Bundespatentgericht, Beschluss vom 22.01.2020, Az. 25 W (pat) 89/17

25. Senat | REWIS RS 2020, 4

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "Plombir Sovjetskij (Bildzeichen in kyrillischer Schrift)" – teilweises Freihaltungsbedürfnis – keine Täuschungsgefahr


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2013 057 029

hier Löschungsverfahren – [X.]/15 Lösch

hat der 25. Senat ([X.]) des [X.] am 22. Januar 2020 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.], der Richterin [X.] und des Richters Dr. Nielsen

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Löschungsantragstellerin wird der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des [X.] vom 13. September 2017 aufgehoben, soweit der Antrag auf Löschung der angegriffenen Marke in Bezug auf die nachfolgenden Waren zurückgewiesen worden ist:

Klasse 29: Gallerten (Gelees); Konfitüren, Kompotte; Speiseöle und -fette;

Klasse 30: Feine Backwaren und Konditorwaren; Soßen (Würzmittel); Gewürze;

Klasse 32: Andere Alkoholfreie Getränke (die Aufhebung und die Löschungsanordnung betrifft nicht Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer); Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken.

Auf den Löschungsantrag hin wird insoweit die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde der Löschungsantragstellerin zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das am 28. Oktober 2013 angemeldete Bildzeichen

Abbildung

2

ist am 6. Juli 2015 unter der Nr. 30 2013 057 029 als Marke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register eingetragen worden und genießt Schutz für die nachfolgenden Waren:

3

Klasse 29: Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; Gallerten (Gelees); Konfitüren, Kompotte; Speiseöle und -fette;

4

Klasse 30: [X.]; [X.]; Tapioka und Sago; Mehle und Getreidepräparate; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren; Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz; Senf; Essig, Soßen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis;

5

Klasse 32: Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken.

6

Mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2015, vorab per Fax eingegangen beim [X.] am selben Tag, hat die Löschungsantragstellerin gestützt auf § 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 – 3 [X.] und § 8 Abs. 2 Nr. 4 - 9 [X.] die vollständige Löschung der beschwerdegegenständlichen Marke beantragt. Dem am 5. November 2015 an den Markeninhaber per Empfangsbekenntnis zugestellten Löschungsantrag hat dieser mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2015, vorab per Fax eingegangen beim [X.] am selben Tag, widersprochen.

7

Mit Beschluss vom 13. September 2017 hat die Markenabteilung 3.4 des [X.] den Löschungsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die angegriffene Marke im Zusammenhang mit den von ihr beanspruchten Waren keine beschreibende Angabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] sei. Selbst wenn man den Vortrag der Löschungsantragstellerin als richtig unterstelle, dass sich das angegriffene Bildzeichen mit „[X.] Speiseeis“ in die [X.] übersetzen lasse, sei die angegriffene Marke weder für Speiseeis selbst, noch für sonstige Lebensmittel eingetragen, für die der Begriff „[X.] Speiseeis“ als unmittelbare Gattungs-, Bestimmungs- oder Beschaffenheitsangabe in Betracht kommen könne. Die von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren fänden weder als Zutat bei der Herstellung von Speiseeis Verwendung, noch beinhalteten sie Speiseeis noch seien sie speiseeisverwandte Produkte. Letzteres gelte insbesondere auch für die Ware „[X.]“, die nicht zum Verzehr bestimmt sei, sondern ausschließlich als Kühlmittel verwendet werde. Auch der Vortrag der Löschungsantragstellerin, dass die angegriffenen Waren der Ware „Speiseeis“ zumindest ähnlich seien, führe zu keiner anderen Entscheidung, da dieser Umstand die Bejahung eines Freihaltebedürfnisses nicht rechtfertige. Die angegriffene Marke verfüge auch über die erforderliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]. Da es sich bei ihr weder um eine beschreibende Angabe handle noch um eine Bezeichnung, die einen engen beschreibenden Bezug zu den beanspruchten Waren aufweise, könne ihr nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Die angegriffenen Waren würden sich von Speiseeis im Hinblick auf ihre Beschaffenheit, ihren Verwendungszweck und ihre regelmäßigen Herstellungsstätten deutlich unterscheiden. Im Übrigen sei auch kein Schutzhindernis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 4 [X.] aF zu bejahen. Unabhängig von der Frage, ob es sich bei „[X.]“ tatsächlich um eine beschreibende Sachangabe im Sinne von „Speiseeis“ oder „[X.]“ handle, liege schon deshalb keine relevante [X.] vor, weil es am erforderlichen Umfang der möglicherweise irreführenden Beeinflussung fehle. Von der Gefahr einer Irreführung sei nur auszugehen, wenn ein erheblicher Teil der Verkehrskreise einer Täuschung unterliegen könne. Nachdem in [X.] nur etwa 6 Millionen Einwohner die [X.] beherrschten, handle es sich insoweit nur um einen unwesentlichen Teil des angesprochenen Verkehrs, dessen Auffassung für die Frage der [X.] nicht ausreichend maßgeblich sei. Auch der zweite Bestandteil der angegriffenen Marke „Sovjetskij“ gebe keinen Anlass, eine [X.] zu bejahen. Denn die beanspruchten Waren könnten aus dem Gebiet der ehemaligen [X.] stammen oder mit für die frühere [X.] typischen Verfahren hergestellt werden, so dass eine nicht irreführende Verwendung des Begriffs „sowjetisch“ möglich sei.

8

Hiergegen wendet sich die Löschungsantragstellerin mit ihrer Beschwerde. Die Markenabteilung verkenne in ihrer Zurückweisung des [X.], dass alle beschwerdegegenständlichen Waren in einem besonders engen Zusammenhang mit der Ware „Speiseeis“ stünden. Es sei daher von einer sehr engen Assoziierung bzw. einem „Ausstrahlen“ im Zusammenhang mit Lebensmitteln auszugehen, was auch die Ware „[X.]“ einschließe. Zum Beweis der Tatsache, dass es sich bei der angegriffenen Marke um eine beschreibende Sachangabe handle, werde die Erholung eines Sachverständigengutachtens beantragt. Es sei weiterhin unzutreffend, dass eine [X.] nur für einen unwesentlichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise bestehe. Insoweit sei auf den Teil der Verkehrskreise abzustellen, der die [X.] beherrsche. Auch die Annahme der Markenstelle, dass der [X.] „Sovjetskij“ nicht täuschend sei, treffe nicht zu, was aus einer Entscheidung des [X.] zu dem Begriff „[X.]“ hervorgehe ([X.]. 327 [X.]/16).

9

Die Löschungsantragstellerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des [X.]s vom 13. September 2017 in der Hauptsache aufzuheben und die vollständige Löschung der Marke 30 2013 057 029 anzuordnen.

Der [X.] beantragt,

die Beschwerde der Löschungsantragstellerin zurückzuweisen.

Der [X.] ist der Auffassung, dass ein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] nicht zu bejahen sei. Die angegriffene Marke sei nicht für [X.] geschützt und stelle somit keine ausschließlich sachbeschreibende Angabe dar. Im Übrigen stelle die angegriffene Marke auch keinen beschreibenden Zusammenhang zu den beanspruchten Waren her, so dass sie über die erforderliche Unterscheidungskraft verfüge. Diese beanspruchten Waren würden sich in ihrer Beschaffenheit, ihrem Verwendungszweck und ihren Herstellungsstätten von Speiseeis unterscheiden. Die Markenabteilung habe zutreffend darauf hingewiesen, dass „[X.]“ kein zum Verzehr bestimmtes Speiseeis sei. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass jegliche auch noch so geringe Unterscheidungskraft ausreiche, um das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zu überwinden. Eine [X.] im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 4 [X.] aF sei schon deswegen ausgeschlossen, weil sich nicht feststellen lasse, in welcher Hinsicht die Marke täuschen könne. Der Begriff „Sovjetskij“ sei kein konkreter, sachlicher Hinweis, sondern spiele auf einen nostalgischen Effekt an. Kein Verbraucher werde bei der Wahrnehmung der angegriffenen Marke den Schluss ziehen, dass die so bezeichneten Waren aus der ehemaligen [X.] stammten. Selbst wenn man von einer solchen Annahme ausgehen wolle, bestehe gleichwohl keine [X.], weil die Waren tatsächlich aus dem Gebiet der ehemaligen [X.] stammen könnten. Darüber hinaus sei es für die Bejahung einer [X.] erforderlich, dass ein erheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise getäuscht werde, wovon vorliegend aber nicht auszugehen sei.

Auf den schriftlichen Hinweis des Senats vom 29. Juli 2019 hat die Löschungsantragstellerin mit Schriftsatz vom 26. September 2019 ergänzend vorgetragen, dass auch die Waren „[X.]; [X.]; Mehle; Backpulver; Salz; Essig; Biere; Mineralwässer“ zur Herstellung von Speiseeis verwendet würden und hat hierzu die Anlagen 1 bis 5 vorgelegt ([X.] 80 – 106 d.A.). So gebe es beispielsweise Speiseeis mit Essig- oder mit Biergeschmack. Weiterhin werde Speiseeis auch in Kombination mit Kaffee zubereitet, z.B. bei dem bekannten Produkt „[X.]“. Darüber hinaus würden aus den Zutaten „Mehl“ und „Eiscreme“ auch Kuchen zubereitet, so dass auch im Zusammenhang mit der Ware „Mehl“ ein Schutzhindernis zu bejahen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenabteilung 3.4, die Schriftsätze der Beteiligten, den schriftlichen Hinweis des Senats vom 29. Juli 2019 nebst Anlagen sowie auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

Die gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 [X.] statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Löschungsantragstellerin hat in der Sache teilweise Erfolg.

1. Die Voraussetzungen für die Löschung der angegriffenen Marke sind im Zusammenhang mit den im Tenor genannten Waren gegeben, §§ 54, 50 Abs. 1 und 4 [X.] i.V.m. § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]. Die Marke ist trotz eines vorliegenden Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] auch insoweit eingetragen worden, wobei das Schutzhindernis auch aktuell noch besteht, so dass der den Löschungsantrag zurückweisende Beschluss der Markenabteilung teilweise aufzuheben ist.

Das Bildzeichen

Abbildung

ist im Zusammenhang mit den Waren

Klasse 29: Gallerten (Gelees); Konfitüren, Kompotte; Speiseöle und

-fette;

Klasse 30: Feine Backwaren und Konditorwaren; Soßen (Würzmittel); Gewürze;

Klasse 32: Alkoholfreie Getränke (ausgenommen Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer); Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken;

eine freihaltebedürftige Angabe im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.].

In Bezug auf die nachfolgenden Waren können dagegen keine Schutzhindernisse bejaht werden, so dass die Beschwerde der Löschungsantragstellerin gegen den Beschluss der Markenstelle 3.4 vom 13. September 2017 insoweit zurückzuweisen war:

Klasse 29: Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte;

Klasse 30: [X.]; [X.]; Tapioka und Sago; Mehle und Getreidepräparate; Brot; Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz; Senf; Essig; Kühleis;

Klasse 32: Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer.

Eine Marke ist auf Antrag und nach rechtzeitig erhobenem Widerspruch gegen den Löschungsantrag gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 [X.] - im Rahmen der gestellten Anträge – nach § 50 Abs. 1 [X.] wegen absoluter Schutzhindernisse nach §§ 3, 7, 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 9 [X.] zu löschen, wenn sie sowohl bezogen auf den Anmeldezeitpunkt - dahingehend wird der Wortlaut des § 50 Abs. 1 [X.] vom [X.] im Einklang mit der Rechtsprechung des [X.] ausgelegt (vgl. [X.], [X.], 1143, Rn. 9 ff, Rn. 12 ff, insbesondere Rn. 15 – [X.] werden Fakten, mit zahlreichen Nachweisen) - als auch bezogen auf den Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung über die Beschwerde gegen den Beschluss der Markenabteilung vom 13. September 2017 (§ 50 Abs. 2 S. 1 [X.], gemäß der bis 14. Januar 2019 geltenden Fassung, § 158 Abs. 8 [X.]) schutzunfähig war bzw. ist. Angesichts der im Löschungsantrag vom 9. Oktober 2015 bzw. in der Begründung des Löschungsantrags vom 21. Januar 2016 genannten rechtlichen Gesichtspunkte der Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 und Nr. 4 bis 9 [X.] sind jedenfalls diese Schutzhindernisse vorliegend zu prüfen bzw. bei der Entscheidung in Betracht zu ziehen. Soweit ein Löschungsantrag unter diesen vorgenannten rechtlichen Gesichtspunkten gestellt wird, kommt eine Löschung gemäß § 50 Abs. 2 Satz 2 [X.] nur in Betracht, wenn der Antrag innerhalb von zehn Jahren seit dem [X.] gestellt wird, was im vorliegenden Verfahren der Fall ist. Die angegriffene Marke ist am 6. Juli 2015 eingetragen worden. Der beschwerdegegenständliche Löschungsantrag ist am 9. Oktober 2015 beim [X.] eingegangen. Eine Löschung kann im Übrigen nur erfolgen, wenn das Vorliegen von [X.] zum Zeitpunkt der Anmeldung am 28. Oktober 2013 und zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt zweifelsfrei feststeht. Die Löschungsantragstellerin trägt die Feststellungslast in Bezug auf das Vorliegen von [X.] zu den genannten Zeitpunkten.

Gemessen an diesen Maßstäben ist die angegriffene Marke wegen eines im Zusammenhang mit den im Tenor genannten Waren bestehenden Freihaltebedürfnisses im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] insoweit zu löschen. Das Wort „[X.]“ kommt aus der [X.] und bezeichnet eine bestimmte Art von Speiseeis. Die Eisspezialität „[X.]“ wurde in der ehemaligen [X.] nach staatlich festgelegten Normen produziert und war weit verbreitet. In den Nachfolgestaaten der ehemaligen [X.] ist „[X.]“ auch gegenwärtig eine allgemein bekannte und weit verbreitete Eisspezialität. Das Wort „Sovjetskij“ ist ebenfalls ein Wort der [X.] und hat im Sinne eines Lehnwortes in leicht veränderter Form als „sowjetisch“ Eingang in die [X.] gefunden (auf die Anlagen 1 und 2 des [X.]es vom 29. Juli 2019, [X.] 56 ff d.A. wird Bezug genommen). Wegen der großen phonetischen und schriftbildlichen Ähnlichkeit der Begriffe „Sovjetskij“ und „sowjetisch“ bereitet der [X.] „Sovjetskij“ dem inländischen Verkehr keine Verständnisschwierigkeiten. In ihrer Gesamtheit kann daher die angegriffene Marke mit „[X.] [X.]“ bzw. „[X.] nach [X.] Art“ übersetzt werden und bezeichnet eine bestimmte Speiseeisspezialität bzw. Speiseeissorte.

Der Umstand, dass es sich bei der angegriffenen Marke um ein Bildzeichen in kyrillischer Schrift handelt und dass der überwiegende Teil des inländischen Verkehrs die genaue Bedeutung des Wortes „[X.]“ nicht kennen dürfte, steht der Bejahung des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] nicht entgegen. Eine beschreibende Bezeichnung in [X.] bzw. Schrift kann auch dann freihaltebedürftig sein, wenn sie nicht von einem überwiegenden Teil der allgemeinen inländischen Verkehrskreise, insbesondere nicht der überwiegenden Zahl der Durchschnittsverbraucher, verstanden wird. Denn das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] erfordert keine einhellige oder überwiegende Verkehrsauffassung (vgl. [X.], 865, 869 "SPA"; 24 W (pat) 51/05 - [X.]). Vielmehr ist ein derartiger beschreibender Charakter in gleicher Weise rechtlich relevant, wenn er nur von den am internationalen Handelsverkehr beteiligten inländischen Fachkreisen erkannt wird ([X.] GRUR 2010, 534 – [X.]; [X.] GRUR Int. 2003, 243 – Matratzen [X.]/[X.]; [X.]/Hacker/Thiering, [X.], 12. Aufl. § 8 Rn. 514, 518 m. w. N.). Damit können im Einzelfall selbst die Kenntnisse eines relativ kleinen Teils aller beteiligten Verkehrskreise einer Markeneintragung entgegenstehen, zumal jeder Mitbewerber beschreibende Angaben frei verwenden können muss (vgl. [X.] GRUR 2010, 534 – [X.]; vgl. hierzu auch die [X.] 25 W (pat) 10/16 - Sallaki; 25 W (pat) 569/17 – [X.]; die Entscheidungen sind über die Homepage des [X.] öffentlich zugänglich). Daher kann eine fremdsprachige Angabe zur Beschreibung dienen. Maßgeblich ist hierbei, ob davon ausgegangen werden kann, dass die einschlägigen Waren mit den fremdsprachigen Bezeichnungen im Inland vertrieben bzw. diesbezügliche Dienstleistungen angeboten werden und entscheidungserhebliche Verkehrskreise im Inland dies verstehen (vgl. [X.]/Hacker/Thiering, [X.], 12. Aufl., § 8 Rn. 524 m.w.N.).

Hiervon ausgehend ist angesichts der bestehenden Wirtschaftsbeziehungen und des entsprechenden Handels zwischen der [X.] und den Ländern der früheren [X.] festzustellen, dass ein ausreichend relevanter Teil des Verkehrs die angegriffene Marken ohne Weiteres als sachbeschreibende Angabe versteht. Sowohl diejenigen Verkehrskreise, die aufgrund des gewerblichen Handels mit Lebensmitteln aus dem postsowjetischen Raum mit entsprechenden [X.] Produktbezeichnungen vertraut sind, als auch die zahlreichen im Inland vorhandenen Endverbraucher, die als Aussiedler und Einwanderer aus dem Gebiet der früheren [X.] oder aufgrund der [X.] Sprachkenntnisse aus dem Schulunterricht in der ehemaligen [X.] mit der [X.] vertraut sind, können die kyrillische Schrift lesen und kennen die Bedeutung des Wortes „[X.]“ (vgl. auch die nicht rechtskräftige Entscheidung des [X.] vom 6. April 2016, 28 W (pat) 27/13 – [X.], sowie für das Verständnis der Verbraucher in der [X.] die Entscheidung des Europäischen Gerichts vom 13. Dezember 2018, [X.]. [X.] - [X.]). Über das Verständnis der russischsprachigen Verkehrskreise hinausgehend lässt sich zudem die Benutzung des Wortes „[X.]“ als Gattungsbezeichnung für eine bestimmte Eissorte „nach [X.] Art“ für den inländischen Sprachgebrauch bereits nachweisen. Dabei beziehen sich diese Nachweise teilweise auch auf den Zeitraum vor der Anmeldung der angegriffenen Marke (auf das [X.] 3 zum [X.] vom 29. Juli 2019, [X.] 56 ff d.A. wird Bezug genommen). Ausgehend von dem Umstand, dass ein relevanter Teil des inländischen Verkehrs über ausreichende Kenntnisse der [X.] verfügt, kann aber als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben, ob aufgrund dieser Rechercheergebnisse davon auszugehen ist, dass der Begriff „[X.]“ zum relevanten Zeitpunkt der Markenanmeldung bereits in [X.] Umfang als Gattungsbezeichnung verwendet worden ist und demgemäß in den [X.] Sprachgebrauch eingegangen ist.

Entgegen der Auffassung der Markenabteilung 3.4 im Beschluss vom 13. September 2017 besteht im Zusammenhang mit den Waren, die von den angegriffenen Marken beansprucht werden, ein Freihaltungsbedürfnis, soweit diese gebräuchliche, für die Herstellung von Speiseeis bestimmte Zutaten sind. Insoweit handelt es sich bei dem angegriffenen Bildzeichen um eine Angabe, die Merkmale der beanspruchten Waren [X.]. § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] bezeichnet, nämlich deren bestimmungsgemäße Verwendung als Zutat bei der Herstellung von Speiseeis. Die Waren der Klasse 29 „Gallerten (Gelees); Konfitüren, Kompotte“ können Zutaten für Speiseeis sein und dienen insoweit insbesondere dazu, dem Eis eine bestimmte Geschmacksrichtung zu geben. Traditionell stehen bei der Herstellung von Speiseeis zwar Obst bzw. [X.] im Vordergrund, die von Unternehmen, die auf die Lieferung von Zutaten für die Speiseeisherstellung spezialisiert sind, in unterschiedlichen Formen angeboten werden. Die [X.] werden z.B. püriert, tiefgefroren, in Form von Pasten, gezuckert oder ungezuckert verkauft, weshalb entsprechende Produkte begrifflich auch unter die Waren „Gallerten“ oder „Kompotte“ der Klasse 29 oder „(Frucht)Saucen [Würzmittel]“ der Klasse 30 fallen. Die Waren „Speiseöle und -fette“ sind Grundzutaten für Speiseeis und werden häufig in Form von speziell für die Eisherstellung bestimmten Pulvermischungen angeboten. Ferner wird Speiseeis regelmäßig in Waffeln eingefüllt bzw. in einer Kombination mit Waffeln angeboten, so dass „feine Backwaren und Konditorwaren“ (Klasse 30) eine Zutat für Speiseeis sein können. Umgekehrt ist Eis nicht selten eine Zutat von Konditorwaren (z.B. bei „Apfelstrudel mit Vanilleeis“ oder mit Eis gefüllten [X.]). Die in Klasse 30 beanspruchte Waren „Gewürze“ werden in der Eisherstellung vielfach verwendet und speziell zur Herstellung von Speiseeis angeboten. So ist insbesondere das Gewürz „Vanille“ eine häufig anzutreffende Zutat für Speiseeis. Auch die Waren der Klasse 32 „alkoholfreie Getränke; [X.] und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken“ eignen sich für die Herstellung von Speiseeis bzw. sind übliche Zutaten hierfür (wegen der Eignung und des Angebots der genannten Waren zur Herstellung von Speiseeis wird auf die Anlagen 4 bis 8 des [X.]es vom 29. Juni 2019 Bezug genommen ([X.] 56 ff d.A.); vgl. hierzu auch die [X.] vom 14. Mai 2019, 25 W (pat) 76/17 – [X.] Berlin, 25 W (pat) 569/17 – [X.], und 25 W (pat) 615/17 - [X.] Berlin; die Entscheidungen sind über die Homepage des [X.] öffentlich zugänglich).

Dagegen stehen die angegriffenen Waren der Klasse 29 „Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte“ in keinem Zusammenhang mit der Herstellung von Speiseeis. Speiseeis wird üblicherweise weder aus Fleischprodukten hergestellt noch weist es Fleischgeschmack auf. Nach den Recherchen des Senats werden auch keine Fleischprodukte angeboten, die für die Herstellung von Speiseeis bestimmt sind. Eine Gefahr von Täuschungen im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 4 [X.] aF ist gleichwohl nicht ersichtlich, da die Verwendung der genannten Waren für die Herstellung von Speiseeis nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist. Die Waren der Klasse 30 „[X.]; [X.]; Tapioka und Sago; Mehle und Getreidepräparate; Brot; Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz; Senf; Essig; [X.]“ sowie die Waren der Klasse 32 „Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer“ können zwar grundsätzlich bei der Herstellung von Speiseeis verwendet werden. Zudem werden auch vereinzelt entsprechende experimentelle Eissorten angeboten, die eher ungewöhnliche Zutaten enthalten können, wie z.B. „Bier“. Allerdings hat der Senat bei seiner Recherche keine entsprechenden Anbieter auffinden können, die diese Waren spezifisch für die Herstellung von Speiseeis in den Verkehr bringen. Beispielsweise konnte weder ein Speiseeis mit den Geschmacksrichtungen „Malzkaffee“ oder „Bier“ ermittelt werden, noch entsprechende Vorprodukte, die speziell für die Herstellung von Speiseeis angeboten werden, selbst wenn davon auszugehen ist, dass entsprechende Sorten in handwerklich orientierten Eisdielen vereinzelt angeboten werden. Soweit „Tapioka“ und „Sago“ als Verdickungsmittel grundsätzlich auch für die Herstellung von Speiseeis geeignet sind, werden diese Waren nach den Recherchen des Senats sowohl von der Lebensmittelindustrie als auch von handwerklich orientierten Eisdielen nicht bei der Produktion von Speiseeis verwendet. Entsprechende Rezepturen oder Angebote lassen sich nicht nachweisen. Soweit die Löschungsantragstellerin mit Schriftsatz vom 26. September 2019 vorgetragen hat, dass die Waren „[X.]; Mehl; Salz; Essig; Bier“ bei der Herstellung von Speiseeis Verwendung finden würden und dazu die Anlagen 1 bis 5 vorgelegt hat, gibt dies zu keiner anderen Entscheidung Anlass. Die [X.] beziehen sich vornehmlich auf Rezeptvorschläge, die auf Internetseiten wie beispielsweise www.chefkoch.de veröffentlicht wurden und die sich eher Hobbyköchen zuordnen lassen. Dagegen fehlt es insoweit an Nachweisen für eine übliche Verwendung dieser Produkte bzw. einem spezifisch für die Herstellung von Speiseeis bestimmten Angebot entsprechender Waren im geschäftlichen Verkehr. Insoweit reichen gelegentliche, private Zubereitungen von Speiseeis unter Verwendung der genannten Produkte nicht aus, um ein Freihaltebedürfnis im Zusammenhang mit der Bezeichnung „[X.] Sovjetskij“ mit der erforderlichen Sicherheit zu bejahen. Soweit die Löschungsantragstellerin auf das Produkt „[X.]“ verweist, gibt dies schon deswegen keinen Anlass ein Schutzhindernis für „[X.]“ zu bejahen, weil „[X.]“ üblicherweise mit Kaffee (bzw. Espresso) zubereitet wird, jedoch nicht mit [X.]n.

Zu der Anregung der Löschungsantragstellerin, zur Beantwortung der Frage, ob das angegriffene Bildzeichen im Zusammenhang mit den beschwerdegegenständlichen Waren eine beschreibende Angabe darstellt, ein Sachverständigengutachten zu erholen, ist anzumerken, dass es sich insoweit um eine Rechtsfrage handelt, deren Beantwortung dem Gericht obliegt.

2. Soweit vorstehend ein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] zu bejahen ist, können Ausführungen zur Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] und anderen [X.] als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben. Soweit der Beschluss der Markenstelle 3.4 des [X.]s aufrechterhalten worden ist, beschreibt die angegriffene Marke diese Waren aus den oben genannten Gründen nicht unmittelbar. Wegen der Unüblichkeit der Verwendung der genannten Produkte für die Herstellung von Speiseeis stellt das angegriffene Bildzeichen auch keinen beschreibenden Zusammenhang zu den betreffenden Produkten her.

3. Soweit die Löschungsantragstellerin ihren Löschungsantrag auch auf die Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 3 und 5 bis 9 [X.] aF gestützt hat, hat sie hierzu nichts vorgetragen. Soweit die Löschungsantragstellerin in diesem Zusammenhang andeutet, dass der Verkehr durch den [X.] „Sovjetskij“ über die Herkunft der Waren getäuscht werden könnte, sind nach Auffassung des Senats keine dahingehenden Hinweise ersichtlich. Insbesondere wird der Verkehr den [X.] „Sovjetskij“ nicht dahingehend verstehen, dass die so bezeichneten Produkte in der (nicht mehr existierenden) [X.] hergestellt worden seien, sondern dahingehend, dass es sich insoweit um Zutaten für „[X.] nach [X.] Art“ handelt.

Meta

25 W (pat) 89/17

22.01.2020

Bundespatentgericht 25. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 54 MarkenG vom 13.12.2001, § 50 Abs 1 MarkenG, § 50 Abs 4 MarkenG, § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG, § 8 Abs 2 Nr 4 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 22.01.2020, Az. 25 W (pat) 89/17 (REWIS RS 2020, 4)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 4

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