5. Senat | REWIS RS 2011, 5261
STEUERRECHT STEUERN LEBENSMITTEL BUNDESFINANZHOF (BFH) Hinzufügen
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Abgrenzung Lieferung und Restaurationsleistung - Verzehrvorrichtungen als Dienstleistungselement - Leistungen des Betreibers eines Imbiss-Stands - Regelbesteuerte Abgabe von standardisiert zubereiteten Speisen zum Verzehr an einem Tisch mit Sitzgelegenheiten
1. Verzehrvorrichtungen dürfen nur als Dienstleistungselement berücksichtigt werden, wenn sie vom Leistenden als Teil einer einheitlichen Leistung zur Verfügung gestellt werden (Änderung der Rechtsprechung) .
2. Die Abgabe von Bratwürsten, Pommes Frites und ähnlichen standardisiert zubereiteten Speisen zum Verzehr an einem Tisch mit Sitzgelegenheiten führt zu einem dem Regelsteuersatz unterliegenden Restaurationsumsatz .
I. Streitig ist, ob die Umsätze des [X.] und Revisionsklägers (Kläger) aus dem Betrieb eines [X.] dem Regelsteuersatz unterliegen.
Der Kläger verkaufte in einem vor seinem Ladengeschäft (Fleischerei) aufgebauten Imbissstand Bratwürste, Pommes Frites und täglich wechselnde Gerichte in verzehrfertigem Zustand. Der Stand hatte eine Größe von ca. 3,5 m x 3,8 m und war mit einem über die Außenwände hinausragenden Dach versehen. [X.] war in einer Höhe von ca. 1,10 m [X.] angebracht, auf dem Ketchup und Senfbehälter aufgestellt waren. Der Verkauf war nach allen vier Seiten möglich, tatsächlich wurde jedoch maximal zu zwei Seiten hin verkauft. Die jeweils nicht zum Verkauf genutzten Seiten waren durch herabgelassene Fensterläden geschlossen.
Unmittelbar vor dem Stand befand sich eine fest installierte, allgemein zugängliche städtische Sitzbank. Ab dem 1. August 2003 stellte der Kläger eine aus zwei Bänken und einem Tisch bestehende "Bierzeltgarnitur" vor seinem Stand auf.
In den Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre (2000 bis 2003) hatte der Kläger die auf den Imbissstand entfallenden Umsätze dem ermäßigten Steuersatz unterworfen. Im [X.] an eine Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) davon aus, dass diese Umsätze --mit Ausnahme eines geschätzten Anteils von [X.] (10 %)-- dem Regelsteuersatz unterlägen und setzte die Umsatzsteuer der Streitjahre durch die [X.] vom 24. August 2006 entsprechend höher fest. Den dagegen eingelegten Einsprüchen half das [X.] mit geänderten Umsatzsteuerbescheiden vom 9. Januar 2007 aus anderen Gründen teilweise ab, im Übrigen wies es die Einsprüche mit der Einspruchsentscheidung vom 9. Januar 2007 als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht ([X.]) wies die Klage ab und begründete sein in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 1837 veröffentlichtes Urteil damit, dass die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle nach § 3 Abs. 9 Satz 4 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) eine sonstige Leistung gewesen sei. Es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Vorrichtungen in Form eines umlaufenden Brettes am Imbissstand in der angebrachten Höhe und Breite den Kunden typischerweise die Möglichkeit eröffnen sollten, die erworbenen Speisen an Ort und Stelle zu verzehren und von ihnen tatsächlich auch in diesem Sinne genutzt würden. Dem stehe nicht entgegen, dass ein Teil des Tresens dem Verkauf der Waren gedient habe, da der weit überwiegende Teil des Tresens zum Verzehr der Speisen an Ort und Stelle zur Verfügung gestanden habe. Dem Ergebnis entspreche das Urteil des [X.] ([X.]) vom 26. Oktober 2006 [X.], 59/04 ([X.]E 215, 360, [X.], 487), wonach die Abgabe von fertig zubereiteten Speisen aus einem Imbisswagen als Dienstleistung dem Regelsteuersatz unterliege, wenn Kunden eines Imbisswagens ihre Speisen unter Benutzung von Tischen, Stühlen und Bänken der [X.] verzehren könnten.
Auch unter Berücksichtigung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben habe der Kläger nicht lediglich Lebensmittel geliefert, sondern verzehrfertig zubereitete Speisen verkauft, bei denen in erheblichem Umfang über eine Lieferung hinausgehende Leistungselemente vorlägen: Der Kläger habe alle von ihm verkauften Waren durch Erhitzen in einen verzehrfähigen Zustand gebracht und Vorrichtungen zu deren Verzehr an Ort und Stelle sowie Zutaten wie Ketchup und Senf zur Selbstbedienung zur Verfügung gestellt.
Mit Beschluss vom 20. Dezember 2010 hat der erkennende Senat das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) in den zum gemeinsamen Verfahren und gemeinsamer Entscheidung verbundenen Rechtssachen [X.]/09 und [X.]/09 angeordnet. Der [X.] hat mit Urteil vom 10. März 2011 [X.]/09, [X.]/09, [X.]/09, [X.]/09 [X.] u.a. ([X.], 272) die ihm vorgelegten Fragen wie folgt beantwortet:
"1. Die Art. 5 und 6 der [X.]/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die [X.]/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass die Abgabe frisch zubereiteter Speisen oder Nahrungsmittel zum sofortigen Verzehr an Imbissständen oder -wagen (...) eine Lieferung von Gegenständen im Sinne des genannten Art. 5 ist, wenn eine qualitative Prüfung des gesamten Umsatzes ergibt, dass die [X.], die der Lieferung der Nahrungsmittel voraus- und mit ihr einhergehen, nicht überwiegen; (...).
2. Bei Lieferung von Gegenständen ist der Begriff "Nahrungsmittel" in Anhang H Kategorie 1 der durch die [X.] geänderten [X.] dahin auszulegen, dass er auch Speisen oder Mahlzeiten umfasst, die durch Kochen, Braten, Backen oder auf sonstige Weise zum sofortigen Verzehr zubereitet worden sind."
Hierauf hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen:
Der [X.] habe in [X.] 69 dieses Urteils die charakteristischen Dienstleistungsmerkmale eines typischen Restaurationsumsatzes aufgeführt. Ebenso wie in den Verfahren [X.]/09 und [X.]/09 biete der Kläger an seinem Imbissstand kein einziges der aufgeführten Dienstleistungsbestandteile an.
Da auf die qualitative Prüfung der [X.] des gesamten Umsatzes abgestellt werde, könne die seit 1. August 2003 aufgestellte und nicht überdachte Bierzeltgarnitur nicht für alle Umsätze prägend sein. Aus [X.] 73 des [X.]-Urteils [X.] u.a. in [X.] 2011, 272 ergebe sich, dass selbst umfangreicheres und eigenes Mobiliar nicht ausschließlich dazu bestimmt gewesen sei, den Verzehr solcher Lebensmittel möglicherweise zu erleichtern. Dies müsse erst recht für "Fremdmobiliar" --wie die vom [X.] berücksichtigte städtische [X.] gelten, auf deren Vorhandensein der Kläger keinen Einfluss habe.
Im Übrigen habe das [X.] nicht --wie erforderlich-- jeden einzelnen Umsatz für sich betrachtet. Bei den schätzungsweise mit 10 % angesetzten Umsätzen zum ermäßigten Steuersatz handele es sich um "verpackte Ware", also um solche Nahrungsmittel, die ohnehin nicht zum "Verzehr an Ort und Stelle" geliefert worden seien. Derartige Umsätze seien nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] vom 4. Juni 2006 16 K 10040/07 aufzuheben und die Umsatzsteuer 2000 bis 2003 gemäß Klageantrag auf 8.744,42 € (2000), 9.488,43 € (2001), 8.056 € (2002) und 5.758,04 € (2003) herabzusetzen.
Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Nachdem es zunächst die Vorentscheidung verteidigt hatte, trägt es im [X.] an das [X.]-Urteil [X.] u.a. in [X.] 2011, 272 vor:
Der dem Streitfall zugrunde liegende Sachverhalt entspreche im Wesentlichen den Rechtssachen [X.]/09 und [X.]/09. Nach den darin aufgestellten Grundsätzen lägen auch im Streitfall Lieferungen vor. Sollte der [X.] über die Verfahren XI R 37/08 und [X.]/08 ohne Berücksichtigung anderer Kriterien in diesem Sinne entscheiden, erkenne das [X.] den ermäßigten Steuersatz für den Umsatz von Nahrungsmitteln des [X.] bis zum 31. Juli 2003 an.
Seit dem 1. August 2003 ständen den Kunden des [X.] jedoch eine Bierzeltgarnitur und ein Stehtisch zur Verfügung. Aus der [X.]-Entscheidung gehe nicht eindeutig hervor, ob Bierzeltgarnitur und Stehtisch bereits als besondere [X.] ausreichten und qualitativ überwiegen. Das [X.] sei an die derzeitige Verwaltungsauffassung im Schreiben des [X.] vom 16. Oktober 2008 in [X.], 949 (Beispiel 2) gebunden. Danach reichten das Vorhandensein von Stehtisch und Bierzeltgarnitur zur Anwendung des Regelsteuersatzes aus.
Die Beteiligten haben mit ihren Schriftsätzen vom 27. April 2011 (Kläger) und vom 28. April 2011 ([X.]) auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
II. Die Revision des [X.] ist begründet.
Sie führt für die Streitjahre 2000 bis 2002 zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur antragsgemäßen Herabsetzung der Umsatzsteuer (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--), für das Streitjahr 2003 zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung an das [X.] (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 [X.]O). Entgegen dem Urteil des [X.] unterliegen die Umsätze des [X.] in den Streitjahren 2000 bis 2002 in vollem Umfang und im Streitjahr 2003 zum Teil dem ermäßigten Steuersatz.
1. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1999 in der in den Streitjahren geltenden Fassung ermäßigt sich die Steuer auf 7 v.H. für die "Lieferung" der in der Anlage bezeichneten Gegenstände. Dazu gehören u.a. "Zubereitungen von Fleisch ..." (Nr. 28), "Zubereitungen aus Getreide, Mehl, Stärke oder Milch" (Nr. 31) und "verschiedene Lebensmittelzubereitungen" (Nr. 33). Damit hat der nationale Gesetzgeber von dem ihm in Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3, [X.] Nr. 1 der [X.] zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/[X.] ([X.]/[X.]) eingeräumten Ermessen hinsichtlich der Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes Gebrauch gemacht. Nach Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 der [X.]/[X.] können die Mitgliedstaaten einen oder zwei ermäßigte Steuersätze anwenden. Diese ermäßigten Steuersätze "... sind nur auf Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen der in [X.] genannten Kategorien anwendbar". In [X.] Nr. 1 der [X.]/[X.] sind genannt: "Nahrungs- und Futtermittel (einschließlich Getränke, alkoholische Getränke jedoch ausgenommen), lebende Tiere, Saatgut, Pflanzen und üblicherweise für die Zubereitung von Nahrungs- und Futtermitteln verwendete Zutaten, üblicherweise als Zusatz oder Ersatz für Nahrungs- und Futtermittel verwendete Erzeugnisse."
a) Lieferungen sind nach § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, durch die der Unternehmer den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Nicht begünstigt sind sonstige Leistungen. Eine sonstige Leistung ist nach § 3 Abs. 9 Satz 4 UStG die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle. Speisen und Getränke werden zum Verzehr an Ort und Stelle abgegeben, wenn sie nach den Umständen der Abgabe dazu bestimmt sind, an einem Ort verzehrt zu werden, der mit dem [X.] in einem räumlichen Zusammenhang steht, und besondere Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle bereitgehalten werden (§ 3 Abs. 9 Satz 5 UStG).
b) Die Abgabe von Bratwürsten, Pommes Frites und ähnlichen standardisiert zubereiteten Speisen an einem mit behelfsmäßigen [X.] ausgestatteten Imbissstand ist eine einheitliche Leistung (vgl. [X.]-Urteil [X.] u.a. in [X.] 2011, 272 Rdnr. 56; BFH-Urteile vom 18. Dezember 2008 [X.], [X.], 539, [X.], 673; vom 1. April 2009 [X.], [X.], 1469), die eine Lieferung darstellt und die gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG in Verbindung mit Nr. 28, 31 und 33 der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG dem ermäßigten Steuersatz unterliegt.
aa) Bei der Abgrenzung zwischen Lieferung und Dienstleistung ist auf die Sicht des [X.] abzustellen. Maßgebend ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände, unter denen der Umsatz erfolgt. Im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung ist "die qualitative und nicht nur quantitative Bedeutung der [X.] im Vergleich zu den Elementen einer Lieferung von Gegenständen zu bestimmen" ([X.]-Urteil [X.] u.a. in [X.] 2011, 272 Rdnr. 62; BFH-Urteile vom 18. Februar 2009 [X.]/07, [X.], 210, [X.], 1551; in [X.], 360, [X.], 487, m.w.N., und vom 10. August 2006 [X.], [X.], 474, [X.], 480, m.w.N.).
bb) Zu der Frage, ob die einheitliche Leistung bei der Abgabe standardisiert zubereiteter, verzehrfertiger Speisen an mit behelfsmäßigen [X.] ausgestatteten Imbissständen als Lieferung oder als Dienstleistung einzustufen ist, hat der [X.] im Urteil [X.] u.a. in [X.] 2011, 272 entschieden, dass die Lieferung von Speisen oder Mahlzeiten zum sofortigen Verzehr das überwiegende Element der betreffenden Umsätze darstellt, da die [X.] nur in der Bereitstellung behelfsmäßiger Vorrichtungen bestehen, d.h. "ganz einfacher Verzehrtheken ohne Sitzgelegenheit, um einer beschränkten Zahl von Kunden den Verzehr an Ort und Stelle im [X.] zu ermöglichen. Solche behelfsmäßigen Vorrichtungen erfordern nur einen geringfügigen personellen Einsatz. Unter diesen Umständen stellen diese Elemente nur geringfügige Nebenleistungen dar und können am dominierenden Charakter der Hauptleistung, d.h. dem einer Lieferung von Gegenständen, nichts ändern" (Rdnr. 70). "Ob die Kunden die genannten behelfsmäßigen Vorrichtungen benutzen, ist ohne Bedeutung, da der sofortige Verzehr an Ort und Stelle, der kein wesentliches Merkmal des betreffenden Umsatzes darstellt, nicht für dessen Natur bestimmend sein kann" (Rdnr. 74).
Soweit für den Verzehr Mobiliar (Stehtische, Hocker, Stühle und Bänke) zur Verfügung steht, ist zu berücksichtigen, dass "das bloße Vorhandensein dieses Mobiliars, das nicht ausschließlich dazu bestimmt ist, den Verzehr solcher Lebensmittel möglicherweise zu erleichtern, nicht als Dienstleistungselement angesehen werden [kann], das geeignet wäre, dem Umsatz insgesamt die Eigenschaft einer Dienstleistung zu verleihen" (Rdnr. 73).
cc) Der Anwendung dieser Grundsätze im Streitfall steht die Regelung in § 3 Abs. 9 Sätze 4 und 5 UStG nicht entgegen. Nach ständiger Rechtsprechung hat das innerstaatliche Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts anzuwenden hat, für die volle Wirksamkeit dieser Normen Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewandt lässt (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 19. November 2009 [X.]/08 Filipiak, [X.]. 2009, [X.], [X.], 136 [X.]. 81, 82, m.w.N.; BFH-Urteile vom 17. Juli 2008 [X.]/04, [X.], 428, [X.], 976, unter [X.]; vom 22. Juli 2008 [X.], [X.], 453, [X.], 265, unter [X.]). Für die Anwendung des § 3 Abs. 9 Sätze 4 und 5 UStG bedeutet dies, dass soweit die Vorschrift nicht richtlinienkonform ist, die unionsrechtlichen Grundsätze zur Abgrenzung Lieferung und sonstige Leistung maßgebend sind (BFH-Urteil in [X.], 539, [X.], 673, unter [X.], m.w.N.) und dabei die vorstehende [X.]-Rechtsprechung zu beachten ist.
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze handelt es sich bei den mit dem Imbissstand erzielten Umsätzen des [X.] in den Streitjahren 2000 bis 2002 um Lieferungen, die dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegen.
a) Nach den das Gericht gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O bindenden Feststellungen des [X.] verkaufte der Kläger Bratwürste, Pommes Frites und täglich wechselnde Gerichte. Dabei geht der Senat davon aus, dass es sich um verzehrfertige Speisen handelte, die keine über die einfache, standardisierte Zubereitung von Lebensmitteln hinausgehenden Leistungen des [X.] erforderten.
b) Entgegen dem Urteil des [X.] führen das Vorhandensein und die Nutzung der vor dem Imbissstand installierten städtischen Bank zum Verzehr der zubereiteten Speisen nicht zur Beurteilung als sonstige Leistung.
aa) [X.] sind bei der Abgrenzung zwischen Lieferung und Dienstleistung nur zu berücksichtigen, wenn sie vom Leistenden ausschließlich dazu bestimmt wurden, den Verzehr von Lebensmitteln möglicherweise zu erleichtern ([X.]-Urteil [X.] u.a. in [X.] 2011, 272 Rdnr. 73). Das [X.] hat sich insoweit auf die Rechtsprechung des Senats gestützt, wonach [X.] eines [X.] berücksichtigt werden können, wenn diese auch im Interesse des leistenden Unternehmers zur Verfügung gestellt waren (vgl. zuletzt Urteil in [X.], 360, [X.], 487; BFH-Urteil vom 10. August 2006 [X.], [X.], 480, [X.], 482). Im Hinblick auf das [X.]-Urteil [X.] u.a. in [X.] 2011, 272 hält der Senat daran nicht mehr fest (Änderung der Rechtsprechung).
bb) Im Streitfall ist daher die Berücksichtigung der Bank ausgeschlossen, weil sie nicht vom Kläger als Verzehrvorrichtung zur Verfügung gestellt, sondern von der [X.] im Rahmen des Gemeingebrauchs der Allgemeinheit überlassen wurde.
cc) Die streitigen Umsätze des [X.] unterliegen gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG dem ermäßigten Steuersatz, weil die von ihm gelieferten Lebensmittel in der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG bezeichnet sind (Zubereitungen von Fleisch usw. --Nr. 28--, aus Getreide, Mehl, Stärke oder Milch sowie Backwaren --Nr. 31--, Zubereitungen von Gemüse, Früchten usw. --Nr. 32-- oder verschiedene Lebensmittelzubereitungen --Nr. 33--). Aus der Antwort zu 2 des [X.]-Urteils [X.] u.a. in [X.] 2011, 272 ergibt sich, dass dies im Einklang mit [X.] der [X.]/[X.] steht, weil [X.] auch Speisen oder Mahlzeiten umfasst, die durch Kochen, Braten, Backen oder auf sonstige Weise zum sofortigen Verzehr zubereitet worden sind.
3. Die im Streitjahr 2003 erzielten Umsätze des [X.] aus dem Betrieb des [X.] unterliegen nach den vorstehenden Grundsätzen bis zum 31. Juli 2003 in voller Höhe als Lieferungen dem ermäßigten Steuersatz. Seit dem 1. August 2003 erzielte der Kläger daneben aber auch Umsätze, die als Dienstleistungen anzusehen sind und daher dem Regelsteuersatz unterliegen.
a) Wie das [X.] festgestellt hat, hatte der Kläger ab dem 1. August 2003 vor seinem Imbiss eine Bierzeltgarnitur aufgestellt, die aus einem Tisch und zwei Bänken bestand. Bei den hierauf entfallenden Umsätzen handelt es sich nicht um die Lieferungen von Lebensmitteln, sondern um Dienstleistungen.
Als für Restaurationsleistungen charakteristische Dienstleistungsbestandteile erwähnt der [X.] im Urteil [X.] u.a. in [X.] 2011, 272 Rdnr. 69 zwar Kellnerservice, Beratung und Bedienung der Kunden im eigentlichen Sinne sowie das Vorhandensein geschlossener, temperierter Räume speziell für den Verzehr der abgegebenen Speisen, Garderobe und Toiletten und die Bereitstellung von Geschirr, Mobiliar und [X.]. Während die Bereitstellung "behelfsmäßiger Vorrichtungen, d.h. ganz einfacher Verzehrtheken ohne Sitzgelegenheit" nur als geringfügige Nebenleistung anzusehen sind und am dominierenden Charakter einer Lieferung von Gegenständen nichts ändern (Rdnr. 70 des [X.]-Urteils [X.] u.a. in [X.] 2011, 272), verlangen dem Verzehr dienliche Elemente, wie die Bereitstellung von Geschirr, Besteck oder Mobiliar --im Unterschied zur bloßen Bereitstellung einer behelfsmäßigen Infrastruktur im Fall von Imbissständen, Imbisswagen oder [X.] einen gewissen personellen Einsatz, um das gestellte Material herbeizuschaffen, zurückzunehmen und gegebenenfalls zu reinigen ([X.]-Urteil [X.] u.a in [X.] 2011, 272 Rdnr. 79).
Im Unterschied zur lediglich "behelfsmäßigen Infrastruktur" von Imbissständen stellte der Kläger seinen Kunden seit dem 1. August 2003 zusätzlich "Mobiliar" (Tisch mit Sitzgelegenheit) zur Verfügung, das ausschließlich dazu bestimmt war, den Verzehr der Speisen zu erleichtern. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Auf- und Abbau sowie die Reinigung der Bierzeltgarnitur einen "gewissen personellen Einsatz" erfordern, wird im Streitfall die Schwelle zum Restaurationsumsatz überschritten.
b) Das [X.]-Urteil entspricht insoweit nicht den Grundsätzen der [X.]-Rechtsprechung, als es die gesamten [X.] in 2003 dem Regelsteuersatz unterworfen hat. Das Urteil ist daher aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen. Das [X.] hat --von seinem Standpunkt aus zutreffend-- noch keine Feststellungen zum Umfang der auf die Bierzeltgarnitur entfallenden Restaurationsumsätze getroffen.
c) Im zweiten Rechtsgang wird das [X.] eine Aufteilung der Umsätze des [X.] vorzunehmen haben. Sofern der Kläger im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht (§ 90 Abs. 1 der Abgabenordnung) hierzu keine aussagekräftigen Aufzeichnungen vorlegt, kann die Aufteilung im Wege einer Schätzung erfolgen. Bestehen keine Zweifel daran, dass die Bierzeltgarnitur auch im November und Dezember 2003 aufgestellt wurde, ist es nicht zu beanstanden, wenn das [X.] bei der Aufteilung des um 10 % ([X.]) geminderten Umsatzes vom 1. August bis 31. Dezember 2003 auch das Verhältnis der (möglichen) Stehplätze am Imbissstand zu den (möglichen) Sitzplätzen auf den beiden Bänken der Bierzeltgarnitur berücksichtigt.
Meta
30.06.2011
Urteil
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 4. Juni 2009, Az: 16 K 10040/07, Urteil
§ 3 Abs 1 UStG 1999, § 3 Abs 9 UStG 1999, § 12 Abs 2 Nr 1 UStG 1999, Art 5 Abs 1 EWGRL 388/77, Art 6 Abs 1 EWGRL 388/77, Art 12 Abs 3 Buchst a Anh H EWGRL 388/77
Zitiervorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 30.06.2011, Az. V R 18/10 (REWIS RS 2011, 5261)
Papierfundstellen: REWIS RS 2011, 5261
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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