Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19.11.2013, Az. 10 C 26/12

10. Senat | REWIS RS 2013, 1047

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Gegenstand

Ausschluss von der Flüchtlingsanerkennung nach § 3 Abs. 2 AsylVfG 1992; Beteiligung in sonstiger Weise


Leitsatz

1. Ein Ausschluss von der Flüchtlingsanerkennung nach § 3 Abs. 2 AsylVfG (juris: AsylVfG 1992) wegen Beteiligung des Ausländers an bestimmten Straftaten oder Handlungen kann auch auf der Grundlage des abgesenkten Beweismaßes in § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG nur angenommen werden, wenn für die erforderliche Haupttat an einzelne Vorfälle angeknüpft wird.

2. Gewichtige ideologische und propagandistische Aktivitäten zugunsten einer terroristischen Organisation kommen als Beteiligung an Zuwiderhandlungen gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Satz 2 AsylVfG auch dann in Betracht, wenn der Asylbewerber weder eine tatsächliche Einflussmöglichkeit auf die Begehung von Terrorakten hatte noch solche Taten öffentlich gebilligt oder dazu aufgerufen hat.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein [X.] Staatsangehöriger [X.] Volkszugehörigkeit, begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

2

Der 1979 geborene Kläger reiste im Juni 2005 in das [X.] ein und stellte einen Asylantrag. Zur Begründung gab er an, sich im Juni 1999 dem militanten Arm der [X.] angeschlossen zu haben. Er habe im iranisch-irakischen Grenzgebiet eine Kunst- und [X.] der [X.] geleitet und sei als Künstler aufgetreten. Die Konzerte seien von einem kurdischen Fernsehsender ausgestrahlt worden. Ab Ende 2003 habe er im Lager M. als [X.] der [X.] seine künstlerische Arbeit fortgesetzt und sei für Kultur zuständig gewesen (Musikunterricht, Gruppenleitung). Da er der Anordnung der [X.] im April 2005, zur Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes in [X.] zu ziehen, keine Folge geleistet habe, sei er nach [X.] geflohen.

3

Das [X.] - [X.] - hat den Asylantrag des [X.] mit Bescheid vom 16. September 2005 abgelehnt und festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 [X.] und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 [X.] nicht vorliegen. Dem Kläger wurde die Abschiebung in die [X.] angedroht. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zur Flüchtlingsanerkennung des [X.] verpflichtet und die Klage im Übrigen abgewiesen.

4

Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Entscheidung des [X.] geändert und die Beklagte verpflichtet, zugunsten des [X.] ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 [X.] festzustellen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 AsylVfG von der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausgeschlossen sei. Denn er habe sich jedenfalls zwischen 1999 und 2005 als Mitglied der [X.] und Angehöriger der "Volksbefreiungskräfte" in sonstiger Weise an Handlungen der [X.] beteiligt, die den Zielen und Grundsätzen der [X.] zuwiderliefen. Eine Beteiligung sei auch durch eine aktive, gewichtige ideologische oder propagandistische Unterstützung einer terroristischen Organisation möglich, da terroristische Gruppen wie die [X.] ihren Zusammenhalt und ihre Schlagkraft auf ein ideologisches Fundament und ein propagandistisch verbreitetes Ziel gründeten. Der Kläger sei als Leiter für kulturelle Aktivitäten in einer "Kultur- und Kunstschule" der [X.] sowie in dem von der [X.] beherrschten Lager M. innerhalb der Organisation aktiv und an herausgehobener Stelle für die Propaganda und die ideologische Schulung verantwortlich gewesen. Auch als nachgeordneter [X.] habe er im Rahmen ihm erteilter Anweisungen eigenverantwortlich eine größere Anzahl von Personen geführt und sei in der internationalen Medienöffentlichkeit für die [X.] in Erscheinung getreten. So sei er im kurdischen Fernsehen in zwei Propagandasendungen für die [X.] und ihre Kämpfer zu sehen, in denen unter seiner Mitwirkung u.a. der bewaffnete Kampf, das Leben in den [X.] sowie der kurdische Widerstand gefeiert und besungen werde. Mit Blick auf die ihm bei Rückkehr in die [X.] drohende Verfolgung wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der [X.] habe er aber Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2 [X.].

5

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision rügt der Kläger mangelnde tatsächliche Feststellungen des [X.] zu konkreten, den Zielen und Grundsätzen der [X.] zuwiderlaufenden Handlungen der [X.], an denen er sich angeblich beteiligt habe. Solle der Ausschluss von der Flüchtlingsanerkennung allein auf die ideologische Unterstützung des bewaffneten Kampfes der [X.] gestützt werden, müsse diese inhaltlich auf die Anwendung gewaltsamer Mittel gerichtet sein und in zeitlicher wie räumlich-organisatorischer Nähe zum gewaltsamen Kampf stehen. Der Kläger habe jedoch nie zu terroristischen Straftaten aufgerufen.

6

Nach Auffassung der Beklagten und des Vertreters des [X.] kann auch die propagandistische Unterstützung gewaltsamer Aktionen terroristischer Organisationen zum Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung führen. Allerdings hätte das Berufungsgericht aufklären müssen, welche konkreten Aktionen die [X.] in der [X.] unternommen habe, in der der Kläger ihrem militanten Arm angehört und in leitender Position Propaganda für sie betrieben habe.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des [X.] hat Erfolg, denn das [X.]erufungsurteil beruht auf der Verletzung von [X.]undesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das [X.]erufungsgericht hätte, nachdem es die Furcht des [X.] vor Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 [X.] für begründet erachtet (1.), die auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichtete Klage nicht wegen [X.]eteiligung des [X.] an Handlungen im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG abweisen dürfen, ohne Feststellungen zu den von der [X.] während der Mitgliedschaft des [X.] in der Organisation konkret begangenen terroristischen Taten zu treffen (2.). [X.] nicht zu beanstanden ist hingegen die Würdigung des [X.]erufungsgerichts, der Kläger habe sich - solche Handlungen der [X.] im [X.]raum seiner Mitgliedschaft zwischen Juni 1999 und Mai 2005 unterstellt - daran durch seine gewichtigen propagandistischen Aktivitäten für diese Organisation in sonstiger Weise beteiligt (3.). Daher kann der Senat in der Sache selbst nicht abschließend entscheiden, so dass die Sache mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur weiteren Aufklärung an das [X.]erufungsgericht zurückzuverweisen ist (4.).

8

Maßgeblich für die rechtliche [X.]eurteilung des nur noch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichteten klägerischen [X.]egehrens ist gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG das Asylverfahrensgesetz i.d.F. der [X.]ekanntmachung vom 2. September 2008 ([X.]), zuletzt geändert durch Art. 1 Nr. 27 und 45 i.V.m. Art. 7 Satz 2 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/[X.] vom 28. August 2013 ([X.]). Dadurch haben sich die entscheidungserheblichen Vorschriften jedoch nicht geändert.

9

1. Das Oberverwaltungsgericht hat die Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 [X.] in [X.] nicht zu beanstandender Weise bejaht. Insbesondere hat es seine Verfolgungsprognose auf der Grundlage aktueller Quellen gestellt und detailliert begründet (§ 108 Abs. 1 VwGO). Dabei hat es sich auch in (noch) nachvollziehbarer Weise mit der Aussage des [X.] (Lagebericht Februar 2011) auseinander gesetzt, wonach in den letzten Jahren keine Fälle bekannt geworden seien, in denen zurückkehrende Asylbewerber - selbst exponierte Mitglieder und führende Persönlichkeiten terroristischer Organisationen - wegen früherer Aktivitäten gefoltert oder misshandelt worden seien.

2. Nach Auffassung des [X.]erufungsgerichts ist der Kläger aber gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Satz 2 Halbs. 2 AsylVfG von der Flüchtlingsanerkennung ausgeschlossen. Die dafür angeführten Erwägungen halten einer [X.]en Prüfung jedoch nicht stand. Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Kläger jedenfalls zwischen 1999 und 2005 aktives Mitglied der [X.] war, es hat aber keine tatsächlichen Feststellungen zu terroristischen Aktivitäten der [X.] in diesem [X.]raum getroffen, an denen sich der Kläger in sonstiger Weise hätte beteiligen können.

Ein Ausländer ist gemäß § 3 Abs. 2 AsylVfG nicht Flüchtling, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er ein Verbrechen gegen den [X.], ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um [X.]estimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG), wenn er vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des [X.]undesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG), oder wenn er den Zielen und Grundsätzen der [X.] hat (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG). Dies gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben (§ 3 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG).

Ein Ausschluss von der Flüchtlingsanerkennung wegen [X.]eteiligung an Handlungen, die sich gegen die Ziele und Grundsätze der [X.] richten (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Satz 2 AsylVfG), setzt zunächst voraus, dass derartige Zuwiderhandlungen vorliegen. Die dafür maßgeblichen Ziele und Grundsätze sind in der Präambel und in den Art. 1 und 2 der Charta der [X.] dargelegt und u.a. in den Resolutionen des UN-Sicherheitsrats zu den [X.] verankert. Aus diesen folgt, "dass die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der [X.] stehen" und "dass die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der [X.] stehen" (vgl. Erwägungsgrund 22 zur Richtlinie 2004/83/[X.]). Wie sich aus den UN-Resolutionen 1373 (2001) und 1377 (2001) ergibt, geht der Sicherheitsrat der [X.] von dem Grundsatz aus, dass Handlungen des internationalen Terrorismus in einer allgemeinen Weise und unabhängig von der [X.]eteiligung eines Staates den Zielen und Grundsätzen der [X.] zuwiderlaufen. Daraus folgert der [X.], dass dieser Ausschlussgrund auch auf Personen Anwendung finden kann, die im Rahmen ihrer Zugehörigkeit zu einer in der Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 aufgeführten Organisation an terroristischen Handlungen beteiligt waren, die eine internationale Dimension aufweisen ([X.], Urteil vom 9. November 2010 - Rs. [X.]/09 und [X.]/09 - Slg 2010, [X.] Rn. 82 ff. = NVwZ 2011, 285). Danach können Zuwiderhandlungen im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG jedenfalls bei Aktivitäten des internationalen Terrorismus auch von Personen begangen werden, die keine Machtposition in einem Mitgliedstaat der [X.] oder zumindest in einer staatsähnlichen Organisation innehaben (Urteil vom 7. Juli 2011 - [X.]VerwG 10 C 26.10 - [X.]VerwGE 140, 114 = [X.] 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 40 jeweils Rn. 28).

Die Revision rügt zu Recht, dass das [X.]erufungsgericht für den [X.]raum der Mitgliedschaft des [X.] in der [X.] zwischen Juni 1999 und Mai 2005 keine tatsächlichen Feststellungen zu terroristischen Handlungen dieser Organisation getroffen hat. Denn auch auf der Grundlage des abgesenkten [X.]eweismaßes in § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG kann eine [X.]eteiligung an den in der Norm genannten Straftaten oder Handlungen nur angenommen werden, wenn für die erforderliche Haupttat an einzelne Vorfälle angeknüpft wird ([X.]eschluss vom 10. Oktober 2013 - [X.]VerwG 10 [X.] 19.13 - juris Rn. 5). Auch wenn die [X.]eteiligung des [X.] an Taten, die gegen die Ziele und Grundsätze der [X.] verstoßen, die Schwelle einer [X.]eteiligung im strafrechtlichen Sinne nicht überschreiten muss, so ist es doch erforderlich, dass es während seiner Tätigkeit für die [X.] zu konkreten derartigen Taten gekommen ist. Andernfalls fehlte es an einem Anknüpfungspunkt für eine Verantwortlichkeit des [X.], die die Grundlage für seinen Ausschluss vom Flüchtlingsschutz darstellt. Das [X.] muss deshalb konkret feststellen, ob schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass sich eine unterstützende Tätigkeit im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG während des [X.]raums, in dem sie geleistet worden ist, in Handlungen im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG niedergeschlagen hat. Entsprechende Feststellungen hat das [X.]erufungsgericht jedoch nicht getroffen, so dass die angefochtene Entscheidung [X.]undesrecht verletzt.

3. Die Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig oder unrichtig. Insbesondere kann der Senat in der Sache selbst nicht zugunsten des [X.] abschließend entscheiden. Denn die Würdigung der Vorinstanz, der Kläger habe sich - Handlungen der [X.] gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG in dem [X.]raum seiner Mitgliedschaft unterstellt - daran durch seine gewichtigen ideologischen und propagandistischen Aktivitäten für diese Organisation in sonstiger Weise beteiligt, ist [X.] aufgrund der von der Vorinstanz festgestellten Tatsachen nicht zu beanstanden.

Das [X.]erufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass allein die Zugehörigkeit zu einer in der sog. [X.]-Terrorliste aufgeführten Organisation wie der [X.] und die aktive Unterstützung ihres bewaffneten Kampfes nicht automatisch die Annahme der [X.]eteiligung an Handlungen im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG rechtfertigen. Es bedarf vielmehr der Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalles, ob dem Asylbewerber eine individuelle Verantwortung für die Verwirklichung dieser Handlungen zugerechnet werden kann, wobei dem in der Vorschrift verlangten [X.]eweisniveau Rechnung zu tragen ist (vgl. [X.], Urteil vom 9. November 2010 a.a.[X.] Rn. 99). Anders als bei der [X.]eteiligung an einer schweren nichtpolitischen Straftat gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Satz 2 AsylVfG, die eine Zurechnung nach strafrechtlichen Kriterien (Anstiftung oder [X.]eihilfe) verlangt (Urteil vom 4. September 2012 - [X.]VerwG 10 C 13.11 - [X.]VerwGE 144, 127 = [X.] 402.25 § 39 AsylVfG Nr. 1 jeweils Rn. 24), müssen sich Unterstützungshandlungen zugunsten einer terroristischen Organisation nicht spezifisch auf einzelne terroristische Aktionen beziehen, um von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Satz 2 AsylVfG erfasst werden zu können. Denn dieser Ausschlussgrund verlangt keine Zurechnung nach strafrechtlichen Kriterien, da er kein strafbares Handeln im Sinne einer [X.]eteiligung an bestimmten Delikten voraussetzt. Demzufolge können auch rein logistische Unterstützungshandlungen von hinreichendem Gewicht im Vorfeld den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Satz 2 AsylVfG erfüllen (Urteile vom 7. Juli 2011 a.a.[X.] jeweils Rn. 39 und vom 4. September 2012 a.a.[X.] jeweils Rn. 26). Gleiches gilt für gewichtige ideologische und propagandistische Aktivitäten zugunsten einer terroristischen Organisation (vgl. auch [X.], Urteil vom 9. März 2011 - 11 A 1439/07.A - [X.] [X.], 95 ; [X.], Urteil vom 1. September 2011 - 4 L[X.] 11/10, [X.] 2011, 262 ). Dagegen reicht etwa das bloße Sprühen von Parolen der Organisation oder das Verteilen von Flugblättern nicht aus. Denn das Gewicht des [X.] eines Gehilfen als "in sonstiger Weise [X.]eteiligtem" muss dem der [X.]eteiligung an einer schweren nichtpolitischen Straftat im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG entsprechen (Urteil vom 7. Juli 2011 a.a.[X.] jeweils Rn. 39).

Entgegen der Auffassung der Revision ist die Zurechnung bei der [X.]eteiligung an Zuwiderhandlungen gegen Ziele und Grundsätze der [X.] allerdings nicht auf Fälle beschränkt, in denen der Asylbewerber objektiv die Möglichkeit tatsächlicher Einflussnahme auf die [X.]egehung von Terrorakten hatte oder solche Taten öffentlich gebilligt oder dazu aufgerufen hat. Mangels Notwendigkeit eines spezifischen [X.]ezugs zwischen der Unterstützungshandlung und einem einzelnen Terrorakt bedarf es für eine [X.]eteiligung in sonstiger Weise gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Satz 2 AsylVfG weder einer räumlich-organisatorischen Nähe innerhalb der Organisation zur Ausführung terroristischer Taten noch deren Rechtfertigung in der Öffentlichkeit. Andernfalls [X.] reine Schreibtischtäter und Propagandisten Flüchtlingsschutz, obwohl ihr ideologisch-propagandistischer [X.]eitrag zu terroristischen Taten bei der gebotenen wertenden [X.]etrachtung mit [X.]lick auf den Normzweck des § 3 Abs. 2 AsylVfG, asylunwürdige Personen vom Status des "bona fide refugee" fernzuhalten (vgl. Urteil vom 24. November 2009 - [X.]VerwG 10 C 24.08 - [X.]VerwGE 135, 252 = [X.] 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 8 jeweils Rn. 25 ff.), keinesfalls minder gewichtig als der von unmittelbar Tatbeteiligten erscheint.

In Anwendung dieser Maßstäbe ist das [X.]erufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger - terroristische Aktionen der [X.] in der [X.] seiner Mitgliedschaft zwischen Juni 1999 und Mai 2005 unterstellt - gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Satz 2 AsylVfG von der Flüchtlingsanerkennung ausgeschlossen ist. Die Vorinstanz hat festgestellt, dass der Kläger jedenfalls zwischen Juni 1999 und Mai 2005 Mitglied der [X.] und Angehöriger der "Volksbefreiungskräfte" gewesen ist. Nach den tatrichterlichen Feststellungen war er Leiter für kulturelle Aktivitäten in einer "Kultur- und Kunstschule" der [X.] und hat später in dem von der [X.] beherrschten Lager M. an herausgehobener Stelle für die Propaganda und die ideologische Schulung der [X.] verantwortlich gezeichnet. Zudem ist er im kurdischen Fernsehen als Musiker in [X.] für die [X.] aufgetreten und hat deren bewaffneten Kampf gefeiert und besungen. Diese Aktivitäten für die [X.] hat das [X.]erufungsgericht als hinreichend gewichtig für den Ausschluss von der Flüchtlingsanerkennung angesehen. Das begegnet im Hinblick auf die hohe [X.]edeutung von Musik, Tanz und [X.]rauchtum als Ausdruck kultureller Identität unter kurdischen [X.] und des bewussten Einsatzes dieser Mittel zur Werbung für die [X.] und Förderung ihres inneren Zusammenhalts hier keinen [X.]edenken.

4. Da das Revisionsgericht die fehlenden tatsächlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann, ist die Sache zur weiteren Aufklärung gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO an das [X.]erufungsgericht zurückzuverweisen. In dem neuen [X.]erufungsverfahren wird das Oberverwaltungsgericht unter [X.]erücksichtigung des abgesenkten [X.]eweismaßes in § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG Feststellungen zu terroristischen Aktivitäten der [X.] in dem hier jedenfalls maßgeblichen [X.]raum zwischen Juni 1999 und Mai 2005 als Grundlage einer [X.]eteiligung des [X.] treffen müssen. Dazu kann es auf allgemein zugängliche Quellen zurückgreifen (z.[X.]. "Global Terrorism Database" der [X.]: http://www.start.umd.edu/gtd) oder es wird ggf. dazu ein Gutachten eines Sachverständigen einholen müssen (vgl. die Vorgehensweise des [X.] im Verfahren 8 A 5118/05.A, Urteil vom 2. Juli 2013 ).

Meta

10 C 26/12

19.11.2013

Bundesverwaltungsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, 21. August 2012, Az: 3 L 218/08, Urteil

§ 60 Abs 1 S 1 AufenthG 2004, § 3 Abs 1 AsylVfG 1992, § 3 Abs 2 S 1 Nr 3 AsylVfG 1992, § 3 Abs 2 S 2 AsylVfG 1992, Art 12 Abs 2 Buchst e EGRL 83/2004, Art 12 Abs 3 EGRL 83/2004

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19.11.2013, Az. 10 C 26/12 (REWIS RS 2013, 1047)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1047

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Widerruf der Flüchtlings- und Asylanerkennung; Ausschlussgrund; Kriegsverbrechen; Verbrechen gegen die Menschlichkeit; Aussetzung des Verfahrens


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A 10 K 1316/18

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