [X.]eigeladenen zu 1 befindet sich ein handschriftlicher Vermerk über eine telefonische Rücksprache mit dem Namenszeichen "..." und einem Datumsstempel "10.04.08", wonach der Erstattungsanspruch auf die gesamte Nachzahlung von Dezember 2004 bis Februar 2008 gerichtet sei.

Die Familienkasse setzte mit [X.]escheid vom 10. April 2008 gegenüber der Klägerin Kindergeld ab Dezember 2004 fest. Im Abrechnungsteil (§ 218 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO--) verfügte sie ferner, dass aufgrund der von den [X.]eigeladenen zu 1 und 2 geltend gemachten Erstattungsansprüche für den Zeitraum von Dezember 2004 bis Februar 2008 keine Leistungen an die Klägerin ausgezahlt würden und für den Zeitraum von März 2008 bis April 2008 lediglich ein [X.]etrag von 368 €. Der Anspruch der Klägerin auf Kindergeld gelte im Übrigen gemäß § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 107 [X.] als erfüllt.

Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage gegen den Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO) hat das Finanzgericht ([X.]) weitgehend abgewiesen (Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 939). Es entschied, dass den [X.]eigeladenen zu 1 und 2 wegen der Erbringung nachrangiger Sozialleistungen dem Grunde nach ein Anspruch auf Erstattung des für Dezember 2004 bis April 2008 festgesetzten Kindergeldes zustehe. In [X.]ezug auf den Monat Dezember 2004 sei der Erstattungsanspruch allerdings fehlerhaft ermittelt worden, weil zu Gunsten der [X.]edarfsgemeinschaft nach § 76 Abs. 2 Nr. 5 [X.] ein Freibetrag von monatlich 10,25 € für minderjährige unverheiratete Kinder anzusetzen sei.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragt sinngemäß,

das Urteil des [X.] und die Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 2008 aufzuheben und den Abrechnungsbescheid vom 10. April 2008 dahin zu ändern, dass ihr Kindergeldanspruch nicht als durch die Erstattungsansprüche der [X.]eigeladenen getilgt gelte.

Die Familienkasse beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Mit [X.]eschluss vom 17. April 2013 hat der erkennende Senat den [X.] ([X.] zu 3) gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zum Verfahren beigeladen.

Entscheidungsgründe

II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a [X.]O. Der [X.] hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die [X.]eteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Revision ist unbegründet. Sie ist nach § 126 Abs. 2 [X.]O zurückzuweisen.

Mit [X.]eschluss Nr. 21/2013 vom 18. April 2013 des Vorstandes der [X.] ist gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 des [X.] die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Familienkassen zum 1. Mai 2013 neu geregelt worden. Danach ist die im erstinstanzlichen Verfahren beklagte [X.] in der [X.] aufgegangen. Dieser während des Revisionsverfahrens eingetretene [X.] führt zu einem gesetzlichen [X.]eteiligtenwechsel ([X.]surteil vom 12. Januar 2001 VI R 102/98, [X.], 372, [X.] 2003, 151).

Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass der Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO) insoweit rechtmäßig war, als den [X.]eigeladenen Erstattungsansprüche wegen der von ihnen erbrachten Sozialleistungen zustehen und die Ansprüche der Klägerin auf Kindergeld daher als erfüllt gelten (§ 107 Abs. 1 [X.]).

1. Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die --hier nicht einschlägigen-- Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 [X.] vorliegen, ist nach § 104 Abs. 1 [X.] der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der [X.]erechtigte vorrangig einen Anspruch hat. [X.] verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit er bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistung durch einen anderen Leistungsträger selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Nach § 104 Abs. 2 [X.] gilt § 104 Abs. 1 [X.] auch dann, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger für den Angehörigen eines [X.]erechtigten Sozialleistungen erbracht hat und der [X.]erechtigte mit Rücksicht auf diesen Angehörigen einen Anspruch auf Sozialleistungen gegen einen vorrangig verpflichteten Leistungsträger hat. Ein Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 2 [X.] ist gegeben, wenn auch die Voraussetzungen des § 104 Abs. 1 [X.] vorliegen (Urteil des [X.] --[X.]FH-- vom 17. Juli 2008 III R 87/06, [X.], 1833). Die Leistungen der unterschiedlichen Leistungsträger müssen deshalb gleichartig sein. Dies setzt voraus, dass sie für dieselben Zeiträume bestimmt sind und sich in der Leistungsart und der Zweckbestimmung entsprechen. Außerdem muss zwischen ihnen ein Verhältnis von vorrangiger und nachrangiger Verpflichtung zur Leistung bestehen ([X.]FH-Urteil vom 19. April 2012 III R 85/09, [X.], 145, [X.] 2013, 19).

2. Das [X.] ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass eine (formell) wirksame Geltendmachung der Erstattungsansprüche durch die [X.]eigeladenen zu 1 und 2 vorliegt.

a) Die Erstattungsansprüche wurden durch die [X.]eigeladenen zu 1 und 2 hinreichend konkretisiert. Hierfür müssen zumindest die Umstände, die im Einzelfall für die Entscheidung über den Erstattungsanspruch maßgeblich sind, und der Zeitraum, für den die Sozialleistung erbracht wurde, hinreichend konkret mitgeteilt werden (Störmann, in [X.], [X.], § 104 Rz 37). Dies ist vorliegend erfolgt, indem der [X.]eigeladene zu 2 ergänzend zu seinem Schreiben vom 14. März 2008 fernmündlich mitteilte, dass sich sein Erstattungsanspruch auf die Monate März und April 2008 bezieht, und die [X.]eigeladene zu 1 ergänzend zu ihrem Schreiben vom 20. März 2008 fernmündlich erläuterte, dass sie Erstattung für den Zeitraum Dezember 2004 bis Februar 2008 begehrt. Der Einwand der Klägerin, dieser Umstand hätte bereits im "Verwaltungsakt" der [X.]eigeladenen zu 1 (Schreiben vom 20. März 2008) konkret angegeben werden müssen, geht fehl. Mangels eines Über-/Unterordnungsverhältnisses der beiden [X.]ehörden ([X.]eigeladene zu 1 als Vollzugsbehörde des [X.]eigeladenen zu 3 einerseits und Familienkasse andererseits) kommt hier schon der Erlass eines Verwaltungsaktes nicht in [X.]etracht (vgl. [X.]FH-Urteil vom 7. April 2011 III R 88/09, [X.], 1326). Zudem besteht vorliegend kein (gesetzliches) Schriftformerfordernis (vgl. § 104 Abs. 1 [X.]).

b) Die streitigen Erstattungsansprüche wurden auch rechtzeitig geltend gemacht. Erstattungsansprüche nach § 104 [X.] sind spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend zu machen. Der Lauf der Frist beginnt jedoch frühestens zu dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat (Störmann, a.a.[X.], § 104 Rz 37), vorliegend also frühestens ab 10. April 2008 (Erlass des [X.] durch die Familienkasse). Die [X.] war bei Geltendmachung damit noch nicht abgelaufen.

3. Das [X.] hat weiter zutreffend entschieden, dass den [X.]eigeladenen materiell-rechtlich --nach der vom [X.] vorgenommenen Korrektur für den Monat Dezember 2004-- die geltend gemachten Erstattungsansprüche zustehen und die Ansprüche der Klägerin auf Kindergeld deshalb als erfüllt gelten.

a) Das Kindergeld ist, soweit es wie hier der Förderung der Familie dient, eine mit der [X.], den Leistungen nach dem [X.] (§ 2 [X.] i.V.m. § 28 [X.]II) und den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] ([X.]/Sozialgeld) gleichartige Leistung.

Gleichartigkeit setzt voraus, dass die Sozialleistungen für denselben Zeitraum ([X.]FH-Urteil in [X.], 145, [X.] 2013, 19) bestimmt sind wie das Kindergeld (unter aa) und in der Leistungsart dem Kindergeld entsprechen (unter [X.]). Zudem muss eine identische Zweckbestimmung gegeben sein (vgl. [X.]FH-Urteil vom 7. Dezember 2004 VIII R 59/04, [X.] 2005, 864; unter [X.]). Ferner muss das Kindergeld Einkommen des Hilfeempfängers sein (unter dd).

aa) Eine zeitliche Kongruenz der gewährten Sozialleistungen einerseits und des bewilligten Kindergeldes andererseits ist vorliegend gegeben.

[X.]) Da die Sozialleistungen in Geld gewährt wurden, liegt eine mit dem Kindergeld identische Leistungsart vor. Dies gilt auch für die Leistungen nach dem [X.]. Denn § 2 [X.] normiert die entsprechende Anwendung des [X.]II abweichend von den §§ 3 bis 7 [X.] für jene Leistungsberechtigten, die über eine Dauer von 48 Monaten Leistungen nach § 3 [X.] (Sachleistungsprinzip) erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Diese leistungsrechtliche Privilegierung, die nach dem Erhalt der abgesenkten Leistungen über einen Zeitraum von 48 Monaten eintritt, hat zur Folge, dass sogenannte Analogleistungen in entsprechender Anwendung des [X.]II auf dem erhöhten Niveau der Sozialhilfe und als Geldleistungen beansprucht werden können ([X.] in jurisPK-[X.]II, 2. Aufl. 2014, § 2 [X.] Rz 24).

[X.]) Die gewährten Sozialleistungen einerseits und das Kindergeld andererseits entsprechen sich zudem in der Zweckbestimmung.

(1) Das Kindergeld nach §§ 62 ff. [X.] ist, soweit es --wie im [X.] der Familienförderung dient, ebenso wie bis 2004 die [X.] und seit 2005 die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem [X.] dazu bestimmt, die allgemeinen Lebenshaltungskosten zu mindern ([X.]FH-Urteil vom 26. Juli 2012 III R 28/10, [X.], 315, [X.] 2013, 26, m.w.N.).

(2) [X.]ezüglich der Leistungen nach dem [X.] (§ 2 [X.] i.V.m. § 28 [X.]II) ist ebenfalls ein identischer Leistungszweck mit dem Kindergeld gegeben. Mit dem [X.] wurde mit Wirkung ab dem 1. November 1993 ein Gesetz zum Mindestunterhalt für Asylbewerber und bestimmte andere ausländische Staatsangehörige geschaffen, das außerhalb des für [X.] und diesen gleichgestellte ausländische Staatsangehörige geltenden materiellen Rechts deutlich abgesenkte Leistungen und vorrangig Sachleistungen anstelle von Geldleistungen vorsah. Der [X.] [X.]undestag beschloss das Gesetz zur Neuregelung der Leistungen an Asylbewerber vom 30. Juni 1993 ([X.] 1993, 1074) als eine Sonderregelung außerhalb des damaligen [X.]undessozialhilfegesetzes für Leistungen für den notwendigen Lebensunterhalt von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern und ihnen gleichgestellten ausländischen Staatsangehörigen (Urteil des [X.] vom 18. Juli 2012  1 [X.]vL 10/10, 1 [X.]vL 2/11, [X.] 132, 134; [X.] in jurisPK-[X.]II, 2. Aufl. 2014, § 1 [X.] Rz 24).

dd) Des Weiteren setzt die Gleichartigkeit der gewährten Sozialleistungen mit dem bewilligten Kindergeld voraus, dass das Kindergeld dem Einkommen der Hilfeempfängerin, hier der Klägerin, zuzuordnen ist (vgl. [X.]FH-Urteil in [X.], 315, [X.] 2013, 26, m.w.N.). Dies hat das [X.] ebenfalls zutreffend bejaht.

(1) Das für die [X.], [X.] und [X.] bewilligte Kindergeld ist Einkommen der kindergeldberechtigten Klägerin, soweit die Kinder außerhalb der [X.]edarfsgemeinschaft in einem eigenen Haushalt lebten. Denn bei der Anwendung des § 104 [X.] kommt es allein auf die sozialrechtliche Zuweisung des Kindergeldes an ([X.]FH-Urteil vom 22. November 2012 III R 24/11, [X.]FHE 239, 351, [X.] 2014, 32). Das Kindergeld ist sozialrechtlich Einkommen dessen, an den es ausgezahlt wird (Urteil des [X.]undesverwaltungsgerichts vom 17. Dezember 2003  5 [X.] 25/02, [X.] 2005, [X.]eilage 1, 68). Eine abweichende Zuordnung kommt nur dann in [X.]etracht, wenn das Kindergeld nach § 74 Abs. 1 [X.] an die Kinder abgezweigt wird oder diesen zumindest tatsächlich zufließt ([X.]FH-Urteil in [X.], 1833). [X.]eides ist vorliegend bezüglich der [X.] und [X.], die zeitweise bzw. im gesamten streitigen Zeitraum in einem eigenen Haushalt lebten, nicht erfolgt. So wurde nach den für den [X.]FH bindenden Feststellungen des [X.] kein Abzweigungsantrag gestellt. Entgegen der Auffassung der Klägerin genügt ein bloßer möglicher Anspruch auf Abzweigung nicht ([X.]FH-Urteil in [X.], 1833). Da das Kindergeld im Streitfall nicht rechtzeitig festgesetzt worden war, konnte es auch nicht an die Kinder weitergeleitet worden sein (Selder, [X.] 14/2013, [X.]. 5). Zudem setzt ein Weiterleiten an das Kind voraus, dass das Kindergeld so in den [X.] des (volljährigen) Kindes gelangt, dass es zur Existenzsicherung des Kindes, das heißt zur Deckung seiner [X.]edarfe eingesetzt werden kann. Wenn hingegen die [X.]edarfe des Kindes --wie hier zum Teil durch gelegentliche [X.]areinzahlungen der [X.] durch Leistungen Dritter, zum [X.]eispiel von Familienangehörigen, gedeckt werden und das später an diese Dritten ausgezahlte Kindergeld zur Refinanzierung der zuvor von diesen an das Kind erbrachten Leistungen dient, ist dies keine Weiterleitung des Kindergeldes an das Kind ([X.] Landessozialgericht, [X.]eschluss vom 18. Juli 2012 L 3 AS 148/12 [X.] ER, juris).

(2) Das bewilligte Kindergeld ist auch insoweit dem Einkommen der Klägerin zuzuordnen, als die Kinder Teil der [X.]edarfsgemeinschaft waren. Denn für die Erstattungsansprüche ist es --entgegen der Auffassung der [X.] unerheblich, dass die Sozialleistungen auch für die mit der Klägerin in [X.]edarfsgemeinschaft lebenden Kinder erbracht wurden. Hat ein Sozialleistungsträger bedarfsabhängige Sozialleistungen für Eltern und Kinder erbracht, die in einem Haushalt zusammen leben und eine [X.]edarfsgemeinschaft bilden, so steht ihm ein Anspruch auf Erstattung des nachträglich festgesetzten Kindergeldes zu. In diesem Falle ist unerheblich, dass es sich bei dem Kindergeld aus sozialrechtlicher Sicht um Einkommen des kindergeldberechtigten Elternteils handelt. Kindergeld ist in diesem Falle sozialhilferechtlich vorrangig zur [X.]edarfsdeckung einzusetzen, sei es bei dem das Kindergeld beziehenden Elternteil selbst oder bei den Kindern (vgl. [X.]FH-Urteil in [X.], 315, [X.] 2013, 26). Diese Rechtsprechungsgrundsätze sind auf den vorliegenden Fall anwendbar, da es sich auch bei den Leistungen nach dem [X.] (§ 2 [X.] i.V.m. § 28 [X.]II) um bedarfsabhängige Leistungen für den notwendigen Lebensunterhalt handelt.

(3) Diesem Ergebnis stehen --entgegen der Auffassung der Klägerin und wie das [X.] zutreffend festgestellt [X.] auch nicht die [X.]FH-Urteile in [X.], 1326, in [X.], 1833 und vom 17. April 2008 III R 33/05 ([X.]FHE 221, 47, [X.] 2009, 919) entgegen. Der [X.]FH hat in diesen Fällen entschieden, dass dem Sozialhilfeträger in der Regel kein Anspruch auf Erstattung von nachträglich festgesetztem Kindergeld zusteht, wenn er einem im eigenen Haushalt lebenden Kind [X.] geleistet hat, weil das Kindergeld zum Einkommen des anspruchsberechtigten Elternteils gehört. Daraus lässt sich jedoch nicht folgern, dass ein Erstattungsanspruch auch dann ausgeschlossen ist, wenn der Kindergeldberechtigte mit seinem Ehegatten und seinen Kindern in einem Haushalt lebt, alle Personen bedarfsorientierte Sozialleistungen erhalten und daher eine sozialhilferechtliche [X.]edarfsgemeinschaft bilden. Denn für den Anspruch auf Sozialhilfe ist dann allein entscheidend, welchen [X.]edarf die der [X.]edarfsgemeinschaft angehörenden Personen haben und welches Einkommen ihnen anrechenbar zur [X.]edarfsdeckung zur Verfügung steht ([X.]FH-Urteil in [X.], 315, [X.] 2013, 26).

b) Die [X.] nach dem [X.]undessozialhilfegesetz, die Leistungen nach dem [X.] (§ 2 [X.] i.V.m. § 28 [X.]II) und die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] ([X.]/Sozialgeld) sind gegenüber dem Anspruch auf Kindergeld gemäß §§ 62 ff. [X.] nachrangige Leistungen, da der Sozialleistungsträger --hier die [X.]eigeladenen zu 1 und 2-- bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung der Familienkasse selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre (§ 104 Abs. 1 Satz 2 [X.]). [X.] und Grundsicherungsleistungen werden bedarfsorientiert gewährt (Störmann, a.a.[X.], § 104 Rz 23); der Sozialleistungsträger wäre bei rechtzeitiger Zahlung des Kindergeldes insoweit nicht selbst zur Leistung verpflichtet (§ 2 [X.]SHG, § 11 Abs. 1 [X.]), da das Kindergeld bei der Ermittlung der [X.] nach § 76 [X.]SHG und bei der Grundsicherung nach § 19 Satz 3 und § 28 Abs. 2 [X.] als Einkommen anzurechnen ist ([X.]FH-Urteil in [X.], 315, [X.] 2013, 26). Der Nachrang der Sozialhilfe gilt für das [X.] entsprechend ([X.] in jurisPK-[X.]II, 2. Aufl. 2014, § 2 [X.] Rz 125).

4. Nach diesen Grundsätzen kam das [X.] zutreffend zu dem Ergebnis, dass der Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO) insoweit rechtmäßig war, als die geltend gemachten Erstattungsansprüche --nach der vom [X.] vorgenommenen Korrektur für den Monat Dezember 2004-- der [X.]eigeladenen wegen der von ihnen erbrachten Sozialleistungen bestehen und die Ansprüche der Klägerin auf Kindergeld daher als erfüllt gelten (§ 107 Abs. 1 [X.]).

Meta

VI R 15/12

05.06.2014

Bundesfinanzhof 6. Senat

Beschluss

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 31. Januar 2012, Az: 12 K 326/09, Urteil

§ 74 Abs 2 EStG 2002, § 2 AsylbLG, § 9 AsylbLG, § 104 Abs 1 SGB 10, § 104 Abs 2 SGB 10, § 107 Abs 1 SGB 10, § 2 BSHG, § 11 Abs 1 BSHG, § 76 BSHG, § 19 SGB 2, § 28 SGB 2, § 28 SGB 12, § 218 Abs 2 AO, § 74 Abs 1 EStG 2002, EStG VZ 2005, EStG VZ 2006, EStG VZ 2007, EStG VZ 2008

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 05.06.2014, Az. VI R 15/12 (REWIS RS 2014, 4989)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4989

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(Keine Aufhebung eines Beiladungsbeschlusses im Revisionsverfahren - Beizuladender im Rahmen der Prüfung eines Erstattungsanspruchs nach …


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Wird zitiert von

6 K 2194/17

B 8 SO 13/17 R

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