Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.01.2019, Az. II ZR 394/17

2. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 11508

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Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 22. Zivilsenats des [X.] vom 20. April 2017 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte, eine Aktiengesellschaft, schloss am 18. September 2013 mit der Klägerin und der [X.] einen "[X.]" über deren Geschäftsanteile an der [X.] Der von der [X.] zu leistende Kaufpreis setzte sich jeweils aus einem Basiskaufpreis von 200.000 € sowie weiteren, u.a. von betrieblichen Kennzahlen abhängigen Kaufpreiskomponenten I bis III zusammen. Nach der [X.] sollten der Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Klägerin [X.] und der Geschäftsführer und Alleingesellschafter der [X.].    eine Führungsposition bei der [X.] oder einem mit ihr verbundenem Unternehmen übernehmen. Die Abtretung der Geschäftsanteile war nach den vertraglichen Vereinbarungen u.a. durch den Abschluss von [X.] der [X.] mit [X.]und [X.]     aufschiebend bedingt, die ihrerseits wiederum nur bei [X.] Zahlung des Basiskaufpreises in [X.] treten sollten. Bei Abschluss des [X.] wurde die Beklagte durch einen Bevollmächtigten ihres Vorstands vertreten.

2

Ebenfalls am 18. September 2013 wurde in einer Aufsichtsratssitzung der [X.] die Bestellung von [X.]und [X.]      zu Vorständen der [X.] beschlossen und der Aufsichtsratsvorsitzende [X.]     ermächtigt, die [X.] zu den in vorgelegten Vertragsentwürfen festgehaltenen Konditionen abzuschließen. Die Unterzeichnung der [X.] fand noch am selben Tag statt.

3

Die Klägerin nimmt die Beklagte im Wege des [X.] auf Zahlung der [X.] in Höhe von 42.500 € in Anspruch. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg.

4

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.

I.

6

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:

7

Unabhängig davon, ob die Klägerin die zur Begründung ihres Anspruchs erforderlichen Tatsachen hinreichend im Sinne von § 592 ZPO nachgewiesen habe, sei die Klage jedenfalls deshalb unbegründet, weil der Geschäftsanteilskaufvertrag vom 18. September 2013 unter Verstoß gegen § 112 Satz 1 [X.] zustande gekommen sei. § 112 Satz 1 [X.] sei anwendbar, weil ein Rechtsgeschäft der [X.] mit einer juristischen Person, die wirtschaftlich mit einem Vorstandsmitglied identisch sei, einem Geschäft mit dem Vorstandsmitglied selbst wegen der Parallelität der Interessenlage gleichstehe. Eine solche wirtschaftliche Identität bestehe im vorliegenden Fall, in dem das Vorstandsmitglied Alleingesellschafter und Geschäftsführer der juristischen Person sei. Unstreitig sei der Alleingesellschafter und einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Klägerin D.     am 18. September 2013 wirksam zum Vorstandsmitglied der [X.] bestellt worden. Ob diese Bestellung zeitlich vor oder nach der Beurkundung des [X.] am 18. September 2013 erfolgt sei, sei unerheblich, weil ein "werdendes Vorstandsmitglied", dessen Bestellung zeitlich so nah an dem zu beurteilenden Rechtsgeschäft liege, einem bereits bestellten Vorstandsmitglied gleichzustellen sei. Unerheblich sei auch, ob der [X.] mangels Eintritts der darin vereinbarten aufschiebenden Bedingungen keine Wirksamkeit erlangt habe, weil es allein auf die Wirksamkeit der Bestellung ankomme. Keiner Entscheidung bedürfe zudem, ob der Verstoß gegen § 112 [X.] die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts gemäß § 134 [X.] zur Folge habe, oder das Rechtsgeschäft gemäß §§ 177 ff. [X.] schwebend unwirksam und genehmigungsfähig sei, weil es jedenfalls an einer Genehmigung des [X.] durch den Aufsichtsrat fehle.

II.

8

Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.

9

1. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass § 112 Satz 1 [X.] im vorliegenden Fall anwendbar ist.

a) Entgegen der Ansicht der Revision ist § 112 Satz 1 [X.] nicht nur bei Rechtsgeschäften der [X.] anwendbar, die mit dem Vorstandsmitglied selbst geschlossen werden, sondern auch bei Rechtsgeschäften mit einer [X.], deren alleiniger [X.]er ein Vorstandsmitglied ist.

aa) Der [X.] hat die Frage, ob § 112 Satz 1 [X.] erweiternd dahingehend auszulegen ist, dass der Aufsichtsrat die [X.] auch gegenüber [X.]en vertritt, in denen ein Vorstandsmitglied maßgeblichen Einfluss hat, bislang offengelassen (vgl. [X.], Urteil vom 12. März 2013 - [X.], [X.]Z 196, 312 Rn. 9; Urteil vom 28. April 2015 - [X.], [X.], 1220 Rn. 32).

bb) In Literatur und obergerichtlicher Rechtsprechung werden hierzu unterschiedliche Auffassungen vertreten.

Eine Ansicht hält § 112 Satz 1 [X.] im Hinblick auf den Schutzzweck der Regelung, eine unbefangene Interessenwahrnehmung der [X.] sicherzustellen, bereits bei einer maßgeblichen Beteiligung oder beherrschendem Einfluss eines Vorstandsmitglieds in der anderen [X.] ([X.] in [X.]/Stilz, [X.], 2. Aufl., § 112 Rn. 8, anders aber in der 3. Aufl.; [X.], [X.] 2007, 801, 802 ff.; [X.], [X.] 2005, 193, 216; weitergehend [X.], Festschrift [X.], 2011, S. 855, 860 ff.).

Nach anderer Meinung ist § 112 Satz 1 [X.] dagegen aus Gründen der Klarheit im Rechtsverkehr und der Kompetenzverteilung zwischen Geschäftsführungs- und Kontrollorgan grundsätzlich eng auszulegen und selbst eine maßgebliche Beteiligung oder ein beherrschender Einfluss eines Vorstandsmitglieds an der anderen [X.] nicht ausreichend. Eine Ausnahme soll jedoch nach Sinn und Zweck der Regelung und zur Verhinderung von Umgehungsgeschäften bei einer (restriktiv zu verstehenden) wirtschaftlichen Identität eines Vorstandsmitglieds mit dem Vertragspartner (bzw. vertretenen [X.]) gelten, die insbesondere oder aber jedenfalls bei einer Ein-Personen-[X.] des Vorstandsmitglieds gegeben sei ([X.], [X.], 2205, 2206 und [X.], 822, 824; [X.], AG 2015, 428 Rn. 36; [X.], [X.], 41, 42; [X.]/ Tomasic in [X.], [X.], § 112 Rn. 6; [X.], [X.]., § 112 Rn. 3; [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 112 Rn. 4; [X.]/[X.] in KK-[X.], 3. Aufl., § 112 Rn. 18; MünchKomm[X.]/[X.], 4. Aufl., § 112 Rn. 9; [X.] in [X.], [X.], 3. Aufl., § 112 Rn. 11 f.; [X.] in [X.]/Stilz, [X.], 3. Aufl., § 112 Rn. 9; [X.], [X.] 1989, 369, 373; [X.], [X.], 691; [X.][X.], [X.], 1853, 1856).

Eine dritte Auffassung lehnt hingegen jede Ausweitung von § 112 Satz 1 [X.] über den Gesetzeswortlaut hinaus insbesondere aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sowie unter Hinweis auf die gesetzliche Kompetenzverteilung ab ([X.], [X.], 1024, 1025 f.; [X.]/[X.] in Großkomm. [X.], 4. Aufl., § 112 Rn. 43; [X.], [X.] 2002, 297, 300 ff., aA aber "aus pragmatischen Gründen" in [X.] 2009, 131, 154; [X.], [X.] 2013, 668, 679 ff.; [X.], AG 2015, 151, 153).

cc) Der letztgenannten Ansicht ist nicht zu folgen. § 112 Satz 1 [X.] ist jedenfalls dann in erweiternder Auslegung anwendbar, wenn die [X.] ein Rechtsgeschäft mit einer [X.] abschließt, deren Alleingesellschafter ein Vorstandsmitglied ist. Ob die Vorschrift darüber hinaus auch dann eingreift, wenn das Vorstandsmitglied nicht Alleingesellschafter der anderen [X.] ist, sondern nur maßgeblichen Einfluss in ihr hat, bedarf hier keiner Entscheidung.

(1) Seinem Wortlaut nach gilt § 112 Satz 1 [X.] allerdings nur für die Vertretung der [X.] gegenüber dem Vorstandsmitglied selbst.

Den Gesetzesmaterialien lassen sich weder Anhaltspunkte für noch gegen eine erweiternde Auslegung des Begriffs des "Vorstandsmitglieds" im Sinne von § 112 [X.] entnehmen. Nach der Begründung des [X.] (abgedruckt bei [X.], Aktiengesetz 1965, [X.]) sollten mit der Neuregelung des § 112 [X.] Zweifel und Auslegungsschwierigkeiten der bisherigen Regelung in § 37 [X.] beseitigt werden, nach der bei Rechtsgeschäften mit Vorstandsmitgliedern auch der Vorstand neben dem Aufsichtsrat [X.] war und die [X.] bei Passivprozessen mit einem Vorstandsmitglied ebenfalls nicht ausschließlich durch den Aufsichtsrat vertreten wurde. Die Frage, wie weit der Begriff des Vorstandsmitglieds in § 112 Satz 1 [X.] zu verstehen sei, war damit nicht Gegenstand der Neuregelung.

(2) Dass es sich in systematischer Hinsicht bei § 112 Satz 1 [X.] um eine von wenigen gesetzlichen Ausnahmen von der ausschließlichen Vertretungsmacht des Vorstands (§ 78 Abs. 1 [X.]) handelt, mag zwar für eine enge Auslegung der Vorschrift sprechen, schließt ihre Erweiterung über den Wortlaut hinaus auf Fälle, die in ihren Schutzbereich fallen, aber nicht grundsätzlich aus (vgl. [X.], [X.] 2007, 801, 803).

Gegen eine erweiterte Anwendung der Vorschrift auf [X.] eines Vorstandsmitglieds spricht auch nicht, dass § 112 Satz 1 [X.] im Unterschied zu §§ 89, 115 [X.], die eine ausdrückliche Erweiterung des Zustimmungsvorbehalts des Aufsichtsrats auf verschiedene Umgehungssachverhalte enthalten, keine gesonderte Regelung für Umgehungstatbestände enthält. Das allein lässt nicht den Schluss zu, der Gesetzgeber habe bei § 112 [X.] bewusst von der Einbeziehung von [X.] absehen und diesbezüglich mit §§ 89, 115 [X.] abschließende Regelungen für mögliche Interessenkollisionen bei Vorstandsmitgliedern treffen wollen. Ein bewusstes Absehen des Gesetzgebers von einem Umgehungsschutz kann regelmäßig nicht angenommen werden (vgl. [X.], Urteil vom 15. Januar 1990 - [X.], [X.]Z 110, 47, 55 f.; Urteil vom 3. Juli 2006 - [X.], [X.]Z 168, 188 Rn. 11 zu § 114 ZPO). Gegenteiliges ist auch hier weder der Begründung des [X.] zu § 112 [X.], noch zu § 89 und § 115 [X.] (abgedruckt bei [X.], Aktiengesetz 1965, [X.] ff., 156, 159 f.) zu entnehmen.

Für eine Erweiterung des Anwendungsbereichs auf Verträge mit einer Ein-Personen-[X.] eines Vorstandsmitglieds spricht, dass sich auch in zahlreichen anderen Bereichen des [X.]srechts die Gleichstellung einer besonderen gesellschaftsrechtlichen Bindung unterliegenden Person mit einem Unternehmen, an dem sie maßgeblich beteiligt ist, findet, so z.B. im Rahmen des § 62 [X.] (vgl. z.B. [X.] in Großkomm. [X.], 4. Aufl., § 62 Rn. 22), der §§ 30 f. GmbHG sowie des Rechts des Eigenkapitalersatzes (vgl. [X.], Urteil vom 21. September 1981 - [X.], [X.]Z 81, 311, 315; Urteil vom 21. Juni 1999 - [X.], [X.], 1315), wobei es nicht entscheidend darauf ankommt, ob es sich um eine Analogie oder um eine an Sinn und Zweck der Norm orientierte Gesetzesauslegung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten handelt (vgl. [X.], Urteil vom 3. Juli 2006 - [X.], [X.]Z 168, 188 Rn. 11). Des Weiteren ist im Bereich von § 136 [X.] anerkannt, dass ein Stimmrechtsausschluss auch dann anzunehmen ist, wenn die Stimmrechte durch eine [X.] ausgeübt werden, auf die ein Organmitglied maßgeblichen Einfluss ausüben kann (vgl. [X.], Urteil vom 29. Januar 1962 - [X.], [X.]Z 36, 296, 299; [X.], 385, 391), und es gelten die §§ 113, 114 [X.] nach der Rechtsprechung des [X.]s auch dann, wenn die Aktiengesellschaft einen Beratungsvertrag mit einem Unternehmen schließt, an dem ein Aufsichtsratsmitglied - nicht einmal notwendig beherrschend - beteiligt ist (vgl. [X.], Urteil vom 3. Juli 2006 - [X.], [X.]Z 168, 188 Rn. 11; Urteil vom 20. November 2006 - [X.], [X.]Z 170, 60 Rn. 8 ff.; Urteil vom 2. April 2007 - [X.], [X.], 1056 Rn. 11).

(3) Für eine entsprechende Erweiterung des Anwendungsbereichs spricht insbesondere der Schutzzweck der Norm. § 112 Satz 1 [X.] soll Interessenkollisionen vorbeugen und eine unbefangene, von sachfremden Erwägungen unbeeinflusste Vertretung der [X.] gegenüber Vorstandsmitgliedern sicherstellen. Dabei ist es im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ausreichend, dass aufgrund der gebotenen und typisierenden Betrachtung in den von § 112 Satz 1 [X.] geregelten Fällen regelmäßig die abstrakte Gefahr einer nicht unbefangenen Vertretung der [X.] vorhanden ist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 1995 - [X.], [X.]Z 130, 108, 111 f.; Urteil vom 16. Februar 2009 - [X.], [X.], 717 Rn. 7 mwN).

Hierbei kann es keinen entscheidenden Unterschied machen, ob das Vorstandsmitglied einen Vertrag im eigenen Namen mit der [X.] abschließt, oder ob Vertragspartner der [X.] eine [X.] ist, deren alleiniger [X.]er das Vorstandsmitglied ist. In diesem Fall wirtschaftlicher Identität sind das Vorstandsmitglied und die ihm gehörende [X.], die letztlich nur einen organisatorisch verselbständigten Teil seines Vermögens darstellt (vgl. [X.], [X.] 2005, 193, 216), gleichzusetzen. Wirtschaftlich unterscheidet sich die Situation nicht von dem von § 112 Satz 1 [X.] eindeutig erfassten Fall, dass das Vorstandsmitglied für eine ihm gehörende Einzelfirma auftritt (vgl. [X.], [X.] 1989, 369, 374). In beiden Fällen besteht gleichermaßen die Gefahr der Befangenheit des Vorstands, da jede Entscheidung automatisch ersichtlich direkt auch die persönlichen wirtschaftlichen Interessen eines der Vorstandsmitglieder betrifft. Ohne Einbeziehung der Ein-Personen-[X.] eines Vorstandsmitglieds wäre dagegen einer Umgehung des § 112 Satz 1 [X.] und des von ihm bezweckten Schutzes der Interessen der [X.] durch Einschaltung einer solchen [X.] Tür und [X.] geöffnet.

(4) Der Senat verkennt nicht, dass § 112 Satz 1 [X.] auch der Sicherheit und Klarheit im Rechtsverkehr dienen soll (so die Begründung des [X.], [X.], Aktiengesetz 1965, [X.]). Auch das steht der Erweiterung des Anwendungsbereichs der Vorschrift jedenfalls auf [X.] nicht entgegen.

Ob eine Ein-Personen-[X.] gegeben ist, wird sich in der Regel unschwer feststellen lassen (vgl. [X.] in [X.], [X.], 3. Aufl., § 112 Rn. 11). Auch der Aktiengesellschaft dürfte in der Regel bekannt sein, wenn ihr Vertragspartner nur einen [X.]er hat und es sich hierbei um eines ihrer Vorstandsmitglieder handelt, zumal das Vorstandsmitglied zum angemessenen Umgang mit Interessenkonflikten verpflichtet ist und im Hinblick auf § 88 Abs. 1 [X.] die [X.] über den Betrieb einer Ein-Personen-[X.] ins Bild zu setzen hat (vgl. [X.][X.], [X.], 1853, 1856).

Ob dies aus Gründen der Rechtssicherheit anders zu beurteilen ist, wenn das Vorstandsmitglied nicht Alleingesellschafter, sondern nur maßgeblich oder beherrschend an der anderen [X.] beteiligt ist, bedarf im vorliegenden Fall, in dem das Vorstandsmitglied Alleingesellschafter der anderen [X.] ist, keiner Entscheidung. Gleiches gilt für die weiter von der Revision aufgeworfene Frage, ob ein unter § 112 Satz 1 [X.] zu fassender Fall "wirtschaftlicher Identität" auch dann anzunehmen ist, wenn das Vorstandsmitglied nur über sämtliche Vermögens-, nicht aber auch über sämtliche Verwaltungsrechte verfügt oder aber nur eine mittelbare Treuhandbeteiligung vorliegt.

(5) Auch der Einwand, eine Erweiterung des § 112 Satz 1 [X.] über seinen Wortlaut hinaus stelle einen ungerechtfertigten Eingriff in das gesetzliche Kompetenzgefüge dar und gehe deutlich über die dem Aufsichtsrat nach § 111 Satz 1 [X.] zukommende Überwachungs- und Kontrollfunktion hinaus (vgl. [X.]/[X.] in Großkomm. [X.], 3. Aufl., § 112 Rn. 43; [X.], [X.] 2002, 297, 301), gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Zutreffend ist, dass bei der Erweiterung des § 112 Satz 1 [X.] auf [X.] ein Widerspruch zu § 111 Abs. 4 Satz 1 [X.] entsteht, da dem Aufsichtsrat danach keine Maßnahmen der Geschäftsführung übertragen werden können. Dieser Widerspruch ist aber in § 112 Satz 1 [X.] angelegt und in Abwägung mit der andernfalls eröffneten Möglichkeit einer Umgehung der Norm und ihres Schutzzwecks hinzunehmen (vgl. [X.] in [X.], [X.], 3. Aufl., § 112 Rn. 11; [X.][X.], [X.], 1853, 1856).

(6) Schließlich lässt sich gegen eine Erweiterung des § 112 Satz 1 [X.] auch nicht einwenden, der Schutz vor Umgehungen in Fällen wirtschaftlicher Identität lasse sich hinreichend durch eine vertragliche Verpflichtung des einzelnen Vorstandsmitglieds zur Aufklärung über einen Interessenkonflikt und durch einen allgemeinen Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 4 Satz 2 [X.] für Geschäfte mit dem Vorstand nahestehenden Personen oder [X.]en sicherstellen (so [X.]/[X.] in Großkomm. [X.], 3. Aufl., § 112 Rn. 43; [X.], [X.] 2013, 668, 684 f.; ferner Hambloch-Gesinn/Gesinn in [X.], [X.], 3. Aufl., § 112 Rn. 7). Beide Möglichkeiten haben nicht die gleiche Wirkung wie § 112 Satz 1 [X.], durch den - unabhängig davon, ob ein Verstoß gegen § 112 Satz 1 [X.] zur Nichtigkeit des betroffenen Rechtsgeschäfts oder nur zur Anwendung der §§ 177 ff. [X.] führt - gewährleistet ist, dass das Geschäft jedenfalls nicht ohne Genehmigung des Aufsichtsrats im Außenverhältnis wirksam wird.

Entsprechendes gilt für den Hinweis auf einen Schutz durch die Regeln über den Missbrauch der Vertretungsmacht, durch Schadensersatzansprüche gemäß § 93 [X.] oder, in besonders gravierenden Fällen, durch § 138 [X.] (vgl. [X.], [X.] 2002, 297, 302). Hierbei handelt es sich um lediglich nachträgliche Schutzinstrumente, die bereits deshalb nicht der präventiven Schutzintensität des § 112 Satz 1 [X.] gleichkommen (vgl. [X.], [X.] 2007, 801, 804).

b) Das Berufungsgericht hat im Weiteren ebenfalls zutreffend angenommen, dass es für die Anwendung von § 112 [X.] keine Rolle spielt, ob die Bestellung D.     zeitlich vor oder nach der Beurkundung des [X.] am 18. September 2013 erfolgt ist.

aa) Auch insoweit ist der Wortlaut der Vorschrift zu eng und der Aufsichtsrat nicht nur gegenüber amtierenden Vorstandsmitgliedern zur Vertretung befugt, sondern auch zu Personen, die erst künftig zum Vorstand bestellt werden sollen (vgl. [X.], Urteil vom 13. Januar 1958 - II ZR 212/56, [X.]Z 26, 236 zum [X.] 1937). Das gilt jedenfalls dann, wenn es um Rechtsgeschäfte geht, die im Vorfeld der beabsichtigten Bestellung erfolgen und mit dieser in Zusammenhang stehen (vgl. [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 112 Rn. 2; [X.]/[X.] in Großkomm. [X.], 4. Aufl., § 112 Rn. 19; [X.]/[X.] in KK-[X.], 3. Aufl., § 112 Rn. 15; MünchKomm[X.]/[X.], 4. Aufl., § 112 Rn. 11; [X.] in [X.]/Stilz, [X.], 3. Aufl., § 112 Rn. 6). Andernfalls wäre auch hier einer Umgehung des von § 112 Satz 1 [X.] bezweckten Schutzes der Interessen der [X.] durch die bloße zeitliche Abfolge von Abschluss des Rechtsgeschäfts und Bestellung zum Vorstand Tür und [X.] geöffnet. Im Hinblick darauf ist die ggf. im Einzelfall bestehende Unsicherheit, ob ein Rechtsgeschäft vor der Bestellung zum Vorstand bereits unter § 112 Satz 1 [X.] zu fassen ist oder nicht, hinzunehmen.

bb) Danach ist § 112 Satz 1 [X.] hier auch dann auf den Geschäftsanteilskaufvertrag der Parteien anwendbar, wenn dieser noch vor der Bestellung D.     zum Vorstand der Klägerin beurkundet wurde. Die [X.] und die Bestellung standen nicht nur in einem engen zeitlichen Zusammenhang, sondern waren auch inhaltlich miteinander verknüpft, da die Abtretung der Geschäftsanteile durch den Abschluss des [X.]s und dieser wiederum durch die Zahlung des Basiskaufpreises aufschiebend bedingt war.

c) Die Bestellung D.     zum Vorstand am 18. September 2013 war nach den [X.] und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen wirksam. Ob der [X.] D.     mangels Eintritts der darin vereinbarten aufschiebenden Bedingungen nicht wirksam geworden ist, hat das Berufungsgericht zu Recht als unerheblich angesehen.

2. Ob der Verstoß gegen § 112 Satz 1 [X.] zur Nichtigkeit des Geschäftsanteilskaufvertrags gemäß § 134 [X.] oder aber zur Anwendbarkeit der §§ 177 ff. [X.] mit der Folge führt, dass der Vertrag unwirksam ist und genehmigungsfähig bleibt, kann hier offenbleiben, weil nach den zugrunde zu legenden Feststellungen davon auszugehen ist, dass der [X.] auch nicht durch den Aufsichtsrat genehmigt worden ist.

Eine solche Genehmigung (oder Zustimmung) ergibt sich entgegen der Ansicht der Streithelferin auch nicht in Auslegung des Beschlusses des Aufsichtsrats vom 18. September 2013 über die Bestellung D.     und [X.]       zu Vorständen der [X.] und die Ermächtigung des Aufsichtsratsvorsitzenden zum Abschluss der entsprechenden Vorstandsdienstverträge. Zwar sind Aufsichtsratsbeschlüsse, auch wenn sie aus Gründen der Rechtssicherheit ausdrücklich gefasst werden müssen, gleichwohl der Auslegung zugänglich. Diese Auslegung ist auch nicht auf den Wortlaut des Beschlusses beschränkt, sondern kann auch außerhalb des [X.] zum Ausdruck kommende Umstände einbeziehen (vgl. [X.], Urteil vom 27. Oktober 2015 - [X.], [X.]Z 207, 190 Rn. 28 mwN).

Insoweit hat aber bereits das [X.] zutreffend angenommen, dass allein der Umstand, dass die Aufsichtsratsmitglieder bei der Beschlussfassung Kenntnis von dem Geschäftsanteilskaufvertrag und dessen Zusammenhang mit den Vorstandsbestellungen hatten, im vorliegenden Fall nicht ausreicht, um die Beschlussfassung über die Vorstandsbestellungen auch als Zustimmung zu bzw. Genehmigung des [X.] auszulegen. Nach den - vom Berufungsgericht in Bezug genommenen und von der Klägerin und ihrer Streithelferin nicht angegriffenen - Feststellungen des [X.]s dachte nach dem Vorbringen beider Parteien keiner der Beteiligten bis zum Frühjahr 2015 an die Möglichkeit, dass bei Abschluss des [X.] eine Vertretung durch den Aufsichtsrat gemäß § 112 Satz 1 [X.] geboten und damit dessen Zustimmung oder Genehmigung des Rechtsgeschäfts erforderlich sein könnte. War sich damit aber keiner der Beteiligten der Möglichkeit einer schwebenden Unwirksamkeit des [X.] bei der Beschlussfassung am 18. September 2013 bewusst oder rechnete zumindest damit, kann, wie das [X.] rechtsfehlerfrei festgestellt hat, der Beschluss weder aus Sicht der Aufsichtsratsmitglieder noch aus Sicht der Klägerin als gleichzeitige Genehmigung oder Zustimmung zum Geschäftsanteilskaufvertrag verstanden werden (vgl. [X.]/[X.], [X.], 78. Aufl., § 133 Rn. 11 mwN).

Drescher     

        

Sunder     

        

Bernau

        

B. Grüneberg      

        

von [X.]      

        

Berichtigungsbeschluss vom 19. Februar 2019

Das Urteil vom 15. Januar 2019 wird gemäß § 319 Abs. 1 ZPO wegen offenbarer Unrichtigkeit dahin berichtigt, dass es in Randnummer 20 der Entscheidungsgründe in Zeile 13 statt "zu § 114 ZPO" richtig "zu § 114 [X.]" heißen muss.

 

Drescher     

   

Wöstmann     

   

Sunder

   

Grüneberg      

   

von [X.]      

   

Meta

II ZR 394/17

15.01.2019

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 20. April 2017, Az: 22 U 157/15

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.01.2019, Az. II ZR 394/17 (REWIS RS 2019, 11508)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 11508

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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