Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.10.2006, Az. 1 StR 475/06

1. Strafsenat | REWIS RS 2006, 1445

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[X.] vom 10. Oktober 2006 in der Strafsache gegen wegen nachträglicher Anordnung der Sicherungsverwahrung - 2 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 10. Oktober 2006 beschlos-sen: Die Revision des Verurteilten gegen das Urteil des [X.] vom 9. Mai 2006 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Verurteilten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tra-gen. Ergänzend bemerkt der Senat: Das [X.] ist rechtsfehlerfrei vom Vorliegen "neuer" Tatsa-chen im Sinne des § 66b StGB ausgegangen, die auf eine erhebli-che Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit hinwei-sen. Der [X.] lagen sexuelle Übergriffe des [X.] gegen seine zur [X.] zwischen fünf und zehn Jah-re alten Stieftochter zugrunde. Eine Wiederholungsgefahr war für die [X.] nur für die damals bestehende Familienbezie-hung oder ähnlich gelagerte familiäre Konstellationen erkennbar. Nach der Verurteilung, und zwar nach Aussetzung der [X.] zur Bewährung und vor Verbüßung der [X.], zeigte der Ver-urteilte erstmals Verhaltensweisen, aus denen sich ergibt, dass er Opfer auch außerhalb des familiären [X.] sucht. Er hielt sich, beginnend unmittelbar nach seiner Haftentlassung, nahezu - 3 - täglich in oder in der Nähe von Schulen und eines Kinderheims auf, beobachtete die Kinder und versuchte, z.B. durch sexuelle Äußerungen, mit ihnen in Kontakt zu kommen. Noch nach dem Widerruf der [X.] verfolgte er mehrfach ein neun-jähriges Mädchen auf ihrem Schulweg, einmal bis in den Flur de-ren Wohnhauses und versuchte, zusammen mit dem Mädchen in den Fahrstuhl zu gelangen. Trotz eines daraufhin ausgesproche-nen erweiterten [X.] und eines Kontaktverbots beo-bachtete er dieses Mädchen weiterhin. Diese Tatsachen aus der Bewährungszeit des Verurteilten konnte das [X.] bei seiner Entscheidung berücksichtigen. § 66b StGB erfordert zwar, dass die Tatsachen "vor Ende des Vollzugs" der Freiheitsstrafe erkennbar werden. Diese Voraussetzung ist [X.] bei Tatsachen aus der Bewährungszeit auch dann erfüllt, wenn gegen den im Wege der [X.] zur Bewährung zwischenzeitlich in Freiheit gelangten Verurteilten nach Widerruf der Strafaussetzung die Freiheitsstrafe wieder vollzogen wird (vgl. [X.]. 15/3346, [X.]). Im Gesetzestext ist dieser Wille des Gesetzgebers dadurch zum Ausdruck gekommen, dass die neuen Tatsachen nicht "im Vollzug" (vgl. § 57 Abs. 1 Satz 2 StGB) oder "während des Strafvollzugs" (vgl. § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB), son-dern lediglich "vor Ende des Vollzugs" erkennbar geworden sein müssen. Das [X.] hat diese Tatsachen auch in eine umfangreiche Gesamtwürdigung einbezogen und ist unter Berücksichtigung der Person des Verurteilten, insbesondere der bei ihm festgestellten Persönlichkeitsstörung, der hohen Frequenz seiner Straffälligkeit - 4 - sowie ergänzend der nahezu vollständigen Missachtung der [X.] ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass von dem Verurteilten eine erhebliche Gefährlichkeit für die Allgemeinheit ausgeht. Besonderes Gewicht kommt in diesem Zu-sammenhang der Erkenntnis zu, dass der Verurteilte sein "sexuel-les Suchverhalten" unmittelbar nach der Haftentlassung begann, hartnäckig fortsetzte und sich dabei nicht einmal von polizeilichen Verboten zurückhalten ließ. - 5 - Schließlich hat das [X.] nachvollziehbar die Möglichkeit des Einsatzes milderer Mittel, insbesondere die Erteilung von Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht (§§ 68f, 68b StGB), ausgeschlossen. Der Verurteilte hat bereits gröblich gegen die ihm im Rahmen der Aussetzung der restlichen Freiheitsstrafe erteilten Weisungen verstoßen. So hat er z.B. die Weisung der [X.] einer Psychotherapie bezogen auf seine Sexualproblematik trotz mehrfacher Mahnungen und der Androhung des [X.] ignoriert. Zudem richtet sich die Gefährlichkeit des Verurteilten - anders als noch bei der [X.] - gegen eine Vielzahl unbestimmter Personen, sodass der staatliche Schutzauftrag für die gefährdeten Personen nicht auf andere [X.], etwa durch präventive Maßnahmen, wahrgenommen werden kann. [X.]Wahl Kolz Hebenstreit [X.]

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1 StR 475/06

10.10.2006

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.10.2006, Az. 1 StR 475/06 (REWIS RS 2006, 1445)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 1445

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