Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.07.2017, Az. KVZ 5/16

Kartellsenat | REWIS RS 2017, 7862

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:180717BKVZ5.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
KVZ 5/16
vom
18. Juli 2017
in dem Kartellverwaltungsverfahren
-
2
-

Der Kartellsenat des [X.] hat am 18.
Juli 2017 durch die
Präsidentin des [X.] [X.], die
Vorsitzenden Richter Prof.
Dr.
Meier-Beck und Dr.
Raum sowie die Richter
Sunder und Dr.
Deichfuß
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 1. Kartellsenats des [X.] vom 9.
Dezember 2015 wird zugelassen, soweit das Beschwerdegericht festgestellt
hat, dass der
Beschluss des [X.] vom 3. Dezember 2014 be-züglich der Anordnung in [X.] (Warenbeschaffung) rechtswidrig war.
Im Übrigen wird die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde
in dem Beschluss des 1.
Kartellsenats des [X.] vom 9.
De-zember 2015 zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehal-ten.

Gründe:
[X.] Die Betroffene zu 1 (nachfolgend: E[X.]KA) beabsichtigte,
die von den Betroffenen zu 2 bis 4
(nachfolgend: [X.]) betriebenen [X.] zu übernehmen. Nach Anmeldung des Zusammenschlussvorha-bens
leitete
das [X.] ein Verwaltungsverfahren ein und erließ mit
Beschluss vom 3. Dezember 2014 bis zum Abschluss des Verfahrens befristete
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einstweilige Anordnungen, durch die
es den Betroffenen untersagte,
einen
"Rahmenvertrag über den Kauf von Waren sowie über die Zentralregulierung von Warenlieferungen"
vom 1. Oktober 2014 ganz oder teilweise durchzuführen oder sich auf sonstiger Grundlage entsprechend zu verhalten (Anordnung zu
I), und
außerdem
den Betroffenen zu 2 bis 4 untersagte, bestimmte Märkte ("Car-ve-out-Filialen")
sowie Lagerstandorte und Fleischwerke zu schließen oder wirt-schaftlich zu entwerten und Verwaltungsfunktionen abzubauen (Anordnungen
zu II und [X.]). Als Rechtsgrundlage für die einstweiligen Anordnungen hat das [X.] § 60 Nr. 1 Alt. 2 [X.] und (ergänzend) § 32a [X.] herange-zogen.
Die Betroffenen haben,
soweit sich die einstweiligen Anordnungen je-weils gegen sie richteten, Beschwerde eingelegt. Nachdem das Bundeskartell-amt das Zusammenschlussvorhaben mit Beschluss vom 31. März 2015 [X.] und mit den
einstweiligen Anordnungen inhaltsgleiche
Verbote ausgespro-chen
hatte, haben die Betroffenen das Beschwerdeverfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt und die Feststellung beantragt, dass die jeweils [X.] einstweiligen Anordnungen rechtswidrig gewesen seien.
Das Beschwerdegericht
hat mit Beschluss vom 9. Dezember 2015 die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Beschlusses festgestellt, soweit er auf §
32a [X.] gestützt worden ist. Auf die Beschwerde der Betroffenen zu 2 bis 4 hat es weitergehend festgestellt, dass der Beschluss rechtswidrig sei, soweit er bezüglich der Anordnung in [X.] (Warenbeschaffung) auf § 60 Nr. 1 [X.] ge-stützt worden ist. Im Übrigen hat es die Beschwerden wegen fehlenden Fortset-zungsfeststellungsinteresses als unzulässig verworfen. Die Rechtsbeschwerde
hat es
nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich das [X.] mit der
Nichtzulassungsbeschwerde.
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I[X.] Die Nichtzulassungsbeschwerde
ist zulässig und
hat
in der Sache
teilweise Erfolg.
1. Die Rechtsbeschwerde ist
wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulas-sen

74 Abs. 2 Nr. 1 [X.]), soweit das Beschwerdegericht
festgestellt
hat, dass
die in dem Beschluss des [X.]
in [X.] hinsichtlich der Wa-renbeschaffung, nicht aber hinsichtlich der Zentralregulierung
getroffene
-
auf §
60 Nr. 1
Alt. 2
sowie
§ 32a [X.] gestützte
-
Anordnung rechtswidrig gewesen sei.
Das Beschwerdegericht hat angenommen, dass die im Rahmenvertrag zwischen E[X.]KA und [X.] vereinbarten Regelungen über die Warenbeschaffung einen Verstoß gegen das gesetzliche Vollzugsverbot des § 41 Abs. 1
Satz 1
[X.] darstellten. Es hat aber die Voraussetzungen für den Erlass einer einst-weiligen Anordnung nach § 60 Nr. 1 Alt. 2 [X.] verneint, weil das [X.] einen Anordnungsgrund
nicht ausreichend dargelegt habe. In diesem Zusammenhang hat es ausgeführt, eine
einstweilige Anordnung müsse erfor-derlich sein, um bis zur Hauptsacheentscheidung drohende irreparable Nachtei-le oder schwere Schäden im Interesse des Gemeinwohls abzuwenden. Dies setze voraus, dass im konkreten Fall etwaige Entflechtungsmaßnahmen Schwierigkeiten bereiteten, die über das normale Maß hinausgingen, und des-halb eine einstweilige Regelung durch öffentliche Interessen geboten sei, die die damit verbundenen Nachteile zu Lasten der beteiligten Unternehmen [X.].
Damit
ist die Frage aufgeworfen, welche rechtlichen Anforderungen an das Vorliegen
eines Anordnungsgrundes bei dem Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 60 Nr. 1 Alt. 2 [X.] zur Unterbindung eines
(drohenden)
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Verstoßes gegen das gesetzliche Vollzugsverbot gemäß § 41 Abs. 1
Satz 1 [X.] zu
stellen sind.
Dieser Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu.
Sie ist in Rechtsprechung und Literatur nicht hinreichend geklärt. Der [X.] hatte noch keine Gelegenheit, sich mit der Frage zu befassen.
Im
kartellrechtli-chen Beschwerdeverfahren über einstweilige Anordnungen
kann
erst seit der zum 1. Juli 2005 in [X.] getretenen Neufassung des § 74
Abs. 1 [X.] die Rechtsbeschwerde zugelassen
werden. Zwar gibt es einschlägige Entschei-dungen des Kammergerichts
aus den Jahren 1979, 1990 und 1993 ([X.]/[X.] 2145, 2146 -
Sonntag Aktuell II; [X.]/[X.] 4640, 4642 -
Hamburger Benzinpreise; [X.]/[X.] 5151, 5160 -
Ernstliche Untersagungszweifel), auf die sich das Beschwerdegericht
gestützt
hat.
Zweifelhaft
und klärungsbedürftig bleibt aber, ob
die
dort
formulierten Grundsätze unter geänderten gesetzlichen Rahmenbedingungen noch Geltung beanspruchen können und ob sie den Be-sonderheiten
des Zusammenschlusskontrollverfahrens gerecht werden, in dem ein gesetzliches Vollzugsverbot besteht (§
41 Abs. 1 Satz 1 [X.]), von dem nur nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 [X.] Befreiungen erteilt werden können (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 14. Oktober 2008 -
KVR 30/08, [X.]Z 178, 203 Rn.
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Faber/Basalt).
Die Frage stellt sich auch nicht nur im konkreten Einzelfall. Sie erlangt stets Bedeutung, wenn das [X.] in einem Zusammenschlusskon-trollverfahren Veranlassung sieht, einem (drohenden) Verstoß gegen das ge-setzliche Vollzugsverbot durch eine Untersagungsverfügung im Wege der einstweiligen Anordnung entgegenzuwirken.
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Die Frage ist auch entscheidungserheblich.
Die Nichtzulassungsbe-schwerdeerwiderung wendet zu Unrecht ein, dass das Beschwerdegericht im Rahmen einer Hilfsbegründung das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach den vom [X.] formulierten Maßstäben geprüft habe. Das Be-schwerdegericht
hat sich lediglich mit einer Hilfsbegründung des [X.] befasst, die es nach seinen, von der Nichtzulassungsbeschwerde bean-standeten, rechtlichen Maßstäben für unzureichend gehalten hat. Im Übrigen kann es auf den Anordnungsgrund zwar nur dann
ankommen, wenn das Be-schwerdegericht zu Recht einen (drohenden) Verstoß gegen das gesetzliche Vollzugsverbot bejaht hat.
Die Frage, welche rechtlichen Maßstäbe bei der Be-urteilung eines Teilvollzugs eines Fusionsvorhabens anzuwenden sind, hat aber gleichfalls grundsätzliche Bedeutung.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde umfasst
die Entscheidung des [X.], soweit es zum Nachteil des [X.] über die in [X.] des angefochtenen Beschlusses hinsichtlich der Warenbeschaffung ge-troffene einstweilige Anordnung befunden hat, insgesamt, also auch insoweit, als diese Anordnung auf § 32a [X.] gestützt war.
2. Die weitergehende Nichtzulassungsbeschwerde, mit der sich das [X.] dagegen wendet, dass das Beschwerdegericht die [X.] des Beschlusses vom 3. Dezember 2014
zu [X.] (Zentralregulierung) sowie [X.]I und [X.]
festgestellt hat, soweit der
Beschluss
auf § 32a [X.] ge-stützt worden ist, ist unbegründet. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 74 Abs. 2, § 75 Abs. 1 [X.] liegen im Hinblick auf diesen -
abtrennbaren -
Teil der Beschwerdeentscheidung nicht vor.

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Das [X.] meint, das Beschwerdegericht
habe
zu Unrecht Haupt-
und Hilfsbegründung der einstweiligen Anordnungen für prozessual teil-bar gehalten. Zwar handele es sich um zwei verschiedene Streitgegenstände, über die aber nicht getrennt entschieden werden könne. Mit seiner gegenteili-gen Auffassung setze sich das Beschwerdegericht in Widerspruch zu der Ent-scheidung des Senats "[X.]"
([X.], Beschluss vom 8.
Mai 2001
-
KVR 12/99, [X.]Z 147, 325, 331 ff.).
Der damit geltend gemachte Zulassungsgrund der Sicherung einer ein-heitlichen Rechtsprechung liegt nicht vor, insbesondere zeigt das [X.] keine die Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtfertigende Divergenz auf.
Der Senat hat in der Entscheidung "[X.]"
angenommen, dass es sich bei der dort zu prüfenden Verfügung, die sowohl auf § 1 [X.] als auch auf die Fusionskontrolle gestützt war, trotz unterschiedlicher Streitgegenstände nicht um zwei gesonderte Untersagungsakte, sondern um nur eine Untersa-gung gehandelt habe, über die das Beschwerdegericht nicht im Wege des Teil-beschlusses habe entscheiden dürfen.
Vielmehr hätte es die Beschwerde zu-rückweisen müssen, wenn es die Untersagungsverfügung aus § 1 [X.] für rechtmäßig hielt ([X.], Beschluss vom 8. Mai 2001 -
KVR 12/99, [X.]Z 147, 325, 332 f., 334).
Das Beschwerdegericht hat seiner Entscheidung keinen hiervon [X.] abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt.
Die Beschwerdeentscheidung betraf nicht mehr den Bestand einer auf zwei selbständig tragende Gründe ge-stützten Untersagungsverfügung, sondern eine Rechtmäßigkeitsprüfung im Rahmen eines Fortsetzungsfeststellungsverfahrens, bei der sich das Beschwer-13
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degericht an einer beide Verbotsgründe umfassenden Sachprüfung gehindert gesehen hat, soweit es bereits an einem Fortsetzungsfeststellungsinteresse fehlte.
Im Übrigen wird auf die zugelassene Rechtsbeschwerde über die Kosten des Beschwerdeverfahrens insgesamt neu zu befinden sein.
II[X.]
Zur Klarstellung ist
festzuhalten, dass die
weitere Verfahrensbeteiligte zu 2, die K.

GmbH & Co. KG,
weiterhin am Verfahren be-
teiligt ist. Ihre mit Schriftsatz vom 4. April 2016 erklärte Rücknahme des [X.] vom 11. November 2014 ist wirkungslos, da der
Beiladungsan-trag nicht mehr wirksam zurückgenommen
werden kann (vgl. [X.], [X.] 2016, 333).
Eine Rücknahmemöglichkeit entspricht nicht
dem Zweck der Beiladung. Denn die Beiladung im kartellbehördlichen Verfahren dient zunächst der Förde-rung dieses Verwaltungsverfahrens und nicht den individuellen Interessen des [X.]
([X.], Beschluss vom 30. März 2011 -
KVZ 100/10, [X.]/E [X.]-R 3284 Rn. 10 -
Presse-Grossisten). Im Übrigen ist die
Beiladung ein aus-schließlich begünstigender Verwaltungsakt, von dem das beigeladene Unter-nehmen
keinen
Gebrauch machen muss, ohne
deshalb
Nachteile befürchten zu müssen ([X.], AG 2017, 473, 477).
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Rechtsmittelbelehrung:
Die Rechtsbeschwerde ist binnen
einer Frist von einem Monat, die mit der Zu-stellung des vorliegenden Beschlusses beginnt, schriftlich bei dem [X.] einzulegen. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von zwei Monaten, die mit der Zustellung des vorliegenden Beschlusses beginnt, zu [X.]. Diese Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden des [X.] verlängert werden. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss die Erklärung enthalten, inwieweit der Beschluss des [X.] angefochten und seine Abänderung oder Aufhebung beantragt wird.

[X.]
Meier-Beck
Raum

Sunder
Deichfuß
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 09.12.2015 -
VI-Kart 1/15 (V) -

Meta

KVZ 5/16

18.07.2017

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.07.2017, Az. KVZ 5/16 (REWIS RS 2017, 7862)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 7862

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