Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.06.2006, Az. II ZB 25/05

II. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 3083

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[X.] vom 19. Juni 2006 in der Rechtsbeschwerdesache Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO §§ 233 B, 139 Abs. 2 Satz 1; GG Art. 103 Abs. 1 Unterlässt es das Gericht entgegen § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO, Art. 103 Abs. 1 GG, die um Wiedereinsetzung nachsuchende [X.] auf den für seine Ent-scheidung ausschließlich maßgebenden, von den [X.]en ersichtlich für uner-heblich erachteten Gesichtspunkt hinzuweisen, ist der in der Beschwerde nach-geholte Vortrag zu berücksichtigen. [X.], [X.]uss vom 19. Juni 2006 - [X.] - [X.]

[X.] - 2 - [X.] [X.] hat am 19. Juni 2006 durch [X.] und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der [X.]uss des 3. Zivilsenats des [X.] vom 2. November 2005 aufgehoben. Der Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen. [X.]: 3.526,08 • Gründe: [X.] Das [X.] hat die Beklagte durch Teilurteil vom 4. August 2005 verurteilt, den Klägern Auskunft über ihre Beteiligung an der Beklagten durch Vorlage einer Auseinandersetzungsbilanz zum 29. September 2000 zu erteilen. Gegen die ihr am 5. September 2005 zugestellte Entscheidung hat die Beklagte am 6. Oktober 2005 Berufung eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung in den 1 - 3 - vorigen Stand gegen die Versäumung der am 5. Oktober abgelaufenen Beru-fungsfrist beantragt. 2 Zur Begründung des [X.] hat die Beklagte vorge-tragen: 3 In der Kanzlei ihrer mit der Durchführung des Berufungsverfahrens be-auftragten Prozessbevollmächtigten bestehe für die Bearbeitung [X.] Schriftsätze die Anweisung, Fristen nebst zweiwöchiger Vorfrist in den [X.] einzutragen, sie danach auf der ersten Seite des betreffenden Schriftstücks zu notieren und ihre Eintragung im Fristenbuch durch Anbringung eines mit dem [X.] versehenen Vermerks zu bestätigen. Nach Ein-gang der Unterlagen in der Kanzlei ihrer zweitinstanzlichen Prozessbevollmäch-tigten am 15. September 2005 habe die für die Fristennotierung zuständige, zuverlässig arbeitende [X.], die über eine mehr-jährige Berufserfahrung verfüge, die Fristen für Berufung und Berufungsbe-gründung berechnet, auf dem Urteil beide Fristen mit [X.] vermerkt und - entgegen der in der Kanzlei für die Bearbeitung fristgebundener Schriftsätze bestehenden Anweisung - als notiert gekennzeichnet, obwohl sie aus unerklär-lichen Gründen die Berufungseinlegungsfrist mit Vorfrist im [X.] nicht eingetragen habe. Ihr Prozessbevollmächtigter, dem der Vorgang an-schließend vorgelegt worden sei, habe nicht damit rechnen müssen, dass ihm die Handakte trotz der bestätigten Fristennotierung zur Vorfrist und zum Ablauf der Berufungsfrist nicht vorgelegt würde. I[X.] 1. Mit dem angefochtenen [X.]uss hat das [X.] den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. 4 - 4 - Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt: 5 6 Die Beklagte habe nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass sie ohne Verschulden an der Einhaltung der Berufungsfrist verhindert gewesen sei. Ihr Vorbringen lasse nicht erkennen, dass ihre Prozessbevollmächtigten wegen der unterlassenen Notierung der Berufungsfrist im [X.] nicht in der Lage gewesen seien, die Berufung rechtzeitig einzulegen. Ihrem Wiedereinsetzungs-gesuch sei nicht zu entnehmen, wann die Akten ihren Prozessbevollmächtigten vorgelegt worden seien. Es könne jedoch angenommen werden, dass die am 30. September 2005 an ihre Prozessbevollmächtigten versandten Akten dem sachbearbeitenden Anwalt am 4. oder 5. Oktober 2005 vorgelegen hätten. Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts wendet sich die [X.] mit ihrer Rechtsbeschwerde. 7 2. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO. Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil die Siche-rung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). 8 Der angefochtene [X.]uss verletzt in entscheidungserheblicher Weise den verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch der Beklagten auf Gewäh-rung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Unter Verstoß gegen § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO hat das Berufungsgericht seine Entscheidung - ohne die Beklagte vorher darauf hinzuweisen und ihr Gelegenheit zur Äußerung zu ge-ben - ausschließlich auf einen Gesichtspunkt gestützt, dem die Beklagte - wie aus der Begründung ihres [X.] ersichtlich - keine Bedeu-tung beigemessen hatte und den auch die Kläger nicht aufgegriffen hatten. Zwar hat die [X.] im Wiedereinsetzungsantrag das fehlende Verschulden [X.] - 5 - zulegen und glaubhaft zu machen, § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Aus Sicht der [X.]n bestand jedoch kein Anlass, in ihrem Wiedereinsetzungsgesuch den - erst nach Ablauf der Berufungsfrist liegenden - Zeitpunkt vorzutragen, zu dem ihren zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten die Gerichtsakten erstmals zur Einsichtnahme vorlagen. Wenn das Berufungsgericht auf diesen - von den [X.]en nicht beachteten - Gesichtspunkt maßgebend abstellen wollte, hätte es den genauen Zeitpunkt aufklären müssen und seine Entscheidung nicht auf Mutmaßungen stützen dürfen ([X.], [X.]. v. 13. Januar 2000 - [X.], [X.], 1872). 3. Der Beklagten ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewäh-ren; denn die Fristversäumung beruht nicht auf einem - ihr nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden - Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten. 10 Der Anwalt, dem nach Eingang der [X.] die Handakten vorgelegt wurden mit der Bestätigung, dass die dort notierten Fristen in den [X.] eingetragen sind, darf sich darauf verlassen, dass ihm die Handakten spätestens am Tag des Ablaufs der Berufungsfrist wieder vorgelegt werden (vgl. [X.], [X.]. v. 12. August 1997 - [X.], NJW 1997, 3243 zur Begründungsfrist; v. 22. März 1995 - [X.], NJW 1995, 1682). Er hat nach der gefestigten Rechtsprechung des [X.] den Fristenlauf nicht bei jeder Vorlage der Handakten, sondern nur, aber auch immer dann eigenverantwortlich zu überprüfen, wenn ihm die Handakten im Zusammen-hang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt werden, wenn sie ihm selbst bis zum Fristablauf oder einem ihm nahen Zeitpunkt vorliegen ([X.], [X.]. v. 5. Februar 2003 - [X.], [X.], 1050, 1051 m.w.Nachw.). Nach der vom [X.] bestätigten Rechtspre-chung des [X.] ist ein Anwalt allerdings bei Übernahme eines 11 - 6 - neuen Mandats verpflichtet, die Gerichtsakten unverzüglich in eigener Verant-wortung auf die laufenden Fristen zu überprüfen ([X.], [X.]. v. 17. Juni 1999 - 2 BvR 30/99, [X.], 1633 f.; [X.], [X.]. v. 27. Februar 1997 - [X.], NJW 1997, 1708, 1709; [X.]. v. 22. November 2000 - [X.], [X.], 1143). 12 Das Berufungsgericht ist jedoch zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Gerichtsakten den zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklag-ten noch vor Ablauf der Berufungsfrist erstmals zur Einsichtnahme vorgelegen haben und der sachbearbeitende Rechtsanwalt deshalb entsprechend diesen Grundsätzen zur Prüfung der Fristen verpflichtet und in der Lage war. Dies war nach dem in der Rechtsbeschwerde ergänzten und glaubhaften Vortrag der Beklagten nicht der Fall. Denn aus dem Eingangsstempel auf der - mit der [X.] in Kopie vorgelegten - Mitteilung des [X.]s Schweinfurt an die Prozessbevollmächtigten der Beklagten ist ersichtlich, dass die vom [X.] Schweinfurt übersandten Gerichtsakten erst am 5. Oktober 2005 beim [X.] eingetroffen sind; von dort mussten sie noch an das [X.] Chemnitz - zum Fach der Prozessbevollmächtigten der [X.]n - weitergeleitet werden. Der nachgeholte Vortrag ist zu berücksichtigen. Erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, können noch nach Ablauf der Antragsfrist mit der Beschwerde ergänzt werden ([X.], [X.]. v. 27. Februar 1997 aaO; v. 6. Mai 1999 - [X.], NJW 1999, 2284; v. 13. Januar 2000 aaO). Dies ist zur Wahrung des rechtlichen Gehörs umso mehr geboten, wenn es das Berufungsgericht - wie hier - entgegen § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO unterlassen hat, die um Wieder-einsetzung nachsuchende [X.] auf den für seine Entscheidung ausschließlich 13 - 7 - maßgebenden, von dieser jedoch erkennbar übersehenen Gesichtspunkt hin-zuweisen und ihr Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Goette [X.] Strohn [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 04.08.2005 - 24 O 653/02 - [X.], Entscheidung vom 02.11.2005 - 3 U 280/05 -

Meta

II ZB 25/05

19.06.2006

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.06.2006, Az. II ZB 25/05 (REWIS RS 2006, 3083)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 3083

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