Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.06.2007, Az. XI ZB 40/06

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 3373

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[X.] BESCHLUSS [X.]/06 vom 19. Juni 2007 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]Z: ja [X.]R: ja ZPO § 234 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 B Wird dem Berufungskläger nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe Wieder-einsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt, beginnt die Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO zur Nachholung der Berufungsbegründung erst mit der Mitteilung der [X.].

[X.], Beschluss vom 19. Juni 2007 - [X.]/06 - [X.]

[X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.], [X.] [X.] und [X.], die Richterin [X.] und [X.] Grüneberg am 19. Juni 2007 beschlossen: Der Klägerin wird gegen die Versäumung der Frist zur [X.] gegen den Beschluss des 4. Zivilsenats des [X.]s in [X.] vom 30. Mai 2006 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 4. Zivilsenats des [X.]s in [X.] vom 30. Mai 2006 aufgehoben. Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Beru-fung gewährt. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung über die Berufung der Klägerin und über die Kosten des [X.] an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis zu 35.000 •. - 3 - Der Antrag der Klägerin auf Beiordnung eines anderen Rechtsanwalts wird als offensichtlich unbegründet [X.]. Gründe: [X.] Das [X.] hat mit Urteil vom 14. Juli 2005, zugestellt am 22. Juli 2005, die Klage der Klägerin gegen die beklagte Bank auf [X.] eines zur Finanzierung einer Immobilienfondsbeteiligung ab-geschlossenen Darlehensvertrages abgewiesen. Mit einem beim [X.] am 22. August 2005 eingegangenen Schreiben hat die Klä-gerin beantragt, ihr für die beabsichtigte Durchführung des [X.] zu bewilligen. Dem Antrag hat das [X.] mit Beschluss vom 16. Februar 2006 im Wesentlichen [X.] und der Klägerin eine Rechtsanwältin beigeordnet. Der [X.] ist der Klägerin am 17. Februar 2006 formlos übersandt und der Rechtsanwältin am 22. Februar 2006 zugestellt worden. Diese hat am 6. März 2006 Berufung eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungs- und [X.]sfrist sowie Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 7. April 2006 beantragt. Mit Verfügung vom 23. März 2006 hat der Berichterstatter des [X.] die Klägerin darauf hingewiesen, dass gegen die Gewährung der Fristverlängerung Bedenken bestünden. 1 - 4 - Daraufhin hat die Klägerin am 31. März 2006 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der [X.] gemäß § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO beantragt und die Berufung begründet. 2 Mit Beschluss vom 6. April 2006, zugestellt am 12. April 2006, hat das Berufungsgericht der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt. Durch [X.] vom 27. Mai 2006 hat das Berufungsgericht den Antrag auf [X.] der Berufungsbegründungsfrist abgelehnt, weil es sich der Sache nach um einen Antrag auf eine gesetzlich nicht zulässige Verlän-gerung der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO zur Nachholung der ver-säumten [X.] des § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO handele.
Mit dem angefochtenen Beschluss ([X.] 2006, 856) hat das Berufungsgericht den Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 31. März 2006 gegen die Versäumung der Wiederein-setzungsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO zurückgewiesen sowie den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 6. März 2006 gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist und die Berufung der Klägerin mangels fristgerecht eingereichter Berufungsbegründung als unzulässig verworfen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist sei unzu-lässig, weil die versäumte [X.] entgegen § 234 Abs. 1 Satz 2, § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht innerhalb der Antragsfrist von ei-nem Monat nachgeholt worden sei. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der [X.] sei unbegründet, weil die Versäumung der Frist von der [X.] der Klägerin verschuldet worden sei und die Klägerin sich dieses 3 - 5 - Verschulden nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsse; die Pro-zessbevollmächtigte der Klägerin habe nicht davon ausgehen dürfen, dass angesichts der - wie sie meint - "offensichtlichen Verfassungswid-rigkeit" des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO das Berufungsgericht dem Fristver-längerungsantrag stattgeben werde. Aufgrund dessen sei die Berufung nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist, die am 22. September 2005 abgelaufen sei, begründet worden und daher unzulässig.
Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin. Durch Beschluss vom 12. Dezember 2006, zugestellt am 14. Dezember 2006, hat der Senat der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt. Daraufhin hat sie am 15. Dezember 2006 wegen der Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und diese, nachdem dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Rechtsbe-schwerde am 8. Januar 2007 entsprochen worden war, am 15. Januar 2007 begründet. 4 I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet. 5 1. Die gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde der Klägerin ist zulässig, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und zudem zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erforderlich ist (§ 574 6 - 6 - Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der angefochtene Beschluss verletzt die Klägerin in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip. Die Verfahrensgarantien des Grundgesetzes verbieten es, den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingerich-teten Instanzen in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu recht-fertigender Weise zu erschweren (vgl. dazu [X.] 74, 228, 234; [X.] NJW 2005, 814, 815; [X.]Z 151, 221, 227). Indem das [X.] zu Unrecht (dazu unter 2.) davon ausgegangen ist, dass die Klägerin die Berufungsbegründung nicht fristgerecht nachgeholt habe, hat es der Klägerin den Zugang zur Berufungsinstanz ungerechtfertigt versagt. 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. 7 a) Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegan-gen, dass die Frist zur Begründung der Berufung gegen das am 22. Juli 2005 zugestellte Urteil des [X.]s am 22. September 2005 abge-laufen war, so dass die erst am 31. März 2006 eingereichte Berufungs-begründung an sich verfristet war. 8 b) Das Berufungsgericht hat aber den Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der [X.]sfrist zu Unrecht als unzulässig verworfen. Die Klägerin hat die versäumte [X.] - die Einreichung der [X.] - innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO nachgeholt. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die [X.] verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten, und beginnt gemäß § 234 Abs. 2 9 - 7 - ZPO mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist. Diese Frist hat die Klägerin eingehalten, weil die Frist erst mit der Mitteilung über die [X.] in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beru-fungsfrist - hier also am 12. April 2006 - zu laufen begonnen hat. 10 aa) Liegt das Hindernis - wie hier - in der Mittellosigkeit der [X.], entfällt es zwar für die Berufungseinlegung grundsätzlich mit der Be-kanntgabe des Beschlusses über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe, so dass der Lauf der [X.] des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu diesem Zeitpunkt beginnt (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Februar 1994 - [X.] ZB 1/94, [X.], 1324; [X.], Beschlüsse vom 2. Oktober 1985 - [X.], [X.], 40, 41 und vom 21. März 2006 - [X.], [X.], 1141, 1142). Ob dies aber auch hinsichtlich der Be-rufungsbegründung und der Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO gilt, hat der [X.] noch nicht entschieden. Der II[X.] Zivilsenat des [X.] (Beschluss vom 29. Juni 2006 - [X.], [X.], 2857, 2858) hat lediglich für die Fallgestaltung einer unbe-dingt eingelegten Berufung und eines sodann gestellten Prozesskosten-hilfeantrages angenommen, dass der Lauf der Begründungsfrist nach Maßgabe des § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO beginnt und dem Antragsteller nach Wegfall des Hindernisses, d.h. nach Bewilligung der [X.] oder deren Versagung, die [X.] von einem Monat nach § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO zur Verfügung steht, um die ver-säumte [X.] nachzuholen. [X.]) In der Literatur ist die Beantwortung der Frage umstritten. 11 - 8 - Nach der überwiegenden Auffassung ist § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO dahin auszulegen, dass bei versäumter Berufungsfrist die Begründungs-frist erst ab Mitteilung der Entscheidung über den Antrag auf Wiederein-setzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist läuft (so [X.]/ [X.]/[X.], ZPO 28. Aufl. § 234 Rdn. 3b; [X.], 1029, 1032; [X.] FamRZ 2005, 578, 579; [X.] 2004, 2125, 2128 zum gleichlautenden § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO). Andere Stimmen in der Litera-tur sprechen sich für eine Korrektur des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO in der Weise aus, dass ab Mitteilung des Beschlusses über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe eine zweite, gleichlange Begründungsfrist, mithin im Falle der Berufung die zweimonatige Frist des § 520 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 ZPO, laufen soll ([X.], in: [X.], ZPO 22. Aufl. § 234 Rdn. 13; HK-ZPO/[X.], 2. Aufl. § 234 Rdn. 7; [X.] NJW 2004, 2329, 2334). Teilweise macht die Literatur auch nur verfassungsrechtli-che Bedenken gegen die Neuregelung geltend, ohne aber Lösungen für eine Abhilfe aufzuzeigen ([X.]/[X.], ZPO 26. Aufl. § 234 Rdn. 7a; Musielak/[X.], ZPO 5. Aufl. § 236 Rdn. 6; [X.] NJW 2005, 2042, 2044; [X.] NJW-Sonderheft BayObLG 2005, 36, 38; Knauer/[X.] NJW 2004, 2857, 2863). Lediglich vereinzelt wird in der Literatur die Neuregelung des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO für verfassungsgemäß gehal-ten (ausdrücklich: [X.] 2005, 47, 48; ohne nähere [X.]: [X.]/[X.]/[X.]/[X.], ZPO 65. Aufl. § 236 Rdn. 14); diese Auffassung wird in instanzgerichtlichen Entscheidungen geteilt (vgl. etwa OLG Stuttgart OLGR 2006, 677). 12 cc) Der erkennende Senat schließt sich der erstgenannten [X.] an. § 234 Abs. 1 Satz 2 i.V. mit Abs. 2 ZPO ist dahin auszu-legen, dass bei auch versäumter Berufungsfrist die Frist zur Nachholung 13 - 9 - der Berufungsbegründung erst mit der Mitteilung der Entscheidung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist läuft. 14 (1) Hierfür sprechen bereits die Gesetzgebungsgeschichte und der Wille des Gesetzgebers.
Nach der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Rechtslage [X.] die Frist für die Berufungsbegründung mit der Einlegung der Beru-fung (§ 519 Abs. 2 Satz 2 ZPO a.F.). War der mittellosen [X.] für die Berufungseinlegung Prozesskostenhilfe bewilligt und ihr hierfür Wieder-einsetzung gewährt worden, bestand somit im Hinblick auf die [X.]sfrist zwischen mittelloser und vermögender [X.] kein [X.]. Mit der Reform der [X.], die sich insoweit an bereits in anderen Verfahrensordnungen geltende Regelun-gen anlehnte, verschlechterte sich die Rechtslage für die mittellose [X.] deutlich. Da der Beginn der Frist für die Berufungsbegründung nun-mehr an die Zustellung des angefochtenen Urteils anknüpft (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO), war für die mittellose [X.] bei Bewilligung von [X.] für die Berufungseinlegung in der Regel auch die Frist für die Berufungsbegründung abgelaufen, so dass sie faktisch gemäß § 234 Abs. 1 ZPO a.F. die Berufung innerhalb von zwei Wochen - ohne Verlän-gerungsmöglichkeit - zu begründen hatte. Um diese unbillige Benachtei-ligung der mittellosen [X.] zu vermeiden, räumte der [X.] in Anlehnung an die Rechtsprechung anderer oberster Bundesgerich-te der mittellosen [X.] extra legem eine gesonderte Begründungsfrist ein (vgl. Beschlüsse vom 9. Juli 2003 - [X.]I ZB 147/02, [X.], 3275, 3276 f. m.w.Nachw., vom 25. September 2003 - [X.], [X.], 15 - 10 - 3782 f. und vom 17. Juni 2004 - [X.], NJW 2004, 2902, 2903). Dabei konnte er den Meinungsstreit zwischen anderen obersten [X.] offenlassen, ob die besondere Begründungsfrist ein oder zwei Monate betrug und ob für den Fristbeginn die Mitteilung über die [X.] oder über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgeb-lich sein sollte (vgl. [X.], Beschluss vom 9. Juli 2003 - [X.]I ZB 147/02, [X.], 3275, 3277 m.w.Nachw.).
In Kenntnis dieser Problematik hat der Gesetzgeber durch das [X.] vom 24. August 2004 ([X.]) die Vorschrift des § 234 Abs. 1 ZPO um Satz 2 ergänzt, demzu-folge die [X.] zur Begründung der Berufung einen Monat beträgt. Durch die Änderung sollte nach der Gesetzesbegründung sichergestellt werden, dass "einem Rechtsmittelführer, dem [X.] nach Ablauf der Rechtsmittelbegründungsfrist gewährt worden ist, ein Monat Zeit für die Rechtsmittelbegründung verbleibt, so dass er nicht schlechter gestellt wird als die vermögende [X.]" (BT-Drucks. 15/1508, S. 17). Zugleich sollte hierdurch die Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte zum Lauf der [X.] nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe umgesetzt werden, wobei ausdrücklich auf die Entscheidungen des [X.] in NJW 1984, 941 (zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72a Abs. 3 ArbGG) und des [X.], Beschluss vom 17. April 2002 - 3 [X.]/01, DVBl. 2002, 1050 ff. (zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO) Bezug genommen wurde. Nach diesen Entscheidungen ist aber maßgeblicher Zeitpunkt für den Fristbeginn die Mitteilung der Entscheidung über die Wiedereinsetzung in die Einlegungsfrist (ebenso [X.]St 30, 335, 338 zur 16 - 11 - Begründung der Rechtsbeschwerde nach § 345 Abs. 1 StPO; [X.] [X.]R StPO § 345 Abs. 1 Fristbeginn 3 zur Begründung der Revision; BVerwG [X.] 310 § 139 VwGO Nr. 84 zur Begründung der Revision; [X.] Folge 1500 § 67 SGG Nr. 13 und § 164 SGG Nr. 9 zur [X.] nach § 160a Abs. 2 Satz 1 SGG). Da sich der Gesetzesbegründung kein Hinweis für eine nur einge-schränkte Umsetzung dieser Rechtsprechung entnehmen lässt, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber für den Beginn der Monatsfrist auf die Mitteilung der Entscheidung über die Wiedereinsetzung, nicht die Be-kanntgabe der Bewilligung von Prozesskostenhilfe abstellen wollte. Zugleich kann wegen der eindeutigen Festlegung des Gesetzgebers auf eine einmonatige Frist den Stimmen in der Literatur, die für die [X.]sfrist eine Verlängerung der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO auf zwei Monate, beginnend mit der Bekanntgabe des [X.]es über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, vorschlagen ([X.], in: [X.] ZPO 22. Aufl. § 234 Rdn. 13; HK-ZPO/[X.], 2. Aufl. § 234 Rdn. 7), nicht gefolgt werden. 17 (2) Für die Maßgeblichkeit der Mitteilung der [X.] spricht auch das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, mit der Neuregelung die mittellose [X.] nicht schlechter zu stellen als die ver-mögende [X.]. Eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemit-telten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes ist nach Art. 3 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsgrundsatz verfassungs-rechtlich geboten (vgl. [X.] 81, 347, 356; [X.] DVBl. 2001, 1748, 1749; [X.], 3190, 3191 m.w.Nachw.), auch wenn eine vollständige 18 - 12 - Gleichstellung aus [X.] nicht erforderlich ist (vgl. [X.] 81, 347, 357; [X.] [X.], 3190, 3191). 19 Würde die Monatsfrist für die Berufungsbegründung mit der Be-kanntgabe des Beschlusses über den Prozesskostenhilfeantrag begin-nen, würde die mittellose [X.] gegenüber der vermögenden [X.] deutlich benachteiligt. Während nämlich der von einer wirtschaftlich leis-tungsfähigen [X.] für das Rechtsmittelverfahren mandatierte Anwalt zwei Monate Zeit hat, um die Berufungsbegründung zu fertigen, stünde dem Anwalt der mittellosen [X.] hierfür nur eine einmonatige Frist zur Verfügung. Dieser ungleiche Fristlauf lässt sich nicht damit rechtfertigen, dass im Rahmen der Zweimonatsfrist auch Überlegungen dazu angestellt werden müssen, ob die beschwerte [X.] überhaupt Berufung einlegt und sich der mandatierte Anwalt erst danach mit der Erstellung der [X.] näher befasst, während im Falle der Bewilligung von Prozesskostenhilfe diese "Vorprüfung" durch das Gericht vorgenommen wird. Eine solche zeitliche Zäsur lässt sich im Rahmen der Zweimonats-frist im praktischen Ablauf nicht feststellen, weil die Frage der Beru-fungseinlegung und Überlegungen zum Inhalt der Berufungsbegründung gedanklich miteinander verschränkt sind.
Die Ungleichbehandlung zwischen mittelloser und vermögender [X.] wird außerdem dadurch deutlich verschärft, dass die auf [X.] angewiesene [X.] - anders als die vermögende - keine [X.] der Berufungsbegründungsfrist erreichen kann, weil die Frist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO keine Begründungs-, sondern eine Wieder-einsetzungsfrist ist ([X.] NJW-Sonderheft BayObLG 2005, 36, 37), für die § 224 ZPO eine Verlängerung verbietet. Auch wenn durch die Reform 20 - 13 - der [X.] die Zulässigkeit einer Verlänge-rung der Berufungsbegründungsfrist nach § 520 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO eingeschränkt worden ist, wird in der gerichtlichen Praxis zumindest eine einmonatige Verlängerung regelmäßig bewilligt. 21 (3) Die Anknüpfung des Fristbeginns an die Mitteilung über die Wiedereinsetzungsentscheidung steht der Rechtsprechung des Bundes-gerichthofs zu § 234 Abs. 2 ZPO nicht entgegen.
Nach dieser Vorschrift beginnt die Frist mit dem Tage, an dem das Hindernis behoben ist. Liegt das Hindernis - wie hier - in der Mittellosig-keit der [X.], entfällt es nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] zwar grundsätzlich mit der Bekanntgabe des Beschlusses über die Bewilligung der Prozesskosten-hilfe (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Februar 1994 - [X.] ZB 1/94, [X.], 1324; [X.], Beschlüsse vom 2. Oktober 1985 - [X.], [X.], 40, 41 und vom 21. März 2006 - [X.], [X.], 1141). Diese Rechtsprechung betraf aber nach der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Rechtslage nicht die Berufungsbegründung, weil die Begründungsfrist erst ab Berufungseinlegung lief und daher im Zeitpunkt der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens die Berufungsbegründungsfrist noch nicht ab-gelaufen sein konnte. 22 Dies hat sich mit der Umgestaltung des Rechtsmittelrechts der Zivilprozessordnung geändert, weil aufgrund der Dauer des [X.]bewilligungsverfahrens die mittellose [X.] nunmehr regelmäßig nicht nur die Berufungsfrist, sondern auch die Berufungsbegründungsfrist 23 - 14 - versäumt. Da die Begründung der Berufung aber nach wie vor erst dann sinnvoll ist, wenn die Berufung eingelegt worden ist, muss § 234 Abs. 2 ZPO dahin ausgelegt werden, dass die Ursache der Verhinderung für die Einreichung der Berufungsbegründung nicht die Mittellosigkeit der [X.] ist, sondern die fehlende Entscheidung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist. Andernfalls [X.] die mittellose [X.] genötigt, das Rechtsmittel zu begründen, bevor sie weiß, ob ihr wegen Versäumung der Einlegungsfrist Wiedereinset-zung in den vorigen Stand gewährt wird (vgl. [X.] 43, 297, 298 = NJW 1984, 941). Dem steht aber entgegen, dass die Begründung eines Rechtsmittels dessen Einlegung voraussetzt und ohne diesen "ersten Schritt" sinn- und zwecklos wäre (vgl. BVerwGE 36, 340, 343 = NJW 1971, 294). - 15 - 24 3. Der Klägerin war daher Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung zu ge-währen mit der Folge, dass die Verwerfung der Berufung gegenstandslos ist. [X.] [X.] Joeres [X.] [X.]: LG [X.], Entscheidung vom 14.07.2005 - 10 O 796/04 - KG [X.], Entscheidung vom 30.05.2006 - 4 U 116/05 -

Meta

XI ZB 40/06

19.06.2007

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.06.2007, Az. XI ZB 40/06 (REWIS RS 2007, 3373)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 3373

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