Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.10.2011, Az. I R 15/11

1. Senat | REWIS RS 2011, 2449

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Gegenstand

Dauer des Aufenthalts nach der 183-Tage-Regelung gemäß Art. 13 Abs. 4 Nr. 1 DBA-Frankreich


Leitsatz

Bei der Berechnung der Dauer des Aufenthalts nach der 183-Tage-Regelung gemäß Art. 13 Abs. 4 Nr. 1 DBA-Frankreich sind nur solche Tage zu berücksichtigen, an denen sich der Arbeitnehmer tatsächlich ("physisch") im Tätigkeitsstaat aufgehalten hat. Soweit der von der deutschen und der französischen Finanzverwaltung getroffenen Verständigungsvereinbarung vom 16. Februar 2006 (s. BMF-Schreiben vom 3. April 2006, BStBl I 2006, 304) Abweichendes zu entnehmen sein sollte, bindet dies die Rechtsprechung nicht (Anschluss an die ständige Spruchpraxis des Senats).

Tatbestand

1

I. Streitig ist die Berechnung der Dauer des Aufenthalts nach der sog. 183-Tage-Klausel gemäß Art. 13 Abs. 4 des Abkommens zwischen der [X.] und der [X.] zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 21. Juli 1959 ([X.] 1961, 398, BStBl I 1961, 343), zuletzt geändert durch das Zusatzabkommen vom 20. Dezember 2001 ([X.] 2002, 2372, [X.], 892) --DBA-[X.]-- in den Streitjahren 2001 und 2002.

2

Der verheiratete Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein [X.] Staatsangehöriger, hatte in den Streitjahren seinen einzigen Wohnsitz in [X.] (im sog. Grenzgebiet [X.]s gemäß Art. 13 Abs. 5 Buchst. b DBA-[X.] in Verbindung mit dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen --BMF-- vom 1. Juli 1985, [X.], 310). Er war für seinen in [X.] ansässigen Arbeitgeber, der im Inland weder eine Betriebsstätte noch eine feste Einrichtung hat, als Monteur auch in [X.] tätig (2001: an 166 Werktagen; 2002: an 157 Werktagen). Dazu pendelte er täglich zwischen seinem Wohnsitz und der jeweiligen Einsatzstelle in [X.], die sich an mehr als 45 Tagen im jeweiligen Jahr außerhalb des sog. [X.] von [X.] ([X.]. 13 Abs. 5 Buchst. b DBA-[X.] in Verbindung mit dem BMF-Schreiben vom 11. Juni 1996, [X.], 645) befand. Der Kläger arbeitete von Montag bis Freitag; am Wochenende hielt er sich nicht im Inland auf. Die Besteuerung seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit erfolgte ohne Abzug einer [X.] Lohnsteuer in [X.].

3

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) zog den Kläger unter Hinweis auf Art. 13 Abs. 1 DBA-[X.] zur Einkommensteuer heran: Der Kläger habe sich länger als 183 Tage im Inland aufgehalten. Denn nach einer zwischen [X.] und [X.] getroffenen Verständigungsvereinbarung würden "bei der Berechnung der Aufenthaltsdauer ... Sonn- und Feiertage, Urlaubs- und Krankheitstage und kurze Unterbrechungen im Zusammenhang mit Reisen in den Heimatstaat oder in dritte Länder als Tage des Aufenthalts im Beschäftigungsland mitgezählt, soweit sie im Rahmen bestehender Arbeitsverhältnisse anfallen und unter Berücksichtigung der Umstände, unter denen sie stattfinden, nicht als Beendigung des vorübergehenden Aufenthalts angesehen werden können" (BMF-Schreiben vom 20. Februar 1980, [X.], 88, später abgelöst durch die Vereinbarung vom 16. Februar 2006, s. BMF-Schreiben vom 3. April 2006, [X.], 304). Daher sei mit dem Beginn einer mehrtägigen Tätigkeit an dem gleichen Einsatzort jeweils ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt in [X.] [X.]. 13 Abs. 4 Nr. 1 DBA-[X.] begründet worden. Dieser Aufenthalt habe nicht durch die tägliche Rückkehr nach [X.], sondern erst mit dem Abschluss der Tätigkeit an diesem Einsatzort geendet, so dass auch die zwischen dem Einsatzbeginn und dem Einsatzende liegenden Wochenenden und Feiertage mit zu berücksichtigen seien, und zwar unabhängig davon, ob sich der Kläger tatsächlich im Inland aufgehalten habe. Der Kläger habe sich nach dieser Zählweise im Jahr 2001 an 192 Tagen und im Jahr 2002 an 185 Tagen im Inland aufgehalten. Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg ([X.], [X.], Urteil vom 12. Januar 2011  2 K 73/07, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2011, 1246).

4

Das [X.] rügt mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

5

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zutreffend darauf erkannt, dass der vom Kläger in den Streitjahren erzielte Arbeitslohn, der auf eine Tätigkeit in [X.] entfällt, in [X.] nicht zu besteuern ist.

7

1. Der nach der Maßgabe des Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a [X.]-[X.] in [X.] ansässige Kläger war in den Streitjahren gemäß § 1 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG in [X.] beschränkt steuerpflichtig, da er --ohne einen inländischen Wohnsitz i.S. des § 8 der Abgabenordnung ([X.]) oder einen gewöhnlichen Aufenthalt i.S. des § 9 [X.] im Inland zu haben-- mit seiner in [X.] ausgeübten Tätigkeit als Arbeitnehmer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt hat. Dies folgt aus den für den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) und ist unter den Beteiligten nicht in Streit.

8

2. Die Ausübung des hiernach bestehenden inländischen Besteuerungsrechts für die Einkünfte, die aus der Tätigkeit des [X.] in [X.] herrühren, war aber abweichend von der Grundregel des Art. 13 Abs. 1 Satz 1 [X.]-[X.] durch Art. 13 Abs. 4 [X.]-[X.] ausgeschlossen; die Einkünfte unterliegen ausschließlich einer Besteuerung in [X.].

9

a) Nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 [X.]-[X.] können Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vorbehaltlich der Vorschriften "der nachstehenden Absätze" nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem die persönliche Tätigkeit, aus der die Einkünfte herrühren, ausgeübt wird. Art. 13 Abs. 4 [X.]-[X.] sieht in der ab dem 1. Januar 1990 geltenden Fassung des [X.] vom 28. September 1989 ([X.] 1990, 771, [X.], 414) "ungeachtet des Absatzes 1" eine Besteuerung "nur" im Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers vor, wenn sich der Empfänger im jeweiligen Steuerjahr im [X.] insgesamt nicht länger als 183 Tage aufgehalten hat (Nr. 1), sein Arbeitgeber nicht im Inland ansässig war (Nr. 2) und die Vergütungen nicht von einer Betriebsstätte oder einer festen Einrichtung des Arbeitgebers im [X.] getragen wurden (Nr. 3). Art. 13 Abs. 5 Buchst. a [X.]-[X.] sieht wiederum "abweichend von den Absätzen 1 ... und 4" eine Besteuerung sog. Grenzgänger unter bestimmten Voraussetzungen nur im Ansässigkeitsstaat vor.

b) Die Voraussetzungen für die Sonderregelung für Grenzgänger des Art. 13 Abs. 5 [X.]-[X.] sind nicht erfüllt. Denn der Kläger war in [X.] auch außerhalb des in Art. 13 Abs. 5 Buchst. b [X.]-[X.] umschriebenen [X.] Grenzgebiets (s. dazu [X.]-Schreiben in [X.], 645) tätig; dabei überschritt der zeitliche Umfang dieser Tätigkeit die in einer Verständigungsvereinbarung der Vertragsstaaten ([X.]-Schreiben in [X.], 88; später [X.]-Schreiben in [X.], 304) angeführte Anzahl der "unschädlichen" 45 Tage im jeweiligen Jahr (zur Rechtmäßigkeit des Rückgriffs auf die Verständigungsvereinbarungen zwischen den Vertragsparteien in dieser Frage s. Senatsurteile vom 11. November 2009 [X.], [X.], 410, [X.], 390; vom 17. März 2010 [X.]/08, [X.], 1634). Auch insoweit besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.

c) Es unterliegt ebenfalls keinem Streit der Beteiligten, dass die in Art. 13 Abs. 4 Nr. 2 und 3 [X.]-[X.] angeführten Voraussetzungen erfüllt sind. Der Arbeitgeber des [X.] war in [X.] ansässig und unterhielt in [X.] weder eine Betriebsstätte noch eine feste Einrichtung. Das [X.] hat darüber hinaus ohne Rechtsfehler angenommen, dass sich der Kläger [X.]. 13 Abs. 4 Nr. 1 [X.]-[X.] im [X.] insgesamt nicht länger als 183 Tage während des jeweiligen [X.] aufgehalten hat. Zur Berechnung der Dauer des inländischen Aufenthalts war insoweit nur auf Tage zurückzugreifen, an denen sich der Kläger tatsächlich in [X.] aufgehalten hat.

aa) Der Anwendung des Art. 13 Abs. 4 Nr. 1 [X.]-[X.] steht zunächst nicht entgegen, dass der Kläger nach den den Senat bindenden Feststellungen des [X.] arbeitstäglich an seinen Wohnsitz in [X.] zurückgekehrt ist. Auch wenn ein Aufenthalt in [X.] arbeitstäglich gesehen nur ein stundenweiser ist, ist dieser von einer solchen Regelung erfasst (Senatsurteil vom 10. Juli 1996 [X.], [X.], 158, [X.] 1997, 15; s.a. [X.]-Schreiben vom 14. September 2006, [X.], 532 [X.] 40; [X.], Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., [X.] 16.431, m.w.N.).

bb) Das Abkommen enthält keine Definition des Tatbestandsmerkmals "sich aufhalten". Eine verbindliche Festlegung lässt sich auch dem nationalen Steuerrecht, das über Art. 2 Abs. 2 [X.]-[X.] herangezogen werden kann, nicht entnehmen. Jedenfalls ist, wie der Senat schon im Zusammenhang mit einer vergleichbaren Vorschrift im Senatsurteil in [X.], 158, [X.] 1997, 15 entschieden hat, § 9 [X.] nicht maßgebend, da der Zusammenhang eine andere Auslegung erfordert. Denn § 9 [X.] definiert den gewöhnlichen Aufenthalt als Anknüpfungsmerkmal für die unbeschränkte Steuerpflicht. Dagegen liegen Art. 13 Abs. 4 Nr. 1 [X.]-[X.] Vereinfachungs- und Praktikabilitätserwägungen zugrunde. Das strikte Arbeitsortprinzip des Art. 13 Abs. 1 Satz 1 [X.]-[X.] wird durch Art. 13 Abs. 4 [X.]-[X.] u.a. bei vorübergehenden Arbeitseinsätzen in dem anderen Vertragsstaat aufgegeben, weil die steuerliche Erfassung der Einkünfte für den anderen Vertragsstaat schwierig ist und das Steueraufkommen häufig in keinem Verhältnis zu dem mutmaßlichen Verwaltungsaufwand steht (Senatsurteil in [X.], 158, [X.] 1997, 15 - zur sog. 183-Tage-Regelung im [X.]; ebenso z.B. [X.]/Büscher in Strunk/ [X.]/[X.], [X.]/[X.], Art. 15 [X.] [X.] 130 f.; [X.], a.a.[X.], [X.] 16.430).

cc) Art. 13 Abs. 4 Nr. 1 [X.]-[X.] nahm in seiner Ursprungsfassung darauf Bezug, dass "dieser Arbeitnehmer sich vorübergehend, zusammen nicht länger als 183 Tage im Lauf eines Kalenderjahres in dem anderen Staat aufhält". In der Fassung des [X.] in [X.] 1990, 771, [X.], 414 ist Art. 13 Abs. 4 Nr. 1 [X.]-[X.] an die Formulierung der 183-Tage-Regelung des Art. 15 Abs. 2 des Musterabkommens der [X.] ([X.]) aus dem [X.] --[X.]-MustAbk-- angenähert worden. Der Wortlaut des [X.]-MustAbK wurde dadurch in dem hier in Rede stehenden Passus ("sich im anderen Staat ... aufhält") ohne Änderungen übernommen. Das spricht dafür, dass die Vertragsstaaten auch das dortige Abkommensverständnis übernommen haben, welches auf der Grundlage der englischsprachigen Fassung des Art. 15 Abs. 2 Nr. 1 [X.]-MustAbk ("the recipient is present in the other state") bzw. der französischsprachigen Fassung ("[X.] séjourne dans l'autre Etat") dahin geht, die Zählung nach den Tagen physischer Anwesenheit vorzunehmen. Dieses Verständnis erschließt sich auch aus Nr. 5 des Kommentars zum [X.]-MustAbK zu Art. 15, die in zeitlicher Nähe zum Abschluss des deutsch-französischen [X.] (am 23. Juli 1992) in den Kommentar eingefügt wurde. Es entspricht zugleich dem Regelungszweck, ähnlich dem Betriebsstättenprinzip einer gewissen "Verwurzelung im Quellenstaat" Ausdruck zu geben ([X.], [X.], 4. Aufl., [X.] [X.], 289). Jedenfalls im Grundsatz besteht über diese Auslegung des Art. 15 Abs. 2 [X.]-MustAbk kein Streit (Senatsurteile in [X.], 158, [X.] 1997, 15; vom 19. März 1997 [X.], [X.] 1997, 666; [X.] in Debatin/[X.], Doppelbesteuerung, Art. 15 [X.] [X.] 99; [X.]gesang in Gosch/[X.]/Grotherr, [X.], Art. 15 [X.] [X.] 5; [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/ [X.] [Hrsg.], Arbeitnehmer im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 2003, S. 164 f.; s.a. [X.]-Schreiben in [X.], 532 [X.] 37). Und auf dieser Grundlage wären auch Samstage, Sonntage, Feiertage und Urlaubstage (bei einem zeitlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit) in die Zählung einzubeziehen, vorausgesetzt, sie werden tatsächlich im [X.] verbracht (allg. Auffassung, vgl. z.B. [X.]-Schreiben in [X.], 532 [X.] 38 f.; [X.]/[X.], a.a.[X.], S. 165 ff.; [X.]/Büscher in Strunk/[X.]/[X.], a.a.[X.], Art. 15 [X.] [X.] 138 f.; [X.] in [X.]/ [X.]/[X.], Doppelbesteuerungsabkommen [X.]-Schweiz, Art. 15 [X.] 52; ablehnend [X.] in [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., Art. 15 [X.] 39).

dd) Entgegen der Auffassung der Revision (vgl. auch [X.]-Schreiben in [X.], 532 [X.] 41) gilt für das Verständnis des Art. 13 Abs. 4 Nr. 1 [X.]-[X.] nichts Abweichendes. Insbesondere kann der beschriebenen Auslegung nicht die Verständigungsvereinbarung in [X.], 88 bzw. in [X.], 304 entgegengehalten werden. Zum einen ist ungewiss, ob sich dieser Vereinbarung eine abweichende Zählweise entnehmen lässt; zum anderen ist sie als Verwaltungsanweisung nicht geeignet, positives Recht in verbindlicher Weise zu verändern.

aaa) Zwar ist es --worauf die Revision zutreffend hinweist-- nicht ausgeschlossen, die Abkommenspraxis der Vertragsstaaten, wie sie in einer Verständigungsvereinbarung zum Ausdruck kommt, bei der Abkommensauslegung zu berücksichtigen (Grundsatz der Entscheidungsharmonie; vgl. Senatsurteil vom 2. September 2009 [X.]/08, [X.], 267, [X.], 394). In Einklang damit stehen die Grundsätze zur Auslegung von Verträgen nach Art. 31 des [X.] über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 --[X.]-- ([X.] 1985, 927), in innerstaatliches Recht transformiert seit Inkrafttreten des [X.] vom 3. August 1985 ([X.] 1985, 926) am 20. August 1987 ([X.] 1987, 757) --und damit nach Inkrafttreten des [X.]-[X.]--: Ein Vertrag ist danach nach [X.] und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seiner Bestimmung in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen. Außer dem bei der Auslegung zu berücksichtigenden und in Art. 31 Abs. 2 [X.] näher beschriebenen systematischen Zusammenhang sind nach Art. 31 Abs. 3 [X.] in gleicher Weise zu berücksichtigen: a) jede spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrages oder die Anwendung seiner Bestimmungen sowie b) jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrages, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht. Damit können ein übereinstimmendes Abkommensverständnis und eine gemeinsame Übung der beteiligten Finanzverwaltungen für eine Abkommensauslegung bedeutsam sein, das aber immer nur insofern, als sie sich aus dem Wortlaut des Abkommens ableiten lassen. Der Abkommenswortlaut stellt in abschließender Weise die "[X.]" für das "richtige" Abkommensverständnis dar (Senatsurteil in [X.], 267, [X.], 394).

An dieser Grenze scheitert im Streitfall die vom [X.] der im zeitlichen Zusammenhang mit den einzelnen Arbeitseinsätzen des [X.] stehenden Samstage, Sonntage, Feiertage und Urlaubstage ohne tatsächliche Anwesenheit in [X.] zur 183-Tage-Regelung auch dann, wenn man sie --wie das [X.] annimmt-- auf das [X.]-Schreiben in [X.], 88 bzw. in [X.], 304 stützen könnte. Denn der Wortlaut des Abkommens verweist ausdrücklich auf einen "Aufenthalt" im [X.]. Dem wird eine --vom [X.] der Verständigungsvereinbarung entnommene-- Zählung allein nach der (projektbezogenen) Zeitdauer des konkreten Arbeitseinsatzes des Arbeitnehmers, die zugleich Grundlage für die Annahme eines "vorübergehenden Aufenthalts" des Arbeitnehmers im [X.] sein soll, nicht gerecht. Den vom Kläger formulierten Zweifeln, ob die Verständigungsvereinbarung im Sinne der Revision zu interpretieren ist und daher im Streitfall zu einer abweichenden Zählweise führt, da es hier wegen seiner arbeitstäglichen Rückkehr nicht um in der Zuordnung als Aufenthaltstage unterschiedlich zu wertende Urlaubs-/Wochenendtage als kurze Unterbrechungen eines vorübergehenden Aufenthalts geht ([X.] Köln, Urteil vom 28. November 1983 [X.], E[X.] 1984, 460; s.a. [X.] in Debatin/[X.], a.a.[X.], Art. 13 [X.] [X.] 49; [X.]gesang in Gosch/[X.]/Grotherr, a.a.[X.], Art. 13 [X.]-[X.] [X.] 19; [X.]/[X.]/[X.], [X.]-Kommentar [X.]/[X.], 2007, Art. 13 [X.]. [X.].), muss daher nicht weiter nachgegangen werden.

bbb) Im Übrigen verweist der Senat zu der Rechtsfrage des [X.] zwischen einer Verständigungsvereinbarung und der Abkommensregelung --um Wiederholungen zu vermeiden-- auf seine Urteile vom 2. September 2009 [X.]/08 ([X.], 276, [X.], 387), vom 11. November 2009 [X.] ([X.], 410, [X.], 390) und vom 11. November 2009 [X.] ([X.], 419, [X.], 602). Die vom [X.] zwischenzeitlich erlassene Verordnung zur Umsetzung von [X.] zwischen der Bundesrepublik [X.] und der [X.] vom 20. Dezember 2010 --[X.]-- ([X.], 2138, [X.], 104) führt nicht zu einer anderen Beurteilung der Rechtslage; dies folgt --unbeschadet grundsätzlicher Einwände (vgl. z.B. [X.], Internationales Steuerrecht 2011, 733; [X.], Internationale Wirtschaftsbriefe 2011, 360, m.w.[X.] bereits aus der Eingrenzung des zeitlichen Anwendungsbereichs der Verordnung auf Besteuerungssachverhalte seit dem 1. Januar 2010 (§ 8 [X.]).

Meta

I R 15/11

12.10.2011

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 12. Januar 2011, Az: 2 K 73/07, Urteil

Art 13 Abs 4 Nr 1 DBA FRA, § 8 KonsVerFRAV

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.10.2011, Az. I R 15/11 (REWIS RS 2011, 2449)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2449

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