Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.02.2015, Az. VII ZB 36/14

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 16073

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 36/14

vom

4. Februar 2015

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ArbGG § 5 Abs. 3 Satz 1
Die dem Unternehmer aufgrund von [X.] gegen den [X.] zustehenden Ansprüche auf Rückzahlung bereits gezahlter Provi-sionen sind bei der Ermittlung der dem Handelsvertreter in den letzten sechs Monaten vor Vertragsbeendigung zustehenden durchschnittlichen monatlichen Vergütung gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG nicht zu berücksichtigen, wenn sie vor diesem Zeitraum entstandene Provisionsansprüche des Handelsvertreters betreffen.

[X.], Beschluss vom 4. Februar 2015 -
VII ZB 36/14 -
OLG Hamm

[X.]

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am
4. Februar 2015
durch [X.] Eick, [X.], Prof. Dr. Jurgeleit, die Richterin [X.] und den Richter Dr. Feilcke
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde
der Klägerin wird
der Beschluss des 18. Zivilsenats des [X.] vom 24. Juli 2014 aufgehoben
und die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens,
an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird

Gründe:
I.
Die Parteien streiten über die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten.
Die Klägerin ist ein bundesweit auf dem Gebiet der Vermittlung von Fi-nanzdienstleistungen tätiges Vertriebsunternehmen. Der Beklagte war für die Klägerin aufgrund eines am 9. April 2003 geschlossenen Vertrags als [X.] tätig. Der Beklagte kündigte den Handelsvertretervertrag unter Einhal-tung der vereinbarten Kündigungsfrist zum 31. Dezember 2012. Die Klägerin nimmt den [X.] auf Rückzahlung geleisteter Provisionen im Umfang von r-1
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o-naten Juli und August 2012 erzielte der Beklagte keine Provisionseinkünfte. Die
Klägerin
belastete das Provisionskonto des [X.] in diesen beiden Mona-ten
mit Rückforderungen wegen der Stornierung von
zuvor vom [X.] ver-mittelten
Verträgen
im Umfang von insgesamt

Der Beklagte hat die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs gerügt und geltend gemacht, dass nach §
5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben sei.
Das [X.] hat den Rechtsweg zu den or-dentlichen Gerichten für unzulässig erklärt. Die sofortige Beschwerde der Klä-gerin
hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Dagegen wendet sie sich mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.
Die gemäß § 17a Abs. 4 Satz 4 [X.], § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhe-bung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, es könne dahinstehen, ob der Beklagte Arbeitnehmer der Klägerin im Sinne des § 5 Abs. 1 ArbGG oder selbständiger Handelsvertreter gewesen sei, weil sich die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte
bereits aus § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG ergebe. Der Beklagte sei als Einfirmenvertreter im Sinne des § 92a HGB anzusehen, weil ihm nach dem Vertrag uneingeschränkt jede Vermittlungstätigkeit für andere Unternehmer untersagt sei. Auch die [X.] Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG seien erfüllt. Die durch-3
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schnittliche monatliche Vergütung des [X.] in dem maßgeblichen Zeit-raum der letzten sechs Monate seiner Tätigkeit für die Klägerin habe nicht mehr Klägerin in den Jahren 2005 bis 2011 deutlich höhere Einnahmen aus seiner Vermittlungstätigkeit erzielt und in den letzten Monaten der Vertragslaufzeit praktisch nicht mehr für sie tätig geworden sei, könne bei der Feststellung der Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 ArbGG keine Berücksichtigung finden. Die in den letzten sechs Monaten der Vertragslaufzeit erfolgten [X.] wegen [X.] müssten demgegenüber bei der [X.] der durchschnittlichen Vergütung einbezogen werden und seien nicht auf die Vergütungen der Monate zu verrechnen, in denen die zugrunde liegenden Provisionsansprüche unbedingt entstanden seien. Dies entspreche auch dem Gebot der Rechtssicherheit, weil ansonsten erst Monate oder gar Jahre
nach Beendigung des Vertragsverhältnisses die Bestimmung des zulässigen Rechtswegs möglich wäre. Gegen eine Nichtberücksichtigung der [X.] spreche entscheidend der vom Gesetzgeber mit der Regelung in § 5 Abs.
3 ArbGG verfolgte Zweck, den sozial schwächeren Handelsvertreter einem Arbeitnehmer gleichzustellen.
2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
Das Beschwerdegericht hat offen gelassen, ob der Beklagte als [X.] der Klägerin im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG anzusehen ist. Zu-gunsten der Rechtsbeschwerde ist daher davon auszugehen, dass dies nicht der Fall ist.
Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte kann mit der vom [X.] gegebenen Begründung auch
nicht auf
§ 2 Abs. 1 Nr. 3, § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG gestützt werden.
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a) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG sind die Arbeitsgerichte ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Ar-beitgebern aus dem Arbeitsverhältnis. Handelsvertreter gelten nach § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG nur dann als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgeset-zes, wenn sie zu dem Personenkreis gehören, für den nach § 92a HGB die un-tere Grenze der vertraglichen Leistungen des Unternehmers festgesetzt werden kann und wenn sie während der letzten sechs Monate des [X.] an Vergütung einschließlich Provision und Aufwendungsersatz bezogen haben.
b) Das Beschwerdegericht hat angenommen, dass der Beklagte als Ein-firmenvertreter im Sinne des § 92a Abs. 1 HGB anzusehen ist. Diese von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffene Würdigung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
c) Von [X.] beeinflusst ist dagegen
die Auffassung des [X.], die vom [X.]
in den letzten sechs Monaten
vor Ver-tragsbeendigung
bezogene
durchschnittliche
monatliche
Vergütung
belaufe sich auf
nicht mehr als .
aa) Für die Ermittlung der während der letzten sechs Monate des [X.] im Durchschnitt monatlich bezogenen Vergütung nach § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG sind alle unbedingt entstandenen Ansprüche des [X.]s zu berücksichtigen
unabhängig davon, ob und auf welche Weise sie von dem Unternehmer erfüllt worden sind. Die auf der Grundlage der [X.] zu beurteilende Vergleichbarkeit der Schutzbedürftigkeit eines Handelsvertreters mit derjenigen eines Arbeitnehmers hängt nicht
davon ab, ob dem Unternehmer Gegenforderungen gegenüber dem Handelsvertreter zu-8
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stehen, mit denen er aufrechnen kann. Andernfalls müsste auch der [X.], der sich eines über der Vergütungsgrenze des § 5 Abs. 3 Satz
1 ArbGG
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vom Unternehmer bestrittenen und deshalb nicht erfüllten
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Provisionsanspruchs berühmt, diesen vor den Arbeitsgerichten geltend ma-chen, obwohl er nach seinem eigenen Vorbringen von seinen Einkommensver-hältnissen her gerade nicht mit einem Arbeitnehmer vergleichbar ist
(vgl. [X.], Beschlüsse vom 12. Februar 2008 -
VIII ZB 3/07, NJW-RR 2008, 1418, 1419 und [X.], NJW-RR 2008, 1420, 1421).
Danach sind Gegenansprüche des Unternehmers bei der Ermittlung der dem Handelsvertreter in den letzten sechs Monaten vor Vertragsbeendigung zustehenden durchschnittlichen monatlichen Vergütung grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Dies gilt auch für Rückforderungsansprüche des [X.] gemäß § 87a Abs. 2 HGB, denen
Stornierungen von Verträgen, für die der Handelsvertreter vor diesem Zeitraum Provisionsansprüche erlangt hat, zu-grunde liegen. Diese Rückforderungsansprüche
des Unternehmers
stellen
nicht lediglich unselbständige Rechnungsposten
der dem Handelsvertreter zu-stehenden Provisionsansprüche, sondern
selbständige Gegenansprüche des Unternehmers dar, mit denen er gegenüber den vom Handelsvertreter in einem späteren Zeitraum verdienten Provisionen die Aufrechnung erklären kann.
Eine Berücksichtigung von Provisionsrückforderungsansprüchen des Unternehmers nach § 87a Abs.
2 HGB kann bei der Ermittlung der nach § 5 Abs. 3 Satz 1
ArbGG maßgebenden durchschnittlichen monatlichen Vergütung des [X.]s allein dann in Betracht kommen, wenn die
dem Handelsvertreter in den letzten sechs Monaten vor Beendigung des Vertragsverhältnisses entstan-denen Provisionsansprüche infolge von
[X.]
nachträglich wieder entfallen und vom Unternehmer nach § 87a Abs. 2 HGB zurückgefordert werden können
(vgl. [X.], Urteil vom 9. Dezember 1963 -
VII ZR 113/62, [X.], 497, 498).
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Gegen die Nichtberücksichtigung von [X.] wegen Stornierungen von Verträgen, für die der Handelsvertreter früher als in dem nach § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG maßgeblichen Zeitraum [X.] erworben hatte,
spricht auch nicht der mit § 5 Abs. 3 ArbGG verfolg-te Zweck, den sozial schwächeren Handelsvertreter einem Arbeitnehmer gleichzustellen. Maßstab für die Beurteilung, ob der Handelsvertreter wie ein
Arbeitnehmer zu behandeln ist, ist nach dem Wortlaut des Gesetzes die Höhe der in dem bezeichneten Zeitraum vom
Handelsvertreter bezogenen Vergütung. Das Gesetz sieht eine Gleichstellung des Handelsvertreters mit einem [X.] für den Fall vor, dass die von diesem bezogene monatliche durch-schnittliche Vergütung 1.00

nicht
übersteigt. Diese Zuständigkeitszuweisung zu den Arbeitsgerichten findet ihren Sinn darin, dass
diese
Handelsvertreter insbesondere wegen der Höhe ihres Einkommens mit
Arbeitnehmern
vergleich-bar sind (vgl. BT-Drucks. 8/1567 S. 28). Die
vom Handelsvertreter in einem be-stimmten Zeitraum erwirtschaftete Vergütung
spiegelt zugleich
seinen
wirt-schaftlichen Erfolg als selbständiger Gewerbetreibender wider.
bb) Die vom [X.] in den letzten sechs Monaten vor Beendigung des Vertrags
bezogene durchschnittliche monatliche Vergütung übersteigt im vorliegenden Fall
den in § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG
festgelegten Betrag von . Unstreitig
hat der Beklagte in diesem Zeitraum
unbedingte Provisions-

Entgegen der Ansicht der Klägerin handelt es sich nicht deswegen um bedingt entstandene Vergütungsansprüche, weil gegenüber diesen [X.] des [X.] im Falle der Stornierung zuvor von ihm vermittelter
Vertragsabschlüsse Rückforderungsansprüche der Klägerin nach § 87a Abs. 2 HGB entstehen [X.], mit denen sie gegen die Vergütungsansprüche des [X.] in dem für die Anwendung des § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG maßgeblichen Zeitraum die Auf-13
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rechnung erklären kann.
Eine Anrechnung der in den Monaten Juli und August 2012
von der Klägerin erhobenen
Provisionsrückforderungen kommt nicht in Betracht, weil diese auf Stornierungen von Verträgen beruhen, die vor Juli 2012 geschlossen worden sind.
3. Die angefochtene
Entscheidung des [X.] kann
danach keinen Bestand haben. Der Senat kann
nicht gemäß § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO in der
Sache selbst entscheiden, weil das Beschwerdegericht keine Feststel-lungen dazu getroffen hat, ob der Beklagte im vorliegenden Fall als Arbeitneh-mer der Klägerin im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG anzusehen ist. Die [X.] ist daher unter Aufhebung des
angefochtenen Beschlusses
zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.

Eick

Kartzke

Jurgeleit

[X.]

Feilcke
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.06.2014 -
25 O 22/14 -

OLG Hamm, Entscheidung vom 24.07.2014 -
I-18 [X.]/14 -

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Meta

VII ZB 36/14

04.02.2015

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.02.2015, Az. VII ZB 36/14 (REWIS RS 2015, 16073)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 16073

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VII ZB 36/14

18 W 30/14

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