Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 14.09.2016, Az. 4 AZN 540/16

4. Senat | REWIS RS 2016, 5548

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - absoluter Revisionsgrund - nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Berufungsgerichts - Abordnung eines Richters erster Instanz an das Landesarbeitsgericht


Tenor

1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 24. März 2016 - 7 Sa 509/13 [X.] - wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

2. Der Wert des [X.] wird auf 22.534,20 [X.]uro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die [X.]en streiten über die zutreffende Eingruppierung des bei der [X.] beschäftigten [X.] und sich daraus ergebende [X.]. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat unter dem Vorsitz des [X.]s am [X.] W die Berufung des [X.] gegen das erstinstanzliche Urteil zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Mit seiner auf den absoluten Revisionsgrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts gestützten Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision.

2

[X.]. Die Beschwerde ist unzulässig. Der Kläger hat den behaupteten absoluten Revisionsgrund des § 547 Nr. 1 ZPO nicht dargelegt.

3

1. Wird mit einer Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG das Vorliegen eines absoluten [X.] nach § 547 Nr. 1 bis 5 ZPO geltend gemacht, muss nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG die Beschwerdebegründung die Darlegung eines solchen absoluten [X.] enthalten. Die bloße Benennung des Zulassungsgrundes genügt nicht. Es sind vielmehr die Tatsachen substantiiert vorzutragen, aus denen sich der Verfahrensfehler des Berufungsgerichts ergeben soll ([X.] 5. Juni 2014 - 6 [X.] 267/14 - Rn. 20, [X.]E 148, 206; 25. Januar 2012 - 4 [X.] - Rn. 10; 5. Dezember 2011 - 5 [X.] 1036/11 - Rn. 7 mwN). Das gilt insbesondere für den absoluten Revisionsgrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des erkennenden Gerichts (§ 547 Nr. 1 ZPO). Zwar wird bei diesem Verfahrensmangel dessen Entscheidungserheblichkeit unwiderleglich vermutet. Das entbindet den Beschwerdeführer jedoch nicht von der Pflicht darzulegen, dass der gerügte absolute Revisionsgrund tatsächlich vorliegt. Die Anforderungen an die ordnungsgemäße Begründung der Rüge entsprechen denen bei Erhebung der Verfahrensrüge im Revisionsverfahren nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. [X.] ([X.] 14. Dezember 2010 - 6 [X.] 986/10 - Rn. 5 mwN). Das setzt die Angabe von Tatsachen voraus, aus denen sich der behauptete Verfahrensmangel ergeben soll. Handelt es sich dabei - wie vorliegend - um gerichtsinterne Vorgänge, muss der Beschwerdeführer zumindest darlegen, dass er eine zweckentsprechende Aufklärung versucht hat. Die Rüge darf nicht auf den bloßen Verdacht des Vorliegens eines [X.] iSd. § 547 Nr. 1 ZPO gestützt werden ([X.] 14. Dezember 2010 - 6 [X.] 986/10 - Rn. 5 mwN).

4

2. Gemessen daran fehlt es an einer ordnungsgemäßen Darlegung des [X.]. Der Kläger stützt seine Rüge lediglich auf den bloßen Verdacht eines [X.], ohne diesen durch einen substantiierten Tatsachenvortrag zu untersetzen oder zumindest anzugeben, aus welchen Gründen ihm - trotz eines entsprechenden Aufklärungsversuchs - ein substantiierter Tatsachenvortrag nicht möglich war.

5

a) Nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.] 13. November 1997 - 2 BvR 2269/93 -; 23. Januar 1996 - 1 BvR 1551/95 -; 8. Juli 1992 - 2 BvL 27/91, 2 BvL 31/91 - zu [X.] 2 a der Gründe mwN, [X.]E 87, 68), des [X.] (ua. [X.] 16. März 2005 - [X.] (R) 2/04 - zu [X.] 2 b der Gründe mwN, [X.]Z 162, 333), des [X.] (BVerwG 23. August 1996 - 8 C 19.95 - BVerwGE 102, 7) und des [X.] ([X.] 18. Juni 2015 - 8 [X.] 881/14 - Rn. 5; 6. Juni 2007 - 4 [X.] - Rn. 34, [X.]E 123, 46) sehen das Grundgesetz und die Gerichtsverfassung im Interesse der sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit der [X.] vor, dass ihr Amt grundsätzlich von bei dem betreffenden Gericht planmäßig und auf Lebenszeit ernannten [X.]n ausgeübt wird. [X.] sind nach Art. 97 Abs. 1 GG weisungsunabhängig. Ihre sachliche Unabhängigkeit wird durch die Garantie der persönlichen Unabhängigkeit in Art. 97 Abs. 2 GG institutionell gesichert. Auch Art. 92 GG setzt als Normalfall [X.] voraus, die unversetzbar und unabsetzbar sind. Der Einsatz von nicht planmäßigen [X.]n bei einem Gericht ist deshalb auf das zwingend gebotene Maß zu beschränken ([X.] 3. Juli 1962 - 2 [X.], 2 BvR 247/61 - zu [X.] der Gründe, [X.]E 14, 156; [X.] 18. Juni 2015 - 8 [X.] 881/14 - Rn. 6). Die Notwendigkeiten, die eine solche Verwendung rechtfertigen, können in den einzelnen Gerichtszweigen, bei den einzelnen Gerichten und bei ihren Kammern oder Senaten örtlich und zeitlich verschieden sein. Daher hängt es von den jeweiligen besonderen Umständen ab, ob und in welchem Maß im Einzelfall die Besetzung der erkennenden Gerichte mit nicht planmäßigen [X.]n zulässig ist.

6

aa) Ein zwingender Grund für die Abordnung planmäßiger [X.] unterer Gerichte an obere Gerichte ist die Eignungserprobung. Die Notwendigkeit, Nachwuchs auszubilden oder Beurteilungsgrundlagen für ein richterliches Beförderungsamt zu schaffen, erlaubt die Heranziehung auch solcher [X.] an ein Gericht, die nicht planmäßige [X.] dieses Gerichts sind ([X.] 22. Juni 2006 - 2 BvR 957/05 - Rn. 7 mwN; [X.] 18. Juni 2015 - 8 [X.] 881/14 - Rn. 7; vgl. auch 6. Juni 2007 - 4 [X.] - Rn. 34, [X.]E 123, 46).

7

bb) Zudem liegen zwingende Gründe für einen Einsatz nicht planmäßiger [X.] an oberen Gerichten vor, wenn vorübergehend ausfallende planmäßige [X.], deren Arbeit von den im Geschäftsverteilungsplan bestimmten Vertretern neben den eigenen Aufgaben nicht bewältigt werden kann, vertreten werden müssen oder wenn ein zeitweiliger außergewöhnlicher Arbeitsanfall aufzuarbeiten ist. Auch in solchen Fällen ist aber die Verwendung von nicht planmäßigen [X.]n nicht gerechtfertigt, wenn die Arbeitslast des Gerichts deshalb nicht bewältigt werden kann, weil es unzureichend mit Planstellen ausgestattet ist, oder weil die Justizverwaltung es verabsäumt hat, offene Planstellen binnen angemessener Frist zu besetzen ([X.] 3. Juli 1962 - 2 [X.], 2 BvR 247/61 - zu [X.] der Gründe, [X.]E 14, 156; [X.] 18. Juni 2015 - 8 [X.] 881/14 - Rn. 8; 6. Juni 2007 - 4 [X.] - Rn. 34, [X.]E 123, 46).

8

b) Unter Berücksichtigung dieser Rahmenbedingungen hat der Kläger einen Besetzungsmangel des [X.]s nicht dargelegt. Sein Vortrag beschränkt sich auf einen bloßen Verdacht, es lägen keine zwingenden Gründe für eine Abordnung des [X.]s am [X.] W vor.

9

aa) Soweit der Kläger behauptet, die [X.] des [X.]s [X.] sei dauerhaft unbesetzt (Beschwerdebegründung Seite 4 unten), es würden „seit Jahren wechselnde Vertretungsrichter auf den vakanten Stellen eingesetzt“ (Beschwerdebegründung Seite 5 oben), weshalb davon auszugehen sei, dass die am [X.] [X.] anfallende Arbeitslast mit den planmäßigen [X.]n nicht bewältigt werden könne, weil es entweder nur unzureichend mit Planstellen ausgestattet sei oder es der Justizverwaltung nicht „gelungen“ sei, offene Planstellen binnen einer angemessenen Frist zu besetzen (Beschwerdebegründung Seite 5 oben), fehlt es bereits an konkreten Angaben, seit wann und für welche Zeiträume welche Kammern des [X.]s mit wechselnden, nicht planmäßigen [X.]n besetzt waren und welche Arbeitslast des Gerichts mit welcher Anzahl von Planstellen nicht habe bewältigt werden können.

bb) Ebenso wenig trägt der Kläger Anhaltspunkte dafür vor, dass der Einsatz des [X.]s am [X.] W nicht dem Zweck der Erprobung gedient habe. Dies folgt auch nicht aus dem vom Kläger behaupteten Umstand, der [X.] am [X.] W sei bereits zum [X.] abgeordnet worden. Dies schließt den Sachgrund der Erprobung beim [X.] nicht aus. Der Kläger hat weder vorgetragen, in [X.] könne eine Abordnung zum [X.] eine Abordnung zur Erprobung an das [X.] ersetzen (sog. Ersatzerprobung) noch hat er dargetan, der [X.] am [X.] W habe die Voraussetzungen für eine etwaige Ersatzerprobung durch die Abordnung zum [X.] erfüllt. Auch hat er keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die Abordnungsdauer des [X.]s am [X.] W für eine Erprobung nicht angemessen gewesen sei. Schließlich ist aus dem Vorbringen des [X.] nicht ersichtlich, dass beim [X.] weit über Bedarf erprobt würde (vgl. dazu [X.]/[X.] § 73 ArbGG Rn. 53). Der Kläger behauptet im Gegenteil gerade nicht, die Justizverwaltung habe es verabsäumt, offene Planstellen binnen angemessener Frist zu besetzen, sondern dies sei der Justizverwaltung nicht „gelungen“, was eher für einen Erprobungsbedarf spricht.

cc) Ein substantiierter Vortrag zu den Tatsachen, die auf einen fehlenden Grund für den Einsatz des [X.]s am [X.] W am [X.] [X.] im Zeitpunkt der Entscheidung schließen lassen und der zu erkennen gibt, der Kläger habe seine Rüge nicht auf den bloßen Verdacht des Vorliegens eines [X.] iSd. § 547 Nr. 1 ZPO erhoben, ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil gerichtsinterne Vorgänge betroffen sind (vgl. [X.] 14. Dezember 2010 - 6 [X.] 986/10 - Rn. 5 mwN). Insoweit ist es der beschwerdeführenden [X.] regelmäßig zumindest zumutbar, ein Auskunftsersuchen an den Präsidenten des [X.]s zu richten (vgl. dazu [X.] 23. Juli 2014 - 7 [X.] - Rn. 28), sowie in die - öffentlich zugänglichen - Geschäftsverteilungspläne (auch der letzten Jahre) Einsicht zu nehmen. Dass der Kläger eine solche zweckentsprechende Aufklärung (erfolglos) versucht hätte, ist seinem Vortrag nicht zu entnehmen.

[X.]I. Von einer weiteren Begründung wird nach § 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG abgesehen. Weitere Ausführungen sind weder von [X.] wegen noch mit Blick auf die [X.] geboten (vgl. [X.] 30. Juni 2014 - 2 BvR 792/11 - Rn. 18 ff.; 8. Dezember 2010 - 1 BvR 1382/10 - Rn. 10 ff., [X.]K 18, 301).

IV. Die Kosten seiner erfolglosen Beschwerde fallen gem. § 97 Abs. 1 ZPO dem Kläger zur Last. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 iVm. § 42 Abs. 2 Satz 2 GKG.

        

    Eylert    

        

    Klose    

        

    [X.]    

        

        

        

        

        

        

                 

Meta

4 AZN 540/16

14.09.2016

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AZN

vorgehend ArbG Halle (Saale), 13. Juni 2013, Az: 5 Ca 1003/12 E NMB, Urteil

Art 92 GG, Art 97 GG, § 72 Abs 2 Nr 3 Alt 1 ArbGG, § 72a Abs 3 S 2 Nr 3 ArbGG, § 72a Abs 5 S 5 ArbGG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 14.09.2016, Az. 4 AZN 540/16 (REWIS RS 2016, 5548)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 5548

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

8 AZN 881/14 (Bundesarbeitsgericht)

Ordnungswidrige Besetzung des Gerichts - Abordnung eines Richters


B 13 R 217/17 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Besetzungsrüge - nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Senats - Mitwirkung eines …


B 13 R 107/17 B (Bundessozialgericht)


B 1 KR 92/18 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Einsatz von nicht planmäßigen Richtern - unvorschriftsmäßige Besetzung - absoluter Revisionsgrund


B 14 AS 255/17 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - vorschriftsmäßige Besetzung - Besetzung mit abgeordnetem Richter


Referenzen
Wird zitiert von

B 9 V 33/18 B

B 5 R 11/22 B

Zitiert

8 AZN 881/14

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.