Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 30.09.2013, Az. 1 BvR 3196/11

1. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2013, 2346

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Verbot des Angebots von Sportwetten im Internet sowie Werbeverbot für solche Angebote in Bayern (§§ 4 Abs 4, 5 Abs 3 GlüStVtr BY aF) - keine Verletzung der Berufsfreiheit des privaten Sportwettanbieters - Verfassungsbeschwerde mangels hinreichender Substantiierung überwiegend unzulässig


Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die auf das Gebiet des [X.] bezogene Untersagung des Veranstaltens von und der Werbung für öffentliches Glücksspiel über das [X.].

2

1. Der von den Bundesländern am 30. Januar 2007 geschlossene und vom [X.] zum 1. Januar 2008 in [X.] gesetzte Glücksspielstaatsvertrag ([X.]) regelte unter anderem ein staatliches Monopol für das Veranstalten von Sportwetten. Daneben enthielt § 4 Abs. 4 [X.] ein für alle Arten von Glücksspiel geltendes Verbot des Veranstaltens und [X.] öffentlicher Glücksspiele im [X.]. Nach § 5 Abs. 3 [X.] war Werbung für öffentliches Glücksspiel im [X.], im Fernsehen und über Telekommunikationsanlagen verboten. In dem am 15. Dezember 2011 von den Bundesländern geschlossenen und von [X.] am 1. Juli 2012 in [X.] gesetzten [X.] wurden § 4 Abs. 4 und § 5 Abs. 3 GlüStV im Wesentlichen unverändert übernommen.

3

2. Der Beschwerdeführer veranstaltete über das [X.] Sportwetten und machte dafür auch im [X.] Werbung. Er verfügt über eine Gewerbeerlaubnis des [X.] vom 11. April 1990 zur Eröffnung eines Wettbüros für Sportwetten nach dem Gewerbegesetz der ehemaligen [X.], die er im Verfahren über die Verfassungsbeschwerde nicht vorgelegt hat.

4

Mit Bescheid vom 27. März 2009 untersagte die Regierung von [X.] dem Beschwerdeführer, öffentliches Glücksspiel im Sinne von § 3 [X.] über das [X.] in [X.] zu veranstalten oder zu vermitteln. Für den Fall der Zuwiderhandlung wurde ein Zwangsgeld festgesetzt, außerdem wurden dem Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens sowie eine Gebühr für den Bescheid auferlegt. Als Rechtsgrundlage für die Untersagung wurden die Vorschriften über die Glücksspielaufsicht in § 9 Abs. 1 Satz 2 [X.] herangezogen, das Verbot der Glücksspielveranstaltung über das [X.] wurde auf § 4 Abs. 4 [X.] gestützt. Mit weiterem Bescheid vom 6. April 2009 untersagte die Regierung von [X.] dem Beschwerdeführer außerdem, im [X.] für öffentliches Glücksspiel im Sinne von § 3 [X.] zu werben, soweit die Werbung vom Gebiet des [X.] aus abrufbar ist. Das Verbot könne inhaltlich auf § 5 Abs. 3 [X.] gestützt werden.

5

Die hiergegen erhobenen [X.] wies das Verwaltungsgericht zurück. Die von der Regierung herangezogenen Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrags seien für die ausgesprochenen Verbote einschlägig und ihrerseits mit Verfassungs- und Unionsrecht vereinbar. Ihrer Anwendung stehe auch nicht die Gewerbeerlaubnis nach dem Recht der [X.] entgegen, da mit dieser nur der Zugang zur Tätigkeit als Sportwettveranstalter auf dem Gebiet der damaligen [X.] geregelt worden sei. Die Bescheide hielten sich in der Verbandskompetenz der Regierung von [X.] und seien hinreichend bestimmt. Ihre Erfüllung sei dem Beschwerdeführer weder tatsächlich noch rechtlich unmöglich.

6

Das [X.] wies die hiergegen erhobene Revision zurück. Die [X.]verbote in § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 3 [X.] richteten sich gegen alle vom Glücksspielstaatsvertrag erfassten öffentlichen Glücksspiele, nicht nur gegen die Träger des staatlichen Glücksspielmonopols. Die Bescheide seien nicht wegen einer objektiven Unmöglichkeit der dem Beschwerdeführer auferlegten Pflichten nichtig. Sofern die Bescheide nur bundesweit erfüllbar seien, sei dies dem Beschwerdeführer auch nicht unzumutbar, da die Verbote der § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 3 [X.] ohnehin bundesweit gälten. Die Behörde habe auch die Grenzen des Ermessens eingehalten. Schließlich seien die [X.]verbote auch mit [X.] Verfassungsrecht vereinbar. Sie verstießen nicht gegen Art. 12 Abs. 1 [X.], da sie zur Bekämpfung der Wettsucht und zu einem effektiven Jugendschutz geeignet, erforderlich und verhältnismäßig seien. Die Verbote stünden außerdem mit [X.] Unionsrecht in Einklang. Sie verfolgten unionsrechtlich legitime Gemeinwohlziele in systematischer und kohärenter Weise. Die Verbote seien widerspruchsfrei und es stehe außer Zweifel, dass sie auf die Verwirklichung der verfolgten Ziele ausgerichtet seien und nicht in Wahrheit fiskalischen Interessen der Länder dienten. Die Erreichbarkeit der Ziele werde auch nicht durch Regelungen und deren tatsächliche Handhabung in anderen Bereichen des Glücksspiels konterkariert. Eine Vorlage an den [X.] sei insofern nicht geboten. Der Beschwerdeführer könne sich auch nicht auf die ihm erteilte Gewerbeerlaubnis nach dem Gewerberecht der ehemaligen [X.] berufen. Diese sei räumlich nach Wirksamwerden des Beitritts zur [X.] auf das Beitrittsgebiet beschränkt. Art. 19 des [X.] ([X.]) führe nicht zu einer Erstreckung ihres Geltungsbereichs auf das gesamte [X.]. Darin liege der Unterschied zu statusbegründenden Verwaltungsakten, die schon ihrer Natur nach bundesweite Geltung beanspruchten. Im Übrigen regle die Gewerbeerlaubnis nur die Zulassung des Gewerbes, nicht aber die Art und Weise seiner Ausübung.

7

Die gegen das Urteil erhobene Anhörungsrüge wies das [X.] zurück.

8

3. Der Beschwerdeführer macht Verstöße gegen seine Grundrechte aus Art. 3, 12, 14 und 19 Abs. 4 [X.], teilweise in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 [X.], sowie gegen seine grundrechtsgleichen Rechte aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und aus Art. 103 Abs. 1 [X.] geltend.

9

a) Die Anwendung der [X.]verbote gemäß § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 3 [X.] auf privat veranstaltete Sportwetten verstoße gegen Art. 12 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als Bestimmtheitsgebot, als Gebot des Vertrauensschutzes und als Verbot unzulässiger Rechtsfortbildung. Das Bestimmtheitsgebot sei verletzt, weil private Sportwettanbieter nicht davon hätten ausgehen können, dass die [X.]verbote im Glücksspielstaatsvertrag auch auf sie Anwendung finden sollten. Der Glücksspielstaatsvertrag sei von den Ländern in Reaktion auf das Sportwetturteil des [X.] ([X.] 115, 276) geschlossen worden, um das staatliche Sportwettmonopol in einer Weise auszugestalten, die den darin liegenden Eingriff in die Berufswahlfreiheit der privaten Wettanbieter rechtfertigen könne. Die Vorschriften beträfen deshalb nur die im Rahmen des Monopols tätigen Wettanbieter und -vermittler. Sie könnten jedoch nicht zu Lasten privater Anbieter interpretiert werden.

Ein Verstoß gegen das Vertrauensschutzprinzip liege darin, dass der Glücksspielstaatsvertrag keine Übergangsregelung für die Betätigung der privaten Wettanbieter enthalte. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die insofern grundrechtlich notwendige Abwägung mit dem Vertrauensschutz des Beschwerdeführers und anderer Betroffener vorgenommen habe.

Die Auslegung überschreite auch die Grenzen vertretbarer Auslegung und zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung. Das klar erkennbare Regelungsziel schließe eine Anwendung der gesetzlichen Vorgaben auf private Wettanbieter aus. Das [X.] begebe sich so aus der Rolle des [X.] in die einer normsetzenden Instanz. Daran ändere der vermeintlich klare Wortlaut der Regelungen nichts, da auch klare Wortlaute immer auslegungsfähig und auslegungsbedürftig seien.

Gleichzeitig liege insofern eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor, da das Gericht die Stellungnahme des Beschwerdeführers zu drei Urteilen des gleichen [X.]s vom 24. November 2010 (BVerwGE 138, 201; Urteil vom 24. November 2010 - 8 C 13.09 -, NVwZ 2011, [X.]; Urteil vom 24. November 2010 - 8 C 15.09 -, juris), in denen die Unanwendbarkeit der [X.]verbote auf private Wettanbieter bestätigt worden sei, nicht berücksichtigt habe, sowie eine Verletzung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz, da dem Beschwerdeführer der Zugang zu einem fachgerichtlichen Rechtsbehelf versperrt worden sei.

b) Ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit dem Bestimmtheitsgebot liege in der Anwendung der [X.]verbote auf Inhaber gewerberechtlicher Sportwetterlaubnisse. Die Anordnung der bundesweiten Fortgeltung von Verwaltungsakten der Behörden der [X.] in Art. 19 [X.] mache eine Prüfung der gerichtlichen Auslegung am Maßstab von Art. 14 Abs. 1 [X.] erforderlich, der dem Beschwerdeführer insofern Bestandsschutz vermittle. Für den Beschwerdeführer sei nicht erkennbar gewesen, dass der Glücksspielstaatsvertrag Regelungen treffe, die ihm seine geschützte Rechtsstellung entzögen oder diese modifizierten.

Ein verfassungswidriger Eingriff in Art. 14 Abs. 1 [X.] liege auch deshalb vor, weil keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass der Gesetzgeber die erforderliche Abwägung unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes vorgenommen habe, und da keine Übergangsregelung für private Wettanbieter vorgesehen sei.

Ebenso verstoße die Anwendung der [X.]verbote auf Inhaber von [X.] der ehemaligen [X.] gegen Art. 14 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit Art. 31 und 70 ff. [X.]. Die konkrete Auslegung der [X.]verbote betreffe denselben Regelungsgegenstand wie die bundesgesetzliche Regelung in Art. 19 [X.], was wegen des Vorrangs des Bundesrechts verfassungswidrig sei. Auch insofern macht der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 [X.] geltend, da das [X.] seinen diesbezüglichen Revisionsvortrag nicht zur Kenntnis genommen und erwogen habe.

c) In der Verkürzung des räumlichen Geltungsbereichs der Gewerbeerlaubnis auf das Beitrittsgebiet sieht der Beschwerdeführer zunächst eine Verletzung des Rechts auf [X.]. Der [X.] hätte den Fall gemäß § 11 Abs. 2 VwGO dem [X.] vorlegen müssen, da er in dieser Rechtsfrage von dem Grundsatzurteil des 7. [X.]s des [X.]s vom 15. Oktober 1997 (BVerwGE 105, 255) abgewichen sei. Dies habe er willkürlich unterlassen. Insofern liege auch eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 [X.] und Art. 14 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip vor, da sich das Gericht über die gesetzgeberische Entscheidung der Fortgeltung von Verwaltungsakten der [X.] im gesamten [X.] hinwegsetze. Gleichzeitig sei ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 [X.] in seiner Ausprägung als Willkürverbot gegeben, da die Auslegung des Gerichts in unvertretbarer Weise sportwettrechtlich die Teilung [X.] fortschreibe und damit die Ziele des [X.] konterkariere. Hierin liege darüber hinaus ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 [X.].

d) Die territorial auf [X.] beschränkte Verpflichtung zur Unterlassung von [X.]vertrieb und -werbung verstoße ebenfalls gegen Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, da von einem Bürger etwas verlangt werde, wozu er nicht in der Lage sei, und dieser dann den Beweis antreten müsse, dass es keine Umsetzungsmöglichkeit gebe. Dies verstoße auch gegen das bundesstaatliche Gebietskonzept. Zudem sei es willkürlich gemäß Art. 3 Abs. 1 [X.], ein territorial auf [X.] begrenztes [X.]verbot, das mangels Erfüllbarkeit rechtswidrig sei, mit der Begründung aufrechtzuerhalten, dass der Adressat ein territorial unbeschränktes [X.]verbot erfüllen könne.

e) Darüber hinaus macht der Beschwerdeführer weitere Verletzungen seines Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend.

f) Zuletzt macht der Beschwerdeführer geltend, das [X.] habe in mehrfacher Hinsicht sein Recht auf [X.] nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 [X.] verletzt, indem es bei unionsrechtlichen Fragen von einer Vorlage an den [X.] gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV abgesehen habe. Das [X.] habe durch die Anwendung der [X.]verbote auf private Wettanbieter willkürlich die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Rechtsklarheit mitgliedstaatlicher Regelungen missachtet, obwohl der Beschwerdeführer eine entsprechende Vorlagefrage formuliert habe.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerf[X.] sind nicht erfüllt. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, da die im vorliegenden Fall maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen in der Rechtsprechung des [X.] geklärt sind. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt, denn die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg. Sie ist zum größten Teil unzulässig; im Übrigen verletzen die angegriffenen Entscheidungen und Bescheide den Beschwerdeführer nicht in seinen Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten.

1. Der Beschwerdeführer ist durch die angegriffenen Bescheide und gerichtlichen Entscheidungen nicht in seiner Berufsfreiheit verletzt.

a) Ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 [X.] unmittelbar durch die gesetzliche Regelung in § 4 Abs. 4 und § 5 Abs. 3 [X.] wird vom Beschwerdeführer in seiner Verfassungsbeschwerde nicht geltend gemacht. Insofern wurde vom [X.] bereits festgestellt, dass die Verbote der Veranstaltung von und der Werbung für Glücksspiel im [X.] mit der Berufsfreiheit vereinbar sind ([X.], 328). Der [X.] sah darin keinen Verstoß gegen die [X.] ([X.], Urteil vom 27. November 2012 - 21252/09 -, [X.], 274).

b) Die Auslegung und Anwendung von § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 3 [X.] in den angegriffenen Entscheidungen ist mit Art. 12 Abs. 1 [X.] vereinbar.

Der Beschwerdeführer kann keinen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 [X.] in seiner Ausprägung als Bestimmtheitsgebot, als Vertrauensschutzgebot und als Verbot unzulässiger richterlicher Rechtsfortbildung durch die Anwendung der genannten Vorschriften auf private Sportwettanbieter geltend machen. Auch die Rüge einer Verletzung in Art. 12 Abs. 1 [X.] durch die Anordnung und Durchsetzung der territorial auf [X.] beschränkten Verpflichtung zur Unterlassung von [X.]vertrieb und [X.]werbung bleibt ohne Erfolg.

aa) [X.] eines Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit dem aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleiteten Bestimmtheitsgebot ist unzulässig, da das Vorbringen des Beschwerdeführers einen solchen Verstoß unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründen kann. Das Gebot soll sicherstellen, dass der betroffene Bürger sich anhand des Gesetzes auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen kann, dass die gesetzesausführende Verwaltung für ihr Verhalten steuernde und begrenzende [X.] vorfindet und dass die Gerichte die [X.] durchführen können (vgl. [X.] 110, 33 <52 ff.>; 113, 348 <375 ff.>). Der Beschwerdeführer trägt jedoch nicht vor, dass die betreffenden Normen der § 4 Abs. 4 und § 5 Abs. 3 [X.] für sich genommen diesen Anforderungen nicht genügten, sondern rügt, dass die Auslegung der Normen durch das [X.] als [X.]verbote auch für private Wettanbieter für ihn und andere Normadressaten nicht vorhersehbar gewesen sei. Damit macht er bei verständiger Würdigung seines Vorbringens nicht einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot geltend, sondern vielmehr einen Verstoß gegen die verfassungsrechtlichen Grenzen vertretbarer Auslegung und zulässiger Rechtsfortbildung.

bb) [X.] einer Verletzung von Art. 12 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes wegen des Fehlens einer Übergangsregelung für private Wettanbieter ist ebenso unzulässig, da sie nicht den Begründungserfordernissen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerf[X.] genügt. Eine Verletzung des Beschwerdeführers in eigenen Rechten kommt nur in Betracht, wenn die angegriffenen Bescheide auf dem Fehlen einer Übergangsregelung beruhen. Der Beschwerdeführer legt aber nicht dar, inwieweit er im Zeitpunkt des Erlasses der angegriffenen Bescheide überhaupt noch Vertrauensschutz genoss (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 30. November 2010 - 1 BvL 3/07 -, juris, Rn. 59).

cc) Das Urteil des [X.]s überschreitet auch nicht die aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Grenzen vertretbarer Auslegung und zulässiger Rechtsfortbildung. Ein Gericht greift dann unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein, wenn eine Interpretation den klaren Wortlaut des [X.], keinen Widerhall im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder stillschweigend gebilligt wird (vgl. [X.] 128, 193 <209 ff.> m.w.N.). Eine Rechtsfortbildung liegt hier bereits deshalb nicht vor, weil die Auslegung von § 4 Abs. 4 und § 5 Abs. 3 [X.] als Verbote des Veranstaltens von und der Werbung für Glücksspiele im [X.] vom Wortlaut der Vorschriften eindeutig erfasst ist.

Die Auslegung des [X.]s überschreitet aber auch ansonsten nicht die Grenzen vertretbarer Auslegung. Eine Beschränkung der Geltung dieser Verbote auf Wettanbieter im Bereich des staatlichen Glücksspielmonopols ergibt sich weder aus der Systematik des Glücksspielstaatsvertrags noch aus Sinn und Zweck der Regelung. § 4 Abs. 4 und § 5 Abs. 3 [X.] befinden sich im [X.] Abschnitt des Glücksspielstaatsvertrags, der allgemeine, für alle Formen des Glücksspiels geltende Vorschriften enthält, und nicht im Zweiten Abschnitt über die staatlichen Aufgaben im Glücksspielbereich. Auch die Entstehungsgeschichte der Vorschriften steht der Auslegung des [X.]s nicht entgegen.

Eine effektive Verfolgung der in § 1 [X.] formulierten Ziele erfordert, dass auch private Anbieter den für die Ausübung des [X.] gesetzten Grenzen unterworfen sind. Im Gegenteil würden sich die Länder mit der Herausnahme der privaten Glücksspielveranstalter aus den Anforderungen an Vertrieb von und Werbung für Glücksspiel der Gefahr des unions- und verfassungsrechtlichen Vorwurfs einer inkohärenten Verfolgung der in § 1 [X.] formulierten Ziele aussetzen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entstehungsgeschichte des Glücksspielstaatsvertrags. Soweit die Länder sich entschlossen, die Aufhebung der [X.] nach dem Recht der ehemaligen [X.] aus dem Staatsvertrag herauszunehmen, diente dies dem Zweck, das Risiko einer darauf begründeten Anfechtung des Staatsvertrags durch die [X.] zu vermeiden.

dd) [X.] einer Verletzung von Art. 12 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit dem [X.] durch die gerichtliche Anordnung der territorial auf [X.] beschränkten Unterlassungsverpflichtung ist unsubstantiiert und damit nicht zulässig erhoben. Der Beschwerdeführer setzt sich insofern nicht mit den hierfür relevanten Ausführungen des [X.]s zur Möglichkeit und Zumutbarkeit der Befolgung der territorial beschränkten Unterlassungspflichten auseinander.

ee) Auch die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit dem bundesstaatlichen Gebietskonzept durch die gerichtliche Erwägung, dass die nominell auf [X.] beschränkten [X.] jedenfalls bundesweit befolgt werden könnten, genügt nicht den Begründungsanforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerf[X.]. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, inwieweit ihn der behauptete Eingriff in die Zuständigkeiten anderer Bundesländer durch eine faktisch bundesweite Unterlassungsanordnung in seinen Rechten verletzt.

2. Der Beschwerdeführer kann sich auch nicht mit Erfolg auf eine Verletzung in seiner Eigentumsfreiheit gemäß Art. 14 Abs. 1 [X.] durch die angegriffenen Entscheidungen berufen. [X.], die Anwendung von § 4 Abs. 4 und § 5 Abs. 3 [X.] auf den Beschwerdeführer als Inhaber einer gewerberechtlichen Sportwetterlaubnis der ehemaligen [X.] verstoße gegen Art. 14 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit dem Bestimmtheitsgebot und mit den Regeln über die Gesetzgebungszuständigkeiten in Art. 70 ff. und 31 [X.], ist mangels einer den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerf[X.] genügenden Begründung unzulässig. Wird geltend gemacht, dass durch die Anwendung einer gesetzlichen Vorschrift in das geschützte Eigentum in Form einer bestandskräftigen Gewerbeerlaubnis eingegriffen wird, muss im Rahmen einer substantiierten Begründung auch eine Kopie der betreffenden Erlaubnis vorgelegt werden. Denn nur so wird dem [X.] ermöglicht zu prüfen, wie weit die bestehende Rechtsposition des Beschwerdeführers aufgrund der Erlaubnis reicht. Der Beschwerdeführer hat jedoch weder eine Kopie der Erlaubnis vorgelegt noch deren Inhalt vollständig dargestellt. Aus dem Urteil des [X.]s ergibt sich, dass ihm lediglich eine örtlich gebundene Erlaubnis zur Eröffnung eines Wettbüros erteilt worden war.

3. Keine der auf eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gestützten [X.] des Beschwerdeführers hat Aussicht auf Erfolg. Art. 103 Abs. 1 [X.] gewährleistet dem Verfahrensbeteiligten das Recht, sich nicht nur zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt, sondern auch zur Rechtslage zu äußern (vgl. [X.] 60, 175 <210, 211 f.>; 64, 135 <143>; 65, 227 <234>; 86, 133 <144>). Die Gerichte sind jedoch nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen auseinanderzusetzen. Um einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 [X.] festzustellen, müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass das Vorbringen eines Beteiligten überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen wurde ([X.] 65, 293 <295>; 70, 288 <293>; 86, 133 <146>). Die Gerichte sind insbesondere nicht verpflichtet, der Rechtsansicht einer [X.] beziehungsweise eines Beteiligten zu folgen ([X.] 64, 1 <12>; 87, 1 <33>). Bei Anwendung dieser Maßstäbe sind die [X.] einer Verletzung von Art. 103 Abs. 1 [X.] zum überwiegenden Teil mangels einer substantiierten Begründung bereits unzulässig. Im Übrigen liegt jedenfalls keine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 [X.] vor.

a) Die Handhabung des Hinweises des Beschwerdeführers auf die Urteile des [X.]s vom 24. November 2010 (BVerwGE 138, 201; Urteil vom 24. November 2010 - 8 C 13.09 -, NVwZ 2011, [X.]; Urteil vom 24. November 2010 - 8 C 15.09 -, juris) begründet keinen Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör. Das [X.] hat sich in dem angegriffenen Urteil in der Sache mit der der Rüge zugrunde liegenden Rechtsfrage ausführlich auseinandergesetzt. Art. 103 Abs. 1 [X.] vermittelt dem Beschwerdeführer keinen darüber hinausgehenden Anspruch darauf, dass sich das Gericht mit von ihm zitierten Entscheidungen ausdrücklich befasst und sich zu einer von ihm behaupteten Inkonsistenz seiner Rechtsprechung verhält. Die Zurückweisung dieser Rüge durch das [X.] in dem angegriffenen Beschluss über die Anhörungsrüge verletzt den Beschwerdeführer auch nicht wie von ihm behauptet in seinem Recht auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 [X.], da ihm nicht der Zugang zu einem fachgerichtlichen Rechtsbehelf versperrt wurde.

b) Auch die Feststellung des [X.]s, mit den [X.]verboten würden keine fiskalischen Zwecke verfolgt, und die vom Beschwerdeführer behauptete fehlende Berücksichtigung seines entgegenstehenden Vortrags verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör. Art. 103 Abs. 1 [X.] begründet keinen Schutz dagegen, dass ein Gericht [X.]vorbringen aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt lässt (vgl. [X.] 70, 288 <294>; 82, 209 <235>; 84, 34 <58>).

Der Beschwerdeführer greift mit dieser Rüge - wie das [X.] in seinem Beschluss über die Anhörungsrüge zutreffend ausführt - letztlich einen aus seiner Sicht bestehenden Aufklärungsmangel an, weil das Gericht auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage entschieden habe. Gemäß § 137 Abs. 2 VwGO ist das [X.] an die im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in Bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsrügen vorgebracht sind. Das angegriffene Revisionsurteil kann nur dann auf dem gerügten Gehörsverstoß beruhen, wenn neuer Tatsachenvortrag berücksichtigt werden durfte, wenn also zulässige Revisionsrügen vorgebracht wurden. Eine entsprechende Revisionsrüge ist in der Revisionsbegründung jedoch nicht enthalten. Soweit sie dem späteren Schriftsatz vom 5. Mai 2011 zu entnehmen wäre, wäre sie aber jedenfalls nach Ablauf der zweimonatigen Frist zur Revisionsbegründung (§ 139 Abs. 3 Satz 1 VwGO) eingelegt und damit unzulässig (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. September 2000 - 2 C 5/99 -, juris, Rn. 42). Das [X.] hat den entsprechenden Vortrag deshalb zu Recht unberücksichtigt gelassen.

c) Die weiteren [X.] eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 [X.] genügen bereits nicht den Begründungsanforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerf[X.], da der Beschwerdeführer sich insofern nicht mit den entsprechenden Ausführungen im Urteil des [X.]s auseinandersetzt.

4. Die vom Beschwerdeführer gerügte unterlassene Vorlage der Rechtsfrage betreffend die Auslegung von Art. 19 [X.] an den [X.] des [X.]s verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinem Recht auf [X.]. Das [X.] handelte insofern nicht willkürlich (vgl. [X.] 13, 132 <143>; 19, 38 <42 f.>; 101, 331 <359 f.>). Vielmehr setzte es sich in dem angegriffenen Urteil ausdrücklich mit dem Urteil des 7. [X.]s vom 15. Oktober 1997 (BVerwGE 105, 255) auseinander und führte in vertretbarer Weise aus, dass dieses einen statusbegründenden Verwaltungsakt betraf und die dortigen Ausführungen zur Geltungserstreckung auf das gesamte [X.] nicht auf den ihm vorliegenden Fall einer Gewerbeerlaubnis übertragen werden konnten. Insofern konnte sich der [X.] auch auf die Begründung im Urteil des 6. [X.]s des [X.]s vom 21. Juni 2006 (BVerwGE 126, 149 <162 ff.>) berufen.

5. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten [X.] wegen Verstößen gegen das Recht auf [X.] durch Nichtvorlage an den [X.] gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV sind unsubstantiiert und genügen damit nicht den Begründungsanforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerf[X.]. Eine mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht vereinbare unhaltbare Auslegung und Anwendung der Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist in den Fallgruppen der grundsätzlichen Verkennung der Vorlagepflicht, des bewussten Abweichens von der Rechtsprechung des Gerichtshofs ohne Vorlagebereitschaft und der unvertretbaren Überschreitung des Beurteilungsrahmens in Fällen der Unvollständigkeit der Rechtsprechung des Gerichtshofs gegeben (vgl. [X.] 126, 286 <316 f.>; 129, 78 <106 f.>).

Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist hinsichtlich keiner seiner [X.] geeignet, das Vorliegen der Voraussetzungen einer dieser Fallgruppen zu belegen. Insbesondere trägt der Beschwerdeführer bei keiner der [X.] eine Unvollständigkeit der Rechtsprechung vor, hinsichtlich derer das [X.] sich hätte kundig machen müssen. Vielmehr behauptet er nur, das Urteil sei mit der bestehenden Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht vereinbar.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerf[X.] abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 3196/11

30.09.2013

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 2. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend BVerwG, 24. November 2011, Az: 8 C 13/11, Beschluss

Art 12 Abs 1 GG, Art 14 Abs 1 GG, Art 103 Abs 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 4 Abs 4 GlüStVtr BY, § 5 Abs 3 GlüStVtr BY, § 4 Abs 4 GlüStVtr BY 2012, § 5 Abs 3 GlüStVtr BY 2012

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 30.09.2013, Az. 1 BvR 3196/11 (REWIS RS 2013, 2346)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2346


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 8 C 13/11, 8 C 13/11 (8 C 5/10)

Bundesverwaltungsgericht, 8 C 13/11, 8 C 13/11 (8 C 5/10), 24.11.2011.


Az. 1 BvR 3196/11

Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 3196/11, 30.09.2013.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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