Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 02.06.2010, Az. 1 BvR 448/06

1. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2010, 6170

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Teilweise stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im sozialgerichtlichen Verfahren - hier: Beschwerdeentscheidung unter Berücksichtigung eines Berichtigungsbeschlusses ohne Abwarten der insoweit laufenden Rechtsmittelfrist


Tenor

1. Die Beschlüsse des [X.] vom 11. Januar 2006 - L 15 [X.]/05 [X.] -, und vom 21. September 2005 - L 15 [X.]/05 [X.] - , soweit damit die Beschwerde des Beschwerdeführers im Übrigen zurückgewiesen wird, verletzen den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG. Sie werden aufgehoben. Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

2. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

3. ...

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein sozialgerichtliches Verfahren wegen der Auferlegung eines Ordnungsgeldes.

I.

2

1. Dem Beschwerdeführer wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht ein Ordnungsgeld in Höhe von 100 € wegen ungebührlichen Benehmens auferlegt, weil er trotz mehrfacher Hinweise und Androhung des Ordnungsgelds in seinem Redefluss während einer Beweisaufnahme weiter fortgefahren war. Im Protokoll der mündlichen Verhandlung wurde über das Kürzel "[X.]" hinaus nicht vermerkt, in welcher Besetzung der Beschluss gefasst worden war.

3

Die schriftlich begründete Beschlussausfertigung vom selben Tag nennt allein den Vorsitzenden als Erlassenden und sieht - abweichend vom Protokoll - ergänzend vor, dass für den Fall der Nichtbeitreibung Ordnungshaft von zwei Tagen festgesetzt wird.

4

2. Nachdem der Beschwerdeführer gegen den Beschluss Beschwerde erhoben hatte, erließ der Vorsitzende des [X.]18. August 2005 einen [X.], wonach der [X.] durch den Vorsitzenden und [X.] beschlossen worden sei. Es handele sich um eine offensichtliche Unrichtigkeit im Sinne der §§ 138, 142 [X.]gesetz ([X.]), weil der Beschluss in der öffentlichen Sitzung gefasst worden sei, an der [X.] beteiligt gewesen seien. Die Rechtsmittelbelehrung zu dem [X.] weist den Beschwerdeführer auf die Statthaftigkeit einer Beschwerde binnen Monatsfrist hin.

5

3. Das [X.] hob auf die Beschwerde den [X.] in der Fassung des [X.] insoweit durch unanfechtbaren Beschluss vom 21. September 2005 auf, als nachträglich ersatzweise Ordnungshaft festgesetzt worden war, und wies die Beschwerde im Übrigen zurück. Dabei ging das [X.] davon aus, dass der [X.] von der Kammer gefasst worden sei, wie dies der [X.] ausweise.

6

4. Am nächsten Tag erhob der Beschwerdeführer - noch fristgerecht - Beschwerde gegen den [X.]. Darin führte der Beschwerdeführer aus, dass tatsächlich nicht die gesamte Kammer, sondern allein der Vorsitzende des [X.] Beschluss über das Ordnungsgeld ohne Rücksprache "blitzartig" verhängt habe.

7

5. Der Beschwerdeführer erhob außerdem Anhörungsrüge gegen den unanfechtbaren Beschluss des [X.]s. Dieser Beschluss sei gefasst worden, bevor die Beschwerdefrist gegen den [X.] abgelaufen sei. Die Äußerungen in seiner Beschwerdeschrift, wonach das Ordnungsgeld ausschließlich durch den Vorsitzenden verhängt worden sei, müssten noch zur Kenntnis genommen werden.

8

6. Das [X.] hob den [X.] des [X.] auf, weil nicht festgestellt werden könne, dass es sich bei dem angefochtenen Beschluss um die Berichtigung einer "offenbaren Unrichtigkeit" gehandelt habe, die auch ohne Anhörung berichtigt werden könne. Allein aus dem Umstand, dass der Beschluss laut Protokoll in öffentlicher Sitzung, an der [X.] beteiligt gewesen seien, gefasst wurde, ergebe sich nicht mit hinreichender Klarheit, dass es sich um einen Beschluss der Kammer und nicht allein des Vorsitzenden gehandelt habe. Eine Beschlussfassung durch die Kammer werde hier nicht durch das Protokoll bewiesen. Zweifel blieben, weil eine Unterbrechung der Sitzung nicht stattgefunden habe, eine Kurzverständigung zwischen den Mitgliedern der Kammer am Richtertisch nicht vermerkt und nach den - in der Abhilfeprüfung - unwidersprochenen Angaben des Beschwerdeführers auch nicht erfolgt sei. Unter diesen Umständen habe eine Korrektur des Beschlusses nicht erfolgen können.

9

7. Mit Beschluss vom selben Tag wies das [X.] die Anhörungsrüge zurück. Die unanfechtbare Entscheidung über die erste Beschwerde sei nicht erneut aufzugreifen. Die Beschwerdefrist zu dem [X.] habe nicht abgewartet werden müssen. Dem Beschwerdeführer habe im Rahmen des ersten Beschwerdeverfahrens eine angemessene Frist zur Äußerungsmöglichkeit vor der Entscheidung zur Verfügung gestanden, auch sofern er Einwendungen gegen den [X.] in diesem Verfahren erheben wollte. Das [X.] habe bereits vor Eintritt der Rechtskraft des [X.] entscheiden dürfen. Ein [X.] sei wirksam, solange er nicht aufgehoben werde. Die Tatsache, dass der [X.] aufzuheben war, führe nicht dazu, dass nachträglich ein Anhörungsfehler eingetreten wäre.

Eine Abänderung sei auch nicht veranlasst, wenn man das Vorbringen als außerordentlichen Rechtsbehelf verstehe. Insoweit räumt das [X.] zwar ein, dass der Beschluss über die erste Beschwerde so nicht ergangen wäre, wenn nicht zum [X.]punkt der Entscheidung der [X.] vorgelegen hätte. Maßgebend sei aber, dass sich an der Beurteilung der materiellen Berechtigung der Auferlegung eines Ordnungsmittels nichts geändert habe und der Beschluss nach den zur [X.] der Beschwerdeentscheidung gegebenen Umständen auch formell der Rechtslage entsprochen habe. Grobes prozessuales Unrecht ergebe sich nicht daraus, dass der [X.] möglicherweise unter Verletzung einer Verfahrensvorschrift zustande gekommen sei, was sich daraus ableiten lasse, dass Verletzungen der örtlichen oder sachlichen Zuständigkeit selbst im Rahmen der Prüfung des rechtlichen Gehörs unbeachtlich seien. Es gebe daher keine Veranlassung, den unanfechtbaren Beschluss erneut aufzugreifen.

8. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 103 Abs. 1 [X.] und [ref=[X.]-8e2ad133dbb4]Art. 101 Abs. 1 Satz 2 [X.]] und beantragt eine Zurückverweisung an das [X.].

9. Das [X.] und die [X.] hatten Gelegenheit zur Äußerung, sahen aber von einer Stellungnahme ab.

II.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde nach § 93a Abs. 2 Buchstabe b in Verbindung mit § 93b Satz 1 [X.] zur Entscheidung an und gibt ihr nach § 93c Abs. 1 Satz 1 [X.] statt. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und unter Berücksichtigung der bereits hinreichend geklärten Maßstäbe zu Art. 103 Abs. 1 [X.] auch offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen des [X.]s über die teilweise Zurückweisung der Beschwerde gegen den [X.] sowie die Zurückweisung der Anhörungsrüge verletzen den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör.

1. Maßgebend für Art. 103 Abs. 1 [X.] ist der Gedanke, dass ein Verfahrensbeteiligter Gelegenheit haben muss, durch seinen Vortrag die Willensbildung des Gerichts zu beeinflussen (vgl. [X.] 22, 114 <119>). Art. 103 Abs. 1 [X.] steht in einem funktionalen Zusammenhang mit der Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes. Das einfache Recht und seine Anwendung im Einzelfall müssen von Verfassungs wegen ein Ausmaß an Gehör eröffnen, das sachangemessen ist, um dem Erfordernis eines wirkungsvollen Rechtsschutzes gerecht zu werden (vgl. [X.] 35, 263 <274>; 40, 272 <274 f.>; 74, 220 <224>; 77, 275 <284>; 81, 123 <129>).

In die Prüfung des Art. 103 Abs. 1 [X.] sind auch die Grundsätze rechtsstaatlicher Verfahrensgestaltung einzubeziehen. Es muss insbesondere bei der Frage nach der Rechtzeitigkeit eines Vorbringens berücksichtigt werden, ob das Verhalten eines Beschwerdeführers auch auf gerichtlichem Fehlverhalten beruht (vgl. [X.] 75, 183 <190 f.>). Der Grundsatz der fairen Verfahrensgestaltung verwehrt es den Gerichten, aus eigenen oder ihnen zuzurechnenden Fehlern oder Versäumnissen [X.] für die Beteiligten abzuleiten (vgl. [X.] 75, 183 <190 f.>; 78, 123 <126>).

2. An diesen Grundsätzen gemessen hat das [X.] in dem ersten Beschwerdeverfahren gegen Art. 103 Abs. 1 [X.] verstoßen, weil es dem Beschwerdeführer rechtliches Gehör zu einer erheblichen Tatsache nicht in angemessenem Umfang gewährte. Dies hätte auch bei der Entscheidung über die Anhörungsrüge beachtet werden müssen.

a) Die Frage, ob der Vorsitzende allein oder zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern das Ordnungsgeld beschlossen hat, ist für dessen Rechtmäßigkeit von erheblicher Bedeutung. Sie berührt die Bestimmung des gesetzlichen Richters in seiner einfachgesetzlichen Ausprägung. [X.] im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 [X.] sind die im Einzelfall nach den allgemeinen Normen der Gesetze zur Mitwirkung berufenen Richter (vgl. [X.] 21, 139 <145>; 48, 246 <254>; 95, 322 <329>). Das grundrechtsgleiche Recht erstreckt sich auf das Verhältnis von Kollegium zu Einzelrichter (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.]vom 2. Juni 2009 - 1 BvR 2295/08 -, NJW-RR 2010, [X.]; [X.], in: [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl. 2009, Art. 101 Rn. 13).

Gemäß § 61 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit § 178 Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz ([X.]) entscheidet der Vorsitzende über die Festsetzung von [X.] gegenüber Personen, die bei der Verhandlung nicht beteiligt sind, in den übrigen Fällen und insbesondere gegenüber dem Kläger als Beteiligten aber das Gericht [X.], in: [X.] Kommentar, Zivilprozessordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz und Nebengesetzen, 3. Aufl. 2008, § 178 [X.], Rn. 3, 15). Nach der Regel des [ref=3d6e9c7c-8b3e-4d97-9888-c1fb9b6ab006]§ 12 Abs. 1 Satz 1 [X.][/ref] musste daher über das Ordnungsgeld in der Besetzung mit dem Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Richtern beschlossen werden. Dem hatte eine entsprechende Beratung und Abstimmung (§ 61 Abs. 2 [X.] i.V.m. §§ 192 ff. [X.], [X.], in: [X.]/[X.]/[X.], [X.], 9. Aufl. 2008, § 142 Rn. 3a) vorauszugehen. Bei der Frage, ob und in welcher Höhe Ordnungsgeld verhängt wird, handelt es sich um eine Ermessensentscheidung.

Die Mitwirkung der ehrenamtlichen Beisitzer ist ein tragender Grundsatz des sozialgerichtlichen Verfahrens (vgl. [X.], 230 <234>). Verstöße dagegen sind grundsätzlich in jeder Lage des Rechtsstreits auch ohne Rüge der Beteiligten von Amts wegen zu beachten (vgl. [X.], 230 <234>; [X.], 189 <191>; [X.], in: [X.]/[X.]/[X.], 9. Aufl. 2008, § 12 Rn. 12).

Das [X.] ging bezüglich der Mitwirkung [X.] bei der Beschlussfassung über das Ordnungsgeld zunächst von der Wirksamkeit und Richtigkeit des [X.] aus. Es weist später in der Entscheidung über die Anhörungsrüge selbst darauf hin, dass die erste Entscheidung so nicht ergangen wäre, wenn nicht der [X.] vorgelegen hätte.

b) Ein Gericht darf aber nur solche entscheidungserhebliche Tatsachen verwenden, zu denen sich die Verfahrensbeteiligten vorher ausreichend äußern konnten (vgl. [X.] 70, 180 <189>). Der Beschwerdeführer hatte seine erste Beschwerde bereits begründet, bevor der [X.] erging. Nach dessen Erlass war ihm noch eine sachangemessene Äußerungsfrist einzuräumen.

Soweit das [X.] in dem Beschluss über die Anhörungsrüge meint, dass dem Beschwerdeführer durchaus eine angemessene Frist vor der Entscheidung vom 21. September 2005 zur Verfügung gestanden hätte, um Einwendungen gegen den [X.] zu erheben, so verkennt es bei dieser Wertung die Reichweite des Art. 103 Abs. 1 [X.] und der dabei zu beachtenden Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens.

Der anwaltlich nicht vertretene Beschwerdeführer durfte darauf vertrauen, dass er sich innerhalb der Rechtsmittelfrist zu dem [X.] äußern durfte, ohne Einbußen an einem effektiven Rechtsschutz zu erleiden. Gesetzlich eingeräumte Fristen dürfen grundsätzlich bis zum letzten Tag ausgenutzt werden (vgl. [X.] 40, 42 <44>; 41, 323 <328>; 74, 220 <224>).

Auch wenn sich die Rechtsbehelfsfrist formal auf eine andere Entscheidung bezog und ein neues Verfahren eröffnete, waren die beiden Verfahren doch inhaltlich eng miteinander verbunden. Erst der Erlass des gesondert anfechtbaren [X.] machte überhaupt ein weiteres Tätigwerden des Beschwerdeführers erforderlich; ansonsten wäre die Frage der Zuständigkeit von Amts wegen zu klären gewesen. Allein aus einem gerichtlichen Fehlverhalten dürfen dem Beschwerdeführer aber keine Nachteile erwachsen.

Zwar ist es verfassungsrechtlich noch nicht zu beanstanden, dass das [X.] trotz der fehlenden Voraussetzungen des § 138 [X.] zunächst von der Wirksamkeit des [X.] ausging. Hierbei konnte sich das Gericht auf eine in Literatur und Rechtsprechung vertretene Auffassung stützen, wonach fehlerhafte Berichtigungsentscheidungen regelmäßig zunächst wirksam und nur mit den in der Prozessordnung vorgesehenen Rechtsmitteln anfechtbar sind ([X.], in: [X.]/[X.]/[X.], 9. Aufl. 2008, [X.]gesetz, § 138 Rn. 5b; vgl. [X.], 74). Es kann dahin stehen, ob hier bereits ein Ausnahmefall anzunehmen war, weil keine ohne Weiteres erkennbare Unrichtigkeit im Sinne des § 138 [X.] vorlag (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. November 2009 - 7 [X.]/09 -, NVwZ 2010, [X.], 187; [X.], Beschluss vom 9. Dezember 1992 - [X.] 114/92 -, NJW 1993, [X.]1399, 1400).

Die Zweifel an dem Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit, die sich schon aus der Begründung des [X.] und der Sitzungsniederschrift ergaben, hätten aber jedenfalls Anlass geboten, die Rechtsmittelfrist abzuwarten. Unter den gegebenen Umständen stellte die Anfechtbarkeit des [X.] einen zu berücksichtigenden Gesichtspunkt bei der Bestimmung des sachangemessenen Gehörs dar. Das Erfordernis eines wirkungsvollen Rechtsschutzes, die Auswirkung des [X.] auf die Frage nach [X.] und der Grundsatz des fairen Verfahrens geboten ein Abwarten der Rechtsmittelfrist. Gegenüber diesen Belangen hatte das gerichtliche Interesse an einer zügigen Erledigung zurückzustehen, zumal da Belange der Beklagten in dem Verfahren zu dem Ordnungsgeld nicht betroffen waren.

c) Auf der Grundrechtsverletzung beruhen die angegriffenen Entscheidungen des [X.]s. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das [X.] bei Berücksichtigung der Rechtsmittelfrist eine andere Entscheidung im Beschwerdeverfahren über den [X.] getroffen hätte. Insbesondere kann davon ausgegangen werden, dass der für beide Verfahren zuständige Senat den Abschluss des zweiten Verfahrens für die Entscheidung im ersten Beschwerdeverfahren abgewartet hätte, um einen wirkungsvollen Rechtsschutz zu gewährleisten.

3. Es bedarf wegen dieser erfolgreichen Rüge keiner Entscheidung darüber, ob das [X.] bei seiner Entscheidung über die Gegenvorstellung die Reichweite des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 [X.] verkannte, weil es ein grobes prozessuales Unrecht wegen der möglicherweise fehlenden Zuständigkeit von vorneherein für ausgeschlossen gehalten hat.

4. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Rechts des Beschwerdeführers angezeigt, auch wenn das Ordnungsgeld nur eine relativ geringe Belastung darstellt. Die Besonderheiten des Sachverhalts erlauben keine Deutung, wonach nur eine als einfaches Versehen zu qualifizierende gerichtliche Nachlässigkeit vorliegt (vgl. [X.]K 7, 438 <442>).

III.

Die angegriffenen Entscheidungen des [X.]s sind daher aufzuheben und die Sache erneut an das [X.] zurückzuverweisen (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 [X.]). Dieses hat insbesondere zu entscheiden, ob das Sozialgericht bei der Verhängung des [X.]es tatsächlich gegen die gesetzliche Zuständigkeitsbestimmung des § 12 Abs. 1 [X.] verstoßen hat. Bei einem gegebenenfalls festgestellten erheblichen Verfahrensmangel des sozialgerichtlichen Verfahrens kommt eine Zurückverweisung an das Sozialgericht nicht in Frage, weil die sitzungspolizeiliche Gewalt mit dem Schluss der Sitzung endete (vgl. [X.]/[X.], 5. Aufl. 2008, Gerichtsverfassungsgesetz, § 181 Rn. 16). Wird die Festsetzung des Ordnungsgeldes aufgehoben, so sind ihre Folgen rückgängig zu machen (vgl. [X.]/[X.], 5. Aufl. 2008, Gerichtsverfassungsgesetz, § 181 Rn. 18).

IV.

Soweit sich die Verfassungsbeschwerde auch gegen den Beschluss des [X.] richtet, ist ihre Annahme zur Entscheidung weder wegen grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung noch zur Durchsetzung der verfassungsmäßigen Rechte des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 [X.]). Insoweit wird von einer Begründung abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 [X.]).

V.

Die Entscheidung über die notwendigen Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 und Abs. 3 [X.].

Meta

1 BvR 448/06

02.06.2010

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 3. Kammer

Stattgebender Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, 11. Januar 2006, Az: L 15 B 16/05 AL RG, Beschluss

Art 103 Abs 1 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 178 GVG, § 12 Abs 1 S 1 SGG, § 178a SGG, § 61 SGG, § 62 SGG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 02.06.2010, Az. 1 BvR 448/06 (REWIS RS 2010, 6170)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6170

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