Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.01.2017, Az. V ZR 120/16

V. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 16513

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[X.]:[X.]:BGH:2017:270117UVZR120.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
V ZR
120/16
Verkündet am:

27. Januar 2017

Langendörfer-Kunz
Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
[X.] [X.] § 37a Abs. 1 Nr. 1; EGZPO § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
Im [X.] unterliegen Zahlungsansprüche nicht der obligatorischen Streitschlichtung für Nachbarrechtsstreitigkeiten nach § 37a Abs. 1 Nr. 1 [X.] [X.].
BGH, Urteil vom 27. Januar 2017 -
V [X.] -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der V.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 2017
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
[X.], die Richterin Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch, [X.]
Kazele, die Richterin [X.] und [X.]
Hamdorf

für Recht erkannt:

Auf die Revision des [X.] werden das Urteil der 5. Zivilkammer des [X.] vom 15. April 2016 und das Urteil des [X.] vom 31. Januar 2014 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren, an das [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Der Kläger errichtete an der gemeinsamen Grenze eine Einfriedung bestehend aus einem Maschendrahtzaun mit Betonpfosten und [X.]. Ein [X.] wegen der Beseitigung abgestorbener Bäume zwischen den Parteien durchgeführtes Schlichtungsverfahren blieb erfolglos. Im vorliegenden Verfah-ren verlangt der Kläger von der Beklagten Ausgleich für den an der Einfriedung entstandenen Schaden, der durch vom Grundstück der Beklagten auf sein 1
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Grundstück hinüber gewachsenes Wurzelwerk entstanden sein soll; der Klage-nsen und vorgerichtlicher Kosten beziffert.

Das Amtsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Die Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seinen Klage-antrag weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hält die Klage für unzulässig, weil das in § 37a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b des [X.] Gesetzes zur Ausführung bundes-rechtlicher Justizgesetze (in der Fassung vom 16. Mai 2007, nachfolgend: [X.] [X.]) bei Streitigkeiten über Ansprüche wegen Überwuchses nach § 910 BGB vorgeschriebene Schlichtungsverfahren nicht durchgeführt worden sei. Erforderlich sei ein [X.] auch bei Zahlungsansprüchen, die ihre Grundlage in
§ 910 BGB hätten.

Nach zutreffender, wenn auch umstrittener Ansicht umfasse die bundes-rechtliche Ermächtigung in § 15a Abs.
1 Satz 1 Nr. 2 EGZPO nicht nur Beseiti-gungs-
und Unterlassungsansprüche, sondern auch Zahlungsansprüche. Der Landesgesetzgeber habe von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Die Her-[X.] [X.] im Jahre 2007 habe nicht dazu geführt, dass auch [X.] aus Nachbarrechts-
und Ehrschutzstreitigkeiten nicht mehr der obliga-torischen Streitschlichtung unterlägen. Für diese Bereiche habe der Gesetzge-2
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ber das Erfordernis eines Schlichtungsverfahrens ausdrücklich beibehalten [X.].

II.

Diese Erwägungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Nach § 37a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b [X.] [X.] ist die Erhebung einer Klage zwischen im [X.] wohnhaften Parteien in Streitigkeiten über [X.] wegen Überwuchses nach § 910 BGB erst zulässig, nachdem von einer zugelassenen Gütestelle versucht worden ist, die Streitigkeit einvernehmlich beizulegen. Zutreffend geht das Berufungsgericht noch davon aus, dass ein solcher [X.] vorliegend nicht unternommen wurde. Das im Jah-re 2010 durchgeführte Schlichtungsverfahren betraf mit der Beseitigung von abgestorbenen Bäumen eine andere Rechtsfolge und damit einen anderen Streitgegenstand als die Klage, mit der der Kläger Geldersatz von Schäden durch den Überwuchs von Wurzelwerk verlangt. Entgegen der Ansicht des Klä-gers wären die Streitgegenstände folglich selbst dann nicht identisch, wenn Gegenstand des Schlichtungsverfahrens überhängende Baumreste und damit ebenfalls ein Überwuchs im Sinne von § 910 BGB gewesen sein sollte.

2. Im [X.] unterliegen Zahlungsansprüche nicht der obligatorischen Streitschlichtung für Nachbarrechtsstreitigkeiten nach § 37a Abs. 1 Nr. 1 [X.] [X.].

a) Die mit § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGZPO geschaffene Ermächtigung des Landesgesetzgebers, die Zulässigkeit der Klageerhebung von einem vorhe-5
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über Ansprüche aus dem Nachbarrecht nach den §§ 910, 911, 923 des [X.], Bereicherungs-
und Schadensersatzansprüche fallen, soweit die geltend gemachten Ansprüche ihre Grundlage darin finden, dass Äste oder
Wurzeln über eine Grundstücksgrenze hinausgewachsen sind, ist umstritten (Nachw. im Urteil des Senats vom 19.
Februar 2016 -
V [X.], NJW-RR 2016, 823 Rn.
10). Die von dem [X.] bislang offen gelassene Frage (vgl. Urteil vom 10.
Juli 2009 -
V ZR 69/08,
NJW-RR 2009, 1238 Rn. 9; Urteil vom 2. März 2012 -
V [X.], [X.], 435 Rn. 7; Urteil vom 19. Februar 2016
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V [X.], aaO) bedarf auch hier keiner Entscheidung.

b) Auf den Streit kommt es nicht an, weil § 37a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b [X.] [X.] einen [X.] vor der Erhebung der Klage zu den or-dentlichen Gerichten für eine Zahlungsklage nicht vorschreibt, selbst wenn [X.] im Zusammenhang mit einem Nachbarrechtstreit steht. Diese Einschränkung findet zwar im Wortlaut der Vorschrift keinen ausdrücklichen Niederschlag. Sie ergibt sich aber aus der Entstehungsgeschichte der Norm.

aa)
Die Vorschrift des § 37a Abs. 1 Nr. 1 [X.] [X.] entspricht wörtlich den Bestimmungen des [X.] (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.] HE), des nord-rhein-westfälischen (§ 53 Abs. 1 Nr. 1 [X.]) und des [X.] (§
1 Abs. 1 Nr. 1 [X.] RP) Landesrechts. Diese Vorschriften legt der Senat eng in dem Sinne aus, dass ein [X.] in diesen Bun-desländern für eine auf Zahlung gerichtete Klage auch dann nicht vorgeschrie-ben ist, wenn der Anspruch aus dem Nachbarrecht hergeleitet wird (Urteil vom 10. Juli 2009
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V
ZR
69/08, aaO, Rn. 10; Urteil vom 2. März 2012

V
ZR
169/11,
aaO, Rn. 9; Urteil vom 19.
Februar 2016
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V [X.], aaO, Rn.
11). Zu dieser Auslegung ist der Senat auf Grund der jeweiligen Entste-9
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hungsgeschichte der Normen gelangt. In [X.] und [X.] -
die Besonderheiten der Rechtslage in [X.] sind vorliegend nicht von Relevanz -
hatte der Gesetzgeber zunächst von der Ermächtigung des § 15a EGZPO umfassend Gebrauch gemacht, das Erfordernis einer obligatorischen Streitschlichtung für vermögensrechtliche Ansprüche jedoch später wieder [X.]. Dem lag in beiden Bundesländern die Erwägung zu Grunde, dass sich die
obligatorische Streitschlichtung für vermögensrechtliche Ansprüche nicht bewährt hatte, weil das Mahnverfahren nach § 15a Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EGZPO schlichtungsfrei bleiben musste und sich der an sich vorgeschriebene [X.] deshalb durch Geltendmachung des Zahlungsanspruchs im Mahnverfahren vermeiden ließ. Der Gesetzgeber wollte in beiden Ländern als Konsequenz hieraus Geldforderungen schlechthin, auch bei einer nachbar-rechtlichen Grundlage, schlichtungsfrei stellen (Nachw. im Urteil des Senats vom 19. Februar 2016
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V [X.],
aaO, Rn.
12).

bb)
Für einen anders gerichteten Willen des [X.] [X.]s -
der sich wie die Gesetzgeber in [X.] und [X.] an den Erfahrungen der anderen Bundesländer und dem Abschlussbericht einer damit befassten [X.] orientiert hat ([X.]. 13/1320, [X.]; [X.]. 13/38, [X.]257) -
bietet die Entstehungsgeschichte von § 37a Abs. 1 Nr.
1 [X.] [X.] keine Anhaltspunkte. Auch im [X.] hatte der [X.] zunächst
von der Ermächtigung des § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGZPO weitgehend Gebrauch gemacht und für vermögensrechtliche Streitigkeiten mit einem Streitwert von bis zu 1.200 DM den obligatorischen [X.] vorgesehen (Gesetz vom 21. Februar 2001, [X.]. [X.] 2001, 532), diese Rege-lung aber im [X.] wieder aufgehoben (Gesetz vom 16. Mai 2007, [X.]. [X.] 2007, 1226). Zur Begründung wurde angeführt, dass insbesondere die [X.]
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men werde. Der nach dem Inkrafttreten des Landesschlichtungsgesetzes zu beobachtende Anstieg der Mahnverfahren lasse
die Vermutung zu,
dass häufig e-ser Effekt angesichts des ähnlichen Anstiegs der Zahl der Mahnverfahren in Bundesländern ohne Landesschlichtungsgesetz nicht sicher auf das obligatori-sche Schlichtungsverfahren zurückgeführt werden könne ([X.]. 13/1320, [X.]). Dies spricht dafür, dass auch der [X.] Gesetzgeber Geldforde-rungen schlechthin, auch bei einer nachbarrechtlichen Grundlage, schlichtungs-frei stellen wollte.

Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts (vgl. auch [X.], Urteil vom 22. Januar 2015 -
4 U 34/14, juris Rn.
51;
LG [X.], Urteil vom 30. März 2012 -
13 [X.], juris Rn. 15) auch nicht daraus, dass es in dem Gesetzesentwurf der Landesregierung heißt, dass Nachbarrechts-
und Ehrschutzstreitigkeiten weiter für schlichtungsgeeig-net angesehen würden, weil ihnen
typischerweise gestörte zwischenmenschli-che Beziehungen zugrunde lägen, so dass das Erfordernis des [X.] vor Klageerhebung für diese Bereiche beibehalten werden solle ([X.]. 13/1320, [X.]). Diesen Ausführungen lässt sich nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber auch die weniger beziehungsgeprägten [X.] dem Erfordernis des Schlichtungsverfahrens unterwerfen wollte. Hiergegen spricht zudem, dass die Durchführung streitiger Verfahren nach vorangegangenem Mahnverfahren -
aufgrund zwingender Vorgabe nach § 15a Abs. 2 Satz
1 Nr. 5 EGZPO -
auch im [X.] nach wie vor von dem obligatorischen Schlich-tungsversuch ausgenommen bleibt (§
37a Abs. 2 [X.] [X.]), so dass das Erfordernis des Schlichtungsverfahrens bei [X.] leicht umgangen werden könnte.

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3. Die Erhebung der Klage setzte daher nicht die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens voraus, so dass die Klage nicht als unzulässig abge-wiesen werden durfte.

III.

Die Sache ist nicht zur Entscheidung reif, weil sich das Berufungsgericht -
aus seiner Sicht folgerichtig -
mit dem geltend gemachten Anspruch nicht in der Sache befasst hat.

Die Sache ist vorliegend nicht an das Berufungsgericht, sondern an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Das Revisionsgericht kann die Sache unmit-telbar an das erstinstanzliche Gericht zurückverweisen, wenn die Zurückver-weisung an dieses Gericht auch nach einer neuen Verhandlung die [X.] Entscheidung des Berufungsgerichts nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO wäre (vgl. Senat, Urteil vom 19. Februar 2016 -
V [X.], NJW-RR 2016, 823 Rn. 19; Urteil vom 16. Oktober 2015 -
V [X.], [X.], 409 Rn.
14) und eine Partei die Zurückverweisung an das erstinstanzliche Ge-richt
in der Berufungs-
oder Revisionsinstanz beantragt hat (§ 538 Abs. 2 Satz 1 aE). Dies ist hier der Fall. Die Parteien haben im Revisionsverfahren die Zu-

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rückverweisung in die erste Instanz beantragt und hierdurch zu erkennen gege-ben, dass sie den Verlust einer Tatsacheninstanz nicht hinnehmen möchten. Schon deshalb ist es ermessensgerecht, die Sache an das [X.]. Von dieser Möglichkeit macht der Senat Gebrauch.

[X.] Schmidt-Räntsch

Kazele

[X.] Hamdorf

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 31.01.2014 -
26 [X.] (08) -

LG [X.], Entscheidung vom 15.04.2016 -
5 [X.]/14 -

Meta

V ZR 120/16

27.01.2017

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.01.2017, Az. V ZR 120/16 (REWIS RS 2017, 16513)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 16513

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V ZR 120/16

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