Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.03.2013, Az. V ZB 83/12

5. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 7601

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Gegenstand

Grundbucheintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks gegen den Willen des Betroffenen


Leitsatz

Die Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks in das Grundbuch kann bei fehlender Bewilligung des Buchberechtigten in entsprechender Anwendung von § 899 Abs. 2 BGB (i.V.m. §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO) nur im Wege der einstweiligen Verfügung erzwungen werden.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 15. Zivilsenats des [X.] vom 26. März 2012 wird auf Kosten des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 50.000 €.

Gründe

I.

1

Der Beteiligte zu 2 ist Erbe des verstorbenen [X.]    , der als Eigentümer verschiedener Grundstücke im Grundbuch eingetragen ist. Der Beteiligte zu 1, der das Eigentum an diesen Grundstücken für sich in Anspruch nimmt, erhob gegen den Beteiligten zu 2 vor dem Prozessgericht Klage auf Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs. Unter Hinweis auf den laufenden Rechtsstreit und unter Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung des [X.] hat der Beteiligte zu 1 beim Grundbuchamt die Eintragung eines [X.]s beantragt. Das Grundbuchamt hat den Antrag zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der von dem [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Beteiligte zu 1 seinen Antrag weiter.

II.

2

Nach Ansicht des [X.] genügt für die Eintragung eines [X.]s der bloße Nachweis der Rechtshängigkeit nicht. Erforderlich sei vielmehr eine einstweilige Verfügung, deren Erlass eine Glaubhaftmachung des [X.] erfordere. Der [X.] habe vergleichbare Wirkungen wie ein Widerspruch, eine Vormerkung oder ein gerichtliches Veräußerungsverbot und könne daher nach der gesetzlichen Wertung keinen geringeren Eintragungsanforderungen unterliegen.

III.

3

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 78 Abs. 1 [X.]) und auch im Übrigen zulässig (§ 78 Abs. 3 [X.] i.V.m. § 71 FamFG). Sie ist jedoch unbegründet. Zu Recht lehnt das Beschwerdegericht es ab, das Grundbuchamt zur Eintragung eines [X.]s anzuweisen.

4

1. Die Eintragung eines Vermerks über die Rechtshängigkeit eines Zivilprozesses über das Eigentum oder ein im Grundbuch eingetragenes Recht an einem Grundstück ist im Gesetz nicht vorgesehen; seine Zulässigkeit ist jedoch im Hinblick auf § 325 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 892 Abs. 1 [X.] nahezu einhellig anerkannt (vgl. etwa [X.], NJW-RR 2000, 384; [X.], NJW-RR 1994, 1498; [X.], NJW 1989, 1098; [X.], [X.] 1979, 853, 854; [X.]/[X.], [X.] [2008], § 892 Rn. 264; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 899 Rn. 30, § 892 Rn. 61; [X.]/[X.], Immobilienrecht, § 76 [X.] Rn. 18; [X.]/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 325 Rn. 50; [X.] in [X.], 6. Aufl., § 899 Rn. 35; PWW/Huhn, [X.], 7. Aufl., § 899 Rn. 13; [X.]/[X.], [X.], 72. Aufl., § 899 Rn. 7; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 1652; [X.]/[X.], Grundbuchrecht, 6. Aufl., [X.]. J 30; [X.], Grundbuchordnung, 28. Aufl., [X.]. zu § 13 Rn. [X.]/von Oefele/[X.], [X.], 3. Aufl., § 29 Rn. 63; [X.]/[X.]/Tank, [X.], 4. Aufl., [X.]; [X.], [X.] 1960, 61, 63; Wächter, NJW 1966, 1366; a.A. Lickleder [X.] 114 [2001], 195).

5

2. Umstritten ist jedoch, auf welche Weise die Eintragung eines [X.]s in das Grundbuch gegen den Willen des Betroffenen bewirkt werden kann.

6

a) Nach überwiegender Meinung genügt in entsprechender Anwendung von § 22 [X.] der gegenüber dem Grundbuchamt in der Form des § 29 [X.] zu führende Nachweis, dass ein dinglicher Anspruch, der die im Grundbuch verzeichnete Rechtsposition betrifft, rechtshängig geworden ist. Im Gegensatz zum Widerspruch gemäß § 899 Abs. 2 [X.] sei Anknüpfungspunkt des guten Glaubens beim [X.] nicht die materielle Rechtslage, sondern allein die Rechtshängigkeit eines Prozesses. Der [X.] sei daher ein Sicherungsmittel von wesentlich geringerem Gewicht. Faktisch werde der im Grundbuch eingetragene Berechtigte nach Eintragung eines [X.]s in seiner Verfügungsmöglichkeit über das Grundstück zwar stark eingeschränkt. Die Gefahr eines endgültigen Rechtsverlusts für den wahren Berechtigten wiege aber schwerer als die nur zeitlich beschränkte Beeinträchtigung des Buchberechtigten ([X.], [X.] 2009, 250, 251; [X.], Beschluss vom 27. November 2007 - 5 Wx 29/07, juris Rn. 5; [X.], NJW-RR 2005, 1099, 1100; [X.], NJW-RR 2003, 234; [X.], NJW-RR 2000, 384, 385; [X.], NJW-RR 1994, 1498, 1499; [X.], NJW 1989, 1098, 1099; [X.], [X.] 1979, 853, 854; [X.]/[X.], 4. Aufl., § 325 Rn. 102; PWW/Huhn, [X.], 7. Aufl., § 899 Rn. 14; [X.]/[X.], [X.], 72. Aufl., § 899 Rn. 7; [X.]/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 325 Rn. 50; [X.]/[X.], ZPO, 70. Aufl., § 325 Rn. 10 f.; [X.], [X.], 28. Aufl., [X.]. zu § 13 Rn. [X.]/von Oefele/[X.], [X.], 3. Aufl., § 29 Rn. 63; [X.], [X.], 359; [X.], [X.] 2009, 252; Mai, [X.] 2003, 108, 110).

7

b) Nach anderer Auffassung, der sich auch das Beschwerdegericht angeschlossen hat, erfordert die Eintragung eines [X.]s bei fehlender Bewilligung das Vorliegen einer einstweiligen Verfügung. Ein [X.] habe für den Betroffenen faktisch die gleiche Wirkung wie ein Widerspruch, da er in aller Regel einer Veräußerung oder einer Belastung des Grundstücks zur Sicherung einer Kreditaufnahme entgegenstehe. Dieser schwere Eingriff in Form der faktischen [X.] zu Lasten des Eingetragenen sei nach der von dem Gesetzgeber in § 899 [X.] getroffenen Wertung erst dann berechtigt, wenn ein Gericht geprüft und bejaht habe, dass die Begründetheit des [X.] jedenfalls glaubhaft gemacht wurde ([X.], [X.] 2012, 348; [X.], Rpfleger 2012, 522; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 899 Rn. 31; [X.]/[X.], [X.] [2012], § 899 Rn. 102; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 1654; [X.], [X.] 2012, 1119; Wächter, NJW 1966, 1366; [X.], [X.] 1966, 267, 272; a.[X.], [X.] 2010, 1, 9: Glaubhaftmachung der Rechtshängigkeit des [X.] erforderlich; [X.], NJW 1966, 1030 und [X.], NJW 1960, 1109: Glaubhaftmachung der Rechtshängigkeit des [X.] und der Gefährdung des Anspruchs erforderlich).

8

3. Die zweite Meinung ist zutreffend. Bei fehlender Bewilligung kann die Eintragung eines [X.]s in entsprechender Anwendung von § 899 Abs. 2 [X.] (i.V.m. §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO) nur im Wege der einstweiligen Verfügung erzwungen werden.

9

a) Eine Eintragung in das Grundbuch erfordert die Eintragungsbewilligung des Betroffenen. Diese kann durch den Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchs durch öffentliche Urkunde oder durch eine einstweilige Verfügung ersetzt werden. Die Rechtshängigkeit eines dinglichen Anspruchs, der eine im Grundbuch verzeichnete Rechtsposition betrifft, führt nicht zur Unrichtigkeit des Grundbuchs. Daher genügt für die Eintragung eines [X.]s allein der Nachweis der Rechtshängigkeit nicht. Vielmehr muss angesichts der inhaltlichen Nähe von [X.] und Widerspruch (§ 899 Abs. 1 [X.]) die vom Gesetzgeber in § 899 [X.] für die Eintragung eines Widerspruchs getroffene Wertung auch für den [X.] gelten. Nur die einstweilige Verfügung ist daher geeignet, die Eintragungsbewilligung zu ersetzen. Eine solche ist von dem Prozessgericht zu erlassen, wenn das Bestehen des rechtshängigen Anspruchs glaubhaft gemacht worden ist; einer Glaubhaftmachung der Gefährdung der Rechte des Klägers bedarf es dagegen nicht (vgl. § 899 Abs. 2 Satz 1 [X.]).

aa) Widerspruch und [X.] haben ähnliche rechtliche Wirkungen. Nach § 265 Abs. 1 ZPO schließt ein über ein Recht an einem Grundstück anhängiger Rechtsstreit nicht das Recht der [X.] aus, das Grundstück zu veräußern. Allerdings wirkt ein Urteil gemäß § 325 Abs. 1 und 2 ZPO gegen einen [X.], der nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger geworden ist, sofern er die Rechtshängigkeit gekannt hat. Durch die Eintragung der Rechtshängigkeit sichert sich die klagende [X.] also die Rechtskrafterstreckung gegenüber dem Rechtsnachfolger des Buchberechtigten. Damit kommt dem [X.] eine ähnliche Wirkung wie dem Widerspruch zu, mit dessen Eintragung sich die klagende [X.] gegen einen Verlust und gegen eine Beeinträchtigung ihrer materiellen Rechtsstellung sichert (vgl. [X.], [X.] 1966, 268, 273; [X.]/[X.], 4. Aufl., § 325 Rn. 99).

bb) Widerspruch und [X.] haben für den verklagten Buchberechtigten auch faktisch dieselben Auswirkungen. Mit einem solchen Vermerk im Grundbuch wird in aller Regel weder die Veräußerung noch eine Belastung zur Sicherung einer Kreditaufnahme gelingen. Aus diesem Grunde ist bereits in den Motiven zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches eine Vorschrift, die auf den bloßen Antrag hin die Eintragung der Rechtshängigkeit zuließe, als „höchst gefährlich“ bezeichnet worden, „weil sie den Beklagten bei offenbarem Ungrunde der Klage den mit der Rechtshängigkeitseintragung verbundenen Nachtheilen preisgeben, nicht selten kreditlos machen und dadurch dem Ruine entgegenführen könnte“ ([X.], [X.]; vgl. aber auch Prot. [X.] 107).

b) Der Umstand, dass es Situationen gibt, in denen die Glaubhaftmachung des [X.] nicht gelingt und daher eine einstweilige Verfügung nicht ergeht, rechtfertigt es nicht, für die Eintragung eines [X.]s geringere Voraussetzungen aufzustellen. Angesichts der gesetzlichen Wertung kann die Folge nur sein, dass in einem solchen Fall kein Sicherungsmittel eingetragen werden darf. Im Übrigen würde der gesetzlich geregelte Widerspruch bedeutungslos, wenn die Eintragung eines [X.]s nur an den Nachweis der Rechtshängigkeit gebunden wäre. Denn dann würde der Kläger dem [X.] regelmäßig den Vorzug vor der schwieriger zu bewirkenden Eintragung eines Widerspruchs geben (Wächter, NJW 1966, 1366, 1367).

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 1, 84 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 131 Abs. 4 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 KostO. Maßgebend ist das wirtschaftliche Interesse an der Sicherung des im Hauptsacheverfahren verfolgten Anspruchs auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung.

Stresemann                              [X.]                                Schmidt-Räntsch

                        Brückner                           Weinland

Meta

V ZB 83/12

07.03.2013

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Nürnberg, 26. März 2012, Az: 15 W 328/12, Beschluss

§ 899 Abs 2 BGB, § 325 Abs 2 ZPO, § 920 Abs 2 ZPO, § 936 ZPO, § 22 GBO, § 29 GBO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.03.2013, Az. V ZB 83/12 (REWIS RS 2013, 7601)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7601

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