Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.04.2006, Az. XI ZR 271/05

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 3891

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] ZR 271/05 Verkündet am: 25. April 2006 [X.] Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]Z: ja [X.]R: ja _____________________ BGB § 288 Abs. 1 Satz 1 (in der bis zum 30. April 2000 geltenden Fassung) Bei verzögerter Freigabe eines hinterlegten Geldbetrages hat der Gläubiger in ent-sprechender Anwendung von § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB (in der bis zum 30. April 2000 geltenden Fassung) einen Anspruch auf Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe.

[X.], Urteil vom 25. April 2006 - [X.] [X.] am Main LG [X.]
- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] vom 25. April 2006 durch [X.], [X.] [X.], die Richterin [X.] und [X.] Ellenberger und Prof. Dr. [X.] für Recht erkannt: Die Revision des [X.]n gegen das Urteil des [X.] in [X.] des [X.] vom 22. September 2005 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:

Die Parteien streiten über Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe für einen hinterlegten Betrag. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: 1 Der Kläger, handelnd als Insolvenzverwalter über das Vermögen der [X.]

Wirtschaftsberatungsge-sellschaft mbH (im Folgenden: [X.]GmbH), nimmt den [X.]n wegen verzögerter Abgabe einer Freigabeerklärung auf Schadensersatz in [X.]. Die [X.] war Inhaberin eines bei einer Sparkasse geführ-ten Kontos, dessen Guthaben sie zugunsten des [X.]n verpfändet hatte. Weil der [X.] der Aufforderung des [X.], bis spätestens 2 - 3 - zum 31. März 2000 die Freigabe des Guthabens zu erklären, nicht nach-kam, hinterlegte die Sparkasse das Guthaben einschließlich Zinsen in Höhe von insgesamt 271.512 DM. Nachdem der [X.] in einem zwi-schen den Parteien geführten Vorprozess mit seit 12. September 2003 rechtskräftigem Urteil des [X.]s [X.] vom 12. November 2002 zur Abgabe der Freigabeerklärung verurteilt worden war, erklärte er nach Aufforderung durch den Kläger am 25. September 2003 die [X.]. Die Hinterlegungsstelle zahlte daraufhin am 16. Oktober 2003 den hinterlegten Betrag an den Kläger aus.
Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt der Kläger für den Zeitraum vom 1. April 2000 bis zum 25. September 2003 Verzugszinsen aus der hinterlegten Summe in der bei Verzugseintritt geltenden gesetzlichen Höhe von 4%. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Beru-fung des [X.] hat das Berufungsgericht der Klage stattgegeben. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision erstrebt der [X.] die Wiederherstellung des [X.] landgerichtlichen Urteils. 3 Entscheidungsgründe:
Die Revision ist nicht begründet. 4 [X.] Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger stehe gegenüber dem [X.]n der geltend gemachte, seiner Höhe 5 - 4 - nach unstreitige, Anspruch auf Ersatz des [X.]s gemäß § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 30. April 2000 geltenden Fassung (nachfolgend: [X.]) analog zu. Eine unmittelbare Anwendung des § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB [X.] komme nicht in Betracht, da diese Vorschrift nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur für den Fall des Verzuges mit einer Geldschuld gelte. Eine solche habe den [X.]n jedoch nicht getrof-fen; er habe vielmehr lediglich eine Freigabeerklärung bezüglich des von der Sparkasse hinterlegten Guthabens der Gemeinschuldnerin [X.]. Auf diese Fallkonstellation sei § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB [X.] aber entsprechend anzuwenden. Zwar habe der [X.] keinen Geldbetrag, also eine echte Geldschuld im Sinne von § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB [X.] geschuldet, er sei aber verpflichtet gewesen, dem Kläger den Zugriff auf das diesem letztlich zustehende Guthaben der Schuldnerin bei der [X.] zu eröffnen und zu verschaffen. Die Auszahlung des auf dem frag-lichen Konto befindlichen Geldbetrages an den Kläger habe einzig und allein davon abgehangen, dass der [X.] die von ihm geforderte und auch geschuldete Freigabeerklärung abgab.
I[X.] Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand. 6 1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB [X.] auf den Anspruch des [X.] keine unmit-telbare Anwendung findet, weil der [X.] mit der Abgabe einer Frei-gabeerklärung in Verzug war, nicht aber mit einer Geldschuld (vgl. dazu 7 - 5 - [X.]/[X.]/[X.], BGB § 288 Rdn. 2; [X.], [X.]. § 288 Rdn. 6). 8 2. a) Zutreffend hat das Berufungsgericht auch ausgeführt, dass § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB [X.] nach Sinn und Zweck der Vorschrift auf den Verzug mit einer Freigabeerklärung in Bezug auf hinterlegtes Geld entsprechend anzuwenden ist.
aa) Die Regelung in § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB [X.] entspringt der Annahme, dass es dem Gläubiger im Allgemeinen möglich ist, Geld [X.] zu einem bestimmten Mindestzinssatz anzulegen (vgl. [X.], Leistungsstörungen Band [X.]). Der Gesetzgeber wollte für [X.], die daraus entstehen, dass dem Gläubiger Geld vorenthalten wird, einen Durchschnittsbetrag festsetzen, von dem angenommen wird, dass ihn der Gläubiger jedenfalls hätte ziehen können und den er fordern darf, ohne eine Zinseinbuße oder einen sonstigen Schaden beweisen zu müssen (vgl. Motive [X.]; auch [X.]Z 74, 231, 235). 9 bb) Diesem Sinn und Zweck des § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB [X.] Rechnung tragend hat der [X.] die Vorschrift auf die Nichtverschaffung eines zinslosen Darlehens entsprechend angewandt, weil auch in diesem Fall der Entgang der mit dem Besitz von Geld ver-bundenen Nutzungsmöglichkeit zu entschädigen ist ([X.]Z 74, 231, 235). Dieser Gedanke gilt in gleicher Weise für den Fall der verzögerten Freigabe eines Hinterlegungsbetrages, weil dem Gläubiger auch in die-ser Fallkonstellation ein Geldbetrag, auf den er einen Anspruch hat, schuldhaft und rechtswidrig vorenthalten wird (vgl. auch [X.], [X.] Band [X.]; [X.], [X.]. § 288 Rdn. 6 10 - 6 - a.E.). Der Schuldner schuldet zwar nicht das hinterlegte Geld, aber die Auszahlung des Geldes an den Gläubiger hängt allein von der Freigabe-erklärung des Schuldners ab. Die [X.] hat einen [X.] zum Gegenstand. Lediglich der äußeren Form nach, ist der [X.] nicht auf Zahlung von Geld, sondern auf Einwilligung in die [X.] gerichtet ([X.], Urteil vom 19. Oktober 1988 - [X.], [X.], 1834, 1836; Urteil vom 17. November 1999 - [X.]I ZR 281/97, [X.], 948, 950).
[X.]) Das Urteil des VII[X.] Zivilsenats des [X.]s vom 4. Mai 2005 ([X.], NJW 2005, 2310, 2312), nach dem § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB [X.] auf den Anspruch des Vermieters gegen den Mieter auf Zustimmung zu einem Mieterhöhungsverlangen nicht anwend-bar ist, steht der entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift im vorlie-genden Fall nicht entgegen. Zum einen enthält diese Entscheidung keine Ausführungen zur entsprechenden Anwendung der Vorschrift und zum anderen ist die Pflicht zur Zustimmung zu einem Mieterhöhungsverlan-gen als vertragsändernde Willenserklärung mit der Pflicht zur Abgabe einer Freigabeerklärung nicht vergleichbar. 11 [X.]) Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich auch aus der Entscheidung des Großen Senats in Zivilsachen vom 9. Juli 1986 ([X.]Z 98, 212, 217), die die [X.] betrifft, nichts, was gegen die entsprechende Anwendung des § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB [X.] spricht. Vorliegend geht es um das [X.] von Geld, das in jedem Fall einen ersatzfähigen Schaden dar-stellt ([X.]Z 74, 231, 234 f.). 12 - 7 - b) Schließlich spricht auch die Entstehungsgeschichte des § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB [X.] hier für seine entsprechende Anwendung. 13 14 Nach dem ursprünglichen Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuchs sollte die Mindestverzinsung nicht nur bei einer Geldschuld, sondern auch bei einer Stückschuld Anwendung finden, etwa wenn bestimmte Geldstücke zu leisten waren, weil bei ihr dieselben praktischen Gründe für einen Anspruch auf Verzugszinsen in gleicher Weise zuträfen (Moti-ve [X.]). Aus der Streichung der ursprünglich im Entwurf enthaltenen Regelung über die Verzinsung von Geldstückschulden folgt nicht, dass § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB [X.] insofern keine Anwendung findet (vgl. [X.], Leistungsstörungen Band [X.] Fn. 124; a.[X.]/[X.], [X.]. 2004 § 288 Rdn. 10). Diese Regelung wurde lediglich deshalb nicht ins Gesetz übernommen, weil man annahm, dass der darin aufgestellte Rechtssatz sich aus der entsprechenden Anwendung der Absätze 1 und 2 der Vorschrift ergebe (Protokolle [X.]). Die Analo-giefähigkeit der Mindestverzinsungsregelung auf hinterlegtes Geld wurde daher vom Gesetzgeber vorausgesetzt, nicht etwa ausgeschlossen.
3. Ohne Erfolg erhebt die Revision Einwendungen gegen die Höhe des dem Kläger zugesprochenen [X.]. Nach den im Revisi-onsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts ist der [X.] seiner Höhe nach unstreitig (§ 559 Abs. 1, § 314 Abs. 1 ZPO). Verfahrensrügen gegen die Feststellung des Berufungsgerichts hat die Revision nicht erhoben. Auch eine Berichtigung des Tatbestands hat der [X.] nicht beantragt. 15 - 8 - II[X.] 16 Die Revision war demnach als unbegründet zurückzuweisen.
[X.] [X.] [X.] Ellenberger [X.] Vorinstanzen: LG [X.], Entscheidung vom 09.09.2004 - 8 O 638/03 - [X.] in [X.], Entscheidung vom 22.09.2005 - 22 U 227/04 -

Meta

XI ZR 271/05

25.04.2006

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.04.2006, Az. XI ZR 271/05 (REWIS RS 2006, 3891)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 3891

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