11. Senat | REWIS RS 2020, 3181
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Patentbeschwerdeverfahren - zur Auslegung des Antrags auf Durchführung einer Anhörung
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2016 102 324.8
hat der 11. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 18. Mai 2020 durch [X.] [X.]. Höchst sowie [X.], [X.]. [X.] und [X.]. Schwenke
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse [X.] des [X.] vom 8. August 2017 aufgehoben und das Patent mit folgenden Unterlagen erteilt:
Patentansprüche 1 bis 8 vom Anmeldetag,
Beschreibung, Seiten 1 bis 11 vom Anmeldetag,
– drei Blätter Zeichnungen mit Figuren 1 bis 5 vom 25. Mai 2016.
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
I.
Die Beschwerdeführerin ist Mitanmelderin der am 10. Februar 2016 beim [X.] eingegangenen Patentanmeldung mit der Bezeichnung
"Verfahren und Vorrichtung zum Erzeugen gehärteter Stahlbauteile".
Durch Beschluss vom 8. August 2017 hat die Prüfungsstelle für [X.] die Anmeldung zurückgewiesen, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Die Patentansprüche 2 bis 8 seien bereits deshalb nicht gewährbar, weil ein Patent nur antragsgemäß erteilt werden könne und nur ein Antrag auf Erteilung eines Patents in Verbindung mit Patentanspruch 1 vorliege.
Entscheidungsgrundlage für den Zurückweisungsbeschluss bildeten die Druckschriften
[X.] [X.] 2013 015 405 [X.] und
[X.] [X.] 878 B.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin v…GmbH. Sie ist der Meinung, dass durch den Stand der Technik ihre Erfindung nicht nahegelegt sei.
Die Beschwerdeführerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,
den Zurückweisungsbeschluss aufzuheben und das Patent mit den Patentansprüchen und der Beschreibung vom Anmeldetag sowie mit den Zeichnungen vom 25. Mai 2016 zu erteilen.
Der Patentanspruch 1 lautet:
"Verfahren zum [X.] von [X.], wobei aus einem Stahlblechband aus einer härtbaren Stahllegierung eine Platine ausgeschnitten wird und die Platine anschließend austenitisiert wird, indem sie auf eine Temperatur größer [X.] erhitzt wird und anschließend in ein Umformwerkzeug eingelegt wird und in dem Umformwerkzeug umgeformt und beim Umformen mit einer Geschwindigkeit über der kritischen Härtegeschwindigkeit abgekühlt wird, dadurch gekennzeichnet, dass zur Vermeidung von [X.] zweiter Art der umzuformenden Blechplatine während des [X.]
- an und/oder benachbart zu positiven Radien und/oder Ziehkanten und/oder
- an [X.]n Sauerstoff zugeführt wird."
Der Patentanspruch 5 lautet:
"Vorrichtung zum [X.] oder Warmumformen und Härten von [X.] mit zwei [X.]n, wobei die zwei [X.]n eine Platine tiefziehend zusammenwirken und aufeinander zufahrbar und auseinanderfahrbar ausgebildet sind, wobei entsprechend einer gewünschten Umformkontur zumindest ein positiver Radius oder ein Ziehkantenbereich mit einer Ziehkante (2) vorhanden ist, der keramische Einsatz anstelle einer metallischen Ziehkante (2) eingestellt ist, wobei der er formschlüssig in der jeweiligen [X.] eingesetzt ist."
Die Beschwerdeführerin hat zudem die Erstattung der Beschwerdegebühr beantragt.
Für weitere Einzelheiten, insbesondere zum Wortlaut der nachgeordneten Ansprüche 2 bis 4 bzw. 6 bis 8, wird auf die Akten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die Mitanmelderin, die [X.]…GmbH, an dem Beschwerdeverfahren nur als notwendige Streitgenossin beteiligt ist. Im [X.] ist nur die v… GmbH als Beschwerdeführerin genannt. Darüber hinaus ist auch nur eine Beschwerdegebühr entrichtet worden, was ebenso zu der genannten, rechtlichen Konsequenz führt (vgl. [X.], 1286 ff. – "Mehrschichtlager").
1. Die Anmeldung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Erzeugen gehärteter Stahlbauteile. Zum Stand der Technik ist in der Beschreibung – hier zusammengefasst – dargelegt, dazu seien das sogenannte Formhärten und das [X.] üblich. Bei Letzterem sei von Nachteil, dass sich insbesondere bei verzinkten [X.] Mikrorisse in der Oberfläche bildeten. Man unterscheide Mikrorisse erster und zweiter Ordnung. Während es bereits gelungen sei, die Bildung von [X.] erster Ordnung zu unterbinden, seien Mikrorisse zweiter Ordnung bislang nicht beherrschbar; mit den bisherigen Methoden könne eine Produktion von Bauteilen ohne Mikrorisse zweiter Ordnung nicht gesichert dargestellt werden ([X.] bis 3).
Aus der [X.] 2011 055 643 [X.] sei ein Verfahren und Umformwerkzeug zum Warmumformpresshärten von Werkstücken aus Stahlblech bekannt – Mikrorisse zweiter Art könnten damit aber nicht verhindert werden. Aus [X.] 2011 52 773 [X.] sei es bekannt, durch Beschränken der effektiven Kontaktfläche mittels in die [X.] eingebrachter Mikrovertiefungen die Reibung zwischen der [X.] und einem Rohling zu vermindern. Aus der [X.] 2004 038 626 [X.] seien eine Formhärtung in einem Formhärtewerkzeug zum verzugsfreien Klemmen und Maßnahmen zum Einstellen unterschiedlicher Härtegradienten durch unterschiedliche Härtegeschwindigkeiten bekannt (S. 4 und 5).
Vor diesem Hintergrund bestehe die Aufgabe, Mikrorisse zweiter Art in direkt warmumgeformten Bauteilen zu vermeiden ([X.], [X.] 23 und 24); darüber hinaus sei eine Aufgabe, eine Vorrichtung zu schaffen, mit den [X.] im [X.] warmumgeformt und gehärtet werden könnten, wobei Mikrorisse vermieden würden ([X.], [X.] 32 bis [X.], [X.] 2).
Diese Aufgaben sollen im Wesentlichen dadurch gelöst werden, dass bei einem gattungsgemäßen Verfahren zur Vermeidung von [X.] zweiter Art der umzuformenden Blechplatine während des [X.] an und/oder benachbart zu positiven Radien und/oder Ziehkanten und/oder an [X.]n Sauerstoff zugeführt wird, und dass bei einer Vorrichtung zum [X.] oder Warmumformen und Härten von [X.] anstelle einer metallischen Ziehkante ein Keramikeinsatz eingestellt ist, der formschlüssig in der jeweiligen [X.] eingesetzt ist.
2. Der Senat legt seiner Entscheidung als zuständigen Fachmann einen Hochschulabsolventen des Maschinenbaus zugrunde, der über mehrjährige Berufserfahrung im Bereich der umformtechnischen Fertigung von Bauteilen aus Stahlblech verfügt; dieser kennt insbesondere die Methoden des indirekten [X.] und des direkten [X.] sowie die Vorrichtungen dafür. Zu werkstofftechnischen Fragen zieht er im Bedarfsfall einen auf diesem Gebiet sachkundigen Fachmann zu Rate.
In dem angesprochenen Fachkreis können die den Oberbegriff des Anspruchs 1 bildenden Verfahrensschritte des [X.] als bekannt vorausgesetzt werden. [X.] unterscheidet sich von dem Verfahren des [X.] dadurch, dass dabei zuerst die aus dem Stahlband ausgeschnittene Platine austenitisiert, in das Werkzeug gebracht und dort in einem einstufigen Schritt umgeformt und zugleich abgekühlt wird, wogegen beim Formhärten die Platine zunächst zum fertigen Bauteil in einem mehrstufigen Prozess tiefgezogen, anschließend das Bauteil austenitisiert und dann im Formhärtewerkzeug nur noch abgekühlt wird. Der Beschreibung ist in diesem Zusammenhang ergänzend zu entnehmen, dass unter dem hier beanspruchten [X.] ein direkter Prozess zu verstehen sei, wo die Formgebung in nur einem Zug zusammen mit dem Abschreckhärten im Werkzeug erfolge. Demgegenüber sei das Formhärten ein indirekter Prozess, wo zunächst in einem dem Härten im Werkzeug vorgeschalteten Prozessschritt die Formgebung in mehreren Zügen erfolge (S. 2).
Die Angabe ...von [X.] impliziert, dass es sich um aus Blech erzeugte Bauteile aus einer plastisch umformbaren Eisen-Kohlenstofflegierung handelt. Aus dem Wort Press härten leitet der Fachmann bereits ab, dass dabei eine martensitische Umwandlung des Materials erreicht wird; folglich muss der Stahl zumindest mehr als 0,2 Gew.-% Kohlenstoff enthalten und eine ausreichend rasche Abkühlung erfahren. Für das anmeldungsgemäße Verfahren ist die chemische Zusammensetzung, außer, dass es sich um einen härtbaren Werkstoff handeln muss, aber nicht von Bedeutung. Die Austenitisierungstemperatur größer [X.] kann der Fachmann aus für die jeweilige Stahlsorte geltenden Zustandsdiagrammen entnehmen, ebenso die beim Umformen im Werkzeug zu erreichende Härtegeschwindigkeit über der kritischen Abkühlgeschwindigkeit.
Zum kennzeichnenden Merkmal im Anspruch 1 zur Vermeidung von [X.] zweiter Art wird in der Beschreibung erläutert, die Risstiefen von [X.] zweiter Art betrügen einige 10µm ([X.], vierter Abs.), dagegen die von [X.] erster Ordnung bis zu einigen 100 µm ([X.], dritter Abs.). Die Entstehungsmechanismen beider [X.] unterscheiden sich danach ebenfalls: Als Ursache für Risse erster Ordnung sehen die [X.] das Auftreten flüssiger Zinkphasen, die während des [X.] mit noch bestehenden Austenitphasen in Wechselwirkung geraten und ein sog. Liquid Metal Embrittlement verursachen ([X.], [X.] 9 bis 14). Die Risse zweiter Ordnung führen die [X.] dagegen auf [X.] oder freies Zink zurück, der bzw. das bei der Dehnung der aufreißenden Zinkeisenschicht im Zuge der Umformung entsteht, in hinreichender Konzentration zum Stahl gelangt und dann sog. [X.] Metal Embrittlement verursacht ([X.], [X.] 8 bis 17).
Während des – beim [X.] kombinierten – [X.], also, während das Material der umzuformenden Blechplatine fließt, wird der Platine an und/oder benachbart zu positiven Radien und/oder Ziehkanten und/oder an [X.]n Sauerstoff zugeführt. Das bedeutet, dass dem Sauerstoff als Bestandteil von Fluiden wie Luft oder Wasserdampf insbesondere zu den zugbelasteten Bereichen der Platine Zutritt verschafft wird – entweder während die Presse offen ist durch Fluten des [X.] – oder der Sauerstoff gelangt über Zuleitungen zu Werkzeugeinsätzen oder ist in den Hohlräumen von [X.] oder [X.] deponiert (S. 8, erster und zweiter Abs.). Der Zweck ist, [X.] bzw. freies Zink, das ursächlich für die Bildung der Risse zweiter Art sein soll, chemisch umzuwandeln und unschädlich zu machen. Des Weiteren könne eine Schutzschicht erreicht werden ([X.], [X.] 25 bis 33). [X.] sind im Sinne der Anmeldung jene Bereiche, in welchen direkter Kontakt des Blechs mit dem Werkzeug vorherrscht oder wo das Blech maximal 0,5 mm Abstand zum Werkzeug aufweist ([X.], [X.] 8 bis 17).
Anspruch 5 ist auf eine Vorrichtung zum [X.] oder Warmumformen und Härten von [X.] gerichtet. Diese alternativ auffassbaren Begriffe bezeichnen ein und denselben Vorgang, denn [X.] ist nichts anderes als das einstufige Umformen der austenitisierten Platine zugleich mit der Selbstabschreckung des Formteils in einem direkten Prozess. Aus dem Wortlaut leitet der Fachmann dennoch eine hinreichende Abgrenzung einer beanspruchten Presshärtevorrichtung gegenüber einer Formhärtevorrichtung ab, denn es sollen Stahlblech platinen gehärtet und umgeformt werden und nicht Stahlblechbauteile.
Des Weiteren soll ein positiver Radius oder ein Ziehkantenbereich mit einer Ziehkante vorhanden sein, was schematisch die [X.]. 1 bis 4 und 5 illustrieren. [X.] wird verdeutlicht, dass das Werkzeug an den besagten Stellen eine konvexe Kontur im Werkstück ausformt, an deren Außenseite Zugspannungen herrschen, zwangsläufig mit [X.] beim Abkühlen. Zur Vermeidung von Rissen zweiter Ordnung (s.o.) ist an diesen Stellen ein keramischer Einsatz eingestellt, der formschlüssig in der jeweiligen [X.] eingesetzt ist. Demnach handelt es sich um ein separates Element, das in eine Ausnehmung des [X.] passend angeordnet und mittels ineinandergreifender Konturen lösbar damit verbunden ist.
3. Die geltenden Patentansprüche sind zulässig.
Die Prüfungsstelle hatte an den dem Zurückweisungsbeschluss zugrundeliegenden, ihr von den [X.] zur Prüfung eingereichten Patentansprüchen hinsichtlich der Zulässigkeit zu Recht nichts zu bemängeln. Auch aus Sicht des Senats bestehen insoweit keine Bedenken. Ebenso ist das Verständnis der Ansprüche nicht zu beanstanden.
4. Anders als die Prüfungsstelle kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass den von den [X.] als Erfindung beanspruchten Gegenständen die Patentfähigkeit nicht abgesprochen werden kann.
4.1 Die Neuheit gemäß §§ 1, 3 [X.] – wie im Übrigen auch die gewerbliche Anwendbarkeit – des Verfahrens gemäß dem Patentanspruch 1 hat die Prüfungsstelle – insoweit korrekt – bereits anerkannt. Entgegen der Auffassung der Prüfungsstelle legt der aus den [X.] und [X.] zusammengenommen entgegengehaltene Stand der Technik ein Verfahren mit den im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen dem Fachmann aber auch nicht nahe.
Zur erfinderischen Tätigkeit hat die Prüfungsstelle ausgeführt, aus [X.] sei bereits ein anmeldungsgemäßes Verfahren bekannt, mit dem einzigen Unterschied, dass dort kein Sauerstoff als Gas an den [X.]n zugeführt werde. Dies liege für den Fachmann jedoch nahe, da durch die Druckschrift [X.] auf dem gleichen Fachgebiet bekannt sei, beim Härten von [X.] zur Herstellung von Blechteilen mit erhöhter Materialfestigkeit Luftsauerstoff zuzuführen. Auf dieser Grundlage kann eine erfinderische Tätigkeit im Sinne von §§ 1, 4 [X.] jedoch nicht verneint werden.
Zutreffend ist, dass Druckschrift [X.] ein Verfahren offenbart, das den Oberbegriff des Patentanspruchs 1 der Anmeldung erfüllt. Die Vermeidung von [X.] im Sinne der Anmeldung wird in der Entgegenhaltung aber nicht thematisiert.
Das aus der Druckschrift [X.] entnehmbare Verfahren dient zum Ausbilden von Bereichen unterschiedlicher Härten in einem Stahlblechbauteil. Das Presshärtewerkzeug liegt dabei in Teilbereichen am Blech an, wo eine rasche Abkühlung erfolgen soll, um eine hohe Härte zu erzielen; in anderen Teilbereichen sind Ausnehmungen in der [X.] angeordnet, wo das Blech nicht anliegt und sich folglich langsamer abkühlt, so dass dort nur eine geringe Härtung erfolgt (Abs. [0003] bis [0005]).
An den Kanten der Ausnehmungen kann es beim [X.] zwar zu unerwünschten plastischen Verformungen und Rissen kommen, wenn das Blech in die Ausnehmungen eingeformt wird. Das Einformen und infolgedessen auch eine Rissbildung aufgrund übermäßiger Zugbelastung verhindern aber bereits [X.], die in den Ausnehmungen angeordnet sind (Abs. [0009] und [0010], sowie [X.]. 1 bis 5), wogegen bei dem anmeldungsgemäßen Vorgehen Sauerstoff zugeführt wird, um an den zugbeanspruchten Stellen des Werkstücks eine chemische Reaktion mit freiem Zink aus der Beschichtung der Stahlblechplatine zu bewirken und auf diese Weise die Entstehung von Rissen zweiter Art zu verhindern, wie sie in der [X.] definiert sind. Das Verfahren nach Druckschrift [X.] sieht zwar ebenfalls die Zuführung [X.] in die Ausnehmungen vor, aber lediglich als weiteres Mittel zur bedarfsgerechten Einstellung der Härte (Abs. [0012]).
Entgegen der Auffassung der Prüfungsstelle hat ein Fachmann, der vor der Aufgabe steht, ein Verfahren bereitzustellen, mit dem Mikrorisse zweiter Art in pressgehärteten Bauteilen vermieden werden, ausgehend von der Druckschrift [X.] keinen Anlass, die Druckschrift [X.] beizuziehen.
Die Entgegenhaltung [X.] befasst sich zwar wie Druckschrift [X.] mit dem [X.] von Blechen, ihr Inhalt lässt jedoch gleichfalls keinen Bezug zu dem Problem erkennen, um das es in der Anmeldung geht. Vielmehr sind dort die Herstellung von Blechteilen mit hoher Materialfestigkeit und einen verbesserten kathodischen Korrosionsschutz das Ziel ([X.], [X.] 51 bis 53). Hinweise, wie beim [X.] mittels Zufuhr von Sauerstoff Risse vermieden werden können, gehen daraus nicht hervor, so dass auch eine fachmännische Zusammenschau von Merkmalen des [X.] aus beiden Druckschriften nicht ohne erfinderisches Zutun zu dem von den [X.] beanspruchten Verfahren führt.
4.2 Der Stand der Technik nach den [X.] und [X.] legt dem Fachmann eine Vorrichtung mit den im Anspruch 5 angegeben Merkmalen ebenfalls nicht nahe.
Die Patentfähigkeit der Vorrichtung gemäß dem Patentanspruch 5 hat die Prüfungsstelle in ihrem Beschluss unter Verweis auf die [X.] und [X.] lediglich pauschal abgehandelt mit dem Ergebnis, der Patentanspruch enthalte nichts Patentfähiges.
Der Senat kann sich dem nicht anschließen, denn der von der Prüfungsstelle herangezogene Stand der Technik offenbart zwar Vorrichtungen zum [X.], jedoch nicht mit Merkmalen von Ziehkanten oder einer Umformkontur oder einer formschlüssigen Verbindung eines Einsatzkörpers mit dem Ziehwerkzeug wie in der Anmeldung vorgesehen.
4.3 Nach alledem erweisen sich die Patentansprüche 1 und 5 jeweils in ihren ursprünglich zur Prüfung eingereichten Fassungen als gewährbar. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der bereits von den [X.] zum Stand der Technik zitierten und gewürdigten Druckschriften.
4.4 Zusammen mit den nebengeordneten Patentansprüchen 1 und 5 sind die darauf rückbezogenen Ansprüche 2 bis 4 bzw. 6 bis 8 ebenfalls gewährbar, da sie auf zweckmäßige, nicht selbstverständliche Ausgestaltungen des anmeldungsgemäßen Verfahrens bzw. der anmeldungsgemäßen Vorrichtung gerichtet sind.
5. Die Beschwerdegebühr ist billigerweise zu erstatten.
Im vorliegenden Fall ist eine Verletzung rechtlichen Gehörs gegeben.
Der in der Erwiderung der [X.] vom 30. Juni 2016 enthaltene Schlusssatz "Sollte mit den vorliegenden Unterlagen eine Erteilung nicht möglich sein, wird um eine Rücksprache mit der Prüfungsstelle, gerne auch telefonisch gebeten." ist dahingehend zu verstehen, dass die [X.] eine persönliche Rücksprache mit der Prüfungsstelle erbeten hatten. Ein derartige, schriftlich geäußerte Bitte ist als formgültiger Antrag auf Durchführung einer Anhörung im Sinne von § 46 Abs. 1 Satz 2 und 3 [X.] auszulegen.
Mit Wirkung zum 1. April 2014 hat der Gesetzgeber den obligatorischen Anhörungsanspruch eingeführt. Die alte Rechtslage gilt nur bei Anträgen, die vor dem 1. April 2014 beim [X.] eingegangen sind (vgl. § 147 Abs. 5 [X.]), was aber hier ersichtlich nicht zutrifft. Eine Anhörung muss auf Antrag immer dann durchgeführt werden, wenn konkrete entscheidungserhebliche Sach- und Rechtsfragen zwischen Prüfungsstelle und Anmelder trotz Schriftverkehrs (immer) noch nicht abschließend geklärt sind (vgl. [X.]/[X.], [X.], 10. Auflage, § 46 [X.]). Ein solcher Fall war nach dem Bescheid der Prüfungsstelle vom 9. Mai 2016 offensichtlich gegeben, mit dem sie darauf hingewiesen hatte, dass ein der Patentfähigkeit der Gegenstände der Patentansprüche 6 und 7 entgegenstehender Stand der Technik nicht habe ermittelt werden können und der Anmelderin anheimgestellt werde, einen hierauf gerichteten, beschränkten Hauptanspruch mit gegebenenfalls darauf bezogenen Unteransprüchen und eine angepasste Beschreibung einzureichen. Der Gesetzgeber unterstellt für solche Fälle unwiderleglich, dass durch eine Anhörung Aufschluss zu erwarten ist (vgl. [X.]/[X.] a.a.[X.]). Es darf deshalb vorliegend unterstellt werden, dass im Falle einer Anhörung das Patent (wie jetzt geschehen) erteilt und die vorliegende Beschwerde vermieden worden wäre. Damit folgt aus dem vorliegend verletzten Anhörungsanspruch billigerweise ein Anspruch auf Erstattung der Beschwerdegebühr, was gemäß § 80 Abs. 3 [X.] hier auszusprechen war.
Meta
18.05.2020
Beschluss
Sachgebiet: W (pat)
§ 80 Abs 3 PatG, § 46 Abs 1 S 2 PatG, § 46 Abs 1 S 3 PatG
Zitiervorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 18.05.2020, Az. 11 W (pat) 33/17 (REWIS RS 2020, 3181)
Papierfundstellen: REWIS RS 2020, 3181
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
11 W (pat) 33/15 (Bundespatentgericht)
7 Ni 15/20 (EP) (Bundespatentgericht)
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