Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15.04.2015, Az. 9 C 21/14

9. Senat | REWIS RS 2015, 12673

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Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu einem Schmutzwasseranschlussbeitrag.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Gemarkung [X.], Flur ..., Flurstück ..., das bereits vor der [X.] an die zentrale Schmutzwasserentsorgung angeschlossen war. Der Beklagte übernahm mit seiner Gründung 1991 die [X.]. Auf der Grundlage seiner Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung vom 15. Februar 2001 zog er die Klägerin mit Bescheid vom 24. Oktober 2001 zu einem Beitrag für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung in Höhe von 20 137,60 DM heran. Die Klägerin erhob hiergegen nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens Klage. Noch während der Anhängigkeit der Klage beim Verwaltungsgericht erklärte das Oberverwaltungsgericht in einem Normenkontrollverfahren die vorgenannte Satzung mit Urteil vom 3. Juli 2002 - 4 K 35/01 - für nichtig; auch die nachfolgende Satzung vom 27. März 2002 litt - ebenso wie sämtliche vorhergehende Satzungen - an durchgreifenden [X.]. Nach In-Kraft-Treten der - ersten wirksamen - Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung vom 3. Dezember 2004 reduzierte die Beklagte unter Zugrundelegung der neuen Satzung den [X.] mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2005 auf 8 997,19 €. Daraufhin hatte die Klage in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung seines Urteils im Wesentlichen ausgeführt, die im Beschluss des [X.] vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - ([X.] 133, 143) aufgestellten Grundsätze über die zeitliche Befristung der Festsetzung von Abgaben zum [X.] seien auf die Erhebung von [X.] nicht übertragbar. Auch Eigentümern bereits angeschlossener Grundstücke sei erstmalig nach der [X.] der rechtlich gesicherte Vorteil geboten worden, ihr Schmutzwasser mittels einer öffentlichen Einrichtung entsorgen zu können. In die [X.] zur Abgeltung dieses Vorteils flössen zudem nur sog. "[X.]" ein. Darauf, ob diese die vom klägerischen Grundstück in Anspruch genommenen Anlagenteile erfassten, komme es nicht an; ausreichend sei vielmehr, dass die betreffenden Maßnahmen der erstmaligen Herstellung der Gesamtanlage dienten.

3

Mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, die Rechtsprechung der Vorinstanzen sowie die zugrundeliegenden landesrechtlichen Vorschriften ermöglichten eine zeitlich unbegrenzte Heranziehung zu Beiträgen; dies sei mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit unvereinbar. Da ihr Grundstück bereits zu [X.] an die Abwasserbeseitigung angeschlossen gewesen sei, könne sie nicht zu einem Herstellungsbeitrag herangezogen werden. Die Gründung des Beklagten sei kein wirtschaftlicher Vorteil; eine beitragsfähige Verbesserung oder Erweiterung der Einrichtung, die unmittelbar ihrem Grundstück zugutegekommen sei, habe der Beklagte nicht dargelegt. Das vom Berufungsgericht bemühte [X.] trage nicht, wenn - wie vorliegend - kein zusammenhängendes Kanalisationsnetz und keine gemeinsam genutzte Kläranlage existierten; insoweit sei das Urteil auch überraschend. Fehle es damit an einem Vorteil, so handele es sich bei dem vermeintlichen Beitrag um eine verkappte Steuer, für deren Erlass dem Beklagten die Zuständigkeit fehle.

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Die Klägerin beantragt,

das Urteil des [X.] vom 1. April 2014 und das Urteil des [X.] vom 13. Juni 2013 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 24. Oktober 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2002 und des Schriftsatzes des Beklagten vom 7. Oktober 2005 aufzuheben.

5

Der Beklagte verteidigt die angefochtenen Urteile und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

6

Der Vertreter des [X.] beim [X.] beteiligt sich am Verfahren. Er verneint einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Zwar verstößt das angefochtene Urteil insoweit gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der [X.]elastungsklarheit und -vorhersehbarkeit, als es entgegen dem gemäß § 31 Abs. 1 [X.] bindenden [X.]eschluss des [X.] vom 5. März 2013 - 1 [X.]vR 2457/08 - ([X.] 133, 143) ausführt, der vorgenannte Grundsatz setze der Heranziehung zu [X.]beiträgen für die Schmutzwasserbeseitigung keine von den Umständen des Einzelfalls unabhängige zeitliche Grenze. Es stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

8

1. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Rechtssicherheit schützt davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Er verpflichtet deshalb den Gesetzgeber sicherzustellen, dass [X.]eiträge, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch [X.] an eine Einrichtung schaffen sollen, unabhängig von einem Vertrauen des [X.] und ungeachtet der Fortwirkung des Vorteils zeitlich nicht unbegrenzt festgesetzt werden können. Im Rahmen des danach zu schaffenden Ausgleichs zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an [X.]eiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des [X.]ners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem [X.]eitrag herangezogen werden kann, kommt dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet aber, die Interessen des [X.]ürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung einer Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 5. März 2013 - 1 [X.]vR 2457/08 - [X.] 133, 143 Rn. 42 ff.).

9

Die vorgenannten Grundsätze gelten für das gesamte [X.]eitragsrecht (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 20. März 2014 - 4 [X.] 11.13 - [X.]VerwGE 149, 211 Rn. 16 f.; [X.], Urteil vom 30. April 2013 - 14 A 213/11 - juris Rn. 36; [X.], Urteil vom 14. November 2013 - 6 [X.] 12.704 - [X.]ayV[X.]l. 2014, 241 <242>; Driehaus, [X.] 2014, 181 <182>; [X.], [X.], 367 <369, 371>). Sie sind damit entgegen der Ansicht des [X.]erufungsgerichts auf die Erhebung von [X.]beiträgen nach dem Kommunalabgabengesetz [X.] - [X.] - anwendbar. Die hiergegen von den Vorinstanzen vorgebrachten Einwände beziehen sich ausnahmslos auf Umstände, denen das [X.] bei seiner gemäß § 31 Abs. 1 [X.] bindenden Auslegung von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG entweder von vornherein keine oder eine gegenüber dem Gebot der [X.]elastungsklarheit und -vorhersehbarkeit nachrangige [X.]edeutung beigemessen hat. Namentlich die [X.]esonderheit des der Entscheidung des [X.] zugrundeliegenden [X.] [X.]rechts, demzufolge Grundstückseigentümer auch nach Übertragung des Eigentums zu [X.]eiträgen herangezogen werden können, hat in den Entscheidungsgründen keine [X.]erücksichtigung gefunden. Dementsprechend hat das Gericht einen Verzicht auf diese Regelung nicht als Möglichkeit zur [X.]eseitigung des verfassungswidrigen Zustands in Erwägung gezogen (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 5. März 2013 - 1 [X.]vR 2457/08 - [X.] 133, 143 Rn. 50). Darüber hinaus hat es ausdrücklich festgestellt, dass der verfassungsrechtlich gebotenen zeitlichen [X.]egrenzung der Heranziehung zu [X.]eiträgen weder ein fehlendes Vertrauen des [X.]ürgers auf seine Nichtberücksichtigung noch das Fortwirken des Vorteils entgegensteht (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 5. März 2013 a.a.[X.] Rn. 44 f.).

2. Dies zugrunde gelegt, genügt § 9 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 [X.] dem Grundsatz der Rechtssicherheit nicht. Danach entsteht die sachliche [X.]eitragspflicht frühestens mit dem In-[X.]-Treten der ersten wirksamen Satzung. Gemäß § 12 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 [X.] i.V.m. § 169 Abs. 2, § 170 AO beträgt die Festsetzungsfrist vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die [X.] entstanden ist. Kann somit ohne eine wirksame Satzung eine [X.] nicht entstehen und diese deshalb auch nicht verjähren, so setzt das [X.]recht der Erhebung von [X.]eiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch [X.] an eine Einrichtung schaffen sollen, keine bestimmte zeitliche Höchstgrenze, falls die maßgeblichen Satzungen - wie hier - zunächst nichtig waren und erst später durch rechtswirksame Satzungen ersetzt worden sind. Es lässt damit in diesen Fällen entgegen dem verfassungsrechtlichen Gebot der [X.]elastungsklarheit und -vorhersehbarkeit das berechtigte Interesse des [X.]ürgers, in zumutbarer Zeit Klarheit darüber zu gewinnen, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch [X.]eiträge ausgleichen muss, völlig unberücksichtigt.

3. Allerdings mussten Grundstückseigentümer aufgrund von § 12 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 [X.] bis zum Ablauf des 31. Dezember 2008 mit ihrer Heranziehung zu [X.]beiträgen zur leitungsgebundenen Abwasserentsorgung rechnen. Der [X.]gesetzgeber hat damit dem Grundsatz der Rechtssicherheit zwar nur unvollständig, aber dennoch so weit Rechnung getragen, dass die Träger kommunaler Entsorgungseinrichtungen bis zu diesem Zeitpunkt [X.] erheben konnten.

Da das [X.]erufungsgericht die Anwendbarkeit der vorgenannten Vorschrift offen gelassen hat, kann sie der erkennende Senat gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 563 Abs. 4 ZPO selbständig auslegen, obwohl sie nicht zum revisiblen [X.]undesrecht i.S.d. § 137 Abs. 1 VwGO gehört (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 6. Juni 2002 - 4 [X.]N 4.01 - [X.]VerwGE 116, 296 <300> m.w.N.). Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 [X.] endete die Festsetzungsfrist bei der Erhebung eines [X.]beitrags nach § 9 Abs. 1 Satz 1 [X.] frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2008. Hiermit wollte der Gesetzgeber den beitragserhebenden Körperschaften mehr Zeit einräumen, um der sog. Altanschließerproblematik Rechnung tragen zu können (vgl. [X.]. 4/1576 S. 77; Abg. [X.], [X.] vom 9. März 2005 S. 2984 f. und Abg. [X.], ebd. [X.]). Obschon die Vorschrift unmittelbar nur Anwendung findet, wenn eine wirksame [X.]eitragssatzung bestand und deshalb ein Ablauf der Festsetzungsfrist vor dem Stichtag in [X.]etracht kam, lässt sich ihr erst recht auch für Fälle, in denen - wie vorliegend - noch keine wirksame [X.]eitragssatzung bestand, der Wille des Gesetzgebers entnehmen, eine [X.]eitragserhebung jedenfalls bis zum 31. Dezember 2008 zu ermöglichen (ebenso zum [X.] [X.]recht [X.], [X.]eschlüsse vom 27. Mai 2013 - 9 S 75.12 - juris Rn. 29 und vom 16. Juli 2014 - 9 N 69.14 - juris Rn. 22 f., Urteil vom 14. November 2013 - 9 [X.] 34.12 - juris Rn. 60 f.; hierzu [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 11. September 2014 - 9 [X.] 22.14 - juris Rn. 35).

Verschaffte § 12 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 [X.] dem [X.]ner mithin bis zu diesem Stichtag die - vom Gebot der [X.]elastungsklarheit und -vorhersehbarkeit geforderte - Gewissheit darüber, dass er noch zu einem [X.]eitrag herangezogen werden konnte, so verstößt das [X.]recht allerdings weiterhin insoweit gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, als es damit nur eine Mindest-, nicht aber eine zeitliche Höchstgrenze für eine [X.]eitragserhebung festlegt. Jedenfalls für [X.]eiträge, die nach dem Kommunalabgabengesetz erhoben werden, dürften zur [X.]estimmung der erforderlichen Höchstgrenze auch ein Rückgriff auf die 30-jährige Verjährungsfrist des § 53 Abs. 2 VwVfG [X.] - sowohl im Wege der Analogie (so für Erschließungsbeiträge [X.], Urteil vom 14. November 2013 - 6 [X.] 12.704 - [X.]ayV[X.]l. 2014, 241 <242>) als auch vermittelt über den Grundsatz von Treu und Glauben (so für sanierungsrechtliche Ausgleichsbeiträge [X.]VerwG, Urteil vom 20. März 2014 - 4 [X.] 11.13 - [X.]VerwGE 149, 211 Rn. 28, 31 ff.) - ausscheiden. Denn es ist Aufgabe des Gesetzgebers, in Wahrnehmung seines weiten Gestaltungsspielraums einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen einerseits der Allgemeinheit an der [X.]eitragserhebung und andererseits der [X.]eitragspflichtigen an einer zeitlich nicht unbegrenzten Inanspruchnahme zu schaffen ([X.], [X.]eschluss vom 5. März 2013 - 1 [X.]vR 2457/08 - [X.] 133, 143 Rn. 42). Mit diesem Gestaltungsauftrag ist - nicht zuletzt angesichts der Vielzahl der vom [X.] aufgezeigten, jedoch gerade nicht den Verweis auf die Höchstverjährungsfrist einschließenden Lösungsmöglichkeiten wie auch der Unterschiedlichkeit der in einzelnen Ländern erlassenen und zudem deutlich kürzeren Ausschlussfristen - der schematische Rückgriff auf § 53 Abs. 2 VwVfG [X.] wohl unvereinbar, zumal die Vorschrift gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG [X.] nicht für Verfahren gilt, die - wie vorliegend - nach den Vorschriften der Abgabenordnung durchzuführen sind. Einer verfassungskonformen Auslegung des § 9 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 [X.] dahingehend, dass eine zur Heilung eines Rechtsmangels erlassene [X.]eitragssatzung rückwirkend zu dem Zeitpunkt in [X.] gesetzt werden muss, zu dem die ursprünglich nichtige [X.]eitragssatzung in [X.] treten sollte (so zu § 22 Abs. 1 Sächs[X.]: OVG [X.]autzen, [X.]eschluss vom 25. April 2013 - 5 A 478/10 - juris Rn. 8 ff., sowie zu § 8 Abs. 7 Satz 2 [X.] NW: [X.], Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 - NVwZ-RR 2000, 535 <536 f.>), steht schließlich der Wortlaut der Vorschrift wie auch § 12 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 [X.] entgegen.

[X.]ezieht sich die verbleibende Ungewissheit mithin nur auf die Frage, ab welchem Zeitpunkt der [X.]ürger nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen muss, so lässt der hierin liegende Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG die in § 12 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 [X.] getroffene Übergangsregelung unberührt. Auch wenn diese in erster Linie dem Interesse der beitragserhebenden Körperschaften diente, trug sie doch dazu bei, dass die hiervon betroffenen [X.]ner über die Möglichkeit der [X.]eitragserhebung nicht "dauerhaft im Unklaren" ([X.], [X.]eschluss vom 5. März 2013 - 1 [X.]vR 2457/08 - [X.] 133, 143 Rn. 45) waren, sondern vielmehr die Gewissheit hatten, dass sie jedenfalls bis zum Ablauf der darin genannten Frist mit der Heranziehung zu [X.]beiträgen rechnen mussten. Zudem unterliegt es - entsprechend dem Rechtsgedanken des § 139 [X.]G[X.] (vgl. [X.], Urteil vom 28. Mai 1993 - 2 [X.]vF 2/90 u.a. - [X.] 88, 203 <333>) - angesichts der gesetzgeberischen Intention, einen zeitlichen Spielraum für die Lösung insbesondere der sog. Altanschließerproblematik zu schaffen, keinem Zweifel, dass der Gesetzgeber, wäre er sich der Notwendigkeit einer weitergehenden Regelung bewusst gewesen, eine gesetzliche Ausschlussfrist nicht vor dem 31. Dezember 2008 hätte enden lassen. Damit wirkt sich der Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit erst auf den Zeitraum nach Ablauf der vorgenannten Übergangsfrist und folglich nicht auf [X.]escheide aus, die zuvor erlassen wurden.

4. Die Zeitdauer zwischen dem Eintritt der [X.] und der Heranziehung zu [X.]eiträgen bis zum 31. Dezember 2008 war für die Vorteilsempfänger zumutbar.

[X.]ei dem [X.]egriff des Vorteils handelt es sich um einen landesrechtlichen und damit - vorbehaltlich verfassungsrechtlicher [X.]indungen - nicht revisiblen [X.]egriff (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 24. April 2012 - 9 [X.] 1.12 - juris Rn. 16). Hierzu hat das [X.]erufungsgericht festgestellt, der beitragsrechtliche Vorteil sei auch Eigentümern von tatsächlich schon zu [X.] angeschlossenen Grundstücken erst in dem Zeitpunkt zugeflossen, in dem ihnen mit den jeweiligen öffentlichen Entsorgungseinrichtungen erstmals und frühestens unter dem grundlegend neuen Rechtsregime nach der [X.] der rechtlich gesicherte Vorteil geboten worden sei, ihr Schmutzwasser mittels einer öffentlichen Einrichtung entsorgen zu können. Dies begegnet angesichts der weiteren Feststellung des [X.]erufungsgerichts, dass [X.] nur für nach der [X.] entstandene Aufwendungen - und somit nicht doppelt - erhoben werden dürfen, keinen bundesrechtlichen [X.]edenken. Insbesondere steht [X.]undesverfassungsrecht dieser Auslegung - auch unter [X.]erücksichtigung der [X.]indungswirkung des [X.]eschlusses des [X.] vom 5. März 2013 - 1 [X.]vR 2457/08 - ([X.] 133, 143) - nicht entgegen. Zwar schützt danach das Gebot der [X.]elastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können ([X.], [X.]eschluss vom 5. März 2013 a.a.[X.] Rn. 41). Indes bedeutet dies nicht, dass maßgeblicher Zeitpunkt ausnahmslos bereits derjenige des tatsächlichen [X.]es an das Abwassersystem ist. Die [X.]estimmung der ab dem Eintritt der [X.] zu bemessenden Ausschlussfrist muss nicht nur die Erwartung des [X.]egünstigten auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung, sondern auch das öffentliche Interesse an einem finanziellen [X.]eitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem [X.] an die Anlage berücksichtigen ([X.], [X.]eschluss vom 5. März 2013 a.a.[X.] Rn. 40). Hieraus folgt, dass es sich nach der Rechtsprechung des [X.] um eine beitragsrelevante [X.] handeln muss. Die Annahme des [X.]erufungsgerichts, mit der Umgestaltung der Rechtsordnung und der Neugründung einer kommunalen - und damit erstmals kommunalabgabenrechtlich relevanten - Abwasserentsorgung im Jahr 1990 sei mit [X.]lick auf den zukünftigen Ausbau der Einrichtung erstmalig eine [X.] entstanden, stimmt damit überein.

Die demnach rund 18-jährige Zeitspanne, innerhalb derer gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 [X.] die Erhebung von [X.]beiträgen für die Schmutzwasserbeseitigung jedenfalls möglich war, überschreitet die Grenze des verfassungsrechtlich Zumutbaren nicht. Insbesondere hat das [X.] in seinem [X.]eschluss vom 5. März 2013 - 1 [X.]vR 2457/08 - ([X.] 133, 143) nicht entschieden, schon eine 12-jährige Dauer verletze den Grundsatz der Rechtssicherheit (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 11. September 2014 - 9 [X.] 22.14 - juris Rn. 37). Der Verfassungsbeschwerde wurde nicht wegen der im konkreten Fall zwischen der Vorteilserlangung und der beitragsrechtlichen Heranziehung verstrichenen Zeit, sondern deshalb stattgegeben, weil das [X.] [X.]recht überhaupt keine zeitliche Grenze für die Abgabenerhebung bestimmte. Für deren Festlegung steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu ([X.], [X.]eschluss vom 5. März 2013 - 1 [X.]vR 2457/08 - [X.] 133, 143 Rn. 46). Angesichts der besonderen Herausforderungen der [X.], welche nicht nur durch einen vollständigen Wechsel des Rechtsregimes, sondern auf [X.] zusätzlich durch eine Vielzahl von gleichzeitig und mit beschränkten kommunalen Ressourcen zu bewältigenden Aufgaben wie einem grundlegenden Verwaltungsumbau, der Herstellung kommunaler Strukturen einschließlich der notwendigen Rechtsgrundlagen sowie der Instandhaltung, Sanierung und Fortentwicklung der Infrastruktur geprägt waren, wahrt § 12 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 [X.] die Grenzen des gesetzgeberischen Ermessens.

5. Widerspricht mithin die Heranziehung zu [X.] bis zum 31. Dezember 2008 nicht dem Gebot der Rechtssicherheit, so ist der angefochtene [X.]escheid auch nicht aus anderen Gründen rechtswidrig.

a) Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob das [X.]erufungsgericht seiner Prüfung die [X.]eitrags- und Gebührensatzung des [X.]eklagten vom 3. Dezember 2004, statt in ihrer ursprünglichen, in der erst während des laufenden gerichtlichen Verfahrens in [X.] getretenen Fassung vom 9. Dezember 2013 zugrunde legen durfte. Zwar berücksichtigt die letztgenannte Fassung die [X.] fünf getrennten öffentlichen Einrichtungen zu einer Einrichtung, die mit der am 1. Januar 2008 - und somit nach Entstehung der [X.] - in [X.] getretenen Dritten Änderungssatzung zur Abwasserentsorgungssatzung des [X.]eklagten vom 21. Mai 2001 - [X.] - erfolgte. Hierdurch erhöhte sich aber der [X.]eitragssatz nur für die in der vormaligen Zone III gelegenen Grundstücke, nicht jedoch für die Grundstücke, die - wie dasjenige der Klägerin - der Zone IV angehörten.

b) Deren Einwand, an den Anlagenteilen, die von ihrem Grundstück aus genutzt würden, seien keine Maßnahmen durchgeführt oder geplant worden, welche die Heranziehung zu einem Herstellungsbeitrag rechtfertigten, wohingegen Verbesserungen anderer Anlagenteile, die mit dem für die Abwasserentsorgung ihres Grundstücks erforderlichen Anlagenteil nicht leitungsmäßig verbunden seien, keinen wirtschaftlichen Vorteil für sie bedeuteten, begründet keinen Verstoß gegen [X.]undesrecht.

Insoweit hat das [X.]erufungsgericht das nicht revisible [X.]recht dahingehend ausgelegt, dass es dem [X.]eklagten unabhängig von einer leitungsmäßigen Verbindung oder der gemeinsamen Nutzung einzelner Anlagenteile ein Organisationsermessen einräumt, ob er die Abwasseranlagen als eine oder als mehrere Einrichtungen betreibt. Dem landesrechtlichen Vorteilsbegriff werden bundesrechtlich durch den Gleichheitssatz und das Äquivalenzprinzip nur sehr weite Grenzen gezogen (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 1. September 1995 - 8 [X.] 16.94 - [X.]uchholz 401.9 [X.]eiträge Nr. 35 S. 2, [X.]eschlüsse vom 30. April 1996 - 8 [X.] 31.96 - [X.]uchholz 401.9 [X.]eiträge Nr. 37 S. 5 f. und vom 24. April 2012 - 9 [X.] 1.12 - juris Rn. 16). Insbesondere setzt die Annahme eines (Sonder-)Vorteils nicht die Existenz eines "funktionalen Zusammenhangs" zwischen der abgerechneten Anlage und dem beitragsbelasteten Grundstück voraus (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 25. Juni 2014 - 1 [X.]vR 668/10 u.a. - NVwZ 2014, 1448 Rn. 54). Danach sind die Grenzen dieses Ermessens erst überschritten, wenn die zu einer Anlage zusammengefassten, technisch voneinander unabhängigen Teile in ihrer Arbeitsweise und in ihren Arbeitsergebnissen so unterschiedlich sind, dass ihre Vergleichbarkeit schlechterdings ausgeschlossen und ihre Zusammenfassung daher willkürlich ist (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 3. Juli 1978 - 7 [X.] 118.78 u.a. - [X.]uchholz 401.84 [X.]enutzungsgebühren Nr. 40 S. 46; [X.], Urteil vom 17. November 1975 - 2 A 203/74 - juris Rn. 3, 15 f.; [X.], Urteil vom 24. Mai 1989 - 9 L 3/89 - NVwZ-RR 1990, 507 f.; [X.], Urteil vom 24. September 2008 - 2 L[X.] 2/08 - juris Rn. 33 f.). Anhaltspunkte für eine derartige Verschiedenheit der Anlagenteile hat die Klägerin weder vorgetragen noch sind sie sonst ersichtlich; insbesondere gehören [X.] und abflusslose Gruben - die mit einer zentralen Schmutzwasserbeseitigung nicht vergleichbar sind und daher nicht mit dieser zusammengefasst werden können ([X.], Urteil 24. Oktober 2001 - 2 L 29/00 - juris Rn. 45 f.) - gemäß § 2 Abs. 4 [X.] nicht zu den öffentlichen Abwasseranlagen, für welche die Klägerin zu [X.]eiträgen herangezogen wird.

c) Des Weiteren verstößt die dem [X.]escheid zugrundeliegende Globalkalkulation nicht gegen revisibles Recht. Zum Kommunalabgabenrecht des [X.] hat das [X.]erufungsgericht ausgeführt, die Globalkalkulation beinhalte Prognosen, weshalb Pauschalierungen und Schätzungen zulässig seien; eine "millimetergenaue" Ermittlung von Aufwand und Flächen sei daher von vornherein ausgeschlossen. Zu dem von der Klägerin erhobenen Einwand, die [X.]erechnung sei fehlerhaft, weil sie zu Unrecht Aufwendungen in der Gemeinde [X.] berücksichtige, hat das [X.]erufungsgericht auf die Ausführungen des [X.] verwiesen, denen zufolge nicht ersichtlich ist, dass die betreffende Prognose bereits bei der Kalkulationserstellung unzutreffend gewesen ist, und denen zufolge sich das Vorhaben aufgrund des Anteils von nur 1,12 v.[X.] und wegen des gedeckelten [X.]eitragssatzes nicht auf dessen Höhe ausgewirkt hat. Dies lässt keinen Verstoß gegen [X.]undesrecht erkennen.

d) Eine Verletzung des vom Eigentumsgrundrecht umfassten (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 2011 - 9 A 15.10 - Zf[X.] 2011, 188 Rn. 18) Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch die Erhebung von [X.] scheidet - ungeachtet der Frage, ob sich die Klägerin als im (Mit-)Eigentum kommunaler Gebietskörperschaften stehende juristische Person des Privatrechts auf Art. 14 GG berufen kann (hierzu [X.], [X.]eschlüsse vom 7. Juni 1977 - 1 [X.]vR 108/73 u.a. - [X.] 45, 63 <79 f.> und vom 8. Juli 1982 - 2 [X.]vR 1187/80 - [X.] 61, 82 <105>; [X.]VerwG, Urteil vom 18. Juli 2013 - 7 A 4.12 - [X.]VerwGE 147, 184 Rn. 22) - bereits deshalb aus, weil die Abgabenpflicht grundstücksbezogen ist, sich mithin nicht gegen den [X.]etrieb als solchen richtet, und es daher an der [X.]etriebsbezogenheit des Eingriffs (vgl. [X.]GH, Urteil vom 18. Januar 2012 - [X.] - [X.]GHZ 192, 204 Rn. 31) fehlt.

6. Schließlich erweist sich das angefochtene Urteil nicht als verfahrensfehlerhaft.

Der Einwand, das [X.]erufungsgericht habe gegen seine Aufklärungspflicht verstoßen, indem es die Globalkalkulation der [X.]eklagten keiner vollständigen Überprüfung unterzogen habe, verkennt, dass Kalkulationen von [X.] gerichtlich in aller Regel nur insoweit zu überprüfen sind, als substantiierte Einwände dagegen erhoben wurden (vgl. auch [X.]VerwG, Urteil vom 17. April 2002 - 9 [X.]N 1.01 - [X.]VerwGE 116, 188 <197>). Derartige Einwände hat die Klägerin nur hinsichtlich der kalkulatorischen [X.]erücksichtigung der Kläranlage in [X.] geltend gemacht; diese hat das Verwaltungsgericht geprüft, ist ihnen jedoch in der Sache nicht gefolgt. Damit hat sich die Klägerin im [X.]erufungsverfahren ebenso wenig substantiiert auseinandergesetzt wie mit den Ausführungen des [X.] zur rechnerischen [X.]ehandlung unbebauter und nicht an die Kanalisation angeschlossener Grundstücke, sondern hat es bei einer Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags belassen. Dieses wie auch das weitere Vorbringen gegen die [X.]eitragsberechnung erschöpfte sich jedoch in pauschalen Einwänden und in Mutmaßungen. Dass sich dem [X.]erufungsgericht eine weitergehende Ermittlung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen, ist daher weder ersichtlich noch von der Revision dargelegt. Einen [X.]eweisantrag hat die Klägerin nicht gestellt. Deren Einwand, für ein substantiierteres Vorbringen hätten ihr die erforderlichen Informationen gefehlt, berücksichtigt nicht die in § 12 Abs. 4 [X.] getroffene Regelung. Danach ist den [X.]eitragspflichtigen auf Verlangen Einsicht in die der Abgabenfestsetzung zugrundeliegenden Kalkulationen zu gewähren, soweit diese Gegenstand der [X.]eschlussfassung u.a. nach § 22 Abs. 3 Nr. 11 KV [X.] waren. Da den [X.] des [X.]eklagten die gesamten Kalkulationsunterlagen zur Verfügung standen (vgl. [X.], Urteil vom 12. Oktober 2011 - 4 K 31/06 - juris Rn. 45), hätte sich auch die Klägerin die maßgeblichen Informationen verschaffen können.

Soweit sie darüber hinaus einen Verstoß gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs und gegen die Aufklärungspflicht für den Fall rügt, dass das [X.]erufungsgericht das Gesamtanlagenprinzip dahin verstanden hat, dass ein zusammenhängendes Abwasserkanalisationsnetz zwischen [X.] im Zweckverband zusammengeschlossenen Gemeinden oder ein gemeinsam genutztes Klärwerk existiert, liegt gleichfalls kein Verfahrensfehler vor. Hierauf kam es nach dem materiellen Rechtsstandpunkt des [X.]erufungsgerichts ebenso wenig an wie auf die Frage, ob gerade zu den Liegenschaften der Klägerin neue [X.]leitungen verlegt oder ob die von dort in Anspruch genommenen Leitungen in einem einer Herstellung gleichkommenden Maße erneuert wurden. Auch insofern bedurfte es daher keiner weiteren Ermittlungen durch das [X.]erufungsgericht.

7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Meta

9 C 21/14

15.04.2015

Bundesverwaltungsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, 1. April 2014, Az: 1 L 210/13, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15.04.2015, Az. 9 C 21/14 (REWIS RS 2015, 12673)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 12673

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1 BvR 2457/08

I ZR 187/10

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