Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.04.2018, Az. IV ZR 215/16

4. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 10946

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Gegenstand

Rechtsschutzversicherung: Umwandlung des Befreiungsanspruchs des Versicherungsnehmers in einen Zahlungsanspruch bei der Zusage von Abwehrdeckung


Leitsatz

1. Zur Zusage von Abwehrdeckung durch den Rechtsschutzversicherer (Fortführung des Senatsurteils vom 21. Oktober 2015, IV ZR 266/14, VersR 2015, 1501).

2. Der Zusage von Abwehrdeckung durch den Rechtsschutzversicherer kommt die Wirkung von § 362 Abs. 1 BGB erst dann zu, wenn der Versicherungsnehmer endgültig von der Gefahr befreit ist, Gebührenansprüche seines Rechtsanwalts erfüllen zu müssen.

3. Eine Umwandlung des Befreiungsanspruchs des Versicherungsnehmers einer Rechtsschutzversicherung in einen Zahlungsanspruch kommt bei der Zusage von Abwehrdeckung nur in Frage, wenn tatsächlich der Versuch der Abwehr der Forderung - im Ergebnis erfolglos - unternommen wurde.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 28. Juli 2016 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger schloss im Jahr 1994 bei der Beklagten eine Rechtsschutzversicherung ab. Vereinbart sind die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung ([X.]). Diese bestimmen unter anderem:

"§ 1 Gegenstand

(1) Der Versicherer sorgt nach Eintritt eines Versicherungsfalles für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers, soweit sie notwendig ist, und trägt die dem Versicherungsnehmer hierbei entstehenden Kosten. Die Wahrnehmung rechtlicher Interessen ist notwendig, wenn sie hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

...

§ 2 Umfang

(1) Der Versicherer trägt

a) die gesetzliche Vergütung eines für den Versicherungsnehmer tätigen Rechtsanwaltes. ...

...

(2) Der Versicherer hat die Leistungen nach Absatz 1 zu erbringen, sobald der Versicherungsnehmer wegen der Kosten in Anspruch genommen wird."

2

Der Kläger beteiligte sich in den Jahren 1995 und 1997 als atypischer stiller Gesellschafter an Unternehmen der sogenannten [X.]    . [X.] wandte er sich an eine Anwaltskanzlei (im Folgenden: Prozessbevollmächtigte), um Ansprüche wegen dieser Beteiligungen geltend zu machen. Nachdem die Beklagte zunächst [X.] für Ansprüche gegen die Beteiligungsgesellschaften gewährt hatte, sagte sie dem Kläger [X.] im erbetenen Umfang für ein Vorgehen gegen Konzeptanten, Initiatoren und ehemalige Vorstände der [X.]    wegen Betruges und anderer unerlaubter Handlungen zu.

3

Die Prozessbevollmächtigten erbaten mit Schreiben vom 28. März 2011 bei der Beklagten Deckungsschutz für die außergerichtliche Interessenwahrnehmung für Ansprüche aus Beihilfe zum Betrug und Kapitalanlagebetrug sowie aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gegen drei Wirtschaftsprüfungsunternehmen, die für die [X.]     tätig gewesen waren.

4

Unter dem 29. Juli 2011 teilte die Beklagte den Prozessbevollmächtigten mit, dass sie für eine außergerichtliche Tätigkeit gegenüber den bisher in Anspruch genommenen Beteiligten an der angeblichen Straftat bereits [X.] gewährt habe und es sich bei den Wirtschaftsprüfungsunternehmen um vermeintliche Gehilfen handele, so dass nur eine Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne vorliege. Der [X.] für die hier behandelte außergerichtliche Angelegenheit sei daher bereits erteilt und geleistet. Mit einem weiteren Schreiben vom 29. Juli 2011 wandte sich die Beklagte an den Kläger, übermittelte ihm ihr Schreiben vom selben Tag an die Prozessbevollmächtigten und führte unter anderem Folgendes aus:

"Für eine außergerichtliche Interessenwahrnehmung gegen potentielle Täter und Tatbeteiligte hatten wir bereits Deckungszusage erteilt ... . Diese Zusage im außergerichtlichen Bereich erstreckt sich (trotz größter Bedenken zur Erfolgsaussicht!!) auch auf die Wirtschaftsprüfer, denn sie haben die Prospekte testiert und kamen von vornherein als mögliche Tatbeteiligte in Betracht. Dies löst aber bei Ihren Anwälten keine gesonderte Geschäftsgebühr aus. ...

Ganz wichtig: Als Ihr Vertragspartner gehört es zu unseren Pflichten, Sie von Gebührenansprüchen Ihres Anwalts freizustellen. "Freistellung" bedeutet bei berechtigten Gebührenforderungen Zahlung an den Anwalt und bei unberechtigten Forderungen Unterstützung bei der Abwehr dieser Gebührenforderung. Deshalb unsere dringende Bitte: Informieren Sie uns sofort, wenn Ihnen die Anwaltskanzlei für die außergerichtliche Tätigkeit gegen Wirtschaftsprüfer Kosten in Rechnung stellen sollte."

5

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2011 stellten die Prozessbevollmächtigten bei einer staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle einen Antrag auf außergerichtliche Streitschlichtung gegen die Wirtschaftsprüfungsunternehmen. Hierüber informierten sie die Beklagte am 27. März 2012 und baten um [X.] für das Güteverfahren und vorsorglich für ein erstinstanzliches Gerichtsverfahren. Dem schloss sich eine Korrespondenz zwischen der Beklagten und den Prozessbevollmächtigten an, ohne dass diese sich dabei verständigen konnten.

6

Mit Schreiben vom 10. Mai 2012 wandte sich die Beklagte erneut an den Kläger. Sie meinte in dem Schreiben unter anderem, dass die Prozessbevollmächtigten die behaupteten Ansprüche gegen die Wirtschaftsprüfer bisher überhaupt nicht geltend gemacht hätten und nicht einmal ein Anspruchsschreiben existiere. Sie führte weiter aus, dass nach ihrer Ansicht das Schlichtungsverfahren nicht notwendig gewesen sei und hierdurch völlig unnötige Mehrkosten verursacht worden seien. Sodann heißt es in diesem Schreiben:

"Dieses Vorgehen stellt uns gegenüber eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung dar, die nach § 82 [X.] ([X.]) ggf. zur Leistungsfreiheit des Versicherers führen kann. Dieses Verhalten Ihrer Rechtsanwälte müssen Sie sich dabei zurechnen lassen.

Da wir vermuten, dass die Anwälte das Vorgehen nicht mit Ihnen abgesprochen haben, möchten wir Ihnen gleichwohl weiterhelfen. Wir sind bereit, die Kosten des Schlichters zu übernehmen. ...

Bitte informieren Sie uns, wenn der Schlichter ... Ihnen eine Kostenrechnung zusendet. Wir werden diese Rechnung dann prüfen und entweder für Sie bezahlen oder anderenfalls Ihnen [X.] für die Abwehr der Forderung geben. Das gleiche gilt für eine etwaige Rechnung der [Prozessbevollmächtigten]. Für die Tätigkeit im Schlichtungsverfahren fällt dort normalerweise eine zusätzliche Geschäftsgebühr nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) an. Wir sind der Meinung, dass diese Gebühr aber von Ihnen nicht verlangt werden kann, da durch diese Vorgehensweise der Rechtsanwälte unnötige Mehrkosten entstanden sind. Wir werden Ihnen in diesem Fall daher [X.] für die Abwehr der Gebührenforderung zur Verfügung stellen."

7

Am 14. August 2012 erstellten die Prozessbevollmächtigten eine [X.] für ihre Tätigkeit im Zusammenhang mit Ansprüchen gegen die Wirtschaftsprüfungsunternehmen über insgesamt 5.090,94 €. Die [X.] reichten sie bei der Beklagten ein und verlangten namens und in Vollmacht des [X.], diesen von der Kostenforderung freizustellen. Die Beklagte lehnte es ab, die Forderung zu bezahlen, und verwies darauf, dass sie den Kläger umfassend von der geltend gemachten Vergütung freigestellt habe, nämlich in Form der Zahlung berechtigter und der Abwehr unberechtigter Ansprüche. Mit zwei Schreiben vom 10. September 2014 stellten die Prozessbevollmächtigten dem Kläger anstelle der Vorschussrechnung 3.127,92 € für das Güteverfahren sowie 2.196,68 € für die sonstige außergerichtliche Tätigkeit in Rechnung.

8

Der Kläger hat - soweit noch von Interesse - im landgerichtlichen Verfahren zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihn von der Gebührenforderung aus der [X.] vom 14. August 2012 freizustellen. Das [X.] hat die Klage insoweit abgewiesen.

9

Während des Berufungsverfahrens hat der Kläger den in der Rechnung der Prozessbevollmächtigten vom 10. September 2014 für das Güteverfahren ausgewiesenen Betrag bezahlt. Sein zuletzt allein gestellter Antrag, die Beklagte zu verurteilen, an ihn - als Erstattung des an die Prozessbevollmächtigten gezahlten Betrages - 3.127,92 € zu zahlen, hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger dieses Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

I. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in [X.], 31 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung des an die Prozessbevollmächtigten gezahlten Betrages.

Die Beklagte habe dem Kläger mit Schreiben vom 10. Mai 2012 [X.] für einen etwaigen Gebührenprozess zwischen ihm und den Prozessbevollmächtigten zugesagt. Die Erklärung in diesem Schreiben stehe in Übereinstimmung mit dem früheren, im Juli 2011 an den Kläger gerichteten Schreiben. Auch dort habe die Beklagte deutlich gemacht, dass sie weitere Forderungen der Prozessbevollmächtigten für unberechtigt halte und den Kläger bei der Abwehr der Forderungen unterstützen wolle. Durch die Zusage von [X.] habe sie den Anspruch des [X.] aus § 2 Abs. 1 a [X.] gemäß § 362 BGB erfüllt. Deshalb sei es unerheblich, dass der Versicherungsnehmer nach Zusage der [X.] aus eigenem Entschluss die anwaltliche Forderung beglichen habe.

Der Teilerfüllung durch Gewährung von [X.] stünden weder § 158n [X.] a.F. noch europarechtliche Vorgaben entgegen. § 158n [X.] a.F. sei nach seinem eindeutigen Wortlaut nicht anwendbar. Die Vorschrift setze die Richtlinie 87/344/[X.] richtlinienkonform um. Mit dem Begriff "Streitfall" in Art. 6 der Richtlinie sei der Rechtsstreit des Versicherten mit seinem [X.] gemeint, für den er Deckungsschutz begehre. Die Zusage von [X.] werde nicht erfasst. Sie komme einer Deckungsablehnung auch nicht gleich. Es sei nicht davon auszugehen, dass sich ein Versicherungsnehmer allein deshalb von der Rechtsverfolgung abhalten lasse, weil der Versicherer hinsichtlich der Kosten des eigenen Anwalts nur [X.] gewähre.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der an die Prozessbevollmächtigten gezahlten Gebühren.

1. Zwar kann sich der Befreiungsanspruch des Versicherungsnehmers einer Rechtsschutzversicherung, der die [X.] zugrunde liegen, in einen Zahlungsanspruch umwandeln, wenn der von seinem Rechtsanwalt in Anspruch genommene Versicherungsnehmer dessen Forderung erfüllt ([X.]surteil vom 25. Januar 2006 - [X.], [X.], 404 Rn. 14; vgl. auch [X.]surteil vom 14. März 1984 - [X.], [X.], 530 unter II [juris Rn. 31]). Davon gehen auch das Berufungsgericht und die Revision aus.

2. Im Streitfall ist es aber nicht zu einer solchen Umwandlung gekommen, weil der Kläger erst nach der Zusage von [X.] und ohne durchgeführten Abwehrversuch an die Prozessbevollmächtigten gezahlt hat.

a) Nach der revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Feststellung des Berufungsgerichts hat die Beklagte dem Kläger Deckungsschutz in Form der [X.] zugesagt.

aa) Wie der [X.] mit Urteil vom 21. Oktober 2015 ([X.], [X.], 1501 Rn. 32 ff.) entschieden und im Einzelnen begründet hat, steht es dem Rechtsschutzversicherer grundsätzlich frei, auf welche Weise er den Versicherungsnehmer von einer Gebührenforderung befreit. Entscheidend ist nur, dass das geschuldete Ergebnis - Befreiung des Versicherungsnehmers von der Verbindlichkeit - erreicht wird. Der Versicherer kann entscheiden, ob er die Gebührenforderung als Dritter gemäß § 267 BGB bezahlt, ob er mit dem Rechtsanwalt eine (befreiende) Schuldübernahme vereinbart oder ob er in anderer Weise erreicht, dass der Versicherungsnehmer nicht mehr der Gefahr ausgesetzt ist, [X.] seines Rechtsanwalts erfüllen zu müssen. Hält der Versicherer die [X.] für unbegründet, muss er dem Versicherungsnehmer deshalb bei deren Abwehr zur Seite stehen ([X.]surteil vom 21. Oktober 2015 aaO Rn. 34, 42).

bb) In den an den Kläger gerichteten Schreiben vom 29. Juli 2011 und 10. Mai 2012 hat die Beklagte deutlich gemacht, dass sie die Gebührenforderung der Prozessbevollmächtigten für unberechtigt hält und die Kosten für deren Abwehr übernimmt. Die Feststellung des Berufungsgerichts, damit habe die Beklagte dem Kläger [X.] zugesagt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. [X.]surteil vom 21. Oktober 2015 aaO Rn. 26).

Die Auslegung von Individualerklärungen obliegt grundsätzlich dem Tatrichter. Sie kann in der Revision nur darauf überprüft werden, ob der Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt wurde, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt wurden oder ob die Auslegung auf einem Verfahrensfehler beruht ([X.]surteil vom 20. Juli 2016 - [X.], [X.], 1108 Rn. 10 m.w.N.).

Ein derartiger Rechtsfehler liegt hier nicht vor. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, der Auslegung des Berufungsgerichts stehe entgegen, dass die Beklagte dem Kläger in dem Schreiben vom 10. Mai 2012 die Verursachung unnötiger Mehrkosten und eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung vorgeworfen habe, die zur Leistungsfreiheit führen könne. Im folgenden Absatz hat die Beklagte ausgeführt, sie wolle dem Kläger "gleichwohl weiterhelfen". Dies und die folgende Zusage von [X.] für die Abwehr der Gebührenforderung durfte und musste ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer nach objektivem Empfängerhorizont dahin verstehen, dass die Beklagte ungeachtet etwaiger Obliegenheitsverletzungen Deckungsschutz in Form der [X.] gewährt.

b) Die Revision weist allerdings zu Recht darauf hin, dass eine Umwandlung des [X.] in einen Zahlungsanspruch hier - anders als das Berufungsgericht meint - nicht schon deshalb ausscheidet, weil der Befreiungsanspruch des [X.] durch die Zusage von [X.] gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen wäre.

aa) Ein Schuldverhältnis erlischt nach § 362 Abs. 1 BGB, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Maßgeblich ist danach, ob das vom Rechtsschutzversicherer geschuldete Ergebnis - Befreiung von der Verbindlichkeit - eingetreten ist (vgl. [X.]surteile vom 21. Oktober 2015 - [X.], [X.], 1501 Rn. 33; vom 16. Juli 2014 - [X.], [X.], 122 Rn. 27 m.w.N.).

bb) Mit der Zusage von [X.] unternimmt der Versicherer zwar das zum gegebenen Zeitpunkt Erforderliche und erfüllt in diesem Sinne den Befreiungsanspruch, weshalb eine Deckungsklage des Versicherungsnehmers bei dieser Sachlage als derzeit unbegründet abzuweisen ist ([X.]surteil vom 21. Oktober 2015 aaO Rn. 19, 28 ff.). Der Zusage von [X.] kommt aber nicht die Wirkung von § 362 Abs. 1 BGB zu, weil sie den Versicherungsnehmer nicht endgültig von der Gefahr befreit, [X.] seines Rechtsanwalts erfüllen zu müssen.

Sagt der Versicherer [X.] zu, ist der Versicherungsnehmer weiterhin der Gefahr ausgesetzt, auf eine Gebührenklage seines Rechtsanwalts verurteilt zu werden. Der Versicherer bleibt deshalb verpflichtet. Aufgrund seines vertraglichen [X.] und der in diesem Rahmen erteilten [X.] (vgl. dazu [X.]surteil vom 21. Oktober 2015 aaO Rn. 37 ff.) hat er den Versicherungsnehmer gegen die Gebührenforderung zu verteidigen, die Kosten und das Risiko einer streitigen Auseinandersetzung zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Rechtsanwalt über die Forderung zu tragen und im Unterliegensfall deshalb die Prozesskosten und ausgeurteilten Gebühren zu übernehmen. Dabei ist der Versicherer im Verhältnis zum Versicherungsnehmer an die im Mandatsverhältnis ergangene Entscheidung über die Gebührenforderung gebunden, obgleich er nicht [X.] jenes Rechtsstreits ist. Diese Bindung beruht auf seinem Leistungsversprechen, den Versicherungsnehmer von den Kosten der Rechtsverfolgung und im Falle eines erfolglosen [X.] insbesondere von den Gebühren des eigenen Anwalts freizustellen (vgl. [X.]surteil vom 21. Oktober 2015 aaO Rn. 42).

c) Der Befreiungsanspruch des [X.] hat sich allerdings deshalb trotz seiner Zahlung an die Prozessbevollmächtigten nicht in einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte umgewandelt, weil der Kläger nach der Zusage von [X.] nicht den Versuch unternommen hat, die Forderung abzuwehren, sondern sie aus eigener Entscheidung erfüllt hat. Der von der Beklagten zugesagte [X.]sschutz im oben genannten Sinn bedeutet aus der maßgeblichen objektiven Empfängersicht die Zusage des [X.], den Versicherungsnehmer für den Fall, dass die Abwehr der Kosten misslingt, freizustellen oder - sofern der Versicherungsnehmer nach erfolgloser Abwehr an den Rechtsanwalt gezahlt hat - dem Versicherungsnehmer die Kosten zu erstatten. Eine Umwandlung des [X.] in einen Zahlungsanspruch kommt bei der Zusage von [X.] daher nur in Frage, wenn auch tatsächlich der Versuch der Abwehr der Forderung - im Ergebnis erfolglos - unternommen wurde. Ob sich der Befreiungsanspruch des Versicherungsnehmers trotz Zusage von [X.] in einen Zahlungsanspruch umwandelt, hängt deshalb vom Zeitpunkt der Zahlung an den Rechtsanwalt ab.

aa) Führt der Versicherungsnehmer eine streitige Auseinandersetzung mit dem Rechtsanwalt über dessen Gebührenforderung und unterliegt er entgegen der (anfänglichen) Einschätzung des Versicherers, der die Gebührenforderung für unberechtigt gehalten hatte, trägt der Versicherer - wie ausgeführt - die Kosten und das Risiko des [X.]. Er hat den Versicherungsnehmer von der titulierten Gebührenforderung zu befreien. Zahlt der Versicherungsnehmer den ausgeurteilten Betrag an den Rechtsanwalt, wandelt sich sein Befreiungsanspruch gegen den Versicherer in einen Zahlungsanspruch um.

bb) Anders liegt es, wenn der Versicherungsnehmer - wie der Kläger im Streitfall - an den Rechtsanwalt zahlt, ohne den Ausgang des [X.] abzuwarten. Dieser Fall liegt außerhalb des vom Rechtsschutzversicherer gegebenen [X.]. Der vom Versicherer versprochene Erfolg der Befreiung von der Verbindlichkeit durch Abwehr der Forderung und bei erfolgloser Abwehr durch Freistellung von oder Begleichung der Forderung des Rechtsanwalts kann nicht mehr eintreten.

d) Entgegen der Ansicht der Revision werden die Interessen des Versicherungsnehmers hierdurch nicht in unangemessener Weise beeinträchtigt. Auch nach Zusage von [X.] ist das geschuldete Ergebnis - Befreiung von der Verbindlichkeit gegenüber dem Rechtsanwalt - sichergestellt. Es ist nicht unangemessen, wenn die Erstattungspflicht des [X.], der [X.] zugesagt hat, von dem Ergebnis eines [X.] im Mandatsverhältnis abhängt, dessen Verlauf der Versicherungsnehmer, will er den Befreiungsanspruch gegen den Versicherer nicht verlieren, abwarten kann und muss. Das hat der [X.] mit Urteil vom 21. Oktober 2015 ([X.], [X.], 1501 Rn. 43 ff.) entschieden; er hält daran auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens fest.

3. Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich etwas anderes nicht daraus, dass die Beklagte mit dem Einwand, die Gebührenforderung sei unberechtigt, ausgeschlossen wäre. Letzteres ist nicht der Fall.

a) Die Berechtigung der Forderung ist im Mandatsverhältnis zwischen dem Kläger und den Prozessbevollmächtigten nicht mit Bindungswirkung für die Beklagte festgestellt worden.

b) Der Umstand, dass die Schreiben der Beklagten vom 29. Juli 2011 und 10. Mai 2012 keinen Hinweis auf ein Gutachterverfahren oder ein anderes Verfahren mit vergleichbaren Garantien für die Objektivität enthielten, führt nicht zur Präklusion des Einwands nach § 158n Satz 3 [X.] in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung (im Folgenden: [X.] a.F.).

§ 158n [X.] a.F. ist zwar gemäß Art. 1 Abs. 2 EG[X.] im Streitfall anwendbar (vgl. [X.]surteil vom 21. Oktober 2015 - [X.], [X.], 1501 Rn. 20 f.). Die Vorschrift erfasst nach ihrem Wortlaut aber nur den Fall, dass der Versicherer Deckungsschutz für eine bestimmte Interessenwahrnehmung versagt, also erklärt, dass keine Leistungspflicht gegenüber dem Versicherungsnehmer bestehe ([X.]surteil vom 21. Oktober 2015 aaO Rn. 23 f.). Eine solche Erklärung hat die Beklagte mit den genannten Schreiben nicht abgegeben. Nach der aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Feststellung des Berufungsgerichts hat sie dem Kläger vielmehr [X.] zugesagt (dazu oben 2 a bb).

c) Entgegen der Auffassung der Revision ist § 158n [X.] a.F. auch nicht aufgrund von Art. 6 und 7 der Richtlinie 87/344/[X.] des Rates vom 22. Juni 1987 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Rechtsschutzversicherung (ABl. EG Nr. L 185/77; im Folgenden: [X.]) dahingehend auszulegen oder fortzubilden, dass die Beklagte mit dem von ihr gegen die Verpflichtung zur Erstattung der Gebührenforderung erhobenen Einwand präkludiert ist.

aa) Gemäß Art. 6 der [X.] treffen die Mitgliedstaaten alle zweckdienlichen Vorkehrungen, damit unbeschadet eines durch die einzelstaatlichen Vorschriften gegebenenfalls vorgesehenen Rechts auf die Einlegung von Rechtsmitteln ein Schiedsverfahren oder ein anderes Verfahren vorgesehen wird, das vergleichbare Garantien für die Objektivität bietet, nach dem die Haltung, die bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Rechtsschutzversicherer und seinem Versicherten hinsichtlich des Vorgehens zur Beilegung des Streitfalls einzunehmen ist, entschieden wird, wobei in dem Versicherungsvertrag anzugeben ist, dass der Versicherte das Recht hat, ein solches Verfahren in Anspruch zu nehmen. Art. 7 der Richtlinie bestimmt, dass im Falle einer Interessenkollision oder bei Uneinigkeit in der Frage der Regelung des Streitfalls der Rechtsschutzversicherer oder gegebenenfalls die Schadenregulierungsstelle den Versicherten auf dessen Recht nach Art. 4 der Richtlinie betreffend die Wahl eines Rechtsanwalts und die Möglichkeit, das Verfahren nach Art. 6 der Richtlinie in Anspruch zu nehmen, hinweisen muss.

bb) Der zwischen den [X.]en bestehende Streit wird von Art. 6 der [X.] nicht erfasst.

Der [X.] (im Folgenden: [X.]) hat wiederholt ausgeführt, dass die Richtlinie keine vollständige Harmonisierung der auf die Rechtsschutzversicherung anwendbaren Vorschriften der Mitgliedstaaten bezweckt (Urteile vom 7. April 2016, Büyüktipi, [X.], [X.]:C:2016:218, Rn. 25, und [X.], [X.]/14, [X.]:[X.], Rn. 27; Urteil vom 26. Mai 2011, [X.], [X.]/10, [X.]:C:2011:355, Rn. 31; Urteil vom 10. September 2009, Eschig, [X.]/08, [X.]:[X.], Rn. 65 f.), und entschieden, dass sie insbesondere die Frage des Umfangs der Deckung der mit dem Tätigwerden eines Rechtsanwalts oder sonstigen Vertreters verbundenen Kosten nicht regelt (Urteil vom 26. Mai 2011 aaO Rn. 32). Maßnahmen, die diese Frage betreffen, verstoßen nur dann gegen die Vorgaben der [X.], wenn sie eine angemessene Wahl des Rechtsanwalts oder sonstigen Vertreters durch den Versicherungsnehmer faktisch unmöglich machen und damit die Wahlfreiheit des Versicherungsnehmers im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie ausgehöhlt würde, was das mit der Sache befasste nationale Gericht zu prüfen hat ([X.], Urteile vom 7. April 2016 aaO; Urteil vom 7. November 2013, Sneller, [X.]/12, [X.]:[X.], Rn. 27; Urteil vom 26. Mai 2011 aaO Rn. 33).

Der von der Beklagten erhobene Einwand fällt danach nicht in den Regelungsbereich der Richtlinie. Er betrifft die Frage des Umfangs der Deckung der mit dem Tätigwerden des Rechtsanwalts verbundenen Kosten. Anders als die Revision meint, bestehen deshalb auch keine Zweifel an der in Rechtsprechung und Literatur einhellig angenommenen Richtlinienkonformität von § 158n [X.] a.F. (vgl. die Nachweise im [X.]sbeschluss vom 9. März 2016 - [X.], juris Rn. 5; siehe ferner [X.] VersR 2018, 92, 99 [juris Rn. 126]; [X.] [X.], 287, 289 f. [juris Rn. 23 ff.]; BeckOK-[X.]/[X.], § 128 Rn. 2 [Stand 30. Juni 2016]).

Der Umstand, dass es dem Rechtsschutzversicherer freisteht, auf welche Weise er den Versicherungsnehmer von einer Gebührenforderung freistellt (dazu oben 2 a aa), höhlt auch nicht dessen Wahlfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie (vgl. auch § 158m [X.] a.F.) aus. Wie der [X.] bereits entschieden hat, werden die Interessen des Versicherungsnehmers bei einem Streit, ob und in welcher Höhe die [X.] des Rechtsanwalts berechtigt sind, durch die Zusage von [X.] nicht in unangemessener Weise beeinträchtigt ([X.]surteil vom 21. Oktober 2015 - [X.], [X.], 1501 Rn. 43 ff.). Zudem hat das Berufungsgericht - von der Revision nicht angegriffen - festgestellt, dass konkrete Anhaltspunkte dafür, dass es dem Kläger infolge der Gewährung von [X.] durch die Beklagte nicht möglich sei, in Ausübung der genannten Wahlfreiheit einen Rechtsanwalt zur Durchsetzung seiner Ansprüche zu finden, nicht ersichtlich sind.

cc) Dessen ungeachtet wäre es nach [X.] Recht nicht möglich, einem abweichenden Verständnis von Art. 6 und 7 der [X.] durch richtlinienkonforme Rechtsanwendung Geltung zu verschaffen.

Die Pflicht zur Verwirklichung des Richtlinienziels im Auslegungswege findet ihre Grenzen an dem nach innerstaatlicher Rechtstradition methodisch Erlaubten; der Grundsatz gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung und Rechtsfortbildung darf nicht zu einer Auslegung des nationalen Rechts contra legem führen ([X.]surteil vom 28. Juni 2017 - [X.], [X.], 997 Rn. 24; [X.] NJW 2012, 669 Rn. 45 ff.; [X.], Urteil vom 7. Juli 2016, [X.], [X.]/15, [X.]:[X.], Rn. 25; jeweils m.w.N.).

§ 158n [X.] a.F. ist einer Auslegung im engeren Sinne dahin, dass die Bestimmung auch den Fall erfasst, dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer [X.] zusagt, weil der Versicherer die Gebührenforderung des Rechtsanwalts für unberechtigt hält, nicht zugänglich. Dem steht der eindeutige Wortlaut der Vorschrift entgegen. Die Norm weist auch keine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes auf, wie sie für eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung erforderlich wäre (vgl. [X.]surteil vom 7. Mai 2014 - [X.], [X.], 101 Rn. 22 m.w.N.). Eine solche liegt vor, wenn das ausdrücklich angestrebte Ziel einer richtlinienkonformen Umsetzung durch die Regelung nicht erreicht worden ist und ausgeschlossen werden kann, dass der Gesetzgeber die Regelung in gleicher Weise erlassen hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass sie nicht richtlinienkonform ist ([X.]surteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 23 m.w.N.).

Zwar ging es dem Gesetzgeber bei § 158n [X.] a.F. um die Umsetzung der Vorgaben der [X.] (BT-Drucks. 11/6341 S. 36 f.; vgl. [X.]surteil vom 4. Dezember 2013 - [X.]/12, [X.], 170 Rn. 28). Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass der Gesetzgeber die Regelung in gleicher Weise erlassen hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass Art. 6 und 7 der Richtlinie - insoweit hier unterstellt - auch Streitigkeiten zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer über die Verpflichtung des Versicherungsnehmers, ihm in Rechnung gestellte Rechtsanwaltsgebühren zu bezahlen, erfassen.

Dies erscheint deswegen möglich, weil der mit den genannten Bestimmungen verfolgte Zweck nach dem 13. Erwägungsgrund der Richtlinie darin besteht, eine Interessenkollision zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer auf eine möglichst gerechte und rasche Weise zu entscheiden, und dieser Zweck durch die Einrichtung eines außergerichtlichen Verfahrens, an dem nur der Versicherungsnehmer und der Versicherer beteiligt sind, nach [X.] Recht nicht erreicht werden kann, wenn der Streit die Verpflichtung des Versicherungsnehmers betrifft, ihm in Rechnung gestellte Rechtsanwaltsgebühren zu bezahlen. Denn nach [X.] Recht richtet sich die Frage, ob und in welcher Höhe diese Verpflichtung besteht, nach dem Mandatsverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und seinem Rechtsanwalt, sodass sie verbindlich auch nur in diesem Verhältnis entschieden werden kann; der Rechtsanwalt wäre an eine Entscheidung im Verhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer nicht gebunden ([X.]surteil vom 21. Oktober 2015 - [X.], [X.], 1501 Rn. 40 ff.).

dd) Der [X.] hat entgegen der Auffassung der Revision keine Veranlassung, den [X.] gemäß Art. 267 Abs. 1 und 3 A[X.]V um eine Vorabentscheidung zu ersuchen. Wie vorstehend ausgeführt, stellt sich im Streitfall keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht durch die Rechtsprechung des [X.] geklärt oder zweifelsfrei zu beantworten ist (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1982, [X.], [X.]/81, [X.]:C:1982:335, Rn. 13 ff.). Unabhängig davon kommt - wie dargelegt - eine richtlinienkonforme Auslegung oder Fortbildung von § 158n [X.] a.F. nicht in Betracht, weshalb die Frage der Auslegung des [X.] nicht entscheidungserheblich und eine Vorlage nicht geboten ist (vgl. [X.]surteil vom 28. Juni 2017 - [X.], [X.], 997 Rn. 22 m.w.N.).

Felsch   

        

[X.]   

        

Prof. Dr. Karczewski

        

[X.]   

        

Dr. Götz   

        

Meta

IV ZR 215/16

11.04.2018

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Düsseldorf, 28. Juli 2016, Az: I-4 U 122/14, Urteil

§ 362 Abs 1 BGB, § 1 ARB 1975, § 2 Abs 1 Buchst a ARB 1975, § 2 Abs 2 ARB 1975

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.04.2018, Az. IV ZR 215/16 (REWIS RS 2018, 10946)

Papier­fundstellen: MDR 2018, 740-741 WM2018,918 REWIS RS 2018, 10946

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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