Bundespatentgericht, Beschluss vom 12.12.2018, Az. 28 W (pat) 536/15

28. Senat | REWIS RS 2018, 554

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "GLOBAL MEAT GmbH & Co. KG (Wort-Bild-Marke)/GLOBAL-FLEISCH/GLOBAL FLEISCH (Wort-Bild-Marke)/GLOBAL-MEAT (Unionswortmarke)" – zur Warenidentität und Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit – zur Kennzeichnungskraft – teilweise unmittelbare Verwechslungsgefahr


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die eingetragene Marke [X.] 2010 051 571

hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] am 12. Dezember 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Kortbein, des [X.] [X.] und des [X.] Dr. Söchtig

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss des [X.], Markenstelle für Klasse 29, vom 29. Mai 2015 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Marke [X.] 006 373 781 zurückgewiesen worden ist, als er sich gegen die Eintragung der Marke [X.] 2010 051 571 für nachfolgende Waren richtet:

Fisch (nicht lebend), Fischkonserven, Fleisch, Garnelen (nicht lebend), Geflügel (nicht lebend), Hummer (nicht lebend), Krustentiere (nicht lebend), Lachs, Muscheln (Schalentiere) (nicht lebend), Shrimps (nicht lebend).

2. Auf Grund des Widerspruchs aus der Marke [X.] 006 373 781 wird die Löschung der Eintragung der Marke [X.] 2010 051 571 für die vorgenannten Waren angeordnet.

3. Die Beschwerde der Widersprechenden gegen die Zurückweisung der Widersprüche aus den Marken [X.]2 25 499 und [X.] 25 498 ist gegenstandslos, soweit sich die Widersprüche gegen die Eintragung der Marke [X.]2010 051 571 für die vorgenannten Waren richten.

4. [X.] [X.], Markenstelle für Klasse 29, vom 29. Mai 2015 ist gegenstandslos, soweit die Widersprüche aus den Marken [X.]2 25 499, [X.]2 25 498 und [X.] 006 373 781 zurückgewiesen worden sind, als sie sich gegen die Eintragung der Marke [X.] 2010 051 571 für die Waren „Nüsse, Samenkörner“ richten.

5. Im Übrigen wird die Beschwerde der Widersprechenden zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das am 31. August 2010 von der Beschwerdegegnerin angemeldete Zeichen

Abbildung

Dieser [X.] ist nicht verfügbar

2

ist am 18. November 2010 unter der Nummer [X.] 2010 051 571 als Wort-/Bildmarke in das beim [X.] geführte Markenregister für nachfolgende Waren und Dienstleistungen eingetragen worden:

3

Klasse 29:

4

Fisch (nicht lebend), Fischkonserven, Fleisch, Garnelen (nicht lebend), Geflügel (nicht lebend), Hummer (nicht lebend), Krustentiere (nicht lebend), Lachs, Muscheln (Schalentiere) (nicht lebend), Shrimps (nicht lebend), Tomatenpüree, Tomatensaft für die Küche;

5

Klasse 30:

6

Gewürznelken, Safran (Gewürz), Tomatensauce, Zucker;

7

Klasse 31:

8

Nüsse, Samenkörner;

9

Klasse 35:

[X.] Bearbeitung von Bestellungen, kommerzielle Verwaltung der Lizenzierung von Waren und Dienstleistungen für Dritte, Personalvermittlung, Stellenvermittlung, Personalanwerbung.

Gegen die Eintragung dieser Marke hat die Beschwerdeführerin am 3. März 2011 Widerspruch aus ihren nachgenannten Marken erhoben:

1. Wortmarke [X.]2 25 499 (Widerspruchsmarke 1)

[X.]

Sie wurde am 23. Mai 2002 angemeldet und am 23. September 2003 eingetragen.

2. Wort-/Bildmarke [X.]2 25 498 (Widerspruchsmarke 2)

Dieser [X.] ist nicht verfügbar
Abbildung

Sie wurde am 23. Mai 2002 angemeldet und am 29. Oktober 2002 eingetragen.

3. Unionswortmarke 006 373 781 (Widerspruchsmarke 3)

[X.]

Sie wurde am 17. Oktober 2007 angemeldet und am 14. Juli 2008 eingetragen.

Alle [X.] sind für nachfolgende Waren geschützt:

Klasse 29:

Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; Wurstwaren.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die Benutzung der [X.] [X.] 225 498 und [X.] 225 499 unbeschränkt bestritten.

Das [X.], Markenstelle für Klasse 29, hat die drei Widersprüche durch Beschluss vom 29. Mai 2015 zurückgewiesen. Zwischen den [X.] bestehe jeweils keine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.].

In Bezug auf die zuerst im Beschluss abgehandelte Widerspruchsmarke 3 ([X.] 006 373 781 - Wortmarke „[X.]“) ist ausgeführt worden, dass die für die angegriffene Marke eingetragenen Waren und Dienstleistungen mit Ausnahme der Waren „Nüsse, Samenkörner“ und die auf Seiten der älteren Marke nach der [X.] zu berücksichtigenden Waren identisch oder ähnlich seien. Der Widerspruchsmarke 3 komme nur eine geringe Kennzeichnungskraft zu, die einen allenfalls im untersten Bereich anzusiedelnden durchschnittlichen Schutzumfang zur Folge habe. Das Zeichen „[X.]“ werde im Sinn von „weltweit vertriebenes Fleisch“ verstanden. Es weise auf die Abnehmer der Waren, ihre Vertriebswege sowie die Art der Waren hin und verfüge damit über stark beschreibende Elemente. Ausgehend davon seien Verwechslungen nicht zu befürchten. Die angegriffene Marke halte nämlich den im Rahmen der Gesamtabwägung gebotenen geringen Abstand zur Widerspruchsmarke 3 ein. Wegen der in der angegriffenen Marke enthaltenen aufwändigen grafischen Elemente, insbesondere der Darstellung eines stilisierten Hahns, seien die Streitzeichen in schriftbildlicher Hinsicht ausreichend zu unterscheiden. Auch eine verwechslungsbegründende begriffliche Zeichenähnlichkeit sei nicht gegeben, da das Publikum dem Wortbestandteil „[X.]“ der jüngeren Marke und der Widerspruchsmarke 3 „[X.]“ lediglich einen Sachhinweis auf weltweit vertriebenes Fleisch entnehme. Auch bei einer nachgewiesenen häufigen Verwendung könne sich eine glatt beschreibende Angabe nicht zu einem betrieblichen Herkunftshinweis entwickeln. Im Rahmen eines klanglichen Vergleichs seien der weitere Wortbestandteil „[X.]“ sowie die Bildelemente „Striche“ und [X.]“ auf Seiten der angegriffenen Marke zu berücksichtigen und führten zu einer ausreichenden Abgrenzung der Zeichen. Überdies sei auch eine assoziative Verwechslungsgefahr zu verneinen. Die übereinstimmenden Bestandteile „[X.]“ bzw. „[X.]“ hätten einen beschreibenden Inhalt und eigneten sich daher nicht als Stammbestandteil mit herkunftshinweisender Funktion.

Auch zwischen der jüngeren Marke und den [X.] 1 und 2 bestehe auf Grund ihrer Kennzeichnungsschwäche selbst in Bezug auf identische Waren keine Verwechslungsgefahr. Auf die von der Inhaberin der angegriffenen Marke bestrittene Benutzung der älteren Marken komme es somit nicht an.

Dagegen hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt. Sie hält die beiderseitigen Waren und Dienstleistungen mit Ausnahme der Waren „Nüsse, Samenkörner“ auf Seiten der angegriffenen Marke für identisch oder ähnlich. Die [X.] verfügten originär über durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Ihnen sei kein unmittelbar sachbezogener Bedeutungsgehalt zu entnehmen. Es handele sich um vage und nebulöse Angaben, die nicht erkennen ließen, was damit gemeint sei. Die angegriffene Marke und die Widerspruchsmarke 3 seien klanglich und begrifflich identisch. Den Bildelementen der jüngeren Marke komme lediglich eine dekorative Funktion zu, so dass sie ohne Bedeutung seien.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 29 des [X.]s vom 29. Mai 2015 aufzuheben, soweit die Widersprüche aus den Marken [X.]2 25 499, [X.]2 25 498 und [X.] 006 373 781 zurückgewiesen worden sind, als sie sich gegen die Eintragung der Marke [X.] 2010 051 571 für alle Waren und Dienstleistungen mit Ausnahme der Waren der Klasse 31 „Nüsse, Samenkörner“ richten, und die Löschung der Eintragung der Marke [X.] 2010 051 571 für alle Waren und Dienstleistungen mit Ausnahme der Waren „Nüsse, Samenkörner“ anzuordnen.

Hilfsweise beantragt sie,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 29 des [X.]s vom 29. Mai 2015 aufzuheben, soweit die Widersprüche aus den Marken [X.]2 25 499, [X.]2 25 498 und [X.] 006 373 781 zurückgewiesen worden sind, als sie sich gegen die Eintragung der Marke [X.] 2010 051 571 für die Waren der Klasse 29 „Fisch (nicht lebend), Fischkonserven, Fleisch, Garnelen (nicht lebend), Geflügel (nicht lebend), Hummer (nicht lebend), Krustentiere (nicht lebend), Lachs, Muscheln (Schalentiere) (nicht lebend), Schrimps (nicht lebend)“ richten, und die Löschung der Eintragung der Marke [X.] 2010 051 571 für die eben genannten Waren anzuordnen.

Weiter hilfsweise beantragt sie,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 29 des [X.]s vom 29. Mai 2015 aufzuheben, soweit die Widersprüche aus den Marken [X.]2 25 499, [X.]2 25 498 und [X.] 006 373 781 zurückgewiesen worden sind, als sie sich gegen die Eintragung der Marke [X.] 2010 051 571 für die Waren der Klasse 29 „Fleisch, Geflügel (nicht lebend)“ richten, und die Löschung der Eintragung der Marke [X.] 2010 051 571 für die eben genannten Waren anzuordnen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie führt aus, die [X.] verfügten nur über eine minimale Kennzeichnungskraft. Die Wortkombinationen „[X.]“ und „[X.]“ hätten jeweils eine produktbeschreibende Bedeutung. Sie gäben an, dass der Tätigkeitsschwerpunkt der Widersprechenden auf dem Import von Fleisch aus der ganzen Welt liege. Der eng zu bemessende Schutzbereich der [X.] erstrecke sich nicht auf die angegriffene Marke. Sie hebe sich von ihnen durch ihre Bildelemente, die über eine gewisse Kennzeichnungskraft verfügten, ausreichend ab. Ferner wiesen die Waren und Dienstleistungen der jüngeren Marke abgesehen von „Fisch, Fleisch, Geflügel“ keine Identität oder Ähnlichkeit zu den für die [X.] eingetragenen Waren auf. Im Übrigen hat sie die mit Schriftsätzen vom 14. Juli 2011 erhobenen Einreden der Benutzung der [X.] 1 und 2 aufrechterhalten.

Ergänzend wird auf den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat teilweise Erfolg. Zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke 3 besteht im Umfang der im Tenor unter 1. genannten Waren Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] i. V. m. § 125b Nr. 1 [X.]. Das [X.] hat diesen Widerspruch insoweit zu Unrecht zurückgewiesen. Im Übrigen bleibt die Beschwerde der Widersprechenden - auch gegen die Zurückweisung der Widersprüche aus den [X.] 1 und 2 - im Ergebnis ohne Erfolg.

Der Senat legt hierbei die von der Widersprechenden gestellten Hilfsanträge dahingehend aus, dass es ihr auf die Löschung der Eintragung der Marke [X.] 2010 051 571 zumindest für die Waren „Fleisch, Geflügel (nicht lebend)“ ankommt. Die Frage der Zulässigkeit von [X.] in markenrechtlichen Beschwerdeverfahren kann somit dahinstehen.

1. Widerspruch aus der Widerspruchsmarke 3

a) Der im Amtsverfahren erhobene Einwand der Beschwerdegegnerin, der Widerspruch sei gemäß § 42 Abs. 1 [X.] unzulässig, da die Widerspruchsmarke 3 gegenüber einem ihrer Unternehmenskennzeichenrechte nicht über einen älteren Zeitrang verfüge, geht fehl. Für die Frage des Vorliegens eines älteren Zeitrangs ist nach dem klaren Wortlaut der genannten Regelung ausschließlich auf die Zeitränge der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke abzustellen.

Der Hinweis auf ein gegenüber der Widerspruchsmarke älteres Unternehmenskennzeichen betrifft in der Sache einen außerhalb des formellen Kennzeichenrechts liegenden Einwand, der im Wege der [X.] gemäß § 44 [X.] oder der [X.] gemäß § 55 [X.] zu verfolgen ist (vgl. [X.] 5, 51; [X.]/Hacker/Thiering, [X.], 12. Auflage, § 42, Rn. 62).

b) Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl des [X.] als auch des [X.] unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit insbesondere die Identität oder Ähnlichkeit der Waren, die Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie die Kennzeichnungskraft und der daraus folgende Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese einzelnen Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (vgl. [X.] Int. 2000, 899, Rn. 40 - [X.]; [X.], 933, Rn. 32 - [X.]; [X.] 2012, 64, Rn. 9 - Maalox/[X.]; [X.], 382, Rn. 22 - [X.]).

Fisch (nicht lebend), Fischkonserven, Fleisch, Garnelen (nicht lebend), Geflügel (nicht lebend), Hummer (nicht lebend), Krustentiere (nicht lebend), Lachs, Muscheln (Schalentiere) (nicht lebend), Shrimps (nicht lebend).

Angesprochen sind vorliegend vorrangig Endverbraucher von gängigen Lebensmitteln. Die für die angegriffene Marke eingetragenen Dienstleistungen der Klasse 35 richten sich dagegen an Unternehmen.

(1) Die eben genannten Waren der jüngeren Marke und Waren der Widerspruchsmarke 3 sind identisch oder hochgradig ähnlich.

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den gegenüberstehenden Waren bzw. zwischen den Waren und Dienstleistungen kennzeichnen. In die Beurteilung einzubeziehen ist, ob die Waren bzw. Waren und Dienstleistungen regelmäßig von denselben Unternehmen oder unter ihrer Kontrolle hergestellt oder erbracht werden oder, ob sie beim Vertrieb Berührungspunkte aufweisen (vgl. [X.] 2016, 336 - [X.]; GRUR 2015, 176 - [X.]/[X.]).

Der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen sind auf Seiten der Widerspruchsmarke 3 ihre eingetragenen Waren, nämlich „Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; Wurstwaren“ zugrunde zu legen. Die Benutzung dieser Widerspruchsmarke hat die Inhaberin der angegriffenen Marke nicht bestritten. Ihre Erklärungen zur Benutzung betreffen nämlich ausschließlich die [X.] 1 und 2, was beispielsweise darin zum Ausdruck kommt, dass ausdrücklich nur deren [X.] „[X.]“ und deren Registernummern genannt werden (vgl. zum Erfordernis einer klaren Erklärung [X.]/Hacker/Thiering, a. a. [X.], § 43, Rn. 31).

(a) Die für die angegriffene Marke registrierten Waren „Fisch (nicht lebend), Fischkonserven, Lachs“ und die für die Widerspruchsmarke 3 eingetragene Ware „Fisch“ sind identisch. „Garnelen (nicht lebend), Hummer (nicht lebend), Krustentiere (nicht lebend), Muscheln (Schalentiere) (nicht lebend), Shrimps (nicht lebend)“ auf Seiten der jüngeren Marke werden typischerweise zusammen mit Fischen gezüchtet, gefangen und auch veräußert, so dass sie und die Ware „Fisch“ auf Seiten der Widerspruchsmarke 3 hochgradig ähnlich sind.

Die für die angegriffene Marke eingetragenen Waren „Fleisch, Geflügel (nicht lebend)“ sind identisch für die Widerspruchsmarke 3 geschützt. Demzufolge kann dahingestellt bleiben, ob sie auch ähnlich zu der Ware „Fisch“ der Widerspruchsmarke 3 sind (bejahend [X.], Beschluss vom 17. Dezember 2012, 25 W (pat) 64/10).

(b) In Bezug auf die übrigen noch beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke besteht demgegenüber keine oder allenfalls eine weit unterdurchschnittliche Ähnlichkeit gegenüber den registrierten Waren der Widerspruchsmarke 3.

Die Waren „Tomatenpüree, Tomatensaft für die Küche“ (Klasse 29) und „Tomatensauce“ (Klasse 30) der jüngeren Marke beruhen in der Regel auf einer industriellen Zubereitung von Tomaten. Die hierzu erforderliche technische Ausstattung und persönliche Kompetenz des Verantwortlichen unterscheiden sich erheblich von den Rahmenbedingungen, die für eine verkaufsfertige Behandlung von Fleisch einschließlich Geflügel und Wild, [X.], Wurstwaren oder Fisch erforderlich sind. Die insoweit gegenüberstehenden Produkte werden ferner regelmäßig in unterschiedlichen Verkaufsstätten angeboten bzw. befinden sich in [X.] von Supermärkten in klar getrennten Bereichen. Es ist auch nicht vorgetragen oder erkennbar, dass die in Rede stehenden Waren zusammen und unter gleicher Kennzeichnung beworben werden (vgl. [X.] 2014, 488, Rn. 17 - [X.]SPERADOS/[X.]SPERADO). Dass die gegenüberstehenden Produkte gegebenenfalls gemeinsam konsumiert werden können, ist angesichts der ansonsten bestehenden deutlichen Unterschiede nur von untergeordneter Bedeutung (vgl. [X.], a. a. [X.], Rn. 17 - [X.]SPERADOS/[X.]SPERADO).

Unter Zugrundelegung der vorgenannten Kriterien weisen die Waren „Gewürznelken, Safran (Gewürz), Zucker“ (Klasse 30) der angegriffenen Marke einen noch deutlicheren Abstand zu den eingetragenen Waren der Widerspruchsmarke 3 auf. Es handelt sich auf Seiten der jüngeren Marke um pflanzliche Erzeugnisse, die insbesondere völlig anderen Produktionsmethoden unterliegen als die Waren der älteren Marke.

Die Waren „Nüsse, Samenkörner“ (Klasse 31) der angegriffenen Marke sind in die Identitäts- und Ähnlichkeitsprüfung nicht einzubeziehen, da sich die Widersprüche ausweislich der Anträge der Widersprechenden im Beschwerdeverfahren nicht mehr gegen die Eintragung der Marke [X.] 2010 051 571 für diese Waren richten.

Die weiterhin für die jüngere Marke eingetragenen Dienstleistungen „[X.] Bearbeitung von Bestellungen, kommerzielle Verwaltung der Lizenzierung von Waren und Dienstleistungen für Dritte, Personalvermittlung, Stellenvermittlung, Personalanwerbung“ sind administrative Unterstützungsleistungen, deren Bereitstellung Unternehmer von externen Dienstleistern in Anspruch nehmen können. Sie stehen in keinem erkennbaren Zusammenhang zu den für die Widerspruchsmarke 3 registrierten Waren, insbesondere „Fleisch“ oder „Fisch“. Es liegt daher fern, dass das Publikum insoweit annehmen kann, dass diese Dienstleistungen und Waren der Kontrolle desselben Anbieters unterliegen.

(2) Es bedarf vorliegend keiner abschließenden Klärung, ob die originäre Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke 3 für die eingetragenen Waren „Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; Wurstwaren“ im Sinne der Rechtsprechung des [X.], die eine Pauschalierung nach festen Kennzeichnungsgraden vornimmt (vgl. [X.] 2013, 833, Rn. 55 - Culinaria/[X.]), als unterdurchschnittlich oder noch als durchschnittlich anzusehen ist. Jedenfalls kann der Widerspruchsmarke 3 nicht lediglich eine minimale Kennzeichnungskraft beigemessen werden.

Die originäre Kennzeichnungskraft einer eingetragenen Marke wird durch ihre Eignung bestimmt, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. [X.] 2010, 1096, Rn. 31 - [X.]; [X.] 2016, 382, Rn. 31 - [X.]). Die schwächste Kennzeichnungskraft kommt rein beschreibenden oder sonst schutzunfähigen Marken zu (vgl. [X.], Beschluss vom 31. August 2009, 24 W (pat) 79/07 - [X.]/THERMARI[X.]).

Entgegen der Auffassung der Markenstelle, die nach zum Teil widersprüchlichen Ausführungen im Ergebnis von einer fehlenden Unterscheidungskraft der Widerspruchsmarke 3 ausgegangen ist, lässt sich nicht feststellen, dass die eingetragene Wortkombination „[X.]“ von den angesprochenen Verkehrskreisen lediglich als eine ohne analysierende Schritte erkennbare Aussage über die Beschaffenheit der für die Widerspruchsmarke 3 geschützten Waren verstanden wird (vgl. zu diesen Anforderungen [X.] 2012, 270, Rn. 12 - Link economy; [X.], 1204, Rn. 12 - [X.]). Der [X.] „[X.]“ wird im [X.] und [X.] als Adjektiv, darüber hinaus im [X.] auch als Adverb mit den Bedeutungen „weltumspannend“ und „umfassend, allgemein“ verwendet (vgl. [X.], Suchbegriff: „global“; [X.], Großwörterbuch, [X.] - [X.], 1. Auflage, Seite 369). Keine von ihnen vermittelt eine ohne Weiteres verständliche Aussage über bestimmte Eigenschaften von Fleisch, das der zweite englischsprachige [X.] „[X.]“ benennt (vgl. [X.], a. a. [X.], Seite 548). Insbesondere kann ein Fleischprodukt, das auch von einem Fisch abstammen kann, keine globale, sondern nur eine regionale Herkunft aufweisen. Es fehlt auch ein Anhalt dafür, dass „[X.]“ auf eine weltweit standardisierte Fleischart oder -qualität hinweisen kann.

Näher liegt es demgegenüber, die beiden [X.]e „[X.]“ und „[X.]“ als Aussage über den weltumspannenden Bezug oder Absatz („[X.]“) von Fleisch („[X.]“) zu verstehen. Selbst wenn man unterstellt, dass das Publikum diese Interpretation ohne nähere Überlegungen vornimmt, erschöpft sich die Wortkombination auch dann nicht in einer klaren Sachangabe über Fleisch, sondern vermittelt mehr oder weniger deutliche Vorstellungen über den Zuschnitt des Vertriebs („[X.]“) sowie über dessen Gegenstand („[X.]“). Dabei handelt es sich nicht Merkmale der von der Widerspruchsmarke erfassten Waren (vgl. [X.] 1999, 988, 989 – [X.] OF [X.]; [X.], Beschluss vom 16. Oktober 2001, 24 W (pat) 2/00 – EUROFRAGRANCE).

Darüber hinaus fehlen konkrete Anhaltspunkte, dass die Bezeichnung „[X.]“ wegen eines engen beschreibenden Bezugs zu Fleisch nicht als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst wird (vgl. zu dieser Fallgruppe [X.] 2009, 952 - [X.]landCard; [X.]/Hacker/Thiering, a. a. [X.], § 8, Rn. 101).

Für eine Steigerung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke 3 fehlen Anhaltspunkte, zumal sich die vorgelegten Benutzungsunterlagen ausschließlich auf die [X.] 1 und 2 beziehen.

(3) Die Frage der Ähnlichkeit der sich gegenüber stehenden Marken ist nach deren Klang, ([X.] und Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die von ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken. Für die Bejahung der Markenähnlichkeit reicht dabei regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten [X.] aus (vgl. [X.] 2011, 824, Rn. 25 f. - Kappa; [X.], 914, Rn. 27 - [X.]/[X.]). Hierbei ist auf den jeweiligen Gesamteindruck der zu vergleichenden Marken abzustellen (vgl. [X.] 2013, 833, Rn. 30 - Culinaria/[X.]; [X.], 235, Rn. 18 - [X.]/[X.]; GRUR 2011, 824, Rn. 31 - Kappa).

(4) Die im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigenden Einzelfaktoren reichen in ihrer Summe aus, um unter Zugrundelegung einer zumindest unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke 3 und hochgradiger Markenähnlichkeit eine unmittelbar klangliche Verwechslungsgefahr im Bereich der identischen und hochgradig ähnlichen Waren bejahen zu können. Demgegenüber ist selbst bei Annahme einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke 3 eine Verwechslungsgefahr zu verneinen, soweit Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke betroffen sind, die lediglich eine weit unterdurchschnittliche Ähnlichkeit zu den Waren der älteren Marke aufweisen.

2. Widersprüche aus den [X.] 1 und 2

Über die Widersprüche muss nicht mehr entschieden werden, als sie sich gegen die Eintragung der angegriffenen Marke für die Waren

„Fisch (nicht lebend), Fischkonserven, Fleisch, Garnelen (nicht lebend), Geflügel (nicht lebend), Hummer (nicht lebend), Krustentiere (nicht lebend), Lachs, Muscheln (Schalentiere) (nicht lebend), Shrimps (nicht lebend)“

richten, da insoweit bereits die Löschung der Eintragung auf Grund des Widerspruchs aus der Widerspruchsmarke 3 angeordnet worden ist.

Eine weitergehende Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke für die Waren und Dienstleistungen (nachfolgend „in Rede stehende Waren und Dienstleistungen“)

„Klasse 29:

Tomatenpüree, Tomatensaft für die Küche;

Klasse 30:

Gewürznelken, Safran (Gewürz), Tomatensauce, Zucker;

Klasse 35:

[X.] Bearbeitung von Bestellungen, kommerzielle Verwaltung der Lizenzierung von Waren und Dienstleistungen für Dritte, Personalvermittlung, Stellenvermittlung, Personalanwerbung“

scheidet mangels Verwechslungsgefahr aus. Das [X.] hat demzufolge insoweit zu Recht die Widersprüche aus den [X.] 1 und 2 zurückgewiesen.

a) Zugunsten der Widersprechenden kann eine rechtserhaltende Benutzung der [X.] 1 und 2 für die jeweils eingetragenen Waren „Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; Wurstwaren“ unterstellt werden. Wie bereits unter 1. b) (1) (b) ausgeführt worden ist, sind sie sowie die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke allenfalls weit unterdurchschnittlich ähnlich.

b) Bei den [X.] 1 und 2 kann entsprechend den Ausführungen zur Widerspruchsmarke 3 unter 1. b) (2) von einer durchschnittlichen originären Kennzeichnungskraft ausgegangen werden.

Für eine Steigerung des Kennzeichnungsgrades auf Grund einer umfangreichen Benutzung bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke am 31. August 2010 fehlen Anhaltspunkte (vgl. zu den relevanten Zeitpunkten [X.]/Hacker/Thiering, a. a. [X.], § 9, Rn. 224). Aus den vorgelegten Benutzungsunterlagen gehen zwar beträchtliche Umsätze in [X.]land, insbesondere für „Fleisch“ ab dem [X.], hervor. Bloße [X.] lassen aber ohne erläuternde Aussagen zum Marktanteil in der Regel keine ausreichenden Rückschlüsse auf die Bekanntheit einer Marke im Verkehr zu (vgl. [X.]/Hacker/Thiering, a. a. [X.], § 9, Rn. 166). Hier tritt hinzu, dass die [X.] sich lediglich auf einen Zeitraum von 4 Jahren vor der Anmeldung der angegriffenen Marke beziehen. Eine Bekanntheit im Verkehr bedarf in der Regel jedoch einer langjährigen intensiven Benutzung.

Dahingestellt bleiben kann daher, ob den Benutzungsunterlagen - insbesondere für die Prüfung der Art der Benutzung der [X.] 1 und 2 - verwertbare Aussagen entnommen werden können. Dies kann hier zweifelhaft sein, da die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen keine ausdrücklichen Ausführungen zur Art der Verwendung der beigefügten Etiketten enthalten.

c) Zugunsten der Widersprechenden kann des Weiteren unterstellt werden, dass der Verkehr die in beiden [X.] vorkommenden Wortfolgen „[X.] [X.]“ herausgreifen und erkennen wird, dass es sich bei dem Bestandteil „[X.]“ um die [X.] Übersetzung des in der angegriffenen Marke enthaltenen Elements „[X.]“ handelt. Insofern kann von einer hochgradigen begrifflichen Ähnlichkeit ausgegangen werden.

Anhaltspunkte für die Annahme einer Verwechslungsgefahr durch Gedankliches-In-Verbindung-Bringen der Vergleichsmarken liegen nicht vor. Insbesondere kommt vorliegend eine mittelbare Verwechslungsgefahr auf Grund mehrerer entsprechend gebildeter Serienmarken nicht in Betracht (vgl. zu den hierfür erforderlichen Voraussetzungen [X.]/Hacker/Thiering, a. a. [X.], § 9, Rn. 510 ff.). Zum einen fehlt es mangels ausreichender Kennzeichnungskraft an der erforderlichen Hinweisfunktion des übereinstimmenden Bestandteils „[X.]“ zugunsten der Widersprechenden. Zum anderen handelt es sich bei den Markenbestandteilen „[X.]“ und „[X.]“ nicht um wesensgleiche Komponenten, so dass der Gedanke an Serienzeichen fernliegt (vgl. [X.] WRP 1998, 1179, 1180 - [X.] II).

d) Im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung führt die allenfalls weit unterdurchschnittliche Ähnlichkeit der Waren „Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; Wurstwaren“ einerseits und der in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen andererseits dazu, dass selbst bei Annahme der rechtserhaltenden Benutzung der [X.] 1 und 2, ihrer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und einer hochgradigen (begrifflichen) Markenähnlichkeit keine Verwechslungsgefahr in rechtserheblichem Umfang zu befürchten ist. Auf die Glaubhaftmachung der von der Beschwerdegegnerin bestrittenen Benutzung der [X.] 1 und 2 kommt es folglich nicht an.

3.Zur Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens auf einen Beteiligten aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 [X.] besteht kein Grund.

4. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da ein Antrag auf mündliche Verhandlung nicht gestellt bzw. zurückgenommen wurde (§ 69 Nr. 1 [X.]). Auch hat der Senat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht für sachdienlich erachtet (§ 69 Nr. 3 [X.]).

Meta

28 W (pat) 536/15

12.12.2018

Bundespatentgericht 28. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 12.12.2018, Az. 28 W (pat) 536/15 (REWIS RS 2018, 554)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 554

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

25 W (pat) 576/20 (Bundespatentgericht)


28 W (pat) 510/18 (Bundespatentgericht)


28 W (pat) 24/12 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "Lider/LIDL (Gemeinschaftsmarke)" – zur Kennzeichnungskraft - Warenidentität und –ähnlichkeit – klangliche Verwechslungsgefahr


28 W (pat) 29/18 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "Falloumi/HALLOUMI (geografische Unionskollektivmarke)" – zur Kennzeichnungskraft – teilweise Verwechslungsgefahr – kein Bekanntheitsschutz


29 W (pat) 58/20 (Bundespatentgericht)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

25 W (pat) 64/10

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.