Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.12.2013, Az. XII ZB 268/13

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 121

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.]

vom

18. Dezember
2013

in der Familiensache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
BGB § 1361 b Abs. 3 Satz 2
Eine
Vergütung für die alleinige Nutzung der Ehewohnung kann auch zuge-sprochen werden, wenn ein Ehegatte während des [X.] aus einer Ehewohnung weicht, für die beiden Ehegatten gemeinsam ein unentgeltliches Wohnungsrecht eingeräumt ist (Fortführung von Senatsurteil vom 15. Februar 2006 -
XII [X.]/03
-
FamRZ 2006, 930). Dies setzt nicht voraus, dass der in der Ehewohnung verbleibende Ehegatte die ihm durch die ungeteilte Nutzung zuwachsenden Vorteile wirtschaftlich verwerten kann (insoweit Aufgabe von Senatsurteil vom 8. Mai 1996 -
[X.]/94
-
FamRZ 1996, 931).
BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2013 -
XII [X.] -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII. Zivilsenat des [X.] hat am 18. Dezember
2013 durch [X.] und [X.], [X.], Dr.
Nedden-Boeger und [X.]

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 6.
Zivilsenats

-
Familiensenat
-
des [X.] [X.] vom 18. April 2013
wird auf Kosten des Antragsgegners
zu-rückgewiesen.
[X.]: 3.000

Gründe:
I.
Die beteiligten Eheleute schlossen 1984 die Ehe, lebten seit 17. Novem-ber 2009 getrennt und sind seit 16. August
2012 rechtskräftig geschieden. Sie waren je zur Hälfte Miteigentümer eines
gemeinsam bewohnten [X.], das sie im März 1998 auf ihre vier gemeinsamen Töchter zu je 1/4 Miteigen-tumsanteil schenkweise übertrugen. Dabei behielten sie sich als [X.] (§ 428 BGB) ein lebenslanges unentgeltliches dingliches Wohnungs-recht vor, das sie dazu berechtigt, das auf dem Grundstück stehende [X.] unter Ausschluss des Eigentümers zu bewohnen. Der Wohnwert des An-

Im [X.]punkt der Trennung zog die Antragstellerin (Ehefrau) aus dem Familienheim aus. Seither bewohnt der Antragsgegner (Ehemann) das Fami-1
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3
-
lienheim mit den vier inzwischen volljährigen Töchtern und einer 11jährigen [X.]. Die beiden älteren Töchter sind wirtschaftlich selbstständig, während die beiden jüngeren Töchter nach Abschluss ihrer Ausbildung arbeitslos sind.

Mit ihrem Antrag hat die Ehefrau den
Ehemann auf Zahlung einer mo-natlichen

in Anspruch genommen, die sie mit Schreiben vom 30. August 2011 erstmals geltend gemacht hat. Das Famili-engericht hat den Antrag abgewiesen. Auf die Beschwerde der Ehefrau hat das [X.] eine Nutzungsentschädigung

1.
September 2011 bis zum 15. August 2012 zugesprochen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Ehemanns.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Das [X.] hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der Ehefrau stehe
eine Nutzungsvergütung für die Nutzung der früheren Ehewohnung während der Trennung gemäß § 1361 b Abs. 3 Satz 2 BGB zu. Dieser familienrechtliche Anspruch gehe dem Anspruch aus Gemeinschafts-recht (§ 745 Abs. 2 BGB) vor.
Bei der gewählten Art des bestellten Wohnungsrechts bestehe ein
An-spruch des einzelnen Berechtigten gegen den Eigentümer auf Nutzung durch ihn allein. Im Innenverhältnis zum [X.] sei er zum Ausgleich ver-pflichtet, der darin bestehe, dass die Mitbenutzung der Wohnung durch diesen geduldet werden müsse. Der Auszug der Ehefrau aus der Ehewohnung entbin-3
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de den Ehemann von seiner Verpflichtung, das Mitbenutzungsrecht der Ehefrau zu dulden. Darin liege ein rechtlicher Vorteil, der zu einem Ausgleich nach §
1361 b BGB verpflichte, zumal das Wohnrecht an die Stelle des früheren ge-meinschaftlichen Eigentums getreten sei. Die Höhe der Nutzungsentschädigung richte sich nach [X.]. Unter Berücksichtigung des [X.] der
Ehegatten und des [X.] sei eine Entschädigung von [X.]; Ansprüche für die [X.] nach der Scheidung müssten in einem ge-sonderten Verfahren geltend gemacht werden.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Gemäß § 1361 b Abs. 3 Satz 2 BGB kann der Ehegatte, der dem an-deren die Ehewohnung während des [X.] ganz oder zum Teil [X.] hat, von dem nutzungsberechtigten Ehegatten eine Vergütung für die Nutzung verlangen, soweit dies der Billigkeit entspricht.
Seit der Neufassung der Vorschrift durch das Gewaltschutzgesetz zum 1. Januar 2002 knüpft die Vergütungsregelung nur noch an die faktische Überlassung der Wohnung an, ohne dass es darauf ankommt, ob der weichende Ehegatte die Ehewohnung freiwillig verlässt oder er verpflichtet ist, sie dem anderen zur alleinigen Benut-zung zu überlassen
([X.], 725
und FamRZ 2006, 1392;
OLG [X.], 1934; [X.]/[X.] Die gemeinsame Wohnung Rn. 274; [X.]/[X.]/[X.]
Familienrecht 5.
Aufl. § 1361
b BGB Rn. 33; Haußleiter/[X.] Vermögensauseinandersetzung
bei Trennung und Scheidung
5.
Aufl. [X.]. 4 Rn. 63;
MünchKommBGB/Weber-Monecke 6.
Aufl. § 1361
b Rn. 17; [X.] Der Rechtsstreit um Wohnung und Hausrat in der gerichtlichen, anwaltlichen und notariellen Praxis Rn. 180; [X.] Vermö-gensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts 5. Aufl. Rn.
101; vgl. zur früheren Rechtslage bereits Senatsurteil vom 15.
Februar 8
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-
5
-
2006 -
XII [X.]/03 -
FamRZ 2006, 930; aA:
[X.] 2013, 341; kritisch auch [X.]/[X.] BGB [2012] § 1361
b
Rn. 63 ff.).
b) Die familienrechtliche Nutzungsvergütung soll den Verlust des Woh-nungsbesitzes und die damit einhergehenden wirtschaftlichen Nachteile für den weichenden Ehegatten
im Einzelfall und nach Billigkeit kompensieren (Senats-urteil vom 15. Februar 2006 -
XII [X.]/03 -
FamRZ 2006, 930). Zugleich schafft sie einen Ausgleich dafür, dass nur noch der Verbliebene allein diejeni-gen Nutzungen zieht, die nach der ursprünglichen ehelichen Lebensplanung beiden Ehegatten gemeinsam zustehen sollten. Die Vergütungsregelung nach
§
1361 b Abs.
3 Satz
2 BGB ermöglicht somit einen
nach
familienrechtlichen Billigkeitskriterien orientierten Ausgleich für die [X.]
des [X.]. Der Anspruch scheidet aus, wenn der Wohnvorteil des
in der Ehewohnung verblei-benden Ehegatten bereits
anderweitig familienrechtlich kompensiert
wird, er insbesondere
bei der Unterhaltsbemessung
entweder
bedarfsmindernd oder die
Leistungsfähigkeit erhöhend berücksichtigt ist
([X.]/[X.] BGB [2012] §
1361
b
Rn.
71
mwN).
c) In die Regelungen des §
1361
b BGB sind, wie sich aus Absatz 1 Satz
3 der Vorschrift ergibt, Fälle von
Eigentum, Erbbaurecht, Nießbrauch, Wohnungseigentum, Dauerwohnrecht und dinglichem
Wohnrecht grundsätzlich unabhängig davon einbezogen, ob sie
beiden Ehegatten gemeinsam
oder
nur einem von ihnen
allein oder gemeinsam mit einem Dritten zustehen.
Ob eine Nutzungsvergütung zu entrichten ist, hängt daher grundsätzlich nicht von der Art des Rechts ab, auf dem die gemeinsame eheliche Nutzung der Wohnung beruht. Das entspricht dem Regelungszweck der Norm, die
den wirtschaftlichen Nachteil
des
weichenden Ehegatten nach Billigkeit kompensie-10
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ren und einen
Ausgleich dafür
schaffen will, dass aus dem zuvor gemeinsam genutzten Recht nur noch der Verbliebene allein die Nutzungen zieht.
Der Vergütungsanspruch besteht daher auch, wenn ein Ehegatte aus ei-ner
Ehewohnung
weicht, für die beiden gemeinsam ein unentgeltliches [X.] Wohnungsrecht eingeräumt ist. Denn während der [X.] des gemeinsamen ehelichen Wohnens ist
das Wohnrecht jedes Ehegatten mit der Verpflichtung belastet, die Mitnutzung durch den anderen Ehegatten zu dulden
(vgl. Senats-urteil vom 8. Mai 1996 -
[X.]/94 -
FamRZ 1996, 931 mwN). Diese [X.] entfällt für den verbleibenden Ehegatten
mit dem Weichen des an-deren aus der Wohnung. Die
fortan
ungeteilte Nutzung
durch den verbliebenen Ehegatten kann einen höheren Wohnwert verkörpern als die
ursprünglich nur anteilige Nutzung. Sowohl dieser Vorteil als auch der dem weichenden [X.] entstehende Nachteil kann, soweit es der Billigkeit entspricht, durch eine Vergütung an den weichenden
Ehegatten auszugleichen sein.
Soweit der Senat einen Ausgleichsanspruch in seinem Urteil vom 8.
Mai 1996 ([X.]/94

FamRZ 1996, 931) weiterhin davon abhängig gemacht hat, dass der in der Ehewohnung verbleibende Ehegatte
die ihm durch die un-geteilte Nutzung zuwachsenden Vorteile wirtschaftlich verwerten könne,
hält er
daran
nicht fest.
Der Vergütungsanspruch nach § 1361 b Abs. 3 Satz
2 BGB
setzt nach dem Wortlaut der Vorschrift
nur das Überlassen der Ehewohnung während des [X.]
voraus
und eröffnet auf der [X.] ei-ne Billigkeitsabwägung.
Der Nutzungsvergütung steht es auch nicht generell entgegen, wenn dem in der Wohnung verbliebenen Ehegatten die alleinige Nutzung letztlich aufgedrängt worden ist. Diesem Gesichtspunkt kann mit dem Kriterium der Bil-ligkeit
Rechnung getragen werden, an das der Vergütungsanspruch nach 13
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-
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-
Grund und Höhe anknüpft (Senatsurteil vom 15.
Februar 2006 -
XII [X.]/03
-
FamRZ 2006, 930, 933
in teilweiser Abgrenzung zum Senatsurteil vom 8.
Mai 1996 -
[X.]/94 -
FamRZ 1996, 931).
d) Ob und in welchem Umfang eine [X.]teigerung
für den verblei-benden Ehegatten
tatsächlich eintritt, in welchem Umfang der weichende [X.] durch den Verlust des Wohnungsbesitzes wirtschaftliche Nachteile erlei-det und inwieweit es der Billigkeit entspricht, dieses
durch eine Nutzungsvergü-tung zu kompensieren, obliegt einer wertenden Betrachtungsweise des [X.]. Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob er die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt hat, von ihm Rechtsbegriffe verkannt oder Erfah-rungssätze verletzt wurden und er die allgemein anerkannten Maßstäbe be-rücksichtigt und richtig angewandt hat.
16
-
8
-
Im vorliegenden Fall hat das [X.] unter Berücksichtigung, dass neben dem Ehemann noch vier erwachsene Töchter sowie ein Enkelkind die Ehewohnung nutzen, die vom Ehemann zu zahlende Nutzungsvergütung auf rund ein Fünftel des Gesamtwohnwerts des Anwesens festgesetzt.
Rechts-verstöße bei der Billigkeitsabwägung sind weder ersichtlich noch von der Rechtsbeschwerde aufgezeigt.
Dose Schilling Günter

Nedden-Boeger Botur
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 15.08.2012 -
2 [X.]/12 -

OLG [X.], Entscheidung vom 18.04.2013 -
6 UF 139/12 -

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Meta

XII ZB 268/13

18.12.2013

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.12.2013, Az. XII ZB 268/13 (REWIS RS 2013, 121)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 121

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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