Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.12.2008, Az. V ZR 106/07

V. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 243

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES [X.] UND URTEIL [X.]/07 Verkündet am: 12. Dezember 2008 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 917 Abs. 1 a) Einem Wohngrundstück fehlt die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg, wenn es nur zu Fuß oder mit dem Fahr-rand über eine öffentliche Fläche erreicht werden kann; in diesem Fall kommt ein Anspruch des Grundstückseigentümers gegen seine Nachbarn auf Duldung der Benutzung ihrer Grundstücke zum Befahren mit Kraftfahrzeugen in Betracht, damit er mit diesen sein Grundstück erreichen kann. b) Benutzt neben dem Berechtigten auch der duldungspflichtige [X.] die für einen Notweg in Anspruch genommene Fläche, tragen sie die [X.] anteilig. [X.], Teil-Urteil und Urteil vom 12. Dezember 2008 - [X.]/07 - [X.] - 2 - Der V. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2008 durch [X.] [X.], [X.] und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der Widerbeklagten wird das Schlussurteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 16. April 2007 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Widerbeklagten verurteilt worden sind, es zu unterlassen, den im Nord-Westen vor dem [X.] verlaufenden Teil der [X.] in [X.]zum Gehen, zum Fahren und in sonstiger Weise zu benutzen. Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der [X.] ge-gen das Urteil der 3. Zivilkammer des [X.] vom 28. Juni 2006 zurückgewiesen. Wegen des zweiten [X.] wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht [X.]. Von Rechts wegen - 3 - Tatbestand: Die [X.]en sind [X.], deren Wohnhäuser planerisch und [X.] in Richtung einer [X.] ausgerichtet sind, die über den nordwestlichen Teil ihrer Grundstücke und eines weiteren Grund-stücks zu einer öffentlichen Straße führt. Die [X.] gehört insoweit den jeweiligen Grundstückseigentümern, als sie auf deren Grundstücken verläuft. Im Südosten grenzen die Grundstücke der [X.]en an eine städtische Fläche an, die mit einem befestigten Fuß- und Radweg sowie mit einem Grünstreifen versehen ist. An deren östlichem Ende befindet sich ein öffentlicher Parkplatz, der eine Ein- und Ausfahrt zu der öffentlichen Straße hat. 1 [X.] verlangen von den Widerbeklagten die Unterlassung der Benutzung des Teils der [X.], der sich auf ihrem Grundstück befindet. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer Berufung haben die [X.] die Feststellung beantragt, dass die Widerbeklagten nicht berechtigt sind, den im Nord-Westen vor dem [X.] verlaufenden Teil der [X.] zum Gehen, Fahren oder in sonstiger Weise zu nutzen. Hilfsweise haben sie die Verurteilung der Widerbeklagten verlangt, es zu unterlassen, den im Nord-Westen vor dem [X.] verlaufenden Teil der [X.], Fahren oder in sonstiger Weise zu nutzen. Weiter hilfsweise haben die [X.] die Verurteilung der Widerbeklagten zur Zahlung von 200 • pro Monat für die Benutzung ihres Teils der [X.] beantragt. Das [X.] hat den Hauptantrag als unzulässig abgewiesen und dem ersten Hilfsantrag stattgegeben. 2 Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die [X.] beantragen, wollen die Widerbeklagten die vollständige Zurückwei-sung der Berufung der [X.] gegen das erstinstanzliche Urteil erreichen. 3 - 4 - Entscheidungsgründe:[X.] Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der erste Hilfsantrag nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 [X.] begründet; die [X.] müssten die Benutzung des ihnen gehörenden Teils der [X.] durch die Widerbeklagten nicht dulden. Eine Benutzungsdienstbarkeit sei nicht bestellt worden. Die Existenz einer altrechtlichen Dienstbarkeit, welche bestehen geblieben sei, hätten die Widerbeklagten nicht dargelegt. Aus dem Gesichtspunkt der unvordenklichen Verjährung lasse sich eine Benutzungsberechtigung der Widerbeklagten nicht herleiten. Soweit in der bisherigen Benutzung der Straße schuldrechtlich ein Leihverhältnis zu sehen sei, sei dieses spätestens mit der Erhebung der [X.] gekündigt worden. Auch aus gesellschafts- oder gemeinschaftsrechtli-chen Vorschriften ergebe sich keine Duldungspflicht der [X.]. An einem Notwegrecht der Widerbeklagten fehle es, weil sie die öffentliche Straße durch ihr Gartentor, welches an die städtische Fläche [X.], erreichen könnten. Schließlich ergebe sich eine Duldungspflicht der [X.] nicht aus dem Gesichtspunkt des nachbarlichen [X.], weil besondere Umstände, welche einen über die gesetzliche Regelung hinausgehenden billi-gen Ausgleich der widerstreitenden Interessen zwingend geboten erscheinen ließen, weder vorgetragen noch ersichtlich seien. 4 Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis nicht stand. 5 - 5 - I[X.] 1. Ohne Erfolg rügt die Revision allerdings, das Berufungsgericht habe die Rechtskraft des in erster Instanz zugunsten der Widerbeklagten ergangenen [X.] nicht beachtet, mit dem diesen erlaubt worden sei, zur Durchführung von Instandsetzungsarbeiten an der Grenzwand ihres Hauses das Grundstück der [X.] zu betreten. Denn zum einen wirkt diese Ent-scheidung nicht gegen die seinerzeit noch nicht an dem Rechtsstreit beteiligte [X.]in zu 1. Zum anderen hindert das Berufungsurteil die [X.] nicht, das Teil-Anerkenntnisurteil durchzusetzen. Dass sie den Teil der Straße, der auf dem Grundstück der [X.] verläuft, für die Durchführung von Instandhaltungsarbeiten benutzen müssen, haben sie nicht vorgetragen. 6 2. Im Ergebnis ebenfalls erfolglos rügt die Revision, das Berufungsge-richt habe seiner Verhandlung und Entscheidung weder nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO die von dem [X.] festgestellten Tatsachen zugrunde gelegt noch selbst nach §§ 525 Satz 1, 355, 398, 402 i.V.m. §§ 371, 144 ZPO erneute Fest-stellungen getroffen. 7 a) Das Berufungsgericht musste die erstinstanzliche Augenscheinsein-nahme nicht wiederholen; auch musste es den von dem [X.] bestellten Sachverständigen nicht erneut anhören. Es hat nämlich insoweit keine von dem [X.] abweichende Feststellungen getroffen, sondern aus den [X.] lediglich einen anderen rechtlichen Schluss gezogen. 8 b) Die Aussage des in erster Instanz vernommenen Zeugen, die sich die Widerbeklagten zu Eigen gemacht haben, durfte das Berufungsgericht jedoch nicht - wie geschehen - abweichend von dem [X.] würdigen, ohne die Widerbeklagten zuvor rechtzeitig auf die beabsichtigte Abweichung hingewie-sen und gegebenenfalls den Zeugen erneut vernommen zu haben (vgl. [X.] 9 - 6 - NJW 2003, 2524). Dieser [X.] wirkt sich jedoch nicht auf die an-gefochtene Entscheidung aus. Denn selbst wenn man die Aussage des Zeugen zu der Anlegung der [X.] in den Jahren 1936/1937 und deren spätere Benutzung in Übereinstimmung mit dem [X.] dahingehend würdigt, dass die damaligen Grundstückseigentümer einen Gesellschaftsvertrag [X.] haben, kann nicht festgestellt werden, dass die [X.] aufgrund einer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit zur Duldung der Benutzung des ihnen gehörenden Teils der Straße durch die Widerbeklagten verpflichtet sind. Denn weder haben diese vorgetragen noch ist ersichtlich, dass die [X.] bei dem Erwerb ihres Grundstücks im Jahr 1994 in eine etwaige Gesellschaf-terstellung ihres [X.] eingetreten sind. Darüber hilft die von dem [X.] herangezogene Vorschrift des § 746 [X.] nicht hinweg. Sie gilt nicht für die [X.], sondern nur für die Gemein-schaft nach Bruchteilen (§ 741 [X.]). Diese ist hier jedoch nicht gegeben, weil die [X.] nicht ungeteilt den drei Grundstückseigentümern gemeinschaft-lich zusteht. Aus einer Vereinbarung zwischen den [X.]n und dem drit-ten Grundstückseigentümer über die Verteilung der für die [X.] anfal-lenden Unterhaltungskosten können die Widerbeklagten zu ihren Gunsten [X.] nichts herleiten. 3. Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe die Widerbeklagten unter Verletzung von § 139 ZPO nicht darauf [X.], dass es der rechtlichen Beurteilung des [X.]s nicht folgen [X.]. Zwar darf eine in erster Instanz siegreiche [X.] grundsätzlich darauf ver-trauen, dass das Berufungsgericht ihr rechtzeitig einen Hinweis nach § 139 ZPO erteilt, wenn es der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will (siehe nur [X.], [X.]. v. 15. Februar 2005, [X.], [X.]-Report 2005, 936, 937 m.w.N.) und insbesondere aufgrund seiner abweichenden Ansicht eine Ergän-zung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält ([X.], Urt. 10 - 7 - v. 21. Oktober 2005, [X.], NJW-RR 2006, 235, 236). Aber dieser Grundsatz gilt nicht ausnahmslos; eine Hinweispflicht des Berufungsgerichts besteht nicht, wenn die entscheidungserheblichen Gesichtspunkte in dem bis-herigen Verfahren bereits erörtert wurden ([X.], aaO). So liegt es hier. Die möglichen Rechtsgrundlagen für ein Benutzungsrecht der Widerbeklagten und das Problem, ob eine ausreichende andere Zuwegung zu ihrem Grundstück besteht, waren nach dem Tatbestand des Berufungsurteils sowohl in der ersten als auch in der zweiten Instanz die zentralen Fragen des Rechtsstreits und da-mit Gegenstand der mündlichen Verhandlungen. 4. Erfolglos rügt die Revision ebenfalls, das Berufungsgericht habe [X.] § 279 Abs. 3 ZPO das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme nicht mit den [X.]en erörtert. Dies verkennt, dass die genannte Vorschrift ausschließlich das Prozessgericht verpflichtet, vor dem die Beweisaufnahme erfolgt ist oder welches sie angeordnet hat (§ 285 ZPO). Unterbleibt die Erörte-rung in der ersten Instanz, worauf es hier mangels Beweisaufnahme vor dem Berufungsgericht allenfalls ankommt, kann das auf entsprechende Rüge zur Aufhebung des Urteils durch das Berufungsgericht führen. So liegen die Dinge hier jedoch nicht. Die Widerbeklagten haben keine entsprechende Rüge in der Berufungsinstanz aufgezeigt und demgemäß keinen damit im Zusammenhang stehenden Verfahrensfehler des Berufungsgerichts beanstandet. 11 5. Ohne Erfolg wendet die Revision auch ein, dass das Berufungsgericht das Bestehen einer altrechtlichen Dienstbarkeit zugunsten der Widerbeklagten verneint hat. Denn wenn die Häuser der [X.]en - nach dem Vortrag der [X.] - in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts gebaut worden sind, fehlt es an dem für das Entstehen einer Dienstbarkeit durch Ersitzung vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs am 1. Januar 1900 nach dem [X.] maßgeblichen [X.] notwendigen Erforder-12 - 8 - nis der wenigstens 30 Jahre langen und ununterbrochen ausgeübten Inan-spruchnahme des Rechts ([X.] 9 § 625 i.V.m. [X.] 22 §§ 13, 14). 6. Die Beanstandung der Revision, das Berufungsgericht habe zu [X.] eine Widmung der [X.] aufgrund unvordenklicher Verjährung ver-neint, bleibt ebenfalls erfolglos. 13 a) Die unvordenkliche Verjährung liefert den Beweis für eine in früherer Zeit von der zuständigen Obrigkeit ausdrücklich oder stillschweigend erteilte Verleihung. Dafür ist es erforderlich, dass der als Recht beanspruchte Zustand in einem Zeitraum von 40 Jahren als Recht besessen worden ist und dass wei-tere 40 Jahre vorher keine Erinnerung an einen anderen Zustand seit Men-schengedenken bestand ([X.], [X.] 16, 234, 238 m.w.N.). 14 b) Danach ist hier keine Widmung der [X.] für den Gemein-gebrauch kraft unvordenklicher Verjährung gegeben. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung der [X.] ist das Inkrafttreten des [X.] des [X.] [X.] im Jahr 1962. Davon geht auch die Revision aus. Somit begann der erste Zeitraum im Jahr 1882 zu [X.]. Dass damals die Fläche, auf der heute die [X.] verläuft, als Zuwe-gung zu den Grundstücken der [X.]en diente, kann jedoch nicht festgestellt werden. Denn die Widerbeklagten gehen selbst davon aus, dass eine entspre-chende Nutzung erst mit der Errichtung der Häuser in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts begann. 15 7. Ebenfalls erfolglos macht die Revision geltend, das Berufungsgericht habe fehlerhaft den Widerbeklagten deren Recht nach § 24 NachbG NRW ab-erkannt, den im Eigentum der [X.] stehenden Straßenabschnitt zur Durchführung von Bau- und Instandsetzungsarbeiten zu benutzen. Um diese 16 - 9 - Art der Benutzung geht es hier nicht. Das sogenannte [X.] und [X.] kann dem Nachbarn auch nicht im Voraus zuerkannt, sondern muss von diesem im Einzelfall geltend gemacht werden. Soweit es um die von den Widerbeklagten beabsichtigten Maßnahmen an ihrer Grenzwand geht, streitet für sie das Anerkenntnisurteil vom 13. Oktober 2004. Dass sie für diese Maß-nahmen auch den den [X.]n gehörenden Straßenabschnitt benutzen müssen, haben die Widerbeklagten nicht vorgetragen. 8. Mit Erfolg wendet sich die Revision jedoch dagegen, dass das [X.] ein Notwegrecht der Widerbeklagten nach § 917 Abs. 1 Satz 1 [X.] fehlerhaft verneint hat. Die Verbindung ihres Grundstücks mit der [X.] über den auf der [X.]nden städtischen Fläche verlaufenden Rad- und Fußweg genügt nämlich nicht den Anforderungen an eine zur ord-nungsmäßigen Grundstücksnutzung notwendigen Verbindung. 17 a) Allerdings begründet der von der Revision hervorgehobene Gesichts-punkt, dass das Grundstück der Widerbeklagten spätestens seit den Jahren 1936/1937 über die [X.] - auch mit Lastkraftwagen - angefahren werde, keine Duldungspflicht der [X.]. Die langjährige Grundstücksnutzung in einer von dem Nachbarn ermöglichten bestimmten Art und Weise bildet keine Grundlage für die Ordnungsmäßigkeit der Benutzung des verbindungslosen Grundstücks i.S. von § 917 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Denn diese beurteilt sich allein nach objektiven Gesichtspunkten und nicht nach persönlichen Bedürfnissen des Grundstückseigentümers ([X.], Urt. v. 26. Mai 1978, [X.], [X.], 1293, 1294). 18 b) Auch der Umstand, dass sich auf dem Grundstück der Widerbeklagten drei Garagen befinden, begründet für sich allein kein Notwegrecht. Dieser Zu-stand ist wiederum die Folge der persönlichen Bedürfnisse der [X.]. 19 - 10 - Objektiv ist das Abstellen von Kraftfahrzeugen in den Garagen für die ord-nungsmäßige Benutzung des Wohngrundstücks nicht notwendig (a.[X.], 124, 126 zu einer WEG-Anlage mit Tiefgaragen- und Stellplätzen). c) Nichts anderes ergibt sich - entgegen der Ansicht der Revision - aus dem Urteil des [X.]s vom 15. April 1964 ([X.], NJW 1964, 1321). Zwar ist dort ausgeführt, dass den Maßstab für die Beurteilung der [X.] die Bedürfnisse einer praktischen Wirt-schaft bilden, wobei es jeweils auf die [X.] und Größe des Grund-stücks, seine Umgebung und die sonstigen Umstände des Einzelfalls ankommt; dies steht jedoch unter dem Obersatz, dass es sich nach objektiven [X.] bestimmt, ob eine Grundstücksbenutzung ordnungsmäßig ist ([X.], Urt. v. 15. April 1964, [X.], NJW 1964, 1321, 1322). 20 d) Auch die Überlegung, dass das Befahren der [X.] durch die Widerbeklagten im Einzelfall notwendig sein könne, z.B. bei Baumaßnahmen auf ihrem Grundstück oder bei Transporten schwerer Güter, führt nicht zu ei-nem Notwegrecht. In solchen Fällen käme unter den Voraussetzungen des § 917 Abs. 1 Satz 1 [X.] ein zeitlich befristeter Duldungsanspruch in Betracht. 21 e) Das Berufungsgericht hat jedoch rechtsfehlerhaft das Vorhandensein einer zur ordnungsmäßigen Benutzung des Grundstücks der Widerbeklagten notwendigen Verbindung mit einem öffentlichen Weg (§ 917 Abs. 1 Satz 1 [X.]) bejaht. 22 aa) [X.] ist allerdings, dass dem Grundstück die Verbindung mit einem öffentlichen Weg nicht völlig fehlt. Denn es grenzt an seiner südöstlichen Gartenseite an die städtische Fläche, über die ein öffentlicher Fuß- und [X.] verläuft; über diesen ist ein öffentlicher Parkplatz zu erreichen, welcher 23 - 11 - eine Ein- und Ausfahrt zu der öffentlichen Straße hat. Das steht einem Dul-dungsanspruch der Widerbeklagten jedoch nicht von vornherein entgegen. Denn er kommt auch in Betracht, wenn eine vorhandene Verbindung für die ordnungsmäßige Benutzung des Grundstücks nicht ausreicht ([X.], Urt. v. 11. Juni 1954, [X.], NJW 1954, 1321). [X.]) Das ist hier der Fall. Es ist nämlich weder vorgetragen noch ersicht-lich, dass das Grundstück der Widerbeklagten über die städtische Fläche mit Kraftfahrzeugen erreicht werden kann. Diese Erreichbarkeit ist jedoch bei einem Wohngrundstück in der Regel notwendig. Beispielsweise sei auf die Versorgung mit Energie (Öllieferung) und die Entsorgung von Müll hingewiesen. Ebenfalls zur ordnungsmäßigen Benutzung gehört die Möglichkeit, sein Wohngrundstück mit dem eigenen Kraftfahrzeug anfahren zu können. Das gilt jedenfalls dann, wenn es - wie hier - nicht lediglich um das Abstellen von Kraftfahrzeugen auf dem Grundstück, sondern um dessen Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen geht. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt grundlegend von dem, welcher der Entscheidung des [X.]s vom 9. November 1979 ([X.] 75, 315) zugrunde lag, auf die sich das Berufungsgericht für seine Auffassung auch ge-stützt hat. Dort grenzte das Grundstück nämlich an eine öffentliche Straße; es konnte mit Kraftfahrzeugen angefahren werden, die wegen der baulichen [X.] mangels Zufahrtmöglichkeit lediglich nicht auf dem Grundstück abgestellt werden konnten. Hier können die Widerbeklagten ihr Grundstück [X.] nicht über die an die Gartenseite [X.]nde städtische Fläche mit [X.] erreichen, sondern ausschließlich über die [X.]. Die vor-handene Verbindung des Grundstücks mit dem öffentlichen Weg lässt es nur zu, es zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu erreichen. Dieser Zustand beeinträchtigt die Grundstücksnutzung in einem nicht mehr hinnehmbaren Maß; denn er ver-hindert die Befriedigung von Grundbedürfnissen der Bewohner wie z.B. die problemlose Anlieferung von Gegenständen des täglichen Lebensbedarfs sowie 24 - 12 - die sichere Erreichbarkeit des Grundstücks. Das steht der ordnungsmäßigen Benutzung als Wohngrundstück entgegen (vgl. [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl. § 917 Rdn. 7). 9. Die Widerbeklagten können nicht verlangen, dass ihnen die Benut-zung des den [X.]n gehörenden Straßenabschnitts entschädigungslos gestattet wird. Vielmehr müssen sie zum einen die Kosten der Unterhaltung dieses Straßenteils anteilig tragen ([X.]/[X.], aaO, § 917 Rdn. 21); denn zur Unterhaltung des [X.] ist der Duldungspflichtige grundsätzlich nicht verpflichtet ([X.], Urt. v. 6. April 1995, [X.], [X.], 1195, 1198). Zum anderen müssen die Widerbeklagten an die [X.] nach § 917 Abs. 2 [X.] eine Geldrente zahlen. Diesen Anspruch haben die [X.] mit ihrem zweiten Hilfsantrag geltend gemacht. 25 Der von dem Prozessbevollmächtigten der [X.] in der mündli-chen Verhandlung vor dem [X.] unter Hinweis auf das Urteil des [X.] vom 10. März 1981 ([X.] 1981, 932) angesproche-ne Gesichtspunkt der Verwirkung des Duldungsanspruchs der Widerbeklagten kommt nicht zum Tragen. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen ge-troffen, dass sie sich aus nicht zu billigenden Gründen generell geweigert ha-ben, sich an den Unterhaltungskosten zu beteiligen. 26 - 13 - IV. Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), soweit es zum Nachteil der Widerbeklagten ergangen ist. Hinsichtlich des ersten [X.] ist die Sache zur Endentscheidung reif, so dass der [X.] selbst zu entscheiden hat (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das führt insoweit zur Zurück-weisung der Berufung der [X.]. Im Übrigen ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit es über den zweiten Hilfsantrag befinden kann, indem es die von den Widerbeklagten geschuldete Rentenhöhe ermittelt (siehe dazu [X.], [X.] 113, 32). 27 [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 28.06.2006 - 3 O 377/04 - [X.], Entscheidung vom 16.04.2007 - 5 [X.]/06 -

Meta

V ZR 106/07

12.12.2008

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.12.2008, Az. V ZR 106/07 (REWIS RS 2008, 243)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 243

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