Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.01.2001, Az. III ZB 25/00

III. Zivilsenat | REWIS RS 2001, 3757

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BUNDESGERICHTSHOFBESCHLUSSIII ZB 25/00vom25. Januar 2001in dem RechtsstreitNachschlagewerk:jaBGHZ:neinBGHR:ja------------------------------------GVG § 13; FStrG § 8 Abs. 2 a, 8 und 10; ThürStrG § 52 Abs. 8Für Folgekostenstreitigkeiten zwischen dem Träger der Straßenbaulast undeinem Energieversorgungsunternehmen anläßlich einer straßenbaubeding-ten Verlegung einer Ferngasleitung ist der Rechtsweg zu den ordentlichenGerichten eröffnet. Dies gilt auch dann, wenn das Recht des Energiever-sorgungsunternehmens, öffentliche Straßenflächen für seine Zwecke inAnspruch zu nehmen, allein auf einer straßenrechtlichen (öffentlich-recht-lichen) Sondernutzungsgenehmigung nach dem Recht der DDR gründet.BGH, Beschluß vom 25. Januar 2001 - III ZB 25/00 -KammergerichtLG Berlin- 2 -Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden RichterDr. Rinne und die Richter Dr. Wurm, Schlick, Dörr und Galke am 25. Januar2001beschlossen:Die weitere sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Be-schluß des 23. Zivilsenats des Kammergerichts vom 10. April2000 - 23 W 7829/99 - wird zurückgewiesen.Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tra-gen.Beschwerdewert: 65.000 DMGründeI.Im Zuge des geplanten Neubaues der Bundesautobahn A 71 sollen dieBundesautobahn A 4 und die Kreisstraße K 20 im Bereich des künftigen Auto-bahnkreuzes M. (Thüringen) tiefer gelegt werden. Diese Maßnahme hat wie-derum eine Verlegung der geraume Zeit vor dem Beitritt errichteten Erdgaslei-tung des beklagten Energieversorgungsunternehmens zur Folge.- 3 -Da zwischen der Trägerin des Neubauvorhabens, der BundesrepublikDeutschland, und der Beklagten Streit darüber besteht, wer die Kosten derLeitungsänderung, soweit sie auf das Vorhandensein der Erdgasleitung unterder K 20 beruhen, zu tragen hat, schlossen die Parteien im August 1996 einen"Vorfinanzierungsvertrag". Darin verpflichtete sich die Beklagte, die Lei-tungsänderung einschließlich der Erdarbeiten unverzüglich durchzuführen,während sich die Klägerin verpflichtete, die entstehenden Kosten einstweilenvorzulegen.Die Klägerin verlangt Erstattung der von ihr entsprechend dem Vorfinan-zierungsvertrag an die Beklagte gezahlten Beträge.Auf Rüge der Beklagten, die den Verwaltungsrechtsweg für gegebenhält, hat das Landgericht vorab den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichtenfür zulässig erklärt. Das Kammergericht hat die sofortige Beschwerde der Be-klagten zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die - zugelassene - weitereBeschwerde der Beklagten.II.Die zulässige (§ 17 a Abs. 4 Satz 4 bis 6 GVG i.V.m. § 567 Abs. 4Satz 2, § 577 Abs. 2 ZPO) Beschwerde ist nicht begründet. Im Ergebnis habendie Vorinstanzen zu Recht den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten fürgegeben erachtet (§ 13 GVG).- 4 -1.Das Kammergericht hat seine Entscheidung im wesentlichen auf die Er-wägung gestützt, daß es Sache der ordentlichen Gerichte sei, über Rechtsan-sprüche aus Eigentumsstörungen (§ 1004 BGB) und Leihverhältnissen (§§ 598ff, insbesondere § 604 BGB) zu entscheiden. Diese Begründung trägt, wie dieBeschwerde zu Recht geltend macht, den Besonderheiten des Falles nicht hin-reichend Rechnung.Der Hinweis des Kammergerichts auf § 1004 BGB knüpft ersichtlich andie ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an, wonach sich dieFrage, ob die Kosten einer straßenbaubedingten Verlegung einer Versor-gungsleitung vom Träger der Straßenbaulast oder vom Energieversorgungs-unternehmen zu tragen sind, danach beantwortet, ob der Träger der Straßen-baulast, wenn sich das Energieversorgungsunternehmen nicht mit der notwen-digen Verlegung einverstanden erklärt hätte, das Ziel der Leitungsverlegungnur unter Übernahme der Kosten oder gegen Entschädigung hätte durchsetzenkönnen, und in diesem Zusammenhang die Anspruchsgrundlage in der - auchhier getroffenen - Kostenvorlagevereinbarung in Verbindung mit § 1004 BGBgesehen wird (Senatsurteile BGHZ 138, 266, 268; 125, 293, 295, 298 ff; 123,166, 167, 169 ff). Diese Rechtsprechung ist jedoch vor dem Hintergrund destradierten, dem Bundesfernstraßengesetz von Beginn an zugrundeliegendenSystems der freien Vereinbarung zwischen Straßeneigentümer und Versor-gungsunternehmen über die Nutzung von öffentlichen Straßen für die Errich-tung und den Betrieb von Versorgungsleitungen zu sehen. Um eine derartigeFallkonstellation handelt es sich vorliegend nicht. Der Sachvortrag der Parteienbietet keinerlei Anhalt dafür, daß zwischen ihnen - ausdrücklich oder auch nurkonkludent - eine Vereinbarung über die Nutzung öffentlichen Straßenraumsdurch die Beklagte getroffen worden wäre. Die Nutzungsbefugnis der Beklag-- 5 -ten kann vielmehr allein auf einer im Jahre 1972 gemäß § 6 der Verordnungüber das Straßenwesen vom 18. Juli 1957 (DDR-GBl. I S. 377) erteilten Son-dernutzungsgenehmigung beruhen (vgl. Senatsurteil BGHZ 144, 29, 50 f).2.Soweit die Beschwerde die den Rechtsstreit prägenden Rechtssätze inden Folgekostenbestimmungen des § 13 Abs. 3 der Straßenverordnung vom22. August 1974 (DDR-GBl. I S. 515) und des § 48 Abs. 2 der Energieverord-nung vom 1. Juni 1988 (DDR-GBl. I S. 89) sehen und hieraus die öffentlich-rechtliche Natur des Rechtsstreits herleiten will, ist ihr nicht zu folgen.Für die Rechtsverhältnisse hinsichtlich der Straßen, die der Gesetzge-bungszuständigkeit des Bundes unterliegen, sind im Beitrittsgebiet seit dem3. Oktober 1990 nach Anl. I Kap. XI Sachgeb. F Abschn. III Nr. 1 des Eini-gungsvertrages allein die Vorschriften des Bundesfernstraßengesetzes maß-gebend, nicht (mehr) die Bestimmungen des DDR-Straßenrechts. Bezüglichder Straßen, die - wie hier die K 20 - in die Gesetzgebungszuständigkeit derLänder fallen, hat zwar die DDR-Straßenverordnung bis zum Inkrafttreten desjeweiligen Landesstraßengesetzes nach Anl. II Kap. XI Sachgeb. D Abschn. IIINr. 1 des Einigungsvertrages noch als Landesrecht weitergegolten. Da aber mitInkrafttreten des Thüringer Straßengesetzes (ThürStrG) vom 7. Mai 1993(GVBl. S. 273) am 14. Mai 1993 die Straßenverordnung außer Kraft getreten ist(§ 53 Abs. 1 und 2 Nr. 1 ThürStrG), sind für den hier interessierenden Zeitraumdie Vorschriften der DDR-Straßenverordnung keinesfalls mehr anwendbar, undzwar unabhängig davon, ob die Frage der Folge- oder Folgekostenpflicht nachLandes- oder nach Bundesrecht zu beurteilen ist.- 6 -Ein nach den Energieverordnungen der DDR begründetes und gemäßAnl. II Kap. V Sachgeb. D Abschn. III Nr. 4 Buchst. b Satz 1 bis zum 31. De-zember 2010 fortgeltendes Recht eines Energieversorgungsbetriebs bzw.-kombinats, Grundstücke für Energiefortleitungsanlagen mitzunutzen, ist, wie§ 321 Abs. 4 ZGB zeigt, nur ein spezialgesetzlich geregelter Sonderfall desallgemeinen, grundsätzlich durch Vertrag zu begründenden (privatrechtlichen)Rechts zur vorübergehenden oder dauernden Mitbenutzung eines Grundstücksin bestimmter Weise im Sinne des § 321 Abs. 1 ZGB (BGHZ 144, 29, 31 f). DieBestimmungen der §§ 29 ff, 48 EnVO 1988, auf die sich die Beklagte beruft,lassen sich daher, entgegen der Auffassung der Beschwerde, allenfalls für dieprivatrechtliche Natur der Rechtsstreitigkeit anführen.3.Der Senat hat für eine Fallkonstellation, nach der das Recht eines Ener-gieversorgungsunternehmens zur Straßennutzung nur auf einer (fortdauern-den) Sondernutzungsgenehmigung nach dem Recht der DDR beruhen kann,ausgesprochen, daß entsprechend dem in § 8 Abs. 2 a, 8 und 10 FStrG zumAusdruck gekommenen Rechtsgedanken die Kosten für eine etwaige durcheine Straßenänderung nach der Wiedervereinigung notwendig werdende Ver-legung einer Versorgungsleitung regelmäßig nicht vom Träger der Straßen-baulast, sondern von dem Versorgungsunternehmen zu tragen sind (BGHZ144, 29, 45; 138, 266, 274 f). Damit hat der Senat die Folgekostenpflicht auseiner Gesamtschau von Bestimmungen entnommen, die teils für eine öffentlich-rechtliche (§ 8 Abs. 2 a und 8 FStrG), teils für eine privatrechtliche (§ 8 Abs. 10FStrG) Einstufung der in Rede stehenden Nutzungsform sprechen. Diesezeichnet sich vor allem dadurch aus, daß sie nach dem bei ihrer Begründunggeltenden DDR-Straßenrecht als öffentlich-rechtliche Sondernutzung anzuse-- 7 -hen war, während sie nach dem heute maßgeblichen Rechtssystem der Bun-desrepublik als privatrechtlich zu qualifizieren ist.Angesichts dieses für die Einstufung der Rechtsstreitigkeit als privat-oder öffentlich-rechtlich ambivalenten Befundes ist nach Auffassung des Se-nats für die Rechtswegbestimmung maßgeblich darauf abzustellen, daß nachdem Rechtssystem der Bundesrepublik die ordentlichen Gerichte dazu berufensind, aus Anlaß einer Straßenänderung zwischen Baulastträgern und Energie-versorgungsunternehmen entstehende Streitigkeiten über Folge- und Folgeko-stenpflichten zu entscheiden. Soweit ersichtlich ist das bisher auch hinsichtlichder das Beitrittsgebiet betreffenden Rechtsstreitigkeiten so gehandhabt wor-den, mag dabei auch die Rechtswegfrage noch nicht problematisiert wordensein oder sich für die Rechtsmittelgerichte im Hinblick auf § 17 a Abs. 5 GVGnoch nicht gestellt haben. Danach hält es der Senat für richtig, daß die ordent-lichen Gerichte aufgrund ihrer besonderen Sachkunde und Sachnähe zur Ent-scheidung über derartige Folgekostenstreitigkeiten berufen sind (vgl. Senats-urteil vom 10. Dezember 1987 - III ZR 60/87 - NJW 1988, 1264; a.A. für dievorliegende Fallgestaltung Grupp, in: Marschall/Schroeter/Kastner, Bundes-fernstraßengesetz, 5. Aufl. § 8 Rn. 55).Für den Bereich des Landesrechts fällt für die Rechtswegzuständigkeitder ordentlichen Gerichte weiter entscheidend ins Gewicht, daß nach derÜbergangsbestimmung des § 52 Abs. 8 Satz 1 ThürStrG nach früherem Rechtbewilligte Sondernutzungen an Straßen nicht ohne weiteres auch künftig alssolche zu behandeln sind, sondern anhand der Bestimmungen des ThüringerStraßengesetzes zu ermitteln ist, ob sie als Sondernutzung im Sinne des § 18ThürStrG weitergelten oder - was hier allein in Frage kommt - in sonstige Nut-- 8 -zungen im Sinne des § 23 ThürStrG übergeleitet werden (vgl. die amtliche Be-gründung zu § 52 ThürStrG, LT-Drucks. 1/1739 S. 53).III.Alle bisher vom Senat entschiedenen Fälle, die einen Folgekostenstreitwegen der straßenbaubedingten Verlegung einer Energieversorgungsleitungim Beitrittsgebiet zum Gegenstand hatten, waren so gelagert, daß die Lei-tungsverlegung durch den Ausbau der "Nutzungsstraße" erforderlich gewordenwar. Vorliegend besteht die Besonderheit, daß die die Verlegung der vorhan-denen Erdgasleitung notwendig machende Absenkung der K 20 nicht infolgedes geplanten Ausbaues dieser Straße, sondern wegen des Neubaues einerBundesautobahn in Angriff genommen wurde (sog. Drittveranlassung, vgl.Bauer, in: Kodal/Krämer, Straßenrecht, 6. Aufl., Kap. 27 Rn. 34 ff). Die Frage,ob wegen dieser von der Beschwerde herausgestellten Besonderheit die Fol-gekostenpflicht anders als in den bisher getroffenen Senatsentscheidungen zubeurtei-- 9 -len ist, betrifft die Begründetheit der Klage und ist daher hier nicht zu beant-worten. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, daß dieser Umstand bei der Abgrenzungder Rechtswege von Bedeutung sein könnte.RinneWurmSchlickDörrGalke

Meta

III ZB 25/00

25.01.2001

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.01.2001, Az. III ZB 25/00 (REWIS RS 2001, 3757)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 3757

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