8. Kammer | REWIS RS 2017, 8771
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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Streitwert: 2.175,00 EUR
Die Parteien streiten zuletzt nur mehr über die Frage, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch die Eigenkündigung des Klägers vom 31.10.2016 zum 30.11.2016 oder zum 31.12.2016 sein Ende gefunden hat.
Der Kläger ist seit dem 13.10.2013 als Busfahrer anfangs befristet bei der Beklagten mit einem Bruttomonatsverdienst von zuletzt ein 2.175,00 EUR brutto beschäftigt gewesen. Nach den Arbeitsverträgen vom 12.10.2013, bzw. vom 28.01.2015 gelten u.a. für die Kündigungsfrist die Tarifverträge des privaten Omnibusgewerbes des Landes Nordrhein-Westfalen. § 20 Abs. 2 MTV des privaten Omnibusgewerbes des Landes Nordrhein-Westfalen vom 15.12.2015 sieht bei einer Beschäftigungszeit von mehr als 2 Jahren bis zu 5 Jahren eine Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende vor.
Mit Schreiben vom 31.12.2016 sprach der Kläger gegenüber der Beklagten - gerichtet an den Prokuristen der Beklagten, Herbert N, der der Onkel des Klägers ist - eine Eigenkündigung zum 30.11.2016 aus (Bl. 20 der Akte).
Mit Schreiben vom 08.11.2016 machte der Klägervertreter unter Hinweis auf die Eigenkündigung zum 30.11.2016 offene Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend (Bl. 28 ff der Akte). Mit Schreiben vom 16.11.2016 wies der Beklagtenvertreter u.a. darauf hin, dass das Arbeitsverhältnis erst mit dem 31.12.2016 sein Ende finde, da die Kündigung des Klägers der Beklagten erst am 02.11.2016 anlässlich der täglichen Leerung des Briefkastens zugegangen sei (Bl. 22 f der Akte).
Unter dem 13.12.2016 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Arbeitsbescheinigung, die eine Eigenkündigung zum 31.12.2016 bescheinigte (Bl. 24 ff der Akte).
Mit der am 20.12.2016 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger zuletzt noch das Ziel, festgestellt zu wissen, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Eigenkündigung bereits mit dem 30.11.2016 beendet worden sei. Noch am 31.10.2016 habe er das Kündigungsschreiben um 18:05 Uhr in Anwesenheit der Zeuginnen T und B in den Briefkasten der Beklagten geworfen. Dieser Briefkasten, der der einzige sei, in dem man Post für die Beklagte einwerfen könne, befinde sich an einem Wohngebäude im vorderen Bereich des Betriebes an der T-Straße. Im hinteren Bereich gebe es ein kleineres Häuschen, in dem sich das Büro befinde und an das sich Hallen anschlössen. Durch das neben dem Briefkasten befindliche Fenster sei gesehen worden, dass sich in der dortigen Küche die Tochter des Prokuristen und eine weitere weibliche Person befunden hätten, die den Briefeinwurf ebenfalls wahrgenommen hätten.
Damit sei die Kündigung noch am 31.10.1016 zugegangen, weshalb das Arbeitsverhältnis mit dem 30.11.2016 sein Ende gefunden habe.
Der Kläger beantragt zuletzt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien aufgrund Eigenkündigung des Klägers vom 31.10.2016 zum 30.11.2016 beendet worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die die Kündigung des Klägers habe das Arbeitsverhältnis erst zum 31.12.2016 beendet. Denn der Einwurf am 31.10.2016 um 18:05 Uhr sei zu spät gewesen.
Die Beklagte habe den Briefkasten erst wieder am 02.11.2016 - nach dem Feiertag am 01.11.2016 - geleert und dabei das Kündigungsschreiben vom 31.10.2016 vorgefunden. Die tägliche Leerung des Briefkastens finde an Arbeitstagen üblicherweise im Zeitraum zwischen 10:00 Uhr und 12:30 Uhr statt. Der Einwurf um 18:05 Uhr sei jedenfalls zu spät, da das Büro an Arbeitstagen - so die mündliche Auskunft im Gütetermin auf Nachfrage des Vorsitzenden - nur bis 16:00 Uhr, bis 16:30 Uhr oder längstens bis 17:00 Uhr besetzt sei. Die Beklagte habe mit der Zustellung der Kündigung des Klägers jedenfalls um 18:05 Uhr nicht mehr rechnen müssen.
Klarzustellen sei, dass es sich bei dem Briefkasten neben dem Küchenfenster am Wohngebäude zur T-Straße hin um den privaten Briefkasten der Beklagten handele, während am dahinterliegenden Bürogebäude ein weiterer Briefkasten nur für die Firma hänge. Bestritten werde, dass sich zum Zeitpunkt des Einwurfs zwei Personen in der Küche der Wohnung der Beklagten persönlich befunden hätten. Insbesondere die Tochter des Prokuristen habe sich in ihrer eigenen Wohnung andernorts von den Folgen einer zuvor erfolgten Zahnwurzelbehandlung erholen müssen.
Die Kündigung könne demnach das Arbeitsverhältnis erst zum 31.12.2016 beendet haben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen. Auf Nachfrage der Kammer hat der Kläger im Termin erklärt, dass am 31.10.2016 gegen 18:05 Uhr keine vertretungsberechtigten Personen der Beklagten in der Küche oder sonst anwesend gewesen seien. Auf weitere Nachfrage erklärte er, dass er die Kündigung vom 31.10.2016 spontan ausgesprochen habe und diese der Beklagten vorher nicht in irgendeiner Form angekündigt habe.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Kündigung des Klägers vom 31.10.2016 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien erst mit Wirkung zum 31.12.2016 beendet. Denn die Kündigung ist, obwohl sie noch am 31.10.2016 gegen 18:05 Uhr in den (Privat-) Briefkasten der Beklagten eingeworfen wurde, der Beklagten gemäß § 130 BGB erst am ersten Arbeitstag nach dem gesetzlichen Feiertag, dem 02.11.2016, zugegangen. Damit konnte die einzuhaltende Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende zum 30.11.2016 nicht mehr gewahrt werden.
§ 130 Abs. 1 BGB sieht vor, dass eine Kündigung als empfangsbedürftige Willenserklärung bei Abwesenheit des Adressaten diesem gegenüber erst in dem Zeitpunkt wirksam wird, indem sie dem Adressaten zugeht. Zugang im Sinne dieser Vorschrift setzt die Möglichkeit der Kenntnisnahme des Inhalts der Erklärung voraus.
Das Bundesarbeitsgericht sieht in seiner Entscheidung vom 08.12.1983 - 2 AZR 337/82 eine schriftliche Willenserklärung als zugegangen an, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist und für den Empfänger unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von dem Schreiben Kenntnis zu nehmen (Rz. 11 der Entscheidung). Dabei kommt es nicht darauf an, wann der Empfänger die Erklärung tatsächlich zur Kenntnis genommen hat oder hieran zunächst gehindert gewesen wäre. Das Bundesarbeitsgericht hatte einen Fall zu entscheiden, in dem es für den Einwurf in den Wohnungsbriefkasten einer Arbeitnehmerin gegen 16:30 Uhr annahm, dieser Zeitpunkt liege außerhalb der normalen Postzustellungszeit, was zu einem Zugang erst am Folgetag führe. Denn die Möglichkeit der Kenntnisnahme reiche für den Zugang nicht aus. Hinzukommen müsse, dass nach der Verkehrsanschauung zu erwarten sein müsse, dass der Empfänger sich alsbald die Kenntnis auch verschaffe.
Zwar sind die Grundsätze des der Entscheidung des BAG aus dem Jahre 1983 auch heute noch uneingeschränkt heranzuziehen. Zu beachten ist allerdings auch, dass diese Entscheidung aus einer Zeit stammt, in der es mit dem Staatsunternehmen Deutsche Post lediglich einen einzigen Postzusteller gab. Deshalb war es damals gerechtfertigt, auf Tageszeiten oder Uhrzeiten abzustellen, zu denen üblicherweise am Wohnort des Adressaten die Postzustellung erfolgt ist. Hinsichtlich der Möglichkeit der Kenntnisnahme einer unter Abwesenden abgegebenen schriftlichen Erklärung brauchte deshalb den Adressaten nur abverlangt werde, bis zum Ende des üblichen Zeitpunkts der Postzustellung, bzw. kurz danach in seinen Briefkasten zu sehen, um sich zu vergewissern, ob heute Post da ist.
Angesichts des Wegfalls des Postmonopols und einer inzwischen steigenden Anzahl weiterer bundesweit oder auch nur regional tätiger Postdienstleister bedarf diese Rechtsprechung der Anpassung an geänderte Verhältnisse. Heute kann man sich nicht mehr darauf verlassen, dass man nach dem üblichen Zustellungszeitpunkt durch die „gelbe“ Post, d.h. die Deutsche Post AG-DHL, nicht weitere Post auch zu anderen Tages- und Uhrzeiten durch andere Postdienstleister zugestellt bekommt. Nicht zuletzt das boomende Kaufverhalten einer Vielzahl von Kunden im Internetgeschäft macht es inzwischen nahezu selbstverständlich, zu fast jeder Tages- und Nachtzeit Pakete und andere Lieferungen zu erwarten und auch entgegenzunehmen. Auch wenn Pakete und Briefe und ihre jeweilige Zustellung nicht zwangsläufig gleichgestellt werden können - bei Paketen insbesondere aufgrund von Onlinebestellungen dürfte es sich um jeweils vom Adressaten gewünschte und erwartete Postsendungen handeln -, belegt dieses Beispiel jedoch eindeutig auch einen gesellschaftlichen Wandel gegenüber einer Zeit Mitte der Achtzigerjahre, was die Erwartungen an und den Umgang mit Postdienstleistungen angeht.
Die Kammer macht sich deshalb die Entscheidung des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 25.03.2009 - 7 Ca 1181/09 zu Eigen, wenn bei einer Zustellung gegenüber einer Privatperson in deren Briefkasten um 19:30 /19:45 Uhr die Möglichkeit der Kenntnisnahme jedenfalls ab 18:00 Uhr verneint wird.
Nichts anderes kann im Grundsatz bei einer Zustellung an einen gewerblichen Adressaten gelten, wobei im Einzelfall zu beachtende Ausnahmen bei gewerblichen Adressaten für die Kammer vorliegend nicht erkennbar sind.
So hat das Landgericht München II am 14.11.1991 - 8 S 983/91 z.B. bei einem um 18:05 Uhr nach Büroschluss eingeworfenen Schreiben den Zugang als noch am gleichen Tag angesehen und gewertet, weil der Adressat im zu entscheidenden Fall mit dem Zugang dieses Schreibens rechnen musste. Der Kläger hatte jedoch, wie er auf Nachfrage der Kammer mitteilte, seine Entscheidung zum Ausspruch der Eigenkündigung spontan getroffen, und der Beklagten oder deren Repräsentanten gegenüber seine Entscheidung im Vorfeld nicht angekündigt.
Auch ist der Vortrag der Beklagten unwidersprochen geblieben, dass das Büro der Beklagten üblicherweise bis längstens 17:00 Uhr geöffnet und besetzt ist. Denn von einem gewerblichen Adressaten wird man im Regelfall wohl nur für die Dauer der üblichen Büro- oder Geschäftsöffnungszeiten erwarten können und erwarten müssen, dass er sich vergewissert, ob noch Post eingegangen ist.
Weiterhin hat der Kläger im Kammertermin mitgeteilt, dass am 31.10.2016 gegen 18:05 Uhr kein vertretungsberechtigter Repräsentant der Beklagten in dem Küchenraum neben dem Briefkasten den Briefeinwurf mitbekommen hätte. Denn auch in einem solchen Fall müsste zumindest von einem gewerblichen Adressaten wohl erwartet werden, dass er sich unverzüglich und nicht erst am nächsten Arbeitstag um den Inhalt des Briefkastens kümmert.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Nebenentscheidungen des Urteils beruhen auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit §§ 91 Abs. 1 S. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs. 3 ZPO und § 61 Abs. 1 ArbGG, § 42 Abs. 2 GKG. Der Streitwert war auf ein Monatseinkommen - bezogen auf die zwischen den Parteien streitige Länge der Kündigungsfrist - festzusetzen. Für den Kostenstreitwert waren die zurückgenommene Anträge sowie der Teilvergleich wie folgt zu berücksichtigen: Nachtzuschläge wie beziffert, zwei Lohnabrechnungen und 4 einfache Arbeitspapiere mit je 100,00 EUR sowie das Zeugnis mit einem Monatseinkommen.
Meta
29.06.2017
Arbeitsgericht Aachen 8. Kammer
Urteil
Sachgebiet: Ca
Zitiervorschlag: Arbeitsgericht Aachen, Urteil vom 29.06.2017, Az. 8 Ca 4220/16 (REWIS RS 2017, 8771)
Papierfundstellen: REWIS RS 2017, 8771
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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