Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.09.2022, Az. XII ZR 7/22

12. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 5980

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ZIVIL- UND ZIVILVERFAHRENSRECHT BUNDESGERICHTSHOF (BGH) EUROPA MAUT UNGARN AUSLÄNDISCHES RECHT ORDRE PUBLIC

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Gegenstand

Anspruch auf Zahlung einer Maut für Nutzung ungarischer Autobahnen gegenüber deutschem Autovermieter; internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte


Leitsatz

1. Die nicht vorab entrichtete ungarische Straßenmaut kann gegen einen inländischen Halter des Fahrzeugs vor den deutschen Zivilgerichten geltend gemacht werden.

2. Die Bestimmungen des ungarischen Rechts verstoßen weder hinsichtlich der in § 15 Abs. 2 des ungarischen Straßenverkehrsgesetzes angeordneten alleinige Schuldnerschaft des Fahrzeughalters noch hinsichtlich der in § 7A Abs. 10 und Anlage 1 der Mautverordnung bestimmten Grundersatzmaut sowie der erhöhten Zusatzgebühr gegen den deutschen ordre public.

3. Fremdwährungsschulden sind als solche, also in fremder Währung, einzuklagen; eine auf die falsche Währung gerichtete Zahlungsklage ist abzuweisen (im Anschluss an BGH Urteil vom 29. Mai 1980 - II ZR 99/79, NJW 1980, 2017).

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 1. Zivilkammer des [X.] vom 22. Dezember 2021 aufgehoben, soweit darin zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Zahlung einer Maut für die Benutzung [X.] Autobahnen.

2

Die Klägerin ist eine [X.] Gesellschaft, deren Geschäftszweck die Eintreibung der [X.]n Autobahnmaut ist. Die Beklagte ist ein im Inland ansässiges Autovermietungsunternehmen.

3

Mit vier Mietfahrzeugen der Beklagten wurde am 17. und 18. November 2017 insgesamt fünfmal ein Abschnitt der [X.]n Autobahn befahren, für den auf Grundlage des [X.]n Gesetzes Nr. I von 1988 über den Straßenverkehr (im Folgenden: Straßenverkehrsgesetz) i.V.m. der Verordnung des [X.]n Ministers für Wirtschaft und Verkehr Nr. 36/2007 (III. 26.) [X.] über die Maut von Autobahnen, Autostraßen und Hauptstraßen (im Folgenden: [X.]) eine Straßenmaut zu entrichten ist. Schuldner der Maut ist nach § 15 Abs. 2 Straßenverkehrsgesetz der Halter des Fahrzeugs. Wird die Maut nicht vor der Benutzung des Straßenabschnitts durch Kauf einer virtuellen Vignette (e-Matrica) entrichtet, ist gemäß § 33/A Abs. 1 des [X.] in Verbindung mit § 7/A Abs. 10 und Anlage 1 [X.] eine Grundersatzmaut von 14.875 [X.]n [X.] ([X.]) bei Zahlung innerhalb von 60 Tagen nach Zahlungsaufforderung zu zahlen bzw. eine erhöhte Zusatzgebühr von 59.500 [X.] bei einer Zahlung nach mehr als 60 Tagen.

4

Mit der Klage hat die Klägerin die Zahlung von 958,95 € nebst Zinsen sowie 409,35 € außergerichtlichen Inkassokosten verlangt. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] die Beklagte unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels zur Zahlung von 958,95 € sowie 362,95 € außergerichtlichen Inkassokosten verurteilt. Hiergegen richtet sich die zugelassene Revision der Beklagten.

Entscheidungsgründe

5

Die - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung unbeschränkt zugelassene - Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].

I.

6

Das [X.] hat seine in juris veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet: Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten sei im Rechtsmittelverfahren nicht mehr zu prüfen, nachdem das Amtsgericht diese bejaht habe. Das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien sei als ein vertragliches Schuldverhältnis anzusehen, auf das gemäß Art. 4 Abs. 2, 19 Abs. 1 und 3 [X.] I-VO das [X.] Recht anzuwenden sei. Die Klägerin könne die erhöhte Zusatzgebühr nach Anlage 1 [X.] verlangen, da die Fahrzeuge der [X.]n mautpflichtige Straßen befahren und die [X.] nicht bewiesen habe, dass die Maut vorher bezahlt worden sei. Ein Verstoß gegen den ordre public, der zur Nichtanwendung der Vorschriften der [X.] führen könnte, liege nicht vor. Die Heranziehung des Fahrzeughalters als Mautschuldner sei dem [X.] Recht nicht wesensfremd und [X.]uhe darauf, dass die [X.] das Mietfahrzeug freiwillig ü[X.]lassen und dessen Nutzung in [X.] gestattet habe. Auch begründe die erhöhte Zusatzgebühr keinen Verstoß gegen die [X.] öffentliche Ordnung, da sie mit einer auch dem [X.] Recht bekannten Vertragsstrafe vergleichbar sei. Der Sache nach handle es sich um eine Sanktionierung des Zahlungsverzugs. Darin liege kein Verstoß gegen das Verschuldensprinzip, da die [X.] die - als angemessen anzusehende - Zahlungsfrist von 60 Tagen nicht eingehalten habe. Zusätzliche Verzugszinsen seien demgegenü[X.] aufgrund der Regelung des § 33/B Abs. 5 Satz 4 des [X.] nicht geschuldet.

II.

7

Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung insoweit nicht stand, als es an Feststellungen zur Berechtigung der Klägerin fehlt, die Zahlung in inländischer Währung zu fordern.

8

1. Die Klage ist zulässig erhoben.

9

a) Das [X.] hat die von ihm nicht eigens erörterte internationale Zuständigkeit [X.]r Gerichte, die in der Revisionsinstanz unbeschadet des § 545 Abs. 2 ZPO uneingeschränkt zu ü[X.]prüfen ist ([X.], 82 = NJW 2003, 426 f.), zu Recht bejaht. Wie der [X.] [X.]eits entschieden hat ([X.] Beschluss vom 21. Septem[X.] 2021 - [X.]/21 - juris), fällt eine Klage auf gerichtliche Beitreibung der [X.]n Straßenmaut unter den Begriff der „Zivil- und Handelssache“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 1215/2012 des [X.] und des Rates ü[X.] die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 12. Dezem[X.] 2012 ([X.] Ia-VO = [X.]; [X.]. [X.] 351 S. 1). Nach Art. 4 Abs. 1 [X.] sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen. Für Gesellschaften und juristische Personen bestimmt sich der „Wohnsitz“ im Sinne dieser Bestimmung unter anderem durch deren satzungsmäßigen Sitz (Art. 63 Abs. 1 Buchst. a [X.]), der sich hier im Inland befindet.

b) Auch der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist gegeben.

aa) Zwar ü[X.]prüft das Gericht, das ü[X.] ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist (§ 17 a Abs. 5 GVG). Das Ü[X.]prüfungsverbot nach dieser Vorschrift setzt a[X.] voraus, dass die erste Instanz nicht gegen unverzichtbare Verfahrensgrundsätze des § 17 a GVG verstoßen hat. Der Ausschluss der Prüfung gilt damit nicht, wenn die Zulässigkeit des Rechtswegs trotz Rüge nicht durch Vorabbeschluss, sondern entgegen § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG erst in der Sachentscheidung bejaht wurde (vgl. [X.], 367 = NJW 1993, 1799 f.).

So liegt der Fall hier. Da die [X.] [X.]eits mit ihrer Klageerwiderung die Rüge der Unzulässigkeit des Rechtswegs erhoben hatte, war das Amtsgericht gehalten, vorab gemäß § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG ü[X.] die [X.] zu entscheiden. Hiergegen wäre die sofortige Beschwerde nach § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG statthaft gewesen.

Das Unterlassen der Vorabentscheidung führt dazu, dass die Frage der [X.] noch im Rahmen eines Rechtsmittels gegen die Sachentscheidung geprüft werden kann. Denn die im Gesetz angelegte Systematik will sicherstellen, dass die Beteiligten die Rechtswegentscheidung in jedem Fall ü[X.]prüfen lassen können (vgl. [X.], 367 = NJW 1993, 1799, 1800). Daher hätte das [X.] die [X.] auf die von der [X.]n erhobene Rüge hin seinerseits ü[X.]prüfen müssen.

bb) Die somit in der Revisionsinstanz zu prüfende [X.] der ordentlichen Gerichte ist gegeben. Insbesondere handelt es sich nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, für die nach § 40 Abs. 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg eröffnet wäre.

(1) Wird der [X.] auf eine Norm des ausländischen Rechts gestützt, so ist die Qualifikation, ob es sich um eine zivil- oder eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handelt, aus dem Blickwinkel der lex fori, also nach inländischem Rechtsverständnis, zu beurteilen ([X.] Beschluss vom 4. Okto[X.] 2005 - [X.] - NJW-RR 2006, 198 Rn. 13; [X.], 250, 256). Zu dem im Inland geltenden Recht gehören dabei auch die bindenden Regelungen der [X.].

(2) Nach den Regeln der [X.] schließt die Wahrnehmung von Hoheitsrechten durch eine der Parteien des Rechtsstreits die Qualifizierung als „Zivil- und Handelssache“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 [X.] aus, da diese Partei Befugnisse ausübt, die von den im Verhältnis zwischen Privatpersonen geltenden allgemeinen Regeln abweichen (vgl. [X.] Beschluss vom 21. Septem[X.] 2021 - [X.]/21 - juris Rn. 27 [X.]).

Allerdings reicht der öffentliche Zweck bestimmter Tätigkeiten für sich genommen nicht aus, um diese Tätigkeiten als hoheitlich (iure imperii) einzustufen, da sie nicht der Wahrnehmung von Befugnissen entsprechen, die von den im Verhältnis zwischen Privatpersonen geltenden Regeln abweichen ([X.] Beschluss vom 21. Septem[X.] 2021 - [X.]/21 - juris Rn. 28 [X.]). Entsprechend hat der [X.] für eine Klage, mit der die Beitreibung der [X.]n Straßenmaut verfolgt wird, [X.]eits entschieden, dass diese ein privatrechtliches Rechtsverhältnis im Sinne der [X.] betrifft ([X.] Beschluss vom 21. Septem[X.] 2021 - [X.]/21 - juris Rn. 29 f.). Daraus folgt unmittelbar die Zuordnung als zivilrechtliche Streitigkeit nach der lex fori.

2. Die Bestimmung des anwendbaren [X.] richtet sich nach der Verordnung ([X.]) Nr. 593/2008 des [X.] und des Rates vom 17. Juni 2008 ü[X.] das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ([X.] I-VO; [X.]. [X.] 177 S. 6, [X.]. [X.] [X.]. L 309 S. 87). Zutreffend hat das [X.] angenommen, dass die geltend gemachte Forderung aus einem vertraglichen Schuldverhältnis im Sinne von Art. 1 Abs. 1 [X.] I-VO herrührt. Der Begriff des „vertraglichen Schuldverhältnisses“ bezeichnet eine von einer Person gegenü[X.] einer anderen freiwillig eingegangene rechtliche Verpflichtung ([X.] NJW 2016, 1005 Rn. 44) und ist nicht eng auszulegen ([X.] NJW 2005, 811 Rn. 48). Hierunter fällt auch eine Verpflichtung, die dadurch freiwillig eingegangen wird, dass der Fahrzeugführer das als [X.] in der Bereitstellung des mautpflichtigen Straßenabschnitts liegende Angebot durch schlichtes Befahren annimmt ([X.]/[X.] 2021, 191; [X.] WiRO 2021, 107, 110; [X.] NZV 2018, 49, 50; [X.] [X.], 276, 277 f.; vgl. auch [X.] [X.] 2017, 254 Rn. 35 und [X.]surteil vom 18. Dezem[X.] 2019 - [X.] - NJW 2020, 755 Rn. 13 jeweils zur Benutzung kostenpflichtiger Parkplätze, sowie [X.] TranspR 2020, 132 Rn. 53 zur Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ohne vorherigen Erwerb einer Fahrkarte).

Offenbleiben kann, ob hier die Kollisionsnorm für Dienstleistungsverträge (Art. 4 Abs. 1 Buchst. b [X.] I-VO) anzuwenden ist, nach der das Recht des Staates [X.]ufen ist, in dem der Dienstleister seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (kritisch insoweit [X.] WiRO 2021, 138). Denn wäre dies nicht der Fall, käme die Auffangnorm des Art. 4 Abs. 2 [X.] I-VO zur Anwendung, wonach der [X.] unterläge, in dem die Partei, welche die für den Vertrag charakteristische Leistung zu erbringen hat, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Beides führt im vorliegenden Fall gleichermaßen zur Anwendung [X.]n Sachrechts.

Die Frage, ob auch der vom Fahrzeugführer verschiedene Halter auf Zahlung der vertragsmäßig begründeten Mautforderung in Anspruch genommen werden kann, unterliegt keiner gesonderten Anknüpfung. Denn das [X.] bestimmt grundsätzlich, wer Schuldner und Gläubiger ist (MüKoBGB/Spellen[X.]g Art. 12 [X.] I-VO Rn. 62; [X.]/[X.] [Stand: 1. Okto[X.] 2020] [X.] I-VO Art. 12 Rn. 25). Die Reichweite des [X.] erstreckt sich nach dem autonom auszulegenden Art. 12 Abs. 1 Buchst. b [X.] I-VO auf die Erfüllung der durch den Vertrag begründeten Verpflichtungen und damit auch darauf, ob Dritte in den Vertrag einbezogen sind ([X.] [X.], 276, 278; [X.]/[X.] 2021, 191, 192; [X.] BGB/[X.] [Stand: 1. Mai 2022] VO ([X.]) 593/2008 Art. 12 Rn. 5; [X.]/Mansel BGB [X.]-Verordnungen - [X.] - [X.], [X.] I-VO Art. 12 Rn. 15; Schulze/[X.] BGB 11. Aufl. [X.] I-VO Art. 12 Rn. 4; vgl. auch [X.] NJW 2021, 1583 Rn. 35).

Es besteht kein Anlass, die Sache gemäß Art. 267 A[X.]V dem [X.] zur Auslegung des Art. 12 Abs. 1 Buchst. b [X.] I-VO vorzulegen. Die richtige Auslegung dieser Norm ist angesichts der [X.] der [X.] I-VO, nämlich einerseits eine im Einklang der verschiedenen Regelwerke stehende, rechtssichere und [X.]echenbare Abgrenzung von vertraglichen zu außervertraglichen Schuldverhältnissen zu schaffen (7. Erwägungsgrund und 16. Erwägungsgrund, Satz 1), andererseits der Einräumung eines gewissen gerichtlichen Ermessens, um das Recht bestimmen zu können, das zu dem Sachverhalt die engste Verbindung aufweist (16. Erwägungsgrund, Satz 2), derart offenkundig zu beantworten, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt ("acte clair"; vgl. etwa [X.] Urteil vom 9. Septem[X.] 2015 - [X.]/14 und [X.]/14 - juris Rn. 55 [X.]; [X.]sbeschluss vom 27. Novem[X.] 2019 - [X.] 311/19 - FamRZ 2020, 272 Rn. 11 [X.]). Soweit ersichtlich wird hierzu auch in der Rechtsliteratur keine abweichende Auffassung vertreten.

3. Nach den vom [X.] im Freibeweis (vgl. [X.]sbeschluss vom 24. Mai 2017 - [X.] 337/15 - FamRZ 2017, 1209 Rn. 14) getroffenen Feststellungen zum Inhalt des [X.]n Rechts ist, wenn die Maut nicht vor der Benutzung des Straßenabschnitts durch Kauf einer virtuellen Vignette entrichtet ist, gemäß § 33/A Abs. 1 des [X.] in Verbindung mit § 7/A Abs. 10 und Anlage 1 [X.] eine [X.] von 14.875 [X.] bei Zahlung innerhalb von 60 Tagen nach Zahlungsaufforderung zu zahlen bzw. eine erhöhte Zusatzgebühr von 59.500 [X.] bei einer Zahlung nach mehr als 60 Tagen. Schuldner der nachträglich zu entrichtenden Maut ist nach § 15 Abs. 2 des [X.] der Halter des Fahrzeugs. Aufgrund von insgesamt fünf Benutzungen von [X.], für die auf Grundlage der [X.] eine Straßenmaut anfällt, die jedoch jeweils weder vor der Straßenbenutzung noch innerhalb des [X.] entrichtet worden ist, ergibt sich eine Forderung gegen die [X.] als Halterin der Fahrzeuge in Höhe von (5 x 59.500 [X.] =) 297.500 [X.].

4. Zu Unrecht rügt die Revision, das [X.] habe die nach [X.]m Recht geltende Beweislastverteilung nicht ausreichend aufgeklärt, indem es die [X.] hinsichtlich der von ihr vorgetragenen Möglichkeit, die Fahrzeugführer hätten die Maut jeweils vorab entrichtet und dieses sei in dem [X.]n Mautsystem lediglich nicht korrekt erfasst worden, für beweisfällig angesehen habe. Zwar entsteht die Straßennutzungs[X.]echtigung bei Vorabentrichtung der Maut durch die fahrzeugbezogene Gebührenzahlung (§ 3 Abs. 1 [X.]). Die Geltendmachung der Berechtigung erfolgt durch elektronische Eingabe, worü[X.] der Besteller eine die Gültigkeit quittierende Mitteilung oder einen Kontrollabschnitt erhält (§ 5 [X.]). Diese dienen dem Nachweis der Bezahlung auch bei einer unrichtigen Erfassung im elektronischen Mautsystem und können zur nachträglichen Korrektur des Kennzeichens verwendet werden (§ 8 Abs. 5 [X.]). Die [X.], die die Aushändigung der Quittungen oder Kontrollabschnitte im Zuge der Fahrzeugrückgabe zu ihren Mietbedingungen machen kann, hat a[X.] schon keinen Sachverhalt substanziiert vorgetragen, wonach die Maut vorab entrichtet und dadurch für die Kennzeichen ihrer Fahrzeuge eine Straßennutzungs[X.]echtigung erworben war.

5. Ebenfalls ohne Erfolg bleibt die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs, die darauf gestützt wird, dass das [X.] die Absendung und den Erhalt der Zahlungsaufforderungen als von der [X.]n zugestanden behandelt hat, obgleich sie diese zunächst bestritten hatte. Denn mit der auf das Bestreiten hin erfolgten Vorlage von Reproduktionen der den [X.] zuzuordnenden Auslieferungsbelege mitsamt zugehöriger Einlieferungsbelegen hatte die Klägerin ihren Sachvortrag in einer Weise konkretisiert und vertieft, dass das [X.] zu Recht erwarten durfte, die [X.] würde ihr bis dahin pauschales Bestreiten näher substantiieren, andernfalls der Vortrag der Klägerin nach § 138 Abs. 2 und 3 ZPO als zugestanden anzunehmen sei. Die Revision hat nicht aufzuzeigen vermocht, welchen vertiefenden Sachvortrag der [X.]n das [X.] insoweit etwa ü[X.]gangen habe.

6. Die Anwendung der Vorschriften des [X.]n Rechts ü[X.] die zu entrichtende erhöhte Zusatzgebühr kann auch nicht gemäß Art. 21 [X.] I-VO deshalb versagt werden, weil diese mit der inländischen öffentlichen Ordnung („ordre public“) offensichtlich unvereinbar wäre. Denn ein [X.] läge nur dann vor, wenn das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts zu den Grundgedanken der [X.] Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch stünde, dass es nach inländischen Vorstellungen untragbar erscheint (st. Rspr., zuletzt [X.]sbeschluss vom 9. Januar 2019 - [X.] 188/17 - FamRZ 2019, 613 Rn. 15 [X.]).

Der ordre public-Vorbehalt ist mit Rücksicht auf die vorrangig anzuwendende ausländische Rechtsordnung gegenü[X.] dem Recht eines anderen Mitgliedstaats restriktiv zu handhaben ([X.]/[X.] [2021] Art. 21 [X.] I-VO Rn. 17). Dabei kommt es auch darauf an, dass der zu prüfende Sachverhalt ü[X.]haupt einen Inlandsbezug hat, und wie stark dieser ausgeprägt ist ([X.] Urteil vom 29. Juni 2022 - [X.]/21 - NJW 2022, 2547 Rn. 29 [X.]; [X.]/[X.] [2021] Art. 21 [X.] I-VO Rn. 19 [X.]).

Im vorliegenden Fall besteht ein starker Auslandsbezug dadurch, dass das Vertragsverhältnis in [X.] begründet und die charakteristische Leistung in [X.] erbracht worden ist. Demgegenü[X.] besteht nur ein geringer Inlandsbezug, der allein darin liegt, dass das Fahrzeug auf einen Halter im Inland zugelassen ist. In dieser Konstellation mit nur schwach ausgeprägtem Inlandsbezug führt die Anwendung des ausländischen Rechts zu keinem Ergebnis, das mit wesentlichen Grundsätzen des inländischen Rechts offensichtlich unvereinbar wäre.

a) Entgegen der Auffassung der Revision liegt ein Verstoß gegen den ordre public nicht darin begründet, dass nach [X.]m Recht durch die Benutzung der mautpflichtigen Straße ein Vertrag zulasten Dritter, nämlich des vom Fahrer verschiedenen Halters, begründet würde.

aa) Eine Anknüpfung von Einstandspflichten an die [X.] ist dem [X.] Recht nicht grundsätzlich fremd. So ist auch nach inländischem, allerdings öffentlich-rechtlich ausgestaltetem Straßenbenutzungsrecht Schuldner der Bundesfernstraßenmaut unter anderem die Person, die Eigentümer oder Halter des [X.] ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 BFStrMG).

Eine zivilrechtliche Haftung des Fahrzeughalters ist in § 7 Abs. 1 StVG verankert, wonach er den Schaden zu ersetzen hat, der bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs entsteht, wenn ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt wird. Außerdem ist nach der Rechtsprechung des [X.] der Halter eines un[X.]echtigt auf einem Privatparkplatz abgestellten Fahrzeugs hinsichtlich der dadurch hervorgerufenen Beeinträchtigung des Besitzes des Parkplatzbetrei[X.]s [X.] und kann als solcher auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn er auf die Aufforderung, den für die Besitzstörung verantwortlichen Fahrer zu benennen, schweigt ([X.] Urteil vom 18. Dezem[X.] 2015 - [X.] - NJW 2016, 863 Rn. 20 [X.] [X.]). Zudem ist der Halter aufgrund Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 683 Satz 1 i.V.m. 670 BGB grundsätzlich zum Ersatz von Abschleppkosten verpflichtet, die für die Beseitigung der ihm als [X.] zuzurechnenden Besitzstörung anfallen ([X.] Urteil vom 11. März 2016 - [X.] - NJW 2016, 2407 Rn. 5 [X.] [X.]).

bb) Zwar lässt sich nach [X.]m Recht allein aus der [X.] keine Haftung für vom Fahrzeugführer im Zusammenhang mit einer Parkraumbenutzung verwirkte Vertragsstrafen herleiten ([X.]surteil vom 18. Dezem[X.] 2019 - [X.] - NJW 2020, 755 Rn. 26 [X.]). Daraus ergibt sich a[X.] noch nicht, dass eine nach ausländischen Rechtsnormen begründete Halterhaftung für diese Fälle oder für Fälle der Benutzung mautpflichtiger Straßen mit zwingenden Grundsätzen des inländischen Rechts offensichtlich unvereinbar wäre (im Ergebnis ebenso [X.] WiRO 2021, 138, 139; [X.] NZV 2018, 49, 51).

cc) Mit § 7/B [X.] enthält das [X.] Recht auch eine den Halter entlastende - und damit dem Rechtsgedanken des inländischen § 7 Abs. 2 StVG entsprechende - Regel für den Fall, dass das Fahrzeug oder das Kennzeichen rechtswidrig aus dem Besitz des Halters gelangt ist. Dieser Fall liegt hier a[X.] nicht vor, da die [X.] ihre Fahrzeuge freiwillig ü[X.]lassen und dadurch auch eine Benutzung mautpflichtiger Straßen in [X.] ermöglicht hat.

b) Die [X.] ist auch nicht dadurch in einer dem ordre public widersprechenden Weise benachteiligt, dass sie zu einer höheren Maut als bei Vorabentrichtung herangezogen wird. Eine Tarifgestaltung, die die Vorabentrichtung der Maut preislich günstiger offeriert als bei einer Nachentrichtung, ist schon deshalb nicht unangemessen, weil mit der nachträglichen Einziehung der Maut sowohl ein erhöhter Aufwand als auch Realisierungsrisiken verbunden sind. Schließlich sollen durch die unterschiedliche Preisgestaltung auch im Massengeschäft notwendige Lenkungseffekte erreicht werden, die auf eine Vorabentrichtung der Maut zielen. Regelungen mit dieser Zielsetzung sind auch dem inländischen Recht nicht grundsätzlich fremd; beispielsweise erheben Beförderungsunternehmen ein erhöhtes Beförderungsentgelt, wenn der Fahrgast sich keinen gültigen Fahrausweis beschafft hat (§ 9 Abs. 1 der Verordnung ü[X.] die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Obusverkehr sowie den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen vom 27. Februar 1970, BGBl. I S. 230).

c) Ist danach [X.]eits die [X.] nicht als pauschalierter Schadensersatz, sondern als gewöhnliches Vertragsentgelt im nachträglichen [X.] zu verstehen, geht auch die Auffassung der Revision fehl, die bei Nichtentrichtung innerhalb von 60 Tagen nach der Zahlungsaufforderung anfallende erhöhte Zusatzgebühr stelle der Sache nach einen Strafschadensersatz in Form einer zweiten Vertragsstrafe auf die Nichterfüllung der ersten Vertragsstrafe dar, was gegen den ordre public verstoße (ähnlich [X.] MDR 2020, 726, 727; vgl. grundsätzlich zum Strafschadensersatz [X.]Z 118, 312 = NJW 1992, 3096, 3103 [X.]). Die erhöhte Zusatzgebühr stellt sich vielmehr als eine (erste) Vertragsstrafe dar, mit der der Zahlungsverzug hinsichtlich der [X.] sanktioniert und der [X.] pauschaliert wird. Der Charakter eines pauschalierten [X.]es zeigt sich etwa darin, dass zusätzliche Verzugszinsen nicht geschuldet sind (§ 33/B Abs. 5 Satz 4 Straßenverkehrsgesetz). Schließlich verstößt die Regelung auch nicht gegen das im inländischen Recht für Vertragsstrafen verankerte Verschuldensprinzip, da die erhöhte Zusatzgebühr erst anfällt, wenn der Fahrzeughalter die Maut nicht innerhalb von 60 Tagen nach der ihm zugegangenen Zahlungsaufforderung entrichtet.

Zwar kann auch eine ü[X.]mäßig hohe Vertragsstrafe für sich genommen gegen den ordre public verstoßen ([X.]/Hemler [Stand: 1. Juni 2022] [X.] I-VO Art. 21 Rn. 68; [X.] BGB/[X.] [Stand: 1. Mai 2022] VO ([X.]) 593/2008 Art. 21 Rn. 5). Die Vertragsstrafe für sich genommen beträgt hier a[X.] nur den Aufschlag von (59.500 - 14.875 =) 44.625 [X.], was derzeit rund 112 € entspricht und keinen unangemessen hohen absoluten Betrag darstellt. Relativ betrachtet bedeutet die erhöhte Zusatzgebühr einen dreifachen Aufschlag auf das Vertragsentgelt für den nachträglichen [X.], was ebenfalls noch nicht ordre-public-widrig ü[X.]höht ist.

Selbst wenn man in den Blick nimmt, dass die erhöhte Zusatzgebühr das Zwanzigfache des Entgelts bei Vorabentrichtung der Maut beträgt (59.500 [X.] gegenü[X.] 2.975 [X.]), hält sich die Vervielfachung der betragsmäßig geringen Ausgangsmaut um diesen Faktor noch im Rahmen dessen, was nach inländischem Recht beispielsweise von Beförderungsunternehmen als gewöhnliches erhöhtes Beförderungsentgelt verlangt werden kann, und widerspricht deshalb nicht offensichtlich hiesigen Rechtsgrundsätzen (a.[X.] [X.] 2021, 213, 215).

7. Mit Erfolg rügt die Revision allerdings, dass das [X.] die [X.] - wie von der Klägerin beantragt - zur Zahlung einer Geldschuld in inländischer Währung verurteilt hat.

a) Fremdwährungsschulden sind als solche, also in fremder Währung einzuklagen ([X.]/[X.] [2021] § 244 Rn. 133). Die Inlandswährung ist kein minus, sondern ein aliud dazu. Eine auf die falsche Währung gerichtete Zahlungsklage wäre somit abzuweisen (vgl. [X.] Urteil vom 29. Mai 1980 - [X.] - NJW 1980, 2017).

b) Für die Frage, in welcher Währung vertragliche Zahlungsansprüche geschuldet sind, gilt das Statut, das den Vertrag insgesamt beherrscht ([X.]/[X.] [2011] [X.] I-VO Art. 12 Rn. 109; [X.]/[X.] BGB 16. Aufl. [X.] I-VO Art. 12 Rn. 18), hier also das [X.] Recht.

c) Insoweit fehlt es an Feststellungen, dass die Klägerin nach [X.]m Sachrecht dazu [X.]echtigt ist, die [X.] in [X.] zu fordern. Aus der vom [X.] herangezogenen [X.] ergibt sich nur eine Zahlungspflicht in [X.]n [X.].

Denkbar wären allerdings vom [X.] nicht ermittelte Vorschriften im allgemeinen [X.]n Schuldrecht, die entweder einen Wechsel in eine andere Währung erlauben oder die eine Ersetzungsbefugnis entsprechend der inländischen Regelung des § 244 BGB enthalten, auf die hin auch eine stillschweigende Einigung im Prozess ü[X.] eine Umwandlung in die Heimwährungsschuld in Betracht käme (vgl. [X.]Z 101, 296 = NJW 1987, 3181, 3184).

III.

Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Der [X.] kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, da er die noch erforderlichen Feststellungen zum ausländischen Recht hinsichtlich einer dort verankerten Berechtigung, den Zahlbetrag anstatt in [X.] auch in [X.] zu verlangen, nicht selbst treffen kann. Hierzu ist den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben.

Dose     

      

[X.]     

      

[X.]

      

Botur     

      

Guhling     

      

Meta

XII ZR 7/22

28.09.2022

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Frankfurt, 22. Dezember 2021, Az: 2-01 S 78/21, Urteil

Art 1 Abs 1 EGV 593/2008, Art 4 Abs 1 Buchst b EGV 593/2008, Art 4 Abs 2 EGV 593/2008, Art 12 Abs 1 Buchst b EGV 593/2008, Art 21 EGV 593/2008, Art 4 Abs 1 EUV 1215/2012, Art 63 Abs 1 Buchst a EUV 1215/2012

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.09.2022, Az. XII ZR 7/22 (REWIS RS 2022, 5980)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5980 NJW 2022, 3611 REWIS RS 2022, 5980 MDR 2023, 89-91 REWIS RS 2022, 5980

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Anspruch auf Mautgebühr für Benutzung ungarischer Autobahnen bei Angabe eines falschen Länderkennzeichens


XII ZR 37/22 (Bundesgerichtshof)


191 C 8294/19 (AG München)

Zahlung von Nachgebühren für die Nutzung von ungarischen Straßen


31 S 10317/20 (LG München I)

Zahlung, Fahrzeug, Halter, Zulassung, Zustellung, Fahrer, Kraftfahrzeug, Vergleich, Vertragsstrafe, Nutzung, Anwendungsbereich, Vollmacht, Vertretung, Verordnung, Halter …


3 C 232/20 (Amtsgericht Lennestadt)


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