Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.05.2011, Az. IX ZR 9/10

9. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 6475

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Gegenstand

Insolvenzanfechtung: Rechtsfolgen einer an den Gläubiger der Tochtergesellschaft gerichteten harten Patronatserklärung der Muttergesellschaft


Leitsatz

Eine an den Gläubiger gerichtete harte Patronatserklärung der Muttergesellschaft beseitigt weder die objektive Zahlungsunfähigkeit der Tochtergesellschaft noch die darauf bezogene Kenntnis des Gläubigers .

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 26. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 6. Januar 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Eigenantrag vom 30. April 2002 über das Vermögen der [X.] (nachfolgend Schuldnerin) am 1. Juli 2002 eröffneten Insolvenzverfahren. Alleingesellschafterin der Schuldnerin ist die [X.] (nachfolgend [X.]), deren Grundkapital zu mehr als 75 v. H. von der [X.] (nachfolgend [X.]) gehalten wird.

2

Die Schuldnerin und ihre Tochtergesellschaften unterhielten bei der [X.] in einem Cash-Pool zusammengefasste Kontokorrentkonten. Die Beklagte räumte der Schuldnerin und ihren Tochtergesellschaften durch Vertrag vom 26. April/4. Mai 2001 eine Kreditlinie in Höhe von 5.112.918,81 € (10.000.000 DM) ein. [X.] Vorstand der [X.] war [X.]. Dieser erteilte einem Vertreter der [X.] am 25. März 2002 fernmündlich eine Patronatserklärung, deren Reichweite zwischen den Parteien streitig ist. Wegen einer erheblichen Überschreitung der gewährten Kreditlinie kündigte die Beklagte am 29. April 2002 die Kontobeziehung zu der Schuldnerin. Im unmittelbar davor liegenden Zeitraum war der Kontokorrentkredit der Schuldnerin durch zwei Zahlungseingänge vom 26. April 2002 um 13.575,50 € sowie um 1.479.375,35 € gemindert worden.

3

Mit vorliegender Klage verlangt der Kläger - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - im Wege der Anfechtung Erstattung dieser Beträge von insgesamt 1.492.950,85 €. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

5

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es gehe abweichend von dem [X.] davon aus, dass die Schuldnerin zum [X.] am 26. April 2002 zahlungsunfähig gewesen sei. Den zu diesem Zeitpunkt offenen Verbindlichkeiten von 4.200.613,33 € habe eine Barliquidität von allenfalls 2.634.804,29 € gegenübergestanden. Da durch die von der [X.]n vorgenommene Verrechnung bereits fällige Verbindlichkeiten zurückgeführt worden seien, richte sich die Anfechtung nach § 130 [X.]. Der [X.]n seien bereits vor der von dem [X.] als Leiter ihrer Kreditabteilung und dem [X.]. als alleinvertretungsberechtigtem Vorstandsmitglied der [X.] geführten Unterredung Tatsachen bekannt gewesen, die offensichtlich auf eine bestehende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hingedeutet hätten. Die [X.] habe grundsätzlich zu beweisen, dass sie aufgrund neuer, objektiv geeigneter Tatsachen zu der Ansicht gelangt sei, die Schuldnerin sei wieder zahlungsfähig geworden. Diesen Beweis habe sie zur Überzeugung des Senats geführt. Der Zeuge Sch. habe am 25. März 2002 mündlich eine harte Patronatserklärung zugunsten sämtlicher Gesellschaften der S.-Gruppe und damit auch der Schuldnerin erteilt. Eine Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit könne nicht daraus hergeleitet werden, dass die [X.] nach dem Widerruf [X.]atserklärung am 25. April 2002 mit Wirkung zum 26. April 2002 die Konten der Schuldnerin für belastende Verfügungen geschlossen habe. Das Verlangen nach Ausgleich nicht besicherter, nur geduldeter Überziehungen stelle, zumal die Kontensperre nicht konsequent durchgeführt worden sei, kein Anerkenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin dar.

II.

6

Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

7

1. Das Berufungsgericht hat keinen entscheidungserheblichen Vortrag entgegen § 286 ZPO außer Acht gelassen.

8

a) Ohne Erfolg wendet sich der Kläger gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, der Zeuge Sch. habe eine harte Patronatserklärung für alle Gesellschaften der S.-Gruppe und damit auch zugunsten der Schuldnerin erteilt.

9

Die grundsätzlich dem Tatrichter obliegende Beweiswürdigung kann vom Revisionsgericht lediglich daraufhin überprüft werden, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Streitstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt ([X.], Urteil vom 24. Juni 2008 - [X.], [X.], 2910 Rn. 18 mwN). Die Revision erschöpft sich insoweit in einer tatsächlichen Auseinandersetzung mit der Beweiswürdigung des Berufungsgerichts, ohne revisible Rechtsfehler aufzuzeigen. Das Berufungsgericht hat ersichtlich sämtliche Zeugenaussagen zur Kenntnis genommen und ist aufgrund einer umfassenden tatrichterlichen Würdigung zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die mündlich abgegebene harte Patronatserklärung auch auf die Schuldnerin erstreckte. Da sich leitende Mitarbeiter der [X.]n wegen [X.] der Schuldnerin an die Konzernmutter wandten, wurde ersichtlich eine auf die Schuldnerin bezogene Erklärung erwartet. [X.] sich das Verlangen einer Patronatserklärung auf die Schuldnerin und wollte ihm der Zeuge Sch. nicht folgen, so wäre es unverständlich, wenn er statt einer unmissverständlichen Ablehnung eine nicht erbetene Patronatserklärung für eine andere Konzerngesellschaft abgegeben hätte. Diese Umstände stützen die Würdigung des Berufungsgerichts, dass mit dem Begriff S.-Gruppe auch die Schuldnerin als deren Tochtergesellschaft gemeint war.

b) Ebenso macht die Revision ohne Erfolg geltend, die [X.] habe nicht dargelegt, auf die Patronatserklärung vertraut und deswegen Zahlungen der Schuldnerin zugelassen zu haben.

Das Berufungsgericht ist ersichtlich davon ausgegangen, dass die [X.] im Vertrauen auf die Patronatserklärung weitere Zahlungen der Schuldnerin zugelassen hat. Es war mit Rücksicht auf das Prozessgrundrecht des Art. 103 Abs. 1 GG nicht verpflichtet, alle Einzelpunkte des Klägervortrages in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden ([X.], Beschluss vom 27. März 2003 - [X.], [X.]Z 154, 288, 300). Im Übrigen wurde der Zeuge [X.], seinerzeit Direktor in der Geschäftsleitung der [X.]n, von seinen Mitarbeitern aus einem gerade angetretenen Urlaub zurückgerufen, um am 25. März 2002 in einem fernmündlichen Gespräch den [X.]. zur Abgabe einer harten Patronatserklärung zugunsten der Schuldnerin zu veranlassen. Wurde die Patronatserklärung tatsächlich erteilt, so deutet das anschließende Verhalten des [X.], der nunmehr in den Urlaub abgereist ist, nachdrücklich darauf hin, dass er als maßgeblicher Vertreter auf die Patronatserklärung vertraut hat. Da er aus seiner Warte durch das bei der Unterredung erzielte Ergebnis die Interessen der [X.]n gewahrt hatte, brauchte er in dieser Angelegenheit keine weiteren Tätigkeiten zu entfalten. Auch das Schreiben der [X.]n vom 24. April 2002 spricht nicht dagegen, dass die [X.] auf die mündliche Patronatserklärung vertraut hat. Das Schreiben diente - wie das Berufungsgericht nachvollziehbar ausführt - lediglich dem Zweck, nachträglich für eine schriftliche Fixierung des mündlich Vereinbarten Sorge zu tragen.

2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen ist hingegen die Würdigung des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft, die Voraussetzungen für eine Anfechtung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 [X.] seien nicht gegeben.

a) Noch zutreffend hat das [X.] angenommen, dass hier infolge einer kongruenten Befriedigung nur eine Anfechtung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] in Betracht kommt. Ein Anspruch der Bank, Gutschriften mit dem Saldo eines debitorisch geführten Girokontos zu verrechnen und insoweit ihre eigene Forderung zu befriedigen, besteht immer dann, wenn sie zum jeweiligen Zeitpunkt der Verrechnung Rückzahlung des Kredits verlangen kann. Handelt es sich - wie im Streitfall - um eine lediglich geduldete Überziehung ohne vertragliche Grundlage, die dem Kunden kein Recht zur Inanspruchnahme der Kreditsumme gibt, kann die Bank Rückzahlung verlangen, ohne zuvor kündigen zu müssen ([X.], Urteil vom 13. Januar 2005 - [X.], [X.], 319, 320). Die Verrechnung ist hier innerhalb der [X.] erfolgt. Nach den revisionsrechtlich zugrundezulegenden Feststellungen des Berufungsgerichts war die Schuldnerin im Zeitpunkt der Verrechnungen am 26. April 2002 zahlungsunfähig.

b) Die Vorschrift des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] setzt weiter voraus, dass der Gläubiger Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners im Zeitpunkt der Rechtshandlung, also grundsätzlich bei Eintritt ihrer Rechtswirkungen (§ 140 Abs. 1 [X.]), gehabt hat. Dies kann entgegen der Würdigung des Berufungsgerichts nicht wegen der zugunsten der Schuldnerin erteilten Patronatserklärung verneint werden.

aa) Ebenso wie eine der Rechtshandlung nachfolgende Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit ist eine zuvor gegebene Kenntnis des [X.]s unschädlich, falls er im Zeitpunkt der Rechtshandlung nicht mehr "bösgläubig" ist ([X.], Urteil vom 27. März 2008 - [X.], [X.], 840 Rn. 13). Jedoch muss die Schlussfolgerung des [X.]s, wonach die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zwischenzeitlich behoben ist, von einer ihm nachträglich bekannt gewordenen Veränderung der Tatsachengrundlage und nicht von einem bloßen "Gesinnungswandel" getragen sein ([X.], aaO Rn. 15). Als erstes dürfen die Umstände, welche die Kenntnis des [X.]s begründen, nicht mehr gegeben sein. Der Fortfall der die unwiderlegliche Vermutung nach § 130 Abs. 2 [X.] begründenden Umstände allein bewirkt nicht zwingend den Verlust der Kenntnis. Vielmehr hat der Tatrichter als zweiten Schritt aufgrund aller von den Parteien vorgetragenen Umstände des Einzelfalls zu würdigen, ob eine Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei Vornahme der Rechtshandlung nicht mehr bestanden hat ([X.], aaO Rn. 17).

bb) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der [X.]n bereits vor der am 25. März 2002 zwischen den [X.] und Sch. geführten fernmündlichen Unterredung wegen der Entwicklung des Kreditengagements der Schuldnerin Umstände bekannt waren, die zwingend auf ihre Zahlungsunfähigkeit schließen ließen (§ 130 Abs. 2 [X.]). Bei dieser Sachlage müssen die Umstände, welche die Annahme der Zahlungsunfähigkeit gebieten, nachträglich entfallen sein. Allein eine Patronatserklärung beseitigt jedoch nicht die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen ([X.], Urteil vom 11. Februar 2010 - [X.], [X.], 711 Rn. 48).

(1) [X.] wird zwischen der Erteilung von „weichen“ und „harten“ [X.] unterschieden. Weiche [X.], bei denen es sich um bloße Informationen über die Zahlungsfähigkeit einer Tochtergesellschaft oder um allenfalls moralisch verpflichtende Good-will-Erklärungen handelt, haben keinen rechtsgeschäftlichen Charakter und begründen damit keine irgendwie geartete Verbindlichkeit des Patrons ([X.]/[X.], 5. Aufl., Rn. 54 vor § 765; [X.]/[X.], [X.], § 35 Rn. 73; [X.]/[X.], [X.], 1110, 1111). Demgegenüber übernimmt [X.] durch eine harte, rechtsgeschäftliche Patronatserklärung entweder im Innenverhältnis zu seiner Tochtergesellschaft oder im Außenverhältnis zu deren Gläubiger die Verpflichtung, die Tochtergesellschaft in der Weise auszustatten, dass sie stets in der Lage ist, ihren finanziellen Verbindlichkeiten zu genügen ([X.]/[X.], [X.], 13. Aufl. § 35 Rn. 168).

(2) Eine harte Patronatserklärung statuiert eine rechtsgeschäftliche Einstandspflicht des Patrons gegenüber dem Adressaten der Erklärung ([X.], Urteil vom 30. Januar 1992 - [X.], [X.]Z 117, 127, 132 ff; [X.]/[X.], [X.], 1427, 1430).

Eine von der Muttergesellschaft zugunsten ihrer Tochtergesellschaft abgegebene konzerninterne Patronatserklärung, die auch als Verlustdeckungszusage oder Verlustübernahmeerklärung bezeichnet wird ([X.]/[X.], aaO Rn. 49 vor § 765; [X.], Urteil vom 8. Mai 2006 - [X.], [X.], 1202 Rn. 10), begründet auch in der Insolvenz der Tochtergesellschaft zu deren Gunsten einen eigenen von dem Insolvenzverwalter zu verfolgenden Ausstattungsanspruch gegen die Muttergesellschaft ([X.], Z[X.] 2004, 1040 ff; [X.]/[X.], aaO, § 35 Rn. 169; Allstadt-Schmitz in [X.]/Boujong/[X.]/Strohn, HGB, 2. Aufl. [X.] Rn. 733; [X.], [X.] 2010, 1331; [X.]/[X.], aaO S. 1115).

Die von der Muttergesellschaft dem Gläubiger ihrer Tochtergesellschaft erteilte externe Patronatserklärung verwandelt sich in der Insolvenz der Schuldnerin in eine Pflicht zur Direktzahlung an diesen ([X.], Urteil vom 30. Januar 1992, aaO; vom 8. Mai 2003 - [X.], [X.], 1178, 1179 f; MünchKomm-[X.]/Lwowski/[X.], 2. Aufl., § 35 Rn. 405; [X.] in Schimansky/Bunte/Lwowski, Handbuch des [X.], 3. Aufl. § 98 Rn. 37; [X.]/[X.], aaO Rn. 52 vor § 765; Allstadt-Schmitz, aaO [X.] Rn. 730; [X.]/[X.], aaO S. 1114). Eine solche konzernexterne Patronatserklärung schafft jedoch keine eigenen Ansprüche der Tochtergesellschaft gegen die Muttergesellschaft ([X.]/[X.], aaO Rn. 51 vor § 765; [X.]/[X.], aaO; [X.]/[X.], aaO; von [X.]/[X.], [X.] 2003, 641, 647; [X.]/[X.], aaO S. 1431; [X.]/[X.], aaO S. 1112).

(3) Mit Hilfe einer konzerninternen Patronatserklärung, durch die sich die Muttergesellschaft gegenüber ihrer Tochtergesellschaft verpflichtet, dieser die zur Erfüllung ihrer jeweils fälligen Forderungen benötigten Mittel zur Verfügung zu stellen, kann die Zahlungsunfähigkeit der Tochtergesellschaft vermieden werden. Dies setzt jedoch - falls nicht der Tochtergesellschaft ein ungehinderter Zugriff auf die Mittel eröffnet wird - voraus, dass die Muttergesellschaft ihrer Ausstattungsverpflichtung tatsächlich nachkommt (Ziemons, [X.], 411, 413; [X.], aaO).

Im Streitfall wurde seitens der [X.] gegenüber der [X.]n als Gläubigerin eine harte Patronatserklärung für die Schuldnerin als ihre Tochtergesellschaft erteilt. Diese konzernexterne Patronatserklärung vermag für sich genommen mangels Begründung eigener Ansprüche weder eine Zahlungsunfähigkeit noch eine Überschuldung der Tochtergesellschaft zu beseitigen. Dies kommt vielmehr erst in Betracht, wenn die Patronin ihre gegenüber dem Gläubiger eingegangen Verpflichtungen durch eine Liquiditätsausstattung der Tochtergesellschaft tatsächlich erfüllt (vgl. [X.], aaO § 98 Rn. 44).

(4) Danach war allein die Erteilung der harten Patronatserklärung durch die [X.] nicht geeignet, die Kenntnis der [X.]n von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zu beseitigen. Mangels einer der [X.]n erkennbaren Liquiditätszufuhr seitens der [X.] an die Schuldnerin bestanden die auf eine Zahlungsunfähigkeit hindeutenden Umstände weiter. Darum scheidet ein Wegfall der Kenntnis der [X.]n von vornherein aus ([X.], Urteil vom 11. Februar 2010 - [X.], aaO Rn. 48). Es bestanden vielmehr keine Anhaltspunkte, welche die Annahme der [X.]n rechtfertigen konnten, die Schuldnerin habe die Zahlungen wieder aufgenommen (vgl. [X.], Urteil vom 20. Dezember 2007 - [X.], [X.], 452 Rn. 36; vom 27. März 2008, aaO Rn. 23).

III.

Die Sache ist mangels Entscheidungsreife zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

1. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass - was die Revisionserwiderung zutreffend beanstandet - das Berufungsgericht eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zum Stichtag des 26. April 2002 zugrundelegt, aber bereits von einer Kenntnis dieses Umstands durch die [X.] am 25. März 2002 ausgeht. [X.] Zahlungsunfähigkeit erst am 26. April 2002 ein, kann der [X.]n dieser Umstand nicht bereits am 25. März 2002 bekannt gewesen sein. Gegenstand der Kenntnis kann nur eine tatsächlich bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit sein; jede Kenntnis kann sich nur auf ein bereits verwirklichtes Ereignis beziehen ([X.], 152, 154; [X.]/[X.], [X.] § 130 Rn. 118). Die bloße Vermutung oder billigende Inkaufnahme einer Zahlungsunfähigkeit durch den [X.] genügt nicht ([X.], 1115, 1118; MünchKomm-[X.]/Kirchhof, 2. Aufl. § 130 Rn. 33). Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht sonach Gelegenheit, auf der Grundlage ergänzenden tatsächlichen Vorbringens der Parteien sowohl zum Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin und davon ausgehend zur Kenntnis der [X.]n nähere Feststellungen zu treffen.

2. Auf den Stichtag des 25. März 2002 könnte abgestellt werden, falls die Schuldnerin bereits zu diesem Zeitpunkt die Zahlungen eingestellt hatte (§ 17 Abs. 2 Satz 2 [X.]), dieser Umstand bis zu dem Zeitpunkt der Verrechnung am 26. April 2002 fortdauerte und dies der [X.]n bekannt war (§ 130 Abs. 2 [X.]). Kennt der Gläubiger die Zahlungseinstellung, ist gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 [X.] auch seine Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit anzunehmen. Denn die dort formulierte Vermutung gilt auch im Rahmen des Insolvenzanfechtungsrechts ([X.], Urteil vom 19. Februar 2009 - [X.], [X.]Z 180, 63 Rn. 13). Dabei ist davon auszugehen, dass eine einmal eingetretene Zahlungseinstellung grundsätzlich fortwirkt und nur dadurch wieder beseitigt werden kann, dass die Zahlungen im Allgemeinen wieder aufgenommen werden ([X.], Urteil vom 20. November 2001 - [X.], [X.]Z 149, 178, 188). Entsprechendes gilt für die Kenntnis des [X.]s (vgl. [X.], Urteil vom 27. März 2008 - [X.], [X.], 840 Rn. 17). Insoweit fehlen jedoch bislang jegliche Feststellungen.

[X.]                                        Fischer

                       Grupp                                       [X.]

Meta

IX ZR 9/10

19.05.2011

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 6. Januar 2010, Az: 26 U 208/07, Urteil

§ 130 Abs 2 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.05.2011, Az. IX ZR 9/10 (REWIS RS 2011, 6475)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6475

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