Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.04.2003, Az. StB 4/03

3. Strafsenat | REWIS RS 2003, 3365

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[X.] AR 266/03 StB 4/03vom25. April 2003in dem Strafvollstreckungsverfahrengegenwegen geheimdienstlicher Agententätigkeit u. [X.] 2 -Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und der Beschwerdeführerin am 25. April 2003 gemäß § 454 Abs. 3Satz 1, § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 5 StPO [X.] Auf die sofortige Beschwerde der Verurteilten wird derBeschluß des [X.] in [X.] vom [X.] Die Vollstreckung der Reste der Freiheitsstrafen ausdem [X.] des [X.] in[X.] vom 25. März 1998 - (1 a) 1 [X.] 24/94 (21/96) -und dem Urteil des [X.] vom 24. Fe-bruar 2000 - 137-779/98 3101 [X.] - wird zur [X.] ausgesetzt.Die Bewährungszeit beträgt drei Jahre.Die Verurteilte wird für die Dauer der Bewährungszeitder Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers un-terstellt.Sie hat jeden Wechsel ihres Wohnsitzes dem für [X.] zuständigen Gericht im voraus mit-zuteilen.Sie hat jede Kontaktaufnahme zu Frau B. , zu [X.] -3. Die Belehrung über die Strafaussetzung zur Bewährungwird der Vollzugsanstalt übertragen.4. Die Kosten des Rechtsmittels und die dadurch entstan-denen notwendigen Auslagen der Verurteilten hat [X.] zu tragen.Gründe:Das [X.] hat gegen die Verurteilte am 6. Februar 1997 wegengeheimdienstlicher Agententätigkeit eine Freiheitsstrafe von einem Jahr ver-hängt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Danach hat dasAmtsgericht [X.]-Tiergarten gegen die Verurteilte am 5. Juni 1997 wegenBeleidigung in drei Fällen auf eine Gesamtgeldstrafe von 40 Tagessätzen undam 19. September 1997 wegen gefährlicher Körperverletzung auf eine zur [X.] ausgesetzte Freiheitsstrafe von drei Monaten erkannt. Aus den Ein-zelstrafen dieser drei Verurteilungen hat das [X.] mit Beschluß vom25. März 1998 nachträglich eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und dreiMonaten gebildet und deren Vollstreckung ebenfalls zur Bewährung ausge-setzt. Schließlich hat das [X.] gegen die Verurteilte [X.] Februar 2000 wegen vorsätzlicher Körperverletzung "in maximal 40 [X.] in vier Fällen in Tateinheit mit Beleidigung eine Gesamtfreiheitsstrafevon neun Monaten ausgesprochen. Daraufhin ist die Strafaussetzung zur [X.] aus dem Beschluß vom 25. März 1998 vom [X.] widerrufenworden. Die Verurteilte hat bis 1. März 2003 die Gesamtfreiheitsstrafen aus- 4 -dem Urteil des [X.] vom 24. Februar 2000 und dem Ge-samtstrafenbeschluß des [X.] vom 25. März 1998 zu zwei Drittelnverbüßt. Mit Beschluß vom 3. März 2003 hat es das [X.] abgelehnt,die Vollstreckung der beiden Restfreiheitsstrafen zur Bewährung auszusetzen.Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Verurteilten. Das [X.] hat Erfolg.Das [X.] ist - unter weitgehender Bezugnahme auf seinen [X.] versagenden Beschluß vom 15. Januar 2003 - der [X.], es könne unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen der [X.] nicht verantwortet werden, die Vollstreckung der beiden [X.]ezur Bewährung auszusetzen (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB). Zwar sei [X.], der sich erstmals im Strafvollzug befinde, im allgemeinen davonauszugehen, daß der Vollzug ihn beeindruckt habe und der Begehung weitererStraftaten entgegenwirke. Ein kritischerer Maßstab sei aber dann anzulegen,wenn der Verurteilte bereits einmal bewährungsbrüchig geworden sei. In [X.] setze eine günstige Prognose das Vorhandensein von Tatsachen [X.], die es überwiegend wahrscheinlich machen, daß der Verurteilte die kriti-sche Probe in Freiheit wirklich bestehe. Hierzu müsse der Verurteilte Tatsa-chen schaffen, die seine Befähigung auswiesen, künftigen [X.] zu wi-derstehen. Dazu zähle etwa die Beseitigung von Defiziten im Sozialverhalten,vor allem aber die Behebung von tatursächlichen Persönlichkeitsmängeln, wiesie bei der Verurteilten im Urteil des [X.] in Form einer nar-zißtischen Persönlichkeitsstörung festgestellt seien. Hieran fehle es. Die Ver-urteilte sei bisher nicht bereit gewesen, sich mit ihrem kriminellen Verhaltennachhaltig auseinanderzusetzen und dieses aufzuarbeiten. Ebensowenig [X.] sich mit ihrer Lebensgeschichte sowie ihren Persönlichkeitsmängeln be-- 5 -schäftigt und etwa Strategien entwickelt, mit kränkenden Erfahrungen [X.] in der Vergangenheit und vor allem auf legale Weise umzugehen. [X.] das einmalige, nach dem Beschluß vom 15. Januar 2003 mit der [X.] geführte Gespräch nicht. Auch sei sie nicht bereit, vor [X.] aus der Strafhaft das künftige Verhältnis zu ihrem Ehemann zu klären.Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, daß die Verurteilte psy-chisch hinreichend stabilisiert sei, um - vor allem in von ihr als kränkend emp-fundenen Situa-tionen - nicht erneut straffällig zu werden.Diese Beurteilung vermag der [X.] nicht zu teilen. Das [X.]hat wesentliche Gesichtspunkte, die gemäß § 57 Abs. 1 Satz 2 StGB bei [X.] über die Aussetzung des Vollzugs der [X.] beachten sind, nicht mit dem ihnen zukommenden Gewicht in seine Bewer-tung einbezogen und daher letztlich überspannte Anforderungen an eine [X.] Prognoseentscheidung im Sinne des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB ge-stellt.Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des [X.]. [X.] der Verurteilte erstmals eine Freiheitsstrafe und gibt seine Führung wäh-rend des Vollzugs keinen Anlaß zu gewichtigen Beanstandungen, so kann [X.] (s. aber auch § 454 Abs. 2 StPO) davon ausgegangen werden, daßdie Strafe ihre spezialpräventiven Wirkungen entfaltet hat und es verantwortbarist, den [X.] zur Bewährung auszusetzen (vgl. [X.]/[X.], StGB 51.Aufl. § 57 Rdn. 12). Soweit das [X.] in Fällen, in denen der erstma-ligen [X.] bereits ein [X.] vorausgegangen ist, [X.] generell einen engeren Beurteilungsmaßstab anlegen will und das- 6 -Vorliegen zusätzlicher Tatsachen verlangt, die eine künftige straffreie Führungdes Verurteilten "überwiegend wahrscheinlich machen", kann der [X.] [X.] nicht in dieser Allgemeinheit folgen.Im Gegensatz zu § 56 Abs. 1 StGB stellt die nach § 57 Abs. 1 Satz 1Nr. 2 StGB zu treffende Prognoseentscheidung nicht auf die Erwartung ab, [X.] werde ohne die Einwirkung - weiteren - Strafvollzugs keine Strafta-ten mehr begehen. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Haftentlassung verantwortetwerden kann. Dieser unterschiedliche Maßstab beruht darauf, daß der Verur-teilte die gegen ihn verhängte Strafe bereits teilweise als Freiheitsentzug erlit-ten hat und im Strafvollzug resozialisierend auf ihn eingewirkt worden ist ([X.]/[X.], StGB 26. Aufl. § 57 Rdn. 10). Entscheidend für die Pro-gnose nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB ist demgemäß eine Abwägung zwi-schen den zu erwartenden Wirkungen des erlittenen Strafvollzugs für daskünftige Leben des Verurteilten in Freiheit einerseits und den Sicherheitsinter-essen der Allgemeinheit andererseits. Isolierte Aussagen über die Wahr-scheinlichkeit künftiger Straflosigkeit des Verurteilten sind daher wenig hilf-reich. Vielmehr muß stets der Bezug zu den Sicherheitsinteressen der Allge-meinheit im Auge behalten werden. Dies bedeutet, daß je nach der Schwereder Straftaten, die vom Verurteilten nach Erlangung der Freiheit im Falle eines[X.]s zu erwarten stünden (vgl. § 57 Abs. 1 Satz 2 StGB), unter-schiedliche Anforderungen an das Maß der Wahrscheinlichkeit für ein [X.] strafloses Leben der Verurteilten zu stellen sind ([X.] aaO Rdn. 15). [X.] muß berücksichtigt werden, inwieweit einem Rückfallrisiko durch [X.] Weisungen (§ 57 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 i. V. m. §§ 56 b, 56 c StGB) ent-gegengewirkt werden kann ([X.] aaO Rdn. 14). Das Gewicht der bei einemRückfall drohenden Rechtsgutsverletzung wird im Regelfall wiederum nach Art- 7 -und Schwere der Straftaten zu beurteilen sein, die der Verurteilte bereits be-gangen hat. All dies hat das [X.] nicht ausreichend in den Blick ge-nommen.Die Bestrafung der Verurteilten wegen geheimdienstlicher Agententätig-keit beruhte auf ihrer Zusammenarbeit mit dem Ministerium der Staatssicher-heit der ehemaligen [X.]. Es muß nicht ernsthaft befürchtet werden, daß [X.] zukünftig für einen anderen Geheimdienst erneut in gleicher [X.] werden könnte. Hiervon geht auch das [X.] aus. Damit be-schränkt sich die von § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB geforderte Prognose aufdie Frage, ob zu erwarten steht, daß die Wirkungen des Strafvollzugs die Ver-urteilte von weiteren Beleidigungs- und Körperverletzungsdelikten abhaltenwerden und welche Delikte dieser Art zu erwarten stünden, falls die [X.] würde; denn Anhaltspunkte dafür, daß die Verurteilte in sonstigerWeise straffällig werden könnte, bestehen nicht.Die von ihr begangenen [X.] dadurch gekennzeichnet, daß sie aus familiären Konfliktsituationenentstanden sind. Den Urteilen des Amtsgerichts [X.]-Tiergarten vom [X.] 19. September 1997 liegen Taten der Verurteilten gegen ihren zwischen-zeitlich verstorbenen Schwiegervater bzw. einen Bekannten des Schwiegerva-ters zugrunde, die ihre Wurzel in Erbstreitigkeiten hatten. Die gefährliche Kör-perverletzung bestand in Schlägen, die die Verurteilte ihrem Schwiegervatermit einem Regenschirm versetzte. Bei den vom [X.] abgeur-teilten Taten handelte es sich um "Telefonterror" der Verurteilten gegen [X.] ihres Ehemannes und deren Mutter, der bei diesen zu gesundheitli-chen Schäden führte. Diese Taten der Verurteilten sind nicht der schwereren- 8 -Kriminalität zuzurechnen. Sie hat die erstmalige Strafhaft - überwiegend im [X.] - ohne besondere Beanstandungen durchlaufen und auch die ihr gewähr-ten Haftlockerungen nicht mißbraucht. Daß der Vollzug seine resozialisieren-den Wirkungen entfaltet hat, liegt demnach nahe. Demgegenüber rechtfertigtes die narzißtische Persönlichkeit der Verurteilten nicht, die Aussetzung [X.] der [X.]e zur Bewährung zu versagen. Hierbei ist zu [X.], daß im Urteil des [X.] eine erhebliche Verminderungder Steuerungsfähigkeit der Verurteilten aufgrund dieser Persönlichkeitsstö-rung lediglich in Anwendung des [X.] angenommen wurde. Die übri-gen Urteile erwähnen eine derartige Störung nicht. Sie darf demgemäß nichtüberbewertet und isoliert von den Wirkungen des Strafvollzugs betrachtet wer-den.Da die Taten der Verurteilten aus spezifischen Konfliktsituationen er-wachsen sind und keine Anzeichen dafür bestehen, daß im Falle eines Bewäh-rungsbruchs schwerwiegendere Taten zu erwarten stünden, überspannt das[X.] daher die Anforderungen, wenn es allein wegen des [X.] vor der [X.] die Aussetzung des Vollzugs der Straf-reste zur Bewährung davon abhängig macht, daß sich die Verurteilte aktiv [X.] Bewältigung ihrer Persönlichkeitsdefizite bemüht oder gar ihre Ehepro-bleme noch vor einer Entlassung aus der Haft löst. Vielmehr können die [X.] Rückfallrisiken durch die Bestellung eines Bewährungshelfers (§ 57Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1, § 56 d StGB) und die Weisung an die Verurteilte, jedeKontaktaufnahme zu der - ehemaligen - Geliebten ihres Ehemannes zu unter-lassen (§ 57 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1, § 56 c Abs. 2 Nr. 3 StGB), so weit einge-- 9 -dämmt werden, daß auch unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen [X.] die bedingte Haftentlassung verantwortet werden kann.[X.] Becker

Meta

StB 4/03

25.04.2003

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.04.2003, Az. StB 4/03 (REWIS RS 2003, 3365)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 3365

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