Bundessozialgericht, Urteil vom 17.12.2020, Az. B 1 KR 21/20 R

1. Senat | REWIS RS 2020, 2269

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Krankenversicherung - Krankenhausvergütung - geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung - regelmäßig ein Alter von 70 Jahren, zumindest aber von 60 Jahren erforderlich - fehlende Definition - kein einheitliches medizinisch-wissenschaftliches Begriffsverständnis - Maßgeblichkeit des allgemeinen Sprachgebrauchs


Leitsatz

1. Für die Kodierung einer geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung ist regelmäßig ein Alter von 70 Jahren erforderlich, zumindest aber ein Alter von 60 Jahren in Verbindung mit plausibilisierenden Angaben (Bestätigung von BSG vom 23.6.2015 - B 1 KR 21/14 R = SozR 4-2500 § 109 Nr 46).

2. Ist eine Klassifikation nicht so präzise formuliert, dass ihre Bedeutung bei fehlender Definition oder normativer Bezugnahme auch nicht aus einem medizinisch-wissenschaftlichen Begriffsverständnis für den jeweiligen Fachkreis ohne Weiteres ersichtlich ist, ist der Kern des verwandten Begriffs maßgeblich, wie er sich nach allgemeinem Sprachgebrauch ergibt.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des [X.] vom 28. Mai 2020 und des [X.] vom 23. Januar 2018 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2236,50 Euro zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten in allen Rechtszügen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 2236,50 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung.

2

Die Beklagte ist Trägerin eines Krankenhauses, das nach § 108 [X.] zur Behandlung gesetzlich [X.] zugelassen ist. Dort wurde in der [X.] vom 8.2. bis 1.3.2011 der bei der klagenden Krankenkasse versicherte, am [X.] geborene [X.] (im Folgenden: Versicherter [X.]) vollstationär behandelt. Die Beklagte stellte der Klägerin am [X.] für diese Behandlung einen Betrag von 6305,07 [X.]uro in Rechnung. Dem lag die Fallpauschale (Diagnosis Related Group ) [X.] (geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung bei endokrinen, [X.]rnährungs- und Stoffwechselkrankheiten) auf Grundlage der Kodierung insbesondere der Hauptdiagnose ICD-10 [X.]11.75 (nicht primär insulinabhängiger Diabetes Mellitus Typ 2 mit diabetischem Fußsyndrom, als entgleist bezeichnet), und des [X.] ([X.]) 8-550.1 (geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung, mindestens 14 Behandlungstage und 20 Therapieeinheiten) zugrunde. Die Klägerin bezahlte die Rechnung zunächst in voller Höhe und beanstandete sie nicht.

3

Mit Urteil vom [X.] (B 1 KR 21/14 R) entschied der 1. Senat des B[X.], dass für geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlungen ein Mindestalter der Versicherten von 60 Jahren erforderlich sei. Daraufhin bat die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 14.12.2015 um eine Rechnungskorrektur, weil diese den [X.] 8-550.1 fehlerhaft kodiert habe. Der Versicherte [X.] sei zum [X.]punkt der Behandlung noch keine 60 Jahre alt gewesen. Die Beklagte lehnte eine Neuberechnung ab.

4

Die dagegen am 23.12.2015 erhobene, auf Zahlung von 2236,50 [X.]uro gerichtete Klage hat das [X.] abgewiesen. [X.]in öffentlich-rechtlicher [X.]rstattungsanspruch der Klägerin auf Reduzierung der bereits gezahlten Krankenhausrechnung scheitere daran, dass die Prüfung erst etwa viereinhalb Jahre nach Rechnungslegung und vollständigem [X.] eingeleitet worden sei. Zu diesem [X.]punkt sei ein möglicher [X.]rstattungsanspruch wegen überzahlter Krankenhausvergütung bereits verwirkt gewesen (Urteil vom 23.1.2018).

5

Das L[X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zwar sei die Forderung nicht verwirkt. Die Beklagte habe jedoch zu Recht die DRG [X.] abgerechnet und dabei insbesondere zutreffend die Prozedur 8-550.1 nach dem [X.] 2011 kodiert. Die Klägerin könne dagegen nicht mit [X.]rfolg einwenden, eine geriatrische Behandlung des seinerzeit nur 55-jährigen Versicherten sei schon wegen seines Alters ausgeschlossen. Der Senat folge der [X.]ntscheidung des B[X.] vom [X.] - B 1 KR 21/14 R - nicht, weil [X.] 8-550.1 ein Mindestalter für die Abrechnung einer geriatrischen Behandlung nicht vorgebe (Urteil vom 28.5.2020).

6

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung von § 39 Abs 1 Satz 3, § 109 Abs 4 Satz 3 [X.], § 17b Abs 1 Satz 10 [X.], § 7 Satz 1 Nr 1, § 9 Abs 1 Nr 1 KH[X.]ntgG iVm [X.] (2011) 8-550.1. Das Patientenalter des Versicherten [X.] von unter 60 Jahren schließe eine geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung aus. Der öffentlich-rechtliche [X.]rstattungsanspruch sei auch nicht verwirkt. Nach einem den Zinsanspruch betreffenden Teil-Unterwerfungsvergleich

beantragt die Klägerin,

        

die Urteile des [X.] vom 28. Mai 2020 und des [X.] vom 23. Januar 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2236,50 [X.]uro zu zahlen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die angefochtene [X.]ntscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der klagenden Krankenkasse ist begründet (§ 170 Abs 2 [X.]atz 1 [X.]G). Zu Unrecht hat das [X.] die Klage abgewiesen und das L[X.] die dagegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Die auf Erstattung des ohne Rechtsgrund an das beklagte Krankenhaus gezahlten Betrages von 2236,50 Euro gerichtete echte Leistungsklage ist in dem hier bestehenden [X.] zwischen Krankenhausträger und Krankenkasse gemäß § 54 Abs 5 [X.]G zulässig (stRspr; vgl zB B[X.] vom [X.] KR 24/08 R - B[X.]E 104, 15 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.] mwN). [X.]ie ist auch begründet (dazu 1.). Einwendungen und Einreden gegen den Anspruch greifen nicht durch (dazu 2.).

1. Das Krankenhaus konnte für die Behandlung des Versicherten E Vergütung lediglich nach Maßgabe der [X.] ([X.]) beanspruchen und nicht nach Maßgabe der abgerechneten und bezahlten [X.] (6305,07 Euro). Daraus ergibt sich bei Berücksichtigung in nicht eingeklagten 0,10 Euro ein Erstattungsanspruch in Höhe von 2236,50 Euro (zum Erstattungsanspruch vgl B[X.] vom 8.11.2011 - [X.] KR 8/11 R - B[X.]E 109, 236 = [X.]-5560 § 17b [X.], Rd[X.]1 mwN; B[X.] vom 16.7.2020 - [X.] KR 15/19 R - zur [X.] in B[X.]E und [X.] vorgesehen, Rd[X.]).

Dem Krankenhaus stand dem Grunde nach ein Vergütungsanspruch für die unstreitig erforderliche stationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten E zu, den § 109 Abs 4 [X.]atz 3 [X.]B V, §§ 7 f KHEntgG und § 17b [X.] als selbstverständlich voraussetzen und konkretisieren (stRspr; vgl zu den Grundvoraussetzungen des Vergütungsanspruchs B[X.] vom 8.11.2011 - [X.] KR 8/11 R - B[X.]E 109, 236 = [X.]-5560 § 17b [X.], Rd[X.]3, 15 mwN; B[X.] vom 19.3.2020 - [X.] KR 22/18 R - juris Rd[X.]1 mwN).

Die Voraussetzungen des [X.]-550.1, der die höher vergütete [X.] ansteuert, lagen jedoch nicht vor(hier in der Version 2011 idF der Bekanntmachung des [X.] gemäß §§ 295 und 301 [X.]B V zur Anwendung des [X.] vom 21.10.2010, BAnz [X.] vom [X.], [X.] 3752, in [X.] getreten am 1.1.2011; zum rechtlichen Rahmen der Fallpauschalenvergütung, insbesondere des Groupierungsvorgangs und zur Rechtsqualität des [X.] vgl B[X.] vom 8.11.2011 - [X.] KR 8/11 R - B[X.]E 109, 236 = [X.]-5560 § 17b [X.], Rd[X.]5 ff; B[X.] vom [X.] KR 39/17 R - [X.]-5562 § 9 [X.] Rd[X.]3, 17). Denn der Versicherte E war im konkreten Fall aufgrund seines Alters von seinerzeit nur 55 Jahren nicht [X.] zu behandeln.

Die Kodierung des [X.] (2011) 8-550 setzt nach der Rspr des [X.]enats eine geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung voraus, für die neben der typischen Multimorbidität regelmäßig ein Alter von 70 Jahren, zumindest aber ein Alter von 60 Jahren in Verbindung mit plausibilisierenden Angaben zu fordern ist (so B[X.] vom [X.] KR 21/14 R - [X.]-2500 § 109 [X.] Rd[X.]0). Hieran hält der [X.]enat in Anwendung der maßgeblichen Auslegungsgrundsätze fest.

Abrechnungsbestimmungen sind wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und allenfalls unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (vgl B[X.] vom 8.11.2011 - [X.] KR 8/11 R - B[X.]E 109, 236 = [X.]-5560 § 17b [X.], Rd[X.]7; B[X.] vom 16.7.2020 - [X.] KR 16/19 R - zur [X.] in [X.] vorgesehen, juris Rd[X.], jeweils mwN).

a) Alle [X.] (2011) 8-550, die sich im Weiteren nur anhand der Behandlungsdauer und der Anzahl der therapeutischen Einheiten unterscheiden, sind überschrieben als "geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlungen". [X.]ie formulieren nach dem einleitenden "Hinweis" als [X.] die "Neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitation (8-552 ff.), Fachübergreifende und andere Frührehabilitation (8-559 ff.) und die [X.] (8-563 ff.)" und setzen als eines der Mindestmerkmale eine "Behandlung durch ein geriatrisches Team unter fachärztlicher [X.] (Zusatzweiterbildung oder [X.]chwerpunktbezeichnung im Bereich Klinische Geriatrie erforderlich)" voraus.

[X.]chon anhand des Wortlauts der konkreten [X.]-Bezeichnung selbst, aber auch aus der Definition der Behandlungsleistung des geriatrischen Behandlungsteams folgt, dass es um eine geriatrische Behandlung der Patienten geht. Wann jedoch eine geriatrische Behandlung vorliegt, wird für den Bereich der Krankenhausvergütung nach wie vor weder durch den [X.] noch an anderer [X.]telle durch normative Vorgaben ausdrücklich definiert (vgl zum 2005 geltenden Recht schon ausführlich B[X.] vom [X.] KR 21/14 R - [X.]-2500 § 109 [X.] Rd[X.]). Aus der Begriffswahl "geriatrisch" folgt aber zwingend, dass das Alter des Patienten maßstabsbildend ist. [X.] Angaben dazu, wer im [X.]inne der [X.] (2011) 8-550 alt ist, ist jedoch dem [X.] nicht zu entnehmen. Dies ergibt sich auch nicht anhand eines vom [X.] ausdrücklich oder implizit in Bezug genommenen, normativ determinierten [X.] (dazu b) oder anhand eines faktisch bestehenden, einheitlichen wissenschaftlich-medizinischen [X.]prachgebrauchs (dazu c). Ergeben sich danach keine eindeutigen Ergebnisse, ist der allgemeinsprachliche Begriffskern maßgeblich (dazu d). Der Lösungsansatz des L[X.] verwendet dagegen einen vom [X.]-Wortlaut nicht gedeckten eigenständigen Maßstab (dazu e).

b) Geriatrie ist in einem allgemeinen Begriffsverständnis die Lehre von den Krankheiten des alternden Menschen (vgl [X.], unter "https://de.wikipedia.org/wiki/ Geriatrie"; vgl griechisch γέρων , [X.]ubstantiv: der Alte, der Greis, Adjektiv: [X.], betagt, https://www.gottwein.de/GrWk/Gr01.php?qu=%CE%B3%CE%AD%CF%81%CF%89%CE%BD&ab=Hui; beide abgerufen am 16.12.2020). Die [X.] ([X.]) übersetzt den Begriff der Geriatrie daher auch mit "Altersmedizin" (vgl die Ausführungen zu "Was ist Geriatrie" der Internetseite der [X.], abrufbar unter [X.], abgerufen am 16.12.2020; so im Übrigen auch [X.], https://de.wikipedia.org/wiki/Geriatrie).

Für das Krankenhausvergütungsrecht gibt es aber - nach wie vor und so auch im hier maßgeblichen Abrechnungszeitraum 2011 - keine normative Festlegung auf die Eingrenzung geriatrischer Behandlung (vgl anders im vertragsärztlichen Bereich die Vereinbarung nach § 118a [X.]B V [Geriatrische Institutsambulanzen - [X.]] idF aus der [X.]itzung des erweiterten [X.] gemäß § 118a [X.]B V vom [X.], dort § 2; dazu noch später). [X.] (2011) 8-550 setzt den Begriff der Geriatrie voraus, ohne ihn zu konkretisieren.

[X.]oweit dort auf die Zusatzweiterbildung oder [X.]chwerpunktbezeichnung "Klinische Geriatrie" abgestellt wird, können auch die [X.] der Landesärztekammern maßstabsbildend herangezogen werden, die jedoch ebenfalls keine Konkretisierung des Geriatriebegriffs enthalten: Die Zusatz-Weiterbildung Geriatrie umfasst nach der [X.] 2003 der [X.] in der 2011 maßgeblichen Fassung "in Ergänzung zu einer Facharztkompetenz die Vorbeugung, Erkennung, konservative und interventionelle Behandlung und Rehabilitation körperlicher und seelischer Erkrankungen im biologisch fortgeschrittenen Lebensalter mit dem Ziel der Erhaltung und Wiederherstellung größtmöglicher [X.]elbstständigkeit". [X.] ist ua der Erwerb von Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten in der [X.]ymptomatologie und funktionellen Bedeutung von Altersveränderungen sowie Erkrankungen und Behinderungen des höheren Lebensalters. Entsprechend sind auch die landesrechtlichen [X.] ausgestaltet (vgl nur die Regelungen der Weiterbildungsordnung der [X.] Ärzte und Ärztinnen vom 21.2.2005, hier in der maßgeblichen Fassung vom 1.9.2008). Entsprechendes gilt im Übrigen auch mit Blick auf die [X.] derjenigen Bundesländer, die mittlerweile einen Facharzt für Innere Medizin und Geriatrie eingerichtet haben.

[X.]ystematisch lässt sich [X.] (2011) 8-550 darüber hinaus entnehmen, dass die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung von den anderen frührehabilitativen Komplexbehandlungen (insbesondere der neurologisch-neurochirurgisch bedingten Frührehabilitation) abzugrenzen ist. Daraus lässt sich jedoch unmittelbar ebenfalls nur ableiten, dass die Komplexbehandlung nach Maßgabe von [X.] (2011) 8-550 altersbedingt erfolgen muss, ohne im Weiteren Abgrenzungskriterien vorzugeben (vgl entsprechend schon B[X.] vom [X.] KR 21/14 R - [X.]-2500 § 109 [X.] Rd[X.]6). Konkretisierungen lassen sich im Übrigen weder der [X.] entnehmen, noch ergibt sich anhand des 2011 geltenden ICD-10-GM-Katalogs eine Eingrenzung geriatrischer Behandlungsfälle. [X.]chließlich legt auch das landesrechtliche Krankenhausplanungsrecht für das hier maßgebliche Jahr 2011 keine präzisen, bundeseinheitlichen Vorgaben für begründende Grenzen zugrunde.

Der Blick in die vertragsärztlichen Vergütungsregelungen führt ebenfalls nicht weiter. Dabei bleibt dahingestellt, ob und inwieweit überhaupt die unterschiedlichen Regelungskreise in diesem Zusammenhang eine gegenseitige Maßstabsbildung erlauben (vgl zur grundsätzlich bereichsspezifischen Ausgestaltung der Regelungen zB B[X.] vom [X.] - B 3 KR 16/16 R - B[X.]E 123, 268 = [X.]-2500 § 129 [X.], Rd[X.]8). Denn der für das vorliegende Abrechnungsjahr 2011 relevante Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) enthielt ohnehin nur in 03240 ([X.]) eine einzelne Ausgestaltung geriatrischer Behandlung. Dieser waren jedoch keinerlei definitorische Ansätze, sondern nur Behandlungsformen zu entnehmen. [X.]oweit mittlerweile sowohl für die hausärztliche ambulante Behandlung als auch für die hinzugetretenen geriatrischen Institutsambulanzen nach § 118a [X.]B V ([X.]) Eingrenzungskriterien für die Abrechenbarkeit einer geriatrischen Behandlung existieren, sind diese für den hier maßgeblichen Abrechnungszeitraum nicht relevant. Zudem sind sie nicht einheitlich konzipiert. Die Vereinbarung nach § 118a [X.]B V zur [X.] (idF aus der [X.]itzung des erweiterten [X.] vom [X.]) gibt in "§ 2 Patientengruppe" vor, dass nur Patienten in Betracht kommen, die "aufgrund ihrer geriatrietypischen Multimorbidität einen dringenden ambulanten Versorgungsbedarf haben (…) und die die folgenden Kriterien erfüllen: 1. ein höheres Lebensalter (ab vollendetem 70. Lebensjahr) und 2. geriatrietypische Morbidität (…)." Dagegen ist die Definition in Ziffer "3.2.4 Hausärztliche geriatrische Versorgung" EBM weiter gefasst. Voraussetzung für die Abrechenbarkeit der Gebührenordnungspositionen 03360 und 03362 ist danach, dass Patienten entweder ein "Höheres Lebensalter" (ab vollendetem 70. Lebensjahr) (haben) und "geriatrietypische Morbidität (…) und/oder (…) einen Pflegegrad" aufweisen, oder - "auch bei Patienten, die das 70. Lebensjahr noch nicht vollendet haben" - an bestimmten Krankheiten (Demenz, Alzheimer, [X.]) erkrankt sind. [X.]chon aufgrund ihrer unterschiedlichen Ansätze könnte aus diesen Vorgaben kein Maßstab für das Krankenhausvergütungsrecht gewonnen werden. Vor allem aber wird deutlich, dass der Begriff der Geriatrie in unterschiedlichen Kontexten unterschiedlichen Definitionen zugänglich ist und solche definitorischen Vorgaben auch geschaffen worden sind, an denen es für den Bereich der Krankenhausvergütung aber gerade fehlt.

c) Der mangels normativer definitorischer Vorgaben maßgebliche Grundsatz, dass medizinische Begriffe im [X.]inne ihres medizinisch-wissenschaftlichen [X.]prachgebrauchs zu verstehen sind (vgl B[X.] vom 19.7.2012 - [X.] KR 65/11 B - [X.]-1500 § 160a [X.] Rd[X.]8; B[X.] vom [X.] KR 21/14 R - [X.]-2500 § 109 [X.] Rd[X.]8), führt ebenfalls nicht zu einem klaren Maßstab.

Der vom [X.] herausgegebene [X.] ist dadurch charakterisiert, dass er Operationen und Prozeduren unter Verwendung medizinischer Begriffe definiert und strukturiert. Die Inkorporierung dieser Klassifikation in die Vergütungsvorschriften bedeutet, dass den medizinischen Begriffen des [X.] der [X.]inngehalt zukommt, der ihnen im medizinisch-wissenschaftlichen [X.]prachgebrauch beigemessen wird. Anderes gilt nur, soweit die Vertragsparteien etwas anderes ausdrücklich bestimmen, was hier nicht erfolgt ist. Dieser den Regelungsgehalt determinierende [X.]prachgebrauch kann wie eine Tatsache als Vorfrage für die Auslegung im gerichtlichen Verfahren durch Beweiserhebung ermittelt werden (vgl B[X.] vom 19.7.2012 - [X.] KR 65/11 B - [X.]-1500 § 160a [X.] Rd[X.]8; B[X.] vom [X.] KR 21/14 R - [X.]-2500 § 109 [X.] Rd[X.]8).

Eine klare medizinisch-wissenschaftliche Übereinkunft darüber, an welches Verständnis vom Alter eine geriatrische Behandlung gebunden ist, ist von vornherein nicht erkennbar. Nach der [X.] ist Geriatrie der Zweig der Medizin, der sich mit der Gesundheit im Alter sowie den präventiven, klinischen, rehabilitativen und [X.] Aspekten von Krankheiten "beim älteren Menschen" beschäftigt (vgl [X.], [X.], 1989). Die [X.], die [X.] ([X.]G) sowie die [X.] ([X.]) haben 2007 gemeinsam eine Definition des geriatrischen Patienten ausgearbeitet, die auf eine "geriatrietypische Multimorbidität" und "ein höheres Lebensalter (überwiegend 70 Jahre oder älter)" oder "auf ein Alter größer oder gleich 80 Jahren" und eine "alterstypisch erhöhte Vulnerabilität" abstellt (vgl die Ausführungen zu "Was ist Geriatrie" der Internetseite der [X.], [X.], abgerufen am 16.12.2020; vgl dazu auch "Was ist Geriatrie" der Expertenkommission der [X.], 1991). Einen etwas anderen [X.]chwerpunkt setzt die Definition der Geriatric Medicine [X.]ection der Union Européenne des Médicins [X.]pécialistes (UEM[X.]; vgl die am [X.] in [X.] formulierte und am [X.] in [X.] konsentierte Definition: http://www.uemsgeriatricmedicine.org/documents/important_documents/geriatric_
medicine_definition_english_and_french.pdf; abgerufen am 16.12.2020). Danach ist Geriatrie die medizinische [X.]pezialdisziplin, die sich mit physischen, psychischen, funktionellen und [X.] Aspekten bei der medizinischen Betreuung älterer Menschen befasst. Hauptziel der Behandlung sei die Optimierung des funktionellen [X.]tatus des älteren Patienten mit Verbesserung der Lebensqualität und Autonomie. Die geriatrische Medizin sei zwar nicht spezifisch altersdefiniert; sie konzentriere sich jedoch auf typische bei älteren Patienten gefundene Erkrankungen. Die meisten Patienten seien über 65 Jahre alt. Patienten, die am meisten von der geriatrischen [X.]pezialdisziplin profitierten, seien in der Regel 80-jährig und älter. Anhand dieser Definitionen wird ein [X.] deutlich, ohne diesen jedoch hinreichend zu konkretisieren (vgl insbesondere die UEM[X.]: "nicht spezifisch altersdefiniert").

d) In einer solchen Konstellation ist es vornehmlich Aufgabe des [X.], bzw jetzt des [X.], Klassifikationen, die funktionsbedingt einen hohen fachsprachlichen Grad aufweisen müssen, so präzise zu formulieren, dass ihre Bedeutung für den jeweiligen Fachkreis ohne Weiteres ersichtlich ist. Daneben bleibt es den Vertragsparteien unbenommen, auch jenseits des § 19 [X.] Auslegungsprobleme vertraglich verbindlich zu regeln, wenn der Klassifikationsgeber diesen Anforderungen nicht entsprochen hat.

[X.]olange es daran aber fehlt und sich wie hier kein eindeutiges fachliches Verständnis des verwendeten Wortes ermitteln lässt, ist der Begriffskern des Wortes maßgeblich, wie er sich nach allgemeinem [X.]prachgebrauch ergibt. Dies gebietet der Vorrang der engen Wortlautauslegung. Der [X.]enat verbleibt unter diesem Gesichtspunkt bei seiner Rechtsauffassung, dass die geriatrische Behandlung eine Altersuntergrenze von mindestens 60 Jahren zwingend voraussetzt. Ihrem Begriffskern nach kann eine "Altersbehandlung" ("geron": der Alte, der Greis, [X.], betagt, s oben) nur Personen betreffen, die in einem gesamtgesellschaftlichen Konsens als "alt" angesehen werden können. Dies gilt frühestens für jemanden, der das "letzte Drittel" seines Lebens beginnt (vgl mit diesem Konsens auch die [X.], Problems of the Elderly and the Aged, Dokument [X.]/129, 1980). Unter der Mindestgrenze von 60 Jahren ist nach einem einfachen [X.]verständnis von einer "Altersbehandlung" demgegenüber nicht auszugehen.

Dass diese Grenze insgesamt einen zutreffenden Maßstab bildet, wird nicht zuletzt dadurch belegt, dass bis jetzt eine dieses Normverständnis ändernde Definition weder durch das [X.] formuliert noch durch die Vertragsparteien vereinbart worden ist. [X.]ie entspricht einem allgemeinen Verständnis von Alter, das zugleich eine rechtssicher zu handhabende Abgrenzung im [X.] schafft. Angesichts neuerer Definitionen zB in § 2 der Vereinbarung nach § 118a [X.]B V (s zuvor) wird im Übrigen deutlich, dass die Anknüpfung an das Alter von mindestens 60 Jahren nicht zu eng gefasst ist.

e) Demgegenüber ist die vom L[X.] vorgeschlagene Einbeziehung eines auch "vorgealterten" Menschen nicht im eigentlichen [X.] des "alten Menschen" angelegt. Auch das L[X.] geht im Ergebnis nämlich nicht davon aus, dass [X.] alle Personen unter eine geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung fallen, wenn das Krankenhaus sie infolge Multimorbidität geriatrisch behandelt hat. Das L[X.] stellt vielmehr einen eigenen - freihändig festgesetzten - Maßstab der Voralterung auf. Gerade dieser Maßstab führte aber nicht zum Wegfall notwendiger Konkretisierungen, sondern zöge das Bedürfnis nach weiteren Kriterien nach sich, die noch weniger in einem einfachen Wortverständnis angelegt sind. Es wäre dann insbesondere zu klären, auf welches Alter die "Voralterung" zu beziehen wäre, wie geriatrische zu anderen frührehabilitativen Komplexbehandlungen abzugrenzen sind, ob man die Voralterung an spezifischen Krankheitsbildern festmachen muss und ob im Ergebnis nicht doch auch unter Einbeziehung starker Voralterung eine irgendwie festzulegende Altersgrenze erforderlich ist, um beispielsweise infolge Drogenkonsums stark vorgealterte Jugendliche oder junge Erwachsene von der Behandlung auszuschließen. [X.]olche Folgefragen wären freischöpfend zu beantworten, ohne dass sich hierfür Maßstäbe aus dem [X.] ergäben (vgl mit diesem Einwand unklarer Folgefragen auch B[X.] vom 27.10.2020 - [X.] KR 12/20 R - "Verlegung", zur [X.] in [X.] vorgesehen).

2. Einwendungen und Einreden gegen den daher bestehenden Erstattungsanspruch greifen nicht durch. Die Krankenkasse leistete nicht in Kenntnis ihrer Nichtschuld (dazu a). Ihr kann nicht das prüfrechtliche Beschleunigungsgebot (dazu b) entgegengehalten werden. Ihre Forderung war auch weder verjährt (dazu c) noch stand ihr der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen (dazu d). [X.]chließlich folgt auch aus landesrechtlichen Regelungen nichts anderes (dazu e).

a) Die Erstattung ohne Rechtsgrund gezahlter Krankenhausvergütung ist nicht in entsprechender Anwendung des § 814 BGB ausgeschlossen. Unabhängig davon, ob diese Vorschrift im Verhältnis zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen überhaupt anwendbar ist (vgl dazu zuletzt B[X.] vom 16.7.2020 - [X.] KR 15/19 R - juris Rd[X.] 31, zur [X.] in B[X.]E und [X.] vorgesehen), fehlte es hier ohnehin an den erforderlichen Voraussetzungen. Die Krankenkasse zahlte die Krankenhausvergütung nach den [X.], den [X.]enat bindenden Feststellungen des L[X.] (§ 163 [X.]G) nicht in Kenntnis ihrer Nichtschuld.

b) Auch § 275 Abs 1c [X.]B V (idF des Gesetzes zur [X.]tärkung des [X.] in der gesetzlichen Krankenversicherung <GKV-W[X.]> vom 26.3.2007, [X.]; "prüfrechtliches Beschleunigungsgebot") steht der Geltendmachung einer Erstattung des zu Unrecht gezahlten Betrages nicht entgegen. Die Regelung findet hier keine Anwendung, weil es sich um eine sachlich-rechnerische Prüfung der Richtigkeit der Krankenhausabrechnung handelt, die einem eigenen Prüfregime unterliegt und nicht von § 275 Abs 1c [X.]B V erfasst ist (stRspr; vgl B[X.] vom 16.7.2020 - [X.] KR 15/19 R - juris Rd[X.]1 ff, zur [X.] in B[X.]E und [X.] vorgesehen; grundlegend in der Begründung: B[X.] vom 25.10.2016 - [X.] KR 22/16 R - B[X.]E 122, 87 = [X.]-2500 § 301 [X.]). Die Krankenkasse durfte daher die Krankenhausbehandlung eines nur 55-Jährigen neu bewerten. Ungeachtet dessen handelt es sich bei dem Geburtsdatum des Versicherten E nicht um ein Datum, das sich allein aus den Behandlungsunterlagen des Krankenhauses ergibt. Insoweit greift die Ausschlussfrist des § 275 Abs 1c [X.]atz 2 [X.]B V ohnehin nicht ein.

c) Das Krankenhaus kann dem Anspruch der Krankenkasse auch nicht die Verjährung der Erstattungsforderung entgegenhalten. Der Anspruch einer Krankenkasse gegen einen Krankenhausträger auf Erstattung einer zu Unrecht gezahlten Vergütung unterlag nach Maßgabe des im konkreten Behandlungsfall noch gültigen Rechts einer vierjährigen Verjährung (stRspr; vgl zB B[X.] vom 13.11.2012 - [X.] KR 24/11 R - B[X.]E 112, 141 = [X.]-2500 § 275 [X.], Rd[X.] 39; B[X.] vom [X.] - B 3 KR 12/06 R - B[X.]E 98, 142 = [X.]-2500 § 276 [X.], Rd[X.]5; zur Verjährung des Vergütungsanspruchs vgl ausführlich B[X.] vom [X.] - [X.] KR 11/15 R - [X.]-2500 § 69 [X.] Rd[X.]1 ff). Die Verjährung der streitigen Erstattungsforderung, die bereits im Augenblick der Überzahlung entstanden ist (vgl zB B[X.] vom [X.] - [X.] KR 7/15 R - [X.]-7610 § 242 [X.] Rd[X.]5; B[X.] vom [X.] - 6 [X.] 9/89 - B[X.]E 69, 158, 163 = [X.] 3-1300 § 113 [X.]), begann nach Ablauf des Jahres 2011 (§ 45 Abs 1 [X.]B I). Die Krankenkasse hat am 23.12.2015 vor Eintritt der Verjährung Klage erhoben (§ 90 [X.]G) und hierdurch den Eintritt der Verjährung der Forderung gehemmt (§ 45 Abs 2 [X.]B I analog iVm § 204 Abs 1 [X.] BGB). Die mittlerweile geltende verkürzte Verjährungsfrist von zwei Jahren nach Maßgabe von § 109 Abs 5 [X.]B V (idF durch Art 7 [X.]a Gesetz zur [X.]tärkung des Pflegepersonals vom 11.12.2018, [X.], mWv 1.1.2019) findet vorliegend keine Anwendung. Die Krankenkasse hat die vor dem 1.1.2017 entstandene Forderung bis zum 9.11.2018 (vgl § 325 [X.]B V) gerichtlich geltend gemacht, nämlich am 23.12.2015 (vgl entsprechend B[X.] vom [X.] - [X.] KR 5/19 R - B[X.]E 128, 65 = [X.]-2500 § 129a [X.], Rd[X.] 38).

d) Der Forderung stand nicht der Einwand unzulässiger Rechtsausübung (§ 69 Abs 1 [X.]atz 3 [X.]B V iVm dem in § 242 BGB verankerten Grundsatz von Treu und Glauben) entgegen.

aa) Zu Recht hat das L[X.] entschieden, dass der geltend gemachte Erstattungsanspruch nicht verwirkt ist. Krankenkassen haben grundsätzlich Anspruch auf Erstattung innerhalb der Verjährungsfrist vorbehaltlos, aber zu Unrecht, gezahlter Vergütungen. Das [X.] passt als ergänzende Regelung innerhalb der kurzen (hier noch vierjährigen) Verjährungsfrist grundsätzlich nicht. Es findet nur in besonderen, engen Ausnahmekonstellationen Anwendung (vgl B[X.] vom 12.11.2013 - [X.] KR 56/12 R - [X.]-2500 § 264 [X.] 4 Rd[X.]5-16; B[X.] vom 13.11.2012 - [X.] KR 24/11 R - B[X.]E 112, 141 = [X.]-2500 § 275 [X.], Rd[X.] 37 mwN; B[X.] vom 1.7.2014 - [X.] KR 2/13 R - juris Rd[X.]8). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.

Die vorbehaltlose Zahlung nach Rechnungstellung stellt keine solche Ausnahmekonstellation dar. Nach der [X.] Feststellung des L[X.] (§ 163 [X.]G) traf die Krankenkasse eine sofortige Zahlungsverpflichtung, weil nach § 12 des am 1.1.2003 in [X.] getretenen Vertrags "Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung" vom 19.12.2002 zwischen der [X.] und unter anderem der [X.], einer Rechtsvorgängerin der klagenden Krankenkasse (Vertrag nach § 112 [X.]B V <[X.]>), [X.] mit dem Vorliegen aller Daten nach § 301 [X.]B V innerhalb einer Frist von 15 Arbeitstagen zu zahlen sind, ohne dass auch später mögliche Beanstandungen aufschiebende Wirkung hinsichtlich der Zahlungsverpflichtung hätten (§ 11 Abs 2 [X.]atz 4 des Vertrags nach § 112 [X.]B V). Das L[X.] hat weiter festgestellt, dass [X.]achverhalte, die die Krankenkasse vorübergehend berechtigten, die Zahlung zu verweigern (§ 11 Abs 2 [X.]atz 6 des Vertrags nach § 112 [X.]B V), nicht vorlagen.

Auch der bloße [X.]ablauf stellt kein die Verwirkung begründendes Verhalten dar. Der Umstand, dass die Krankenkasse bis kurz vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist mit der Geltendmachung ihrer Forderung gewartet hat, genügt deshalb nicht. Nichtstun, also Unterlassen, kann ein schutzwürdiges Vertrauen in Ausnahmefällen allenfalls dann begründen und zur Verwirkung des Rechts führen, wenn der [X.]chuldner dieses als bewusst und planmäßig erachten darf (stRspr; vgl nur B[X.] vom [X.] - [X.] KR 7/15 R - [X.]-7610 § 242 [X.] Rd[X.]9; B[X.] vom [X.] KR 26/14 R - B[X.]E 119, 150 = [X.]-5560 § 17c [X.] 3, Rd[X.] 48-49). Dafür gibt der vorliegende [X.]achverhalt jedoch keine Anhaltspunkte her. Das L[X.] hat im Übrigen zutreffend darauf hingewiesen, dass frühere Rspr des 3. [X.]enats des B[X.] nicht mehr relevant ist, weil dieser für das Leistungserbringungsrecht der Krankenhäuser nicht mehr zuständig ist (vgl B[X.] vom [X.] - [X.] KR 7/15 R - [X.]-7610 § 242 [X.] Rd[X.]0).

bb) Der Einwand unzulässiger Rechtsausübung kommt auch unter sonstigen, nicht im Verhalten der klagenden Krankenkasse wurzelnden [X.] nicht in Betracht (vgl mit diesem Gesichtspunkt B[X.] vom 16.7.2020 - [X.] KR 15/19 R - zur [X.] in B[X.]E und [X.] vorgesehen, juris Rd[X.]1). Ein Vertrauen des Krankenhauses in die richtige Kodierung der [X.] (2011) [X.] konnte sich nicht bilden, weil es weder eine langjährige gemeinsame Praxis von Krankenhäusern und Krankenkassen zur Kodierung und Anerkennung des [X.] (2011) 8-550 auch bei unter 60-Jährigen gab, noch eine solche Praxis durch höchstrichterliche Rspr gebilligt worden war.

Im Verhältnis zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern sind Leistungen im Grundsatz so zu fordern und zu gewähren, wie es der materiellen Rechtslage nach der Auslegung durch die höchstrichterliche Rspr des B[X.] entspricht. Dieser Grundsatz strikter Maßgeblichkeit der materiellen Rechtslage kann ausnahmsweise durch Grundsätze des Vertrauensschutzes modifiziert werden. Die Rechtsordnung sanktioniert widersprüchliches Verhalten eines Beteiligten nicht grundsätzlich mit einem automatischen [X.]. Widersprüchliches Verhalten ist erst dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (vgl B[X.] vom 19.4.2016 - [X.] KR 33/15 R - B[X.]E 121, 101 = [X.]-2500 § 109 [X.] 57, Rd[X.]0 mwN). Dies kann auch im Verhältnis von Krankenhausträgern und Krankenkassen auftreten, da diese allgemein durch § 4 Abs 3 [X.]B V und besonders durch den dauerhaften Vertragsrahmen des Leistungserbringungssystems in der Grundsituation vertrauensvoller Zusammenarbeit und gegenseitiger Rücksichtnahme im Interesse der zu versorgenden [X.] zu einer engen professionellen Kooperation verpflichtet sind (vgl B[X.] vom [X.] - [X.] KR 11/09 R - [X.]-2500 § 109 [X.]9 Rd[X.]0; B[X.] vom 18.7.2013 - B 3 KR 22/12 R - [X.]-2500 § 276 [X.] Rd[X.]5). In diesem Rahmen sind beide [X.]eiten rechtlich verpflichtet und auch faktisch gezwungen, sich bei der konkretisierenden Umsetzung gesetzlicher und untergesetzlicher Normen einschließlich der [X.] miteinander abzustimmen. Der [X.]chutz des Vertrauens von Krankenkassen und Krankenhäusern in von ihnen dabei eingeübte Verfahrensweisen ist dabei umso stärker, je länger und einvernehmlicher die Verfahrensweisen praktiziert werden, je bedeutsamer sie sind, und wenn sie zugleich bereits über längere [X.] eine höchstrichterliche Billigung erfahren haben (vgl B[X.] vom 16.7.2020 - [X.] KR 15/19 R - zur [X.] in B[X.]E und [X.] vorgesehen, juris Rd[X.]1).

Ein schutzwürdiges Vertrauen des Krankenhauses dahingehend, dass auch für Patienten unter 60 Jahren der [X.]-550 kodiert werden kann, bestand nicht. Ein solches Vertrauen hatte sich für [X.] zu dieser Frage nicht gebildet (aA L[X.] Berlin-Brandenburg vom 26.8.2020 - [X.] 462/17 - juris Rd[X.]; dazu anhängig [X.] KR 31/20 R). Die Entscheidung des B[X.] vom 23.6.2015 ([X.] KR 21/14 R - [X.]-2500 § 109 [X.]), in der das B[X.] erstmals entschieden hat, dass die Kodierung des [X.]-550 einen mindestens 60-jährigen Patienten voraussetzt, ist die erste Entscheidung, die zu den Voraussetzungen einer geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung ergangen ist. [X.]ie ist darüber hinaus auch die erste höchstrichterliche Entscheidung, die sich überhaupt mit dem Begriff der geriatrischen Behandlung auseinandersetzt. Eine Abkehr von gefestigter, anders lautender und daher ggf vertrauensbildender höchstrichterlicher Rspr liegt daher nicht vor. Unabhängig davon enthielten bereits die ersten Auslegungshinweise des [X.] Geriatrie des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zur Auslegung des Begriffs "geriatrisch" im [X.]-550 (Version 2005) die Einschränkung, dass für die Anwendung einer geriatrischen Komplexbehandlung in der Regel ein Alter von 70 Jahren, zumindest jedoch ein Alter von 60 Jahren erforderlich sei. Auch wenn nicht alle Krankenkassen diese Auslegungshilfe offenbar berücksichtigt haben, zeigt dies doch, dass die Frage nach einem Mindestalter zur Kodierung der [X.]-550 frühzeitig adressiert und aufgeworfen war.

e) Der Krankenkasse ist schließlich auch landesvertraglich nicht verwehrt, diesen Anspruch geltend zu machen. Insbesondere folgt dies nicht aus der Regelung in § 11 Abs 2 [X.]atz 1 des Vertrags nach § 112 [X.]B V vom 19.12.2002 ([X.]), wonach Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art auch nach Bezahlung der Rechnung (nur) innerhalb von sechs Monaten geltend gemacht werden können, nachdem die in § 301 [X.]B V vorgeschriebenen Daten der Krankenkasse zugeleitet worden sind. Die Zahlungsregelung des § 11 Abs 2 [X.] ist nämlich nichtig (vgl B[X.] vom 19.11.2019 - [X.] KR 10/19 R - [X.]-2500 § 109 [X.]0 Rd[X.] 9).

3. [X.], die auch den Teilunterwerfungsvergleich hinsichtlich der zunächst geltend gemachten Zinsforderung einbezieht, folgt dem Ergebnis in der [X.]ache und ergibt sich aus § 197a Abs 1 [X.]atz 1 Teilsatz 3 [X.]G iVm § 155 Abs 1 [X.]atz 3 VwGO. Die Festsetzung des [X.]treitwerts beruht auf § 197a Abs 1 [X.]atz 1 Teilsatz 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.

Meta

B 1 KR 21/20 R

17.12.2020

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Hamburg, 23. Januar 2018, Az: S 8 KR 2154/15, Urteil

Nr 8-550.1 OPS 2011, § 109 Abs 4 S 3 SGB 5, § 112 SGB 5, § 301 Abs 2 S 2 SGB 5, § 17b Abs 2 KHG, § 7 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG, § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG, Anl 1 Teil a Nr K44Z FPVBG 2011, Anl 1 Teil a Nr K60B FPVBG 2011, § 242 BGB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 17.12.2020, Az. B 1 KR 21/20 R (REWIS RS 2020, 2269)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2269

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 1 KR 31/20 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung - Krankenhausvergütung - Bestätigung der Abrechnung durch MDK und Bezahlung des Rechnungsbetrags - nachträgliche …


B 1 KR 21/14 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung - Vergütungsanspruch des Krankenhauses gegen die Krankenkasse - keine geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung für unter …


B 1 KR 4/15 R (Bundessozialgericht)


S 22 KR 336/14 (Sozialgericht Halle)


B 1 KR 25/13 R (Bundessozialgericht)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.