Bundespatentgericht, Urteil vom 15.05.2018, Az. 4 Ni 12/17

4. Senat | REWIS RS 2018, 9204

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Gegenstand

Patentnichtigkeitsklageverfahren – "Truvada (ergänzendes Schutzzertifikat)" – zu den Voraussetzungen und zum Prüfungsumfang für die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel – zur Spezifizierung eines Wirkstoffs – zur Verwendung von Oberbegriffen und funktionellen Umschreibungen - zu den Erteilungsvoraussetzungen eines Schutzzertifikats bei Wirkstoffkombinationen zweier antiretroviraler Wirkstoffe


Leitsatz

Truvada

1. Art. 3 Buchst. a Verordnung (EG) Nr. 469/2009 (AM-VO) weist mit der Forderung für die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel (ESZ), dass „das Erzeugnis durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt ist“, ein eigenständiges Kriterium auf, für welches nicht nur eine am Schutzumfang des Patentanspruchs nach Art. 69 EPÜ orientierte Prüfung maßgeblich ist. Umfasst ist auch die Forderung, dass der Erfindungsgegenstand des Grundpatents in den Patentansprüchen erkennbar hinreichend konkretisiert zum Ausdruck kommt, nämlich der durch das ergänzende Schutz-zertifikat verlängerte Schutz des konkreten Wirkstoffs oder der Wirkstoffzusammensetzung als Schutz-gegenstand i. S. v. Art. 4 AM-VO.

2. Als nicht maßgeblich und bereits aus dogmatischen Gründen unerheblich für die Feststellung des erkennbaren Erfindungsgegenstandes sieht der Senat im Rahmen der Erteilungsvoraussetzungen des Art. 3 AM-VO sonstige Kriterien an, wie die Frage, ob der Wirkstoffzusammensetzung oder dem Wirkstoff, welche die durch das ESZ geschützte Erzeugnis bilden, im Rahmen des Grundpatents Erfindungsqualität zukommt (core invention-Ansatz).

3. Für die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zumindest erforderliche Spezifizierung eines Wirkstoffs als Erfindungsgegenstand des Grundpatents im Falle bloßer funktioneller Umschreibung in den Patentansprüchen (GRUR 2014, 163 – Eli Lilly) sind nicht die Kriterien maßgeblich, welche an eine ausreichende ursprüngliche Offenbarung einer Lehre im Rahmen möglicher Beschränkungen des erteilten Patents im Bestandsverfahren oder nach § 64 PatG, Art. 105a EPÜ zu stellen sind.

4. Oberbegriffe oder funktionelle Umschreibungen beziehen sich nur dann stillschweigend, aber notwendigerweise und in spezifischer Art und Weise auf einen im Grundpatent nicht als erfindungsgemäß angesprochenen Wirkstoff, wenn zugleich ausgeschlossen ist, dass auch andere Wirkstoffe ebenfalls derartige Repräsentanten der in den Patentansprüchen des Grundpatents enthaltenen funktionellen Umschreibung oder des enthaltenen Oberbegriffs sein können, welche zwar unter diese subsumiert werden können, die aber die spezifischen arzneilichen Eigenschaften bzw. Wirkweisen des in Rede stehenden Wirkstoffs trotz sonstiger Gemeinsamkeiten im weiteren Sinne gerade nicht teilen.

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das ergänzende [X.] 12 2005 000 041

hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] auf Grund der mündlichen Verhandlung am 15. Mai 2018 durch den Vorsitzenden [X.], die [X.]in [X.], die [X.] [X.]. Dr. Jäger und [X.]. Dr. [X.] sowie die [X.]in [X.]. Dr. Wagner für Recht erkannt:

[X.] Das ergänzende [X.] 12 2005 000 041 wird für nichtig erklärt.

I[X.] Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

II[X.] [X.] ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des mit der vorliegenden Klage angegriffenen ergänzenden [X.] 2005 000 041 ([X.]), das mit Beschluss des [X.] vom 12. Mai 2011, 15 W (pat) 24/07 ([X.], [X.]), unter Aufhebung des Beschlusses der Patentabteilung 1.43 des [X.] vom 20. September 2007 im Beschwerdeverfahren erteilt worden ist für

2

„Tenofovir [X.] und die Salze, insbesondere das Fumarat, Hydrate, Tautomere und Solvate davon in Kombination mit [X.]e”,

3

mit einer Laufzeit bis zum 21. Februar 2020.

4

Das [X.] ist von der Beklagten am 5. Juli 2005 als Inhaberin des mit Wirkung für die [X.] erteilten [X.] Patents EP 0 915 894 [X.] ([X.]) für das Erzeugnis „Tenofovir [X.] und die Salze, insbesondere das Fumarat, Hydrate, Tautomere und Solvate davon in Kombination mit weiteren therapeutischen Bestandteilen, insbesondere [X.]e“ angemeldet worden. Als Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen des Erzeugnisses in der [X.] hat sie den 21. Februar 2005 genannt. Mit diesem Datum hat die [X.] dem Erzeugnis „Truvada – [X.]e / Tenofovir [X.]“ die arzneimittelrechtliche Zulassung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft nach Art. 3 der Verordnung ([X.]) Nr. 2309/93 erteilt. Diese Zulassung besteht fort.

5

Die Patentabteilung 1.43 des [X.] ([X.]) hatte mit Beschluss vom 20. September 2007 den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, zwar sei die [X.] „Tenofovir [X.] und die Salze, insbesondere das Fumarat, Hydrate, Tautomere und Solvate davon“ durch den Patentanspruch 1 mit der allgemeinen Formel 1a des [X.]s geschützt, nicht dagegen die [X.] „[X.]e“. Der Fachmann finde in der gesamten Anspruchsfassung des [X.]s keinerlei Anzeichen, die gegebenenfalls unter Heranziehung der Beschreibung auf den Wirkstoff [X.] hinweisen könnten. Im Patentanspruch 27 werde eine pharmazeutische Zusammensetzung offenbart, die eine Verbindung nach irgendeinem der Patentansprüche 1 bis 25 zusammen mit einem pharmazeutisch verträglichen Träger und gegebenenfalls anderen therapeutischen Bestandteilen enthalte. Während Erstere in der Beschreibung ausführlich dargestellt würden, fände sich für die „anderen therapeutischen Bestandteile“ keine einzige Bemerkung, obwohl zum [X.] zahlreiche antivirale Wirkstoffe bekannt gewesen seien. Damit gebe Patentanspruch 27 dem Fachmann keinen Hinweis auf [X.] als mögliche weitere [X.]. Dieser Wirkstoff sei also vom [X.] nicht geschützt und die essentielle Voraussetzung des Art. 3 Buchst. a der Verordnung ([X.]) Nr. 1768/92 (nunmehr Verordnung ([X.]) Nr. 469/2009), wonach das Erzeugnis durch ein in [X.] befindliches [X.] geschützt sein muss, liege nicht vor.

6

Im Beschwerdeverfahren vor dem [X.] ([X.]) hat der 15. Senat den Beschluss des [X.] vom 20. September 2007 aufgehoben und das [X.] nach Art. 10 der Verordnung ([X.]) Nr. 469/2009 (folgend [X.] genannt) mit der Begründung erteilt, dass Schutzgegenstand des Schutzzertifikates nach Art. 4 der [X.] weder die [X.] Zulassung noch die patentierte Erfindung selbst sei, sondern ausschließlich das Erzeugnis im Sinne des Art. 1 Buchst. b [X.], also der Wirkstoff oder die [X.] eines Arzneimittels in den Grenzen des nach Art. 3 Buchst. a [X.] zum Zeitpunkt der Anmeldung des Erzeugnisses durch das [X.] gewährten Schutzes, mithin des gesamten Schutzbereichs des [X.]s ([X.] [X.]/97, [X.]. 2000, 69 – [X.]). Bei der Prüfung sei deshalb auf Art. 69 Abs. 1 EPÜ abzustellen und nicht allein auf den Schutzgegenstand des [X.]s wie auch die Frage einer hinreichenden Offenbarung des Erzeugnisses im [X.] unerheblich sei. Denn der Umstand, dass das [X.] möglicherweise nicht auf den Wirkstoff beschränkt werden könne, hindere die Erteilung des Zertifikates nicht, solange der Wirkstoff in den Schutzbereich des Patents falle ([X.], 415 – Sumatriptan).

7

Das zugelassene Erzeugnis, die Wirkstoffkombination aus Tenofovir [X.] und [X.], falle zweifelsohne unter den Schutzbereich des Patentanspruchs 27, weil Tenofovir [X.] eine Verbindung nach den Patentansprüchen 1 und 25 und [X.] ein „anderer therapeutischer Bestandteil“ sei.

8

Das in [X.] Verfahrenssprache erteilte [X.] nimmt die Priorität aus der [X.] 686838 vom 26. Juli 1996 in Anspruch und wird vom [X.] unter der Nummer 697 22 004.4 geführt. In der [X.] Übersetzung trägt es die Bezeichnung: „[X.]“. Es umfasst 33 Patentansprüche. Die für die Beurteilung der Bestandsfähigkeit des [X.]s wesentlichen Patentansprüche 1, 25 und 27 lauten wie folgt:

Abbildung

9

Klägerinnen haben mit Schriftsätzen vom 26. April 2016, 29. April 2016, 11. August 2016 und 22. August 2016 Nichtigkeitsklage erhoben. Mit Beschluss vom 16. Oktober 2016 sind die Verfahren verbunden worden.

Die Nichtigkeitsklagen richten sich gegen das [X.]. Sie werden auf den [X.] nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. a i. V. m. Art. 3 Buchst. a der [X.] gestützt. Die Klägerinnen machen die Nichtigkeit des [X.]s nach dieser Vorschrift geltend, weil das [X.] entgegen Art. 3 Buchst. a [X.] erteilt worden sei, da das dem [X.] zugrundeliegende Erzeugnis (die Wirkstoffkombination Tenofovir [X.] und [X.]) mangels Spezifizierung in den Patentansprüchen des [X.]s nicht durch dieses geschützt sei.

Die Klägerin zu 1 stützt ihr Vorbringen u. a. auf folgende Schriften:

[[X.], [X.], [X.]]

[I[X.]1]

[X.], [X.]]

[ähnlich I[X.]2]

([X.])

([X.])

([X.])

([X.])

(NIK9)

[[X.]]

[[X.]a]

und vertritt die Auffassung, dass der [X.] weitergehende Anforderungen als diejenigen des Art. 69 EPÜ aufstelle, die beispielsweise in der Entscheidung [X.] Lilly“ ([X.], 163; NIK2, I[X.]1) zu der dort formulierten Forderung der Identifizierbarkeit des Wirkstoffs führten. So sei unter Rn. 32 in der Entscheidung ausgeführt, dass „auch die Regeln des EPÜ anzuwenden seien“. Dies belege, dass der [X.] hier zusätzliche Anforderungen aufstelle, ob nun als Teil der [X.] oder jenseits der Auslegung des Art. 69 EPÜ. Ferner erfülle Patentanspruch 27 nicht annähernd die insoweit aufgestellten Voraussetzungen nach der Entscheidung [X.] Lilly“.

Es treffe nicht zu, dass ein Patentanspruch im Hinblick auf den Schutzgegenstand so gelesen werden könne, dass dieser gewisse Wirkstoffe umfasse, welche nicht genannt seien, welche der Fachmann aber möglicherweise zum Prioritätszeitpunkt kenne. Patentanspruch 27 sei nicht auf antiretrovirale Mittel für [X.] zu lesen, sondern beziehe sich allgemein auf eine Vielzahl von Mittel und Erkrankungen, so Abs. [0044] der [X.] Fassung des [X.]s, wo [X.] nur einmal erwähnt sei. Die Patentansprüche 26 und 27 hätten durchaus zulässig, z. B. auf Mittel gegen Herpes, eingeschränkt werden können. Die NiK5 und [X.] bestätigten, dass unter „andere therapeutische Bestandteile“ auch Mittel gegen die Schmerzbehandlung und weitere Behandlungsziele subsumiert werden könnten.

Die Spezifizierung eines Wirkstoffs, wie sie die Beklagte als ausreichend sehe, werde der Forderung des [X.] nicht gerecht. Die Beklagte räume selbst ein, dass als weitere Mittel Proteaseinhibitoren als Alternative zu [X.] aus der Sicht des Fachmanns angesprochen seien, sodass die erforderliche Konkretisierung nicht vorliege.

Die Klägerin zu 2 stützt ihr Vorbringen u. a. auf folgende Schriften:

[NIK1, [X.], [X.]]

[ähnlich [X.]]

[[X.]]

([X.]) [X.], [X.]; [X.], [X.]: [X.]. In: [X.], Vol. 18, 1996, [X.]. 5, S. 343-346

([X.]) [X.], [X.]; [X.], [X.]; [X.], [X.]: [X.] antiviral [X.] for human 2’-deoxycytidine kinase. In: [X.], Vol. 45, 1993, [X.]. 7, S. 1540-1543

(TM10) [X.]: Decision on objection concerning Certificate [X.]. 300202. 2. Februar 2016. 9 Seiten

([X.]) [X.], [X.]: [X.], [X.]: $464M Deal Pairs [X.] Drugs. In: [X.], Vol. 13, 2002, [X.]. 233, S. 1 und 6

[I[X.]8]

[[X.]]

[ähnlich [X.], [X.]]

([X.]) MUTSCHLER, [X.]: Arzneimittelwirkungen: Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie. 7., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. [X.]: [X.], 1996, S. 652, 692, 712, 724-733, 747. – ISBN 3-8047-1377-7

[I[X.]6]

([X.]) MUTSCHLER, [X.]; GEISSLINGER, [X.]; [X.], [X.]; SCHÄFER-KORTING, [X.]: [X.] Arzneimittelwirkungen: Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie. 8., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. [X.]: [X.], 2001, S. 841. – ISBN 3-8047-1763-2

([X.]) [X.], Schlussanträge des Generalanwalts [X.] vom 25. April 2018, [X.]/17 – [X.], [X.], [X.], [X.] Europe, [X.] [X.] [X.]s

und vertritt ebenfalls die Auffassung, dass nicht ausschließlich auf das Fachwissen des Fachmanns abgestellt werden könne, um eine Konkretisierung zu leisten, sondern dass Art. 3 Buchst. a [X.] darauf abstelle, dass diese Konkretisierung aus dem [X.] hergeleitet werden könne und sich am [X.] orientiere. Zudem kämen aus Sicht des Fachmanns als zweiter Kombinationspartner keineswegs nur antiretrovirale Wirkstoffe in Betracht; es ergäben sich hier auf drei Ebenen unterschiedliche Kombinationspartner, so auch Wirkstoffe, die nicht einmal antivirale Mittel seien (vgl. [X.]5/1, Seite 13 ff. und Lehrbuch [X.] [X.]).

Die Klägerin zu 3 stützt ihr Vorbringen u. a. auf folgende Schriften:

[NIK1, [X.], [X.]]

[NIK3, [X.]]

([X.]) [X.], Beschluss vom 25. [X.]vember 2011, [X.]/10 – [X.], [X.] General

[I[X.]0]

([X.]) [X.], [X.] vom 23. Juli 2012, Aktenzeichen 10 2008 000 033.5. 3 Seiten

([X.]) [X.], Urteil vom 12. März 2015, [X.]/13 – [X.] v. [X.] Pharma

([X.]0) Britisch National Formulary. [X.]: [X.], [X.], 1996, [X.]. 31, S. 264-269, Kapitel 5.3: [X.] Drugs. – [X.] 349 8 [[X.]5/3]

[[X.]5/3]

[[X.]5/2]

[[X.]5/1 ]

[[X.]5/4]

([X.]5) [X.] [X.], [X.] [et al.]: Summary of the II International Consensus Symposium on Combined [X.] Therapy and implications for future therapies. In: [X.] Research, Vol. 35, 1997, S. 65-82

([X.]6) Tabelle: Wirkstoffe, die zum [X.] bekannt waren (Zusammenstellung aus [X.]0 bis [X.]5)

([X.]7) [X.], Urteil vom 12. Dezember 2013, [X.]/12 – [X.] Group, [X.] UK v. [X.] Bristol-Myers Squibb

([X.]8) [X.] ([X.]): Truvada. Background information on the procedure. 2005. 1 Seite

([X.]9) [X.] ([X.]): Truvada. [X.]. 2005. 28 Seiten

([X.]) [X.]: Proposal for a Council Regulation ([X.]) concerning the creation of a supplementary protection certificate for medicinal products. [X.] (90) 101 final – [X.] 255, [X.], 11. April 1990 – [X.]-77-59405-5

[[X.]]

([X.]) [X.], Order vom 4. April 2017, [X.]/17 – [X.], [X.], [X.], [X.] Europe, [X.] [X.] [X.]s

([X.]) [X.], [X.]: „[X.]: [X.]! Tenofovir/emtricitabine and Tenofovir mono (Plain)”. Informationsstelle für Arzneispezialitäten – [X.] E-Mail an [X.] vom 13. Juli 2017, 08:43 h. 1 Seite

[ähnlich [X.], [X.]]

([X.]) [X.], Beschluss vom 17. Oktober 2017, 14 W (pat) 12/17

und weist darauf hin, dass auch der Erwägungsgrund 4 der [X.] auf die Anmeldung für ein „Arzneimittel“ abstelle und deshalb eine Spezifizierung voraussetze. Ferner sei das Abgrenzungskriterium des Fachwissens des Fachmanns für die Frage, ob ein Wirkstoff umfasst sei, völlig unbestimmt und daher ungeeignet. Patentanspruch 27 sei nicht auf eine Kombinationstherapie eingeschränkt zu lesen und auch nicht ausschließlich auf eine Behandlung von [X.]. Als weiteres Beispiel dafür, dass Patentanspruch 27 die weiteren Bestandteile nicht auf antiretrovirale Wirkstoffe einschränke, sei auf [X.]4, Seite 356 ff. zu verweisen sowie auf [X.]8/9 und auf die lange Liste der dort genannten Wirkstoffe, bei der für [X.] die Phase 2 nicht auf die Behandlung von AIDS, sondern auf die Behandlung von Hepatitis B gerichtet sei (vgl. insoweit auch [X.]).

Die Klägerin zu 4 stützt ihr Vorbringen u. a. auf folgende Schriften:

[NIK1, [X.], [X.]]

([X.]) [X.] der [X.]en: Entscheidung der [X.] vom 21. Februar 2005 über die Genehmigung für das Inverkehrbringen des Humanarzneimittels „Truvada – [X.] / Tenofovir [X.] fumarat“ gemäß Verordnung ([X.]) Nr. 2309/93 des Rates. 3 Seiten

[ähnlich [X.]]

[[X.]]

[NIK3, [X.]]

([X.]) [X.], Beschluss vom 25. [X.]vember 2011, [X.] – [X.] Comptroller General

[[X.]]

[NIK2, [X.]7]

[ähnlich [X.]]

(I[X.]3) [X.], Opposition Division, Beschluss vom 14. Februar 2011, Application [X.]. 04 701 819.7. 26 Seiten

(I[X.]4) EP 0 582 455 A1

(I[X.]5) [X.] der [X.]en: Entscheidung der [X.] vom 5. Februar 2002 über die Zulassung des Humanarzneimittels „[X.] – Tenofovir [X.] (als Fumarat)“ (Text von Bedeutung für den [X.]). 3 Seiten

[[X.]]

(I[X.]7) [X.] 245 mg Filmtabletten. Zulassungsunterlagen Anhang I. 10 Seiten

[[X.]]

(I[X.]9) High Court of Justice, Urteil vom 3. Mai 2017, [X.]-000044 – [X.], [X.] v. [X.], [X.] UC

[ähnlich [X.], [X.]]

[NIK10]

[[X.]]

und vertritt die Auffassung, dass der [X.] in der Entscheidung [X.] Lilly“ das in der Entscheidung „[X.]“ ([X.], 257; NIK3, [X.], [X.]) aufgestellte Kriterium der konkreten Angabe des Wirkstoffs nicht aufgegeben habe, sondern nur dessen namentliche Nennung ersetzt werden könne. Der Wirkstoff müsse identifizierbar sein, da für das Schutzzertifikat andere Maßstäbe als für das Patent gelten würden. Ansonsten könnte auch der konkret genannte erste Wirkstoff allgemein ohne Konkretisierung erfasst und der Patentanspruch so formuliert werden. Der [X.] akzeptiere eine solche Formulierung aber gerade nicht. Insoweit ergebe sich eine stufenweise Prüfung des Patentanspruchs mit der Frage, ob der Wirkstoff vom Patentanspruch umfasst sei und sodann ausdrücklich genannt oder nach den Kriterien der [X.] Lilly“-Entscheidung ersetzt worden sei.

Klägerinnen zu 1 bis 4 beantragen sinngemäß,

das ergänzende Schutzzertifikat [X.] 12 2005 000 041 für nichtig zu erklären.

Beklagte beantragt,

die Klagen zurückzuweisen.

Beklagte verteidigt das [X.] und stützt ihre Argumentation u. a. auf folgende Dokumente:

[[X.], [X.], [X.]]

([X.]) High Court of Justice, [X.] [X.] CBE vom 20. September 2016, [X.]-000004 – [X.] v. [X.] [X.]s. 8 Seiten

([X.]) [X.], [X.]: Declaration. 19. Februar 2016. 3 Seiten

([X.]-1) [X.], [X.]: Combination superior to [X.] in Delta trial. In: [X.], Vol. 346, 1995, S. 895

([X.]-2) [X.], [X.] [et al.]: [X.], [X.], or both in [X.]-positive patients with 200 to 500 [X.]+ cells per cubic millimeter. In: [X.], Vol. 333, 1995, [X.]. 25, S. 1662-1669

([X.]-3) [X.] Briefs. In: [X.], [X.] 1996, S. 48-50

([X.]-4) [X.], [X.]: Managing [X.] disease after Delta. In: [X.], Vol. 312, 1996, S. 521-522

([X.]-5) [X.], [X.] [et al.]: Antiretroviral Therapy for [X.] Infection in 1996. In: [X.], Vol. 276, 1996, [X.]. 2, S. 146-154

([X.]-1) [X.], [X.] [et al.]: Selective Inhibition of Human Immunodeficiency Viruses by Racemates and Enantiomers of cis-5-Fluoro-1-[2-(Hydroxymethyl)-1,3-Oxathiolan-5-yl][X.]. In: [X.], Vol. 36, 1992, [X.]. 11, S. 2423-2431

([X.]-2) WO 92/14743 A2

([X.]) WORLD HEALTH ORGANIZATION: Consolidated guidelines on the use of antiretroviral drugs for treating and preventing [X.] infection. [X.]. [X.]: [X.], 2. Aufl., 2016, S. 105. – [X.] 4 154968 4

([X.]) [X.], Urteil vom 9. September 2016, 658/2009

([X.]) [X.] Übersetzung zu [X.]

([X.]) High Court of Justice, Urteil vom 13. Januar 2017, [X.]-000004/000023/000032/000034 – [X.], [X.], [X.], [X.] Europe, [X.] [X.] [X.]s

([X.]0) [X.], Press Release [X.]. 17/17 vom 17. Februar 2017. 3 Seiten

([X.]1) [X.] LLP: Schriftsatz an [X.] vom 9. Februar 2017. 2 Seiten

([X.]2) High Court of Justice, [X.] vom 23. Februar 2017, [X.]-000004/00023/000032/000034 – [X.], [X.], [X.], [X.] Europe, [X.] [X.] [X.]s

([X.]4) [X.]: Antiretroviral drug chart. [X.] in the European Union. September 2016. [X.] Acorn House, 314-320 Gray’s Inn Road, [X.] WC1X 8DP. [X.]. 1 Seite

[[X.]3]

[[X.]2]

[[X.]0]

[[X.]4]

([X.]6) Annex 1: Active ingredients described at the priority date. 4 Seiten

([X.]7) Active ingredients described at the priority date. 4 Seiten

([X.]8/1) [X.], [X.] [et al.]: [X.] 2‘,3’Dideoxy-5-Fluoro-3’Thiacytidine in [X.]. In: [X.]. Vol. 36, 1992, [X.]. 11, S. 2432-2438

([X.]8/2) [X.], [X.] [et al.]: Characterization of Human Immunodeficiency Viruses Resistant to Oxathiolane-[X.] Nucleosides. In: [X.]. Vol. 37, 1993, [X.]. 4, S. 875-881

([X.]8/3) [X.], [X.] [et al.]: [X.] (-) and (+) Enatiomers of cis-5-Fluoro-1-[2-(Hydroxymethyl)-1,3-Oxathiolane-5-yl] [X.] Equally Inhibit Human Immunodeficiency Virus Type 1 Reverse Transcriptase. In: [X.]. Vol. 37, 1993, [X.]. 8, S. 1720-1722

([X.]8/4) [X.], [X.] [et al.]: [X.], [X.], and Metabolic Disposition in [X.] (-)-cis-5-Fluoro-1-[2-(Hydroxymethyl)-1,3-Oxathiolane-5-yl] [X.], a Nucleoside Analog Active against Human Immunodeficiency Virus and Hepatitis B Virus. In: [X.]. Vol. 37, 1993, [X.]. 11, S. 2285-2292

([X.]8/5) [X.], [X.] [et al.]: [X.], [X.], and Metabolism in [X.] (2’R,5’S-)-cis-5-Fluoro-1-[2-(Hydroxymethyl)-1,3-Oxathiolane-5-yl] [X.], an Agent Active against Human Immunodeficiency Virus and Hepatitis B Virus. In: [X.]. Vol. 38, 1994, [X.]. 12, S. 2722-2729

([X.]8/6) [X.], [X.] [et al.]: [X.] ([X.]) and Safety of 524W91 following Single Oral Administration of Escalating Doses in [X.]-Infected Volunteers. In: Abstracts of the 35th Interscience Conference on [X.]. 17-20 September 1995, [X.], [X.]. [X.] – [X.]-55581-100-0

([X.]8/7) [X.], [X.] [et al.]: [X.] (-)-cis-5-fluoro-1-[2-(hydroxymethyl)-1,3-oxathiolane-5-yl] cytosine, [X.] ([X.]). In: [X.], Vol. 26, 1996, [X.]. 2, S. 189-199

([X.]8/8) [X.], [X.] [et al.]: Favorable Interaction of β-L(-) Nucleoside Analogues with Clinically Approved Anti-[X.] Nucleoside [X.]. In: [X.], Vol. 51, 1996, S. 731-736

([X.]8/9) [X.], [X.] [et al.]: Current [X.] Agents FactFile. 2nd Edition: [X.], hepatitis viruses and respiratory viruses. In: International [X.] News, Vol. 4, 1996, [X.]. 5, S. 76-83

([X.]8/10) [X.], [X.] [et al.]: Current [X.] Agents FactFile. 2nd Edition Part II – Human immunodeficiency viruses. In: International [X.] News, Vol. 4, 1996, [X.]. 7, S. 132-144

([X.]9) [X.], Schlussanträge vom 24. [X.]vember 2011 und 13. Juli 2011, [X.]/10 – [X.] BV v. Comptroller-General of Patents, Designs and Trade Marks

([X.]0) High Court of Justice, Urteil vom 18. Juli 2014, [X.] – [X.] v. Human Genome [X.]s Inc.

([X.]1) HERD[X.]EN, [X.]: Die Voraussetzungen für ein ergänzendes Schutzzertifikat für eine Wirkstoffkombination im Lichte der Verordnung ([X.]) Nr. 469/2009, Rechtsgutachten, 3. [X.]vember 2017, 25 Seiten und 2 Seiten Lebenslauf

([X.]2) [X.], [X.]: Gutachten zu den Auslegungsmaßstäben bei der Anwendung des Art. 3 lit. a der Verordnung ([X.]) Nr. 469/2009 vom 6. Mai 2009 über das ergänzende [X.] ([X.]), 17. Oktober 2017, 27 Seiten und 2 Seiten Lebenslauf

([X.]4) [X.], [X.] [et al.]: Prevention of SIV Infection in [X.] ([X.]) [X.]. In: [X.], Vol. 270, 1995, S. 1197-1199

Die Beklagte macht geltend, dass das [X.] zu Recht erteilt worden sei und insbesondere auch die Anforderungen des Art. 3 Buchst. a [X.] erfülle. Die Kombination aus Tenofovir [X.] und [X.] sei ein Erzeugnis, das bei Auslegung im Sinne von Art. 69 EPÜ von Patentanspruch 27 im Sinne von Art. 3 Buchst. a [X.] geschützt sei.

Soweit die vom Senat aufgestellte Forderung der Erfindungsgegenständlichkeit auf Art. 3 Buchst. a der [X.] gestützt werde, sei zu berücksichtigen, dass auch im Hinblick auf die Formulierung „protected by“ kein eigenes Unionsrecht anzuwenden sei, sondern dies lediglich einen Verweis auf allgemeines materielles Patentrecht darstelle, welches keiner Harmonisierung bedürfe und deshalb auch nicht abweichend von Art. 69 EPÜ auszulegen sei. Insoweit sei im Rahmen des Art. 3 Buchst. a der [X.] auch kein Raum für eine eigene Auslegungshoheit des [X.], welche mit den Grundsätzen des Art. 69 EPÜ nicht vereinbar sei. Für die Auslegung der Erteilung eines [X.] würden deshalb die Maßstäbe gelten, die bei Auslegung des Schutzbereichs heranzuziehen seien. Auch fänden sich in der Verordnung keine sonstigen Hinweise, dass hiermit etwas anderes gemeint sei, wie dies nach Art. 69 EPÜ festzustellen sei. Dies belege auch die Rechtsprechung des [X.], die bereits unter reiner Anwendung von Art. 69 EPÜ zu sachgerechten Ergebnissen komme, um festzustellen, was [X.] sei.

Es stimme zwar, wie die Klägerinnen zu 3 und 4 anmerkten, dass die Ent-scheidung des [X.], die zur Erteilung des Schutzzertifikats geführt habe ([X.], Beschluss vom 12. Mai 2011, 15 W (pat) 24/07, vgl. Rn. 2, 28 und 5) vor den angesprochenen [X.]-Entscheidungen, und insbesondere vor den Entscheidungen „[X.]“ und „[X.]“ ergangen seien, aber auch unter Anwendung der Grundsätze dieser Rechtsprechung des [X.] ergebe sich kein anderes Ergebnis.

Es sei insoweit zu berücksichtigen, dass sich bei den einzelnen Entscheidungen des [X.], wie z. B. [X.] Lilly“ spezifische Fragen stellten, die eine andere Herangehensweise oder Betrachtung wie im vorliegenden Fall rechtfertigten. Nach der Entscheidung des [X.] in Sachen [X.] Lilly“ genüge es, wenn die Wirkstoffe funktionell beschrieben seien. Zwar könne nach Ansicht der Beklagten durch eine generische Bezeichnung keine unbegrenzte Anzahl von [X.] als im Nachhinein geschützt angesehen werden. Die entscheidende Frage laute aber, was der Fachmann im Anmeldezeitpunkt unter dem generischen Begriff verstanden habe und welche Individuen er hinzu gezählt habe. Auch die Entscheidung [X.] Lilly“ gebe nichts anderes vor, als die gebotene Auslegung nach Art. 69 EPÜ.

Der Fachmann habe Patentanspruch 27 entnommen, dass auch eine Kombination zweier antiviraler Wirkstoffe beansprucht gewesen sei, da zum Prioritätszeitpunkt (26. Juli 1996) die Kombination antiviraler Wirkstoffe und insbesondere von [X.] zu seinem Fachwissen gezählt hätten, wobei der Fachmann auch gewusst habe, dass [X.] ein Beispiel für ein derartiges [X.] darstelle. Belegt werde diese Tatsache, dass Kombinationstherapien mit verschiedenen [X.] zum [X.] des [X.]s eine hohe Bekanntheit genossen hätten, durch eine Reihe von Veröffentlichungen, die vor dem [X.] datierten.

Für das richtige Verständnis des Merkmals „andere therapeutische Bestandteile“ in Patentanspruch 27 sei wesentlich, dass das Patent bereits in Abs. [0001] und Abs. [0002] darauf abstelle, dass die hier maßgebenden Wirkstoffe, die [X.], im Stand der Technik bekannt gewesen seien, wobei in Patentanspruch 1 allgemeine antivirale Wirkstoffe beansprucht würden und im Patentanspruch 25 dann konkret [X.], von dem der Fachmann gewusst habe, dass dies nur in Verbindung mit der [X.]-Erkrankung diskutiert werde. Dies ergebe sich aus den vorgelegten Dokumenten [X.]4 und [X.]8/10. Aus Sicht des Fachmanns richte Patentanspruch 25 den Fokus eindeutig auf [X.]. Patentanspruch 27 wiederum beziehe sich auf Patentanspruch 25 und müsse deshalb im Hinblick auf die [X.]-Erkrankung gelesen werden, sodass der Fachmann unter dem Begriff „anderen therapeutischen Bestandteilen“ in Patentanspruch 27 andere antiretrovirale Wirkstoffe in Kombination mit [X.] lese, dies aber nach wie vor im Fokus auf [X.]. Der Fachmann habe das Merkmal „andere therapeutische Bestandteile“ in Patentanspruch 27 nur im Sinne einer antiviralen Kombinationstherapie verstanden, die sich aus dem Stand dieser Therapie und der Sichtweise des Fachmanns im Zeitraum 1996 ergeben habe.

Hierbei habe das Fachwissen des Fachmanns auf dem Gebiet der [X.] sowohl die Inhibierung des [X.]-Replikationszyklus als das vielversprechendste Therapiekonzept umfasst wie auch die antiretrovirale Kombinationstherapie, welche bereits seit Mitte der 90er Jahre Standard gewesen sei, ebenso wie die Kombinationstherapie mit zwei [X.] seit 1996. Vor diesem Hintergrund sei dem Fachmann bewusst gewesen, dass sich Patentanspruch 27 auf eine Kombinationstherapie mit anderen antiviralen Mitteln, insbesondere anderen N(t)[X.] beziehe, bei der die [X.] inhibiert werde. In der mündlichen Verhandlung vom 15. Mai 2018 hat die Beklagte unter Vorlage einer Zeitstrahlgrafik (vgl. Anlage 1) ergänzend vorgetragen, dass zum Zeitpunkt der Priorität des [X.]s für die Therapie gegen AIDS die Kombination zweier [X.] in aller Munde gewesen sei. Aufgrund dieser Vorbedingungen habe der Fachmann den Patentanspruch 27 zwar nicht unmittelbar auf den Wirkstoff [X.] gelesen, aber auf die Wirkstoffklasse der antiretroviralen Wirkstoffe gegen [X.], was auch den Einsatz des Wirkstoffs [X.] umfasse. Zwar denke der Fachmann bei den in Frage kommenden antiretroviralen Wirkstoffen auch an die Wirkstoffklassen der Proteaseinhibitoren und nicht nur an [X.]. Dies stehe aber den vom [X.] gesetzten Anforderungen für die erforderliche Konkretisierung nicht entgegen, weil die antiretrovirale Wirkung eine solche spezifische Eigenschaft gewesen sei, welche der [X.] für die Individualisierung fordere. Es sei nach der Rechtsprechung in [X.] Lilly“ ausreichend, dass das geforderte Spezifische des Wirkstoffs auch in der Wirkstoffklasse repräsentiert sein könne. Der Anforderung an die Benennung des konkreten Wirkstoffs sei schon genügt, wenn der Fachmann die maßgebliche Wirkstoffklasse als spezifiziert durch den Patentanspruch sehe.

Im Übrigen sprächen die Ziele der [X.] für die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats, im vorliegenden Fall für beide Wirkstoffe Tenofovir [X.] und [X.], da ansonsten eine Weiterentwicklung von Arzneimitteln nicht mögliche wäre (vgl. Erwägungsgrund 3 bis 6 der [X.]).

Entgegen der Ansicht der Klägerin zu 1 belege auch die Existenz des Patents EP 1 583 542 [X.] nicht, dass das Erzeugnis des [X.]s nicht durch das [X.] gemäß Art. 3 Buchst. a [X.] „geschützt“ gewesen sei. Die Prüfung ändere sich wegen der Existenz einer viele Jahre später eingereichten Patentanmeldung nicht. Maßgebend sei der [X.] des Streitpatents. Soweit die Klägerinnen darauf abstellten, dass bereits am 5. Februar 2002 die Erteilung der Marktzulassung für VIREAD®, d. h. Tenofovir [X.] als Monopräparat erfolgt sei, und dass insoweit im Hinblick auf das [X.] ein Zertifikat wegen des zwischen dem Anmeldetag des [X.]s am 25. Juli 1997 und dem [X.] liegenden Zeitraums von weniger als 5 Jahren im Hinblick auf Art. 13 Abs. 1 [X.] kein Zertifikat erhalten hätte, sei diese Sichtweise nicht mit der [X.] vereinbar. Denn vorliegend sei das maßgebliche Erzeugnis die Kombination von Tenofovir [X.] und [X.] und nicht Tenofovir [X.] als Monowirkstoff.

Der Senat hat den Parteien einen qualifizierten Hinweis nach § 83 Abs. 1 [X.] zugeleitet. Auf den Hinweis vom 9. August 2017 ([X.]. 512 ff. der Akten) wird Bezug genommen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15. Mai 2018 und auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die auf den [X.] nach Art. 15 Abs. 1 Buch[X.]a i. V. m. Art. 3 Buch[X.]a der [X.] gegen das streitgegenständliche ergänzende Schutzzertifikat [[X.]] gestützte Klage ist zulässig. Sie führt auch zum Erfolg. Denn das [X.] ist entgegen der in Art. 3 Buch[X.]a [X.] bestimmten Voraussetzung erteilt worden, weil das dem [X.] zugrundeliegende Erzeugnis, hier die [X.] „

Der [X.] sieht die im [X.] beanspruchte [X.] Tenofovir [X.] und [X.] hinsichtlich des [X.] [X.] als nicht durch das Grundpatent geschützt im Sinne von Art. 3 Buch[X.]a [X.] an, da der Wirkstoff [X.] nicht den [X.] der Patentansprüche des [X.] bildet, insbesondere auch mangels hinreichender Spezifizierung nicht erfindungsgegenständlicher Wirkstoffbestandteil der in Patentanspruch 27 genannten pharmazeutischen Zusammensetzung ist, welche eine Verbindung nach einem der Patentansprüche 1 bis 25 zusammen mit einem pharmazeutisch verträglichen Träger und „gegebenenfalls anderen therapeutischen Bestandteilen“ umfasst.

Insoweit verneint der [X.] insbesondere die vorliegend entscheidende Frage, ob durch Patentanspruch 27 unter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung des [X.] entwickelten Kriterien, insbesondere nach der in der Entscheidung „[X.]“ geforderten hinreichend konkretisierten Angabe des maßgeblichen Wirkstoffs bzw. [X.] im Patentanspruch der ausschließlich im Streit stehenden Erteilungsvoraussetzung für das [X.] nach Art. 3 Buch[X.]a [X.], der Wirkstoff [X.] als Bestandteil der pharmazeutischen Zusammensetzung durch das Grundpatent geschützt ist.

[X.]

Art. 3 [X.] nennt die Bedingungen für die Erteilung des ergänzenden Schutzzertifikats ([X.]) und bestimmt unter anderem:

„Das [[X.]] wird erteilt, wenn in dem Mitgliedstaat, in dem die Anmeldung nach Artikel 7 eingereicht wird, zum Zeitpunkt dieser Anmeldung

a) das Erzeugnis durch ein in [X.] befindliches Grundpatent geschützt ist;

b) für das Erzeugnis als Arzneimittel eine gültige Genehmigung für das Inverkehrbringen […] erteilt wurde;

c) für das Erzeugnis nicht bereits ein [[X.]] erteilt wurde;

[…].“,

wobei nach Art. 1 Buch[X.]b das „‘Erzeugnis‘ den Wirkstoff oder die [X.] eines Arzneimittels [bezeichnet]“ und Art. 4 den Schutzgegenstand wie folgt bestimmt:

„In den Grenzen des durch das Grundpatent gewährten Schutzes erstreckt sich der durch das [[X.]] gewährte Schutz allein auf das Erzeugnis, das von der Genehmigung für das Inverkehrbringen des entsprechenden Arzneimittels erfasst wird, und zwar auf diejenigen Verwendungen des Erzeugnisses als Arzneimittel, die vor Ablauf des [[X.]] genehmigt wurden.“

1. Nach Ansicht des [X.]s formuliert Art. 3 Buchst. a [X.] mit der Formulierung des durch ein Grundpatent geschützten Erzeugnisses eine eigenständige Forderung der Maßgeblichkeit des im Grundpatent zum Ausdruck kommenden [X.], des [X.], wie er in Art. 4 [X.] noch einmal genannt wird, der durch Auslegung der Patentansprüche unter Berücksichtigung der auch in den Erwägungsgründen genannten [X.] der [X.] festzustellen ist.

1.1. Insoweit reduziert sich entgegen der Auffassung der Beklagten die Formulierung „durch [das] […] Grundpatent geschützt ist“ in Art. 3 Buchst. a [X.] nach Ansicht des [X.]s nicht lediglich auf eine Anwendung der für die Auslegung von [X.] maßgeblichen Norm des Art. 69 EPÜ. Vielmehr bildet Art. 3 Buchst. a [X.] mit der Forderung „durch [das] […] Grundpatent geschützt ist“ ein eigenständiges Kriterium, welches als unmittelbares [X.]srecht auch der Auslegungshoheit des Europäischen Gerichtshofs unterliegt. Die Auslegung der Formulierung „durch [das] […] Grundpatent geschützt ist“ hat deshalb in Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unter Berücksichtigung von Wortlaut und Normzweck der [X.] zu erfolgen.

Durch die [X.] soll insbesondere sichergestellt werden, was an sich auch bei der Festlegung des Schutzbereichs nach Art. 69 EPÜ oder nach nationalen Vorschriften, wie § 14 [X.], zu diskutieren und nach allgemeiner patentrechtlicher Lehre zu fordern ist, dass eine abstrahierende Ausdehnung des [X.] wie auch des Schutzumfangs nicht über den konkret erkennbaren technischen Gehalt der Patentansprüche hinausgehen soll und zum [X.] nur gehören kann, was im Patentanspruch seinen Ausdruck gefunden hat (vgl. Scharen/Benkard, [X.], 11. Aufl., § 14 [X.] Rn. 9, 10, mit weiteren Hinweisen auf die [X.]Rspr. des [X.]).

Zu berücksichtigen sind hierbei insbesondere auch die mit der [X.] in den Erwägungsgründen 4, 7 und 10 erörterten Ziele im Hinblick auf eine zulassungsbedingte Verkürzung der Amortisationsfrist, der Harmonisierung der Erteilungsvorschriften und die erforderliche Interessenabwägung aller Betroffenen auf dem „komplexen und empfindlichen“ pharmazeutischen Sektor, zu denen auch die Volksgesundheit gehört.

1.2. Die durch den Gesetzeswortlaut „in den Grenzen des durch das Grundpatent gewährten Schutzes“ geforderte Maßgeblichkeit eines nicht nur am Schutzumfang orientierten Bezugs und der Maßgeblichkeit eines in den Patentansprüchen hinreichend konkretisiert zum Ausdruck kommenden [X.] bildet nach Auffassung des [X.]s hierbei kein zusätzliches ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, reduziert sich aber auch nicht auf eine bloße Verweisung der Anwendung von nationalem Recht und von Art. 69 EPÜ nach den dortigen Kriterien für die Ermittlung von Schutzgegenstand und Schutzumfang.

Der [X.] teilt insoweit uneingeschränkt die Auffassung des von der Klägerin zu 1 vorgelegten [X.]“, wenn dort ausgeführt wird, dass die Annahme, der [X.] dürfe wegen fehlender Kompetenz keine über die bloße [X.] hinausgehenden Voraussetzungen für den Zusammenhang zwischen Grundpatent und Erzeugnis aufstellen, auf der stillschweigenden und nicht näher begründeten Annahme beruht, dass Art. 3 Buch[X.]a [X.] in vollem Umfang auf Art. 69 EPÜ und die nationalen [X.] verweist, darüber hinaus aber keinen eigenen Regelungsgehalt aufweist. Diese Ansicht stelle aber ihrerseits nichts anderes als eine denkbare Auslegung des Art. 3 Buch[X.]a [X.] dar, für die sich der [X.] gerade nicht entschieden habe. Das Kriterium des „spezifischen Bezugs“ lasse sich vielmehr dogmatisch auf zweierlei Weise einordnen: Entweder stelle es eine Auslegung des Begriffs „geschützt“ oder ein zusätzliches ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal dar. Die besseren Gründe sprächen für Ersteres, wie sich am besten anhand der „[X.]“-Entscheidung verdeutlichen lasse. Auch die insoweit vorgelegten Rechtsgutachten [X.] „Herdegen“ und B22 „[X.]“ rechtfertigen keine andere Bewertung, zumal diese bereits unterstellen, dass Art. 3 Buch[X.]a [X.] ohne zusätzliche Wertung auf die [X.] des EPÜ und des nationalen Patentrechts verweist.

2. Nach Auffassung des [X.]s fordert auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs deshalb zutreffend und ausgehend von der Bedeutung des [X.] (subject matter) eines [X.] nach Art. 4 [X.] – nämlich des durch den arzneilich bestimmten Wirkstoff oder [X.] definierten Erzeugnisses (vgl. auch [X.]/[X.] [X.]., 10. Aufl., 2017 § 16a Rn. 24) – im Wege der Auslegung die Ermittlung des in diesem Kontext der [X.] richtig verstandenen [X.] des [X.] nach Art. 3 Buchst. a [X.].

2.1. Zunächst ist festzustellen, dass deshalb aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs seit der Entscheidung „[X.]“ ([X.], 257 = NIK3, [X.], [X.]) an der früheren Rechtsprechung und Rechtsansicht des [X.], der auch die zur Erteilung des [X.]s führende Entscheidung des B[X.] vom 12. Mai 2011 ([X.], [X.]) zugrunde lag, nicht festgehalten werden kann, wonach für die Prüfung, ob das Erzeugnis durch ein in [X.] befindliches Grundpatent geschützt ist, allein der durch die Patentansprüche des [X.] nach Art. 69 EPÜ zu bestimmende Schutzumfang als maßgeblich angesehen worden war und die nunmehr im Fokus stehende Frage ausreichender [X.] als [X.] im Grundpatent unbeachtlich war (vgl. hierzu auch Hacker/Busse, [X.], 8. Aufl. [X.]. § 16a Rn. 39).

Dieser neue Ansatz des [X.] impliziert methodisch eine zweistufige Prüfung, die im ersten Schritt, ebenso wie Art. 3 Buch[X.]a [X.] dies fordert, zunächst in der Bestimmung des aus den Patentansprüchen nach objektiven Kriterien abzuleitenden [X.] ([X.]) des Patents besteht, was im Wege der Auslegung aus der Sicht des Fachmanns zu erfolgen hat ([X.]/Busse [X.], 8. Aufl., § 14 Rn. 19, 21).

Für die vorliegende Entscheidung ist es deshalb nicht entscheidungserheblich, ob es im Rahmen der Auslegung nach Art. 69 EPÜ unter Beachtung der danach in der Rechtsprechung entwickelten Regeln zur Bestimmung des Schutzumfangs, insbesondere mittels eines Verletzungstests, gerechtfertigt wäre, den Schutzgegenstand des Patentanspruchs 27 derart weit zu bestimmen, dass unter die dortige allgemeine Formulierung von „therapeutischen Bestandteilen“ einer mit dem Wirkstoff „Tenofovir [X.]“ gebildeten „pharmazeutischen Zusammensetzung“ auch eine [X.] als Erzeugnis i. S. v. Art. 1 Buch[X.]b AMVO fällt, die aus einer Zusammensetzung zweier hochwirksamer und zudem synergetisch wirkender arzneilicher Wirkstoffe besteht, nämlich „Tenofovir [X.]“ und „[X.]“. Dies obwohl der Wirkstoff „[X.]“ im Grundpatent an keiner Stelle genannt ist und eine „[X.]“ von einem einzelnen „Wirkstoff“ (Monowirkstoff) abzugrenzen ist und insbesondere eine „[X.]“ als neues Erzeugnis i. S. v. Art. 1 [X.] nicht durch bloße Kombination von sonstigen, nicht arzneilich wirksamen Bestandteilen, wie Hilfs- oder Trägerstoffe mit einem Monowirkstoff begründet werden kann ([X.] [X.]/13, [X.] 2014, 98 – Glaxosmithkline; [X.] [X.]/04, [X.], 694 – Polifeprosan zu Art. 1 Buch[X.]b der VO ([X.]) Nr. 1768/92; B[X.] 15 W (pat) 106/96, B[X.]E 41, 56 – Clarithromycin; B[X.] 15 W (pat) 12/02, B[X.]E 46, 142 = [X.], 696 – Polifeprosan) und in der Rechtsprechung des [X.]s ([X.] C631/13, [X.], 245 – [X.]) gefordert wird: „Der Begriff des Wirkstoffs bezieht sich nämlich für die Zwecke der Anwendung der Verordnung Nr. 469/2009 auf Stoffe, die eine eigene pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung ausüben.“

Stellen sich also bereits insoweit im Rahmen des Art. 69 EPÜ im Lichte des nach Art. 1 Buch[X.]b [X.] maßgeblichen Erzeugnis- und Wirkstoffbegriffs und der Schutzgegenstände eines [X.], insbesondere auch in Bezug auf Art. 3 Buch[X.]c [X.] und dem Verbot wiederholter Erteilung eines [X.] für identische Erzeugnisse, Fragen eines etwaig gebotenen einschränkenden Verständnisses des danach maßgeblichen [X.] bei der Ermittlung des Schutzumfangs, so ist nach Ansicht des [X.]s jedenfalls im Rahmen des Art. 3 Buch[X.]a [X.] ein solches einschränkendes Verständnis durch den Gesetzeswortlaut vorgegeben und nach der Rechtsprechung des [X.] geboten.

Insoweit ziehen beide Parteien übereinstimmend auch nicht in Zweifel, dass die Kombination der Wirkstoffe „Tenofovir [X.]“ mit „[X.]“ ein gegenüber dem hier maßgeblichen Monowirkstoff Tenofovir [X.] aus arzneilicher Sicht eigenständiges Erzeugnis gemäß Art. 1 Buch[X.]b [X.] ist, zumal für den Monowirkstoff „Tenofovir [X.]“ und das Erzeugnis [X.]® bereits am 5. Februar 2002 eine arzneimittelrechtliche Genehmigung erteilt worden war. Streitig ist nur, ob der Wirkstoff „[X.]“ mit der Formulierung „therapeutische Bestandteile“ eine ausreichende funktionelle Umschreibung findet.

Maßgeblich ist danach die nach Art. 3 Buch[X.]a [X.] geforderte Ermittlung nicht nur des Schutzbereichs, sondern des in den Patentansprüchen des [X.] erkennbar unter Schutz gestellten [X.] im Hinblick auf dessen technischen Gehalt, d. h. des danach erfindungsgemäßen Wirkstoffs oder der [X.] und ihrer [X.]. Dies ist nach den Grundsätzen des Art. 69 EPÜ durch Auslegung aus der Sicht des Fachmanns bei unbefangener Lektüre der Patentschrift unter Einziehung seines [X.] und der Gesamtoffenbarung der Patentschrift zu ermitteln. Insoweit gelten die zu Art. 69 EPÜ in der nationalen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze.

2.2. Nicht maßgeblich für die Erteilungsvoraussetzungen des Art. 3 [X.] sieht der [X.] sonstige Kriterien an, wie die Frage, ob die das Erzeugnis bildende [X.] Erfindungsqualität besitzt. Eine Frage, die insbesondere auch zur Abgrenzung des Verbots nach Art. 3 Buchst. c [X.] herangezogen wird.

Dass für diese Feststellung des [X.]es begrifflich auch der Aspekt der erfinderischen Tätigkeit bzw. der zentralen erfinderischen Tätigkeit („core invention“) in den Entscheidungen des [X.] angesprochen wird, mag zwar zu der Annahme verleiten, insoweit werde auch die Patentfähigkeit zum Beurteilungsmaßstab des vom Grundpatent „geschützten“ Wirkstoffs und Erzeugnis herangezogen, so wenn beispielsweise im Falle der ausdrücklichen Benennung des [X.] im Patentanspruch der „wahre Gegenstand der durch das Patent geschützten Erfindung […], d. h. sein technischer Beitrag oder [X.] der erfinderischen Tätigkeit“ angesprochen wird (EUGH [X.]/13, [X.], 658 Rn. 29 – [X.]/[X.], Telmisartan).

Insoweit ist aber festzustellen, dass die Frage der Patentfähigkeit des Erzeugnisses für die Beurteilung eines nach Art. 15 Abs. 1 Buch[X.]a [X.] im Hinblick auf die Erteilungsvoraussetzungen eines nach Art. 3 [X.] angegriffenen Schutzzertifikats aus dogmatischen Gründen unerheblich sein muss. Diese ist ausschließlich im Rahmen eines auch gegenüber Schutzzertifikaten möglichen Angriffs auf die Validität des [X.] zu klären. So kann sich eine pharmazeutische Zusammensetzung im Lichte des Art. 3 Buch[X.]a und c [X.] als eine nicht vom enthaltenden Monopräparat und arzneilichen Wirkstoff unterschiedliche [X.] nach Art. 1 Buch[X.]b [X.] darstellen und deshalb kein weiteres Schutzzertifikat rechtfertigen, während bei der Beurteilung der Patentfähigkeit des Patentanspruchs des [X.] durchaus Neuheit der pharmazeutischen Zusammensetzung gegenüber dem enthaltenen Monowirkstoff zu bejahen ist.

Deshalb stellt nach Auffassung des [X.]s auch der [X.] nicht in Zweifel, dass eine derartige Prüfung auf Patentfähigkeit keine weitere ungenannte Erteilungsvoraussetzung des Schutzzertifikats als Tatbestandsvoraussetzung des Art. 3 [X.] ist (vgl. Hacker/Busse a. a. [X.] [X.]. § 16a Rn. 71), sondern zieht dieses nur als Element der Auslegung zur Ermittlung und kritischen Beurteilung des maßgeblichen [X.] heran, auch wenn dieser Aspekt im Rahmen üblicher Auslegungskriterien zu Art. 69 EPÜ fremd erscheinen mag.

Weshalb der [X.] im [X.]/[X.]-Fall bereits die Erfindungsgegenständlichkeit verneint hat, ohne dies auf die arzneiliche Bewertung des im Grundpatent expressis verbis genannten [X.] als Wirkstoff im Sinne von Art. 1 Buch[X.]b [X.] zu stützen, und zu der Annahme gelangte, der in der anspruchsgemäßen pharmazeutischen Zusammensetzung [X.] enthaltene weitere Wirkstoff Hydrochlorthiazid sei nicht [X.] des [X.] und könne deshalb den Schutz für eine „[X.]“ als neues Erzeugnis nicht begründen, mag verwundern. Dies ändert aber nichts daran, dass dieses Ergebnis Resultat einer Auslegung des maßgeblichen Patentanspruchs im Lichte des Art. 3 Buch[X.]c [X.] war, bei der auch Aspekte der Erfindungsqualität herangezogen wurden. Dies erfolgte ebenso im [X.]/[X.], wo sich der [X.] schon wegen der fehlenden expressis verbis Benennung eines Diuretikums oder eines anderen zu kombinierenden Wirkstoffs nicht gezwungen sah, der arzneilichen Bedeutung des allenfalls additiv wirkenden Diuretikums nachzugehen, um festzustellen, dass dieser zusätzliche Wirkstoff den Schutz einer „[X.]“ nicht begründen konnte.

Zu bedenken ist insoweit auch, dass in diesen Fällen pharmazeutische Zusammensetzungen als beansprucht in Rede standen, bei denen zu hinterfragen war, ob die Diuretika wegen ihrer lediglich additiven Wirkung oder ihrer Zuordnung als gemeinfreier Wirkstoff, zu dessen Entdeckung das Grundpatent keinen Beitrag geleistet hat, als nicht geeignet anzusehen waren, den [X.] des [X.] für eine [X.] als neues Erzeugnis dadurch auszubilden, dass im Nachhinein beliebige Stoffe mit den vom Grundpatent geschützten Stoffen zu „neuen“ Erzeugnissen kombiniert werden. Das Resultat eines Verbots der Mehrfachzertifizierung eines identischen Erzeugnis wäre danach möglicherweise aus Sicht des [X.] ebenso bei ausschließlich arzneilich bestimmter Betrachtung der Anforderungen an eine [X.] erzielt worden. Der [X.] verkennt dabei nicht, dass Diuretika hochwirksame Wirkstoffe bei der Behandlung von Bluthochdruck sind, die nicht nur einen additiven Effekt haben.

Letztlich kommt es vorliegend auf diesen ergänzenden Aspekt einer „core invention“-Prüfung des Art. 3 Buch[X.]a [X.] als mögliches korrigierendes Auslegungskriterium nicht an, weil es bereits an einer Nennung oder hinreichenden Spezifizierung der Wirkstoffkomponente [X.] mittels funktioneller Umschreibung oder durch Angabe eines Oberbegriffs fehlt, welche die Annahme rechtfertigen könnte, diese sei erfindungsgegenständlich.

3. Unter Berücksichtigung der in der Entscheidung „Eli Lilly“ aufgestellten Kriterien des Europäischen Gerichtshofs und der aus Sicht des [X.]s maßgeblichen Grenzziehung hat der [X.] keinerlei Zweifel daran, dass die hier maßgebliche Wirkstoffkomponente [X.] nicht durch das Grundpatent als [X.] geschützt ist und zwar selbst dann nicht, wenn man der Auffassung der Beklagten folgen wollte, dass der Fachmann die Lehre des Patentanspruchs 27 und den Begriff der „anderen therapeutischen Bestandteile“ einschränkend im Sinne antiretroviraler Wirkstoffe in Kombination mit [X.] (Tenofovir) mit dem Fokus auf [X.] verstehe.

3.1. Der Europäische Gerichtshof hat in der Entscheidung „Eli Lilly“ die Anforderungen an die Offenbarung eines Wirkstoffs als [X.] in den Patentansprüchen präzisiert, wonach der Wirkstoff zwar auch nur funktionell in den Patentansprüchen umschrieben sein kann. Dies ist aber nur dann als ausreichend anzusehen, sofern sich die Patentansprüche stillschweigend, aber notwendigerweise auf den in Rede stehenden Wirkstoff beziehen, und zwar in spezifischer Art und Weise.

Für die in dieser Entscheidung in Rede stehende konkrete Frage, ob der in seinem Wortlaut auf einen „isolierte[n] Antikörper oder einen Teil davon, der […] ein vollständiges [X.]-Polypeptid […] oder die extrazelluläre Domäne des [X.]-Polypeptids […] bindet“ gerichtete Patentanspruch eine ausreichende Offenbarung für einen spezifischen, [X.] bindenden und nunmehr unter dem Namen [X.] bekannten Antikörper darstellt, wiederholte der [X.], dass es nicht erforderlich ist, den Wirkstoff in den Patentansprüchen des [X.] mit einer Strukturformel anzuführen. Vielmehr kann es für Art. 3 Buch[X.]a [X.] ausreichend sein, wenn die Patentansprüche, den Schluss zulassen, dass der Wirkstoff unter eine in den Patentansprüchen eines vom [X.] erteilten Patents enthaltene Funktionsformel fällt und die oben genannten weiteren Voraussetzungen erfüllt sind. Der [X.] führte aus:

3.2. Diese Voraussetzungen sieht der [X.] vorliegend eindeutig als nicht erfüllt an, auch wenn nach Auffassung des [X.]s für die danach geforderte Spezifizierung des [X.] nicht die Kriterien maßgeblich sind, welche an eine ausreichende Offenbarung einer Lehre im Rahmen möglicher Beschränkungen des erteilten Patents im [X.] oder nach § 64 [X.], Art. 105a EPÜ zu stellen sind.

Denn die dortige Forderung nach einer unmittelbaren und eindeutigen sowie individualisierten Ursprungsoffenbarung für den [X.] erfolgt vor dem Hintergrund der Beurteilung der Patentfähigkeit der verteidigten Lehre und ihrer Zulässigkeit als eine notwendigerweise bereits im Anmelde- bzw. Prioritätszeitpunkt offenbarte technische Lehre. Notwendig deshalb, weil es ohne ursprüngliche Offenbarung des [X.]s dem Patentinhaber ansonsten ermöglicht würde, die erforderliche und die Patentfähigkeit begründende Lehre und die Abgrenzung zum Stand der Technik im Nachhinein zu schaffen – wie [X.] bei einer Auswahlerfindung.

Hierauf kommt es aber im Rahmen der Erteilungsvoraussetzungen eines Schutzzertifikats nach Art. 3 [X.] gerade nicht mehr an, weil dieses nur auf die Verlängerung des durch ein Patent bereits bestimmten Erzeugnisschutzes abstellt und nicht auf eine nachträgliche Neubestimmung des durch das Grundpatent vermittelten Patentschutzes, wie dieser eventuell bei einer Verlängerung eines Patentschutzes des [X.] diskutiert werden könnte (so aber [X.]/[X.] [X.], 10. Aufl., 2017, § 16a Rn. 32 m. w. H.) oder wie dieser im [X.] des [X.] durch eine nachträgliche Beschränkung des Patentgegenstands in den engen Grenzen ursprünglicher Offenbarung möglich ist oder erfolgt sein mag.

3.3. Die Frage, wo im Falle einer funktionellen Umschreibung oder eines offenbarten Oberbegriffs eines im Patentanspruch und – wie vorliegend – zudem auch in der Beschreibung des [X.] nicht genannten Wirkstoffs die Grenzziehung für den nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geforderten spezifischen Bezug zu erfolgen hat, kann nach Ansicht des [X.]s nur im Einzelfall erfolgen und ist vorliegend nur dann von Interesse, wenn man – wie die Beklagte – die Lehre des Patentanspruchs 1 einschränkend im Sinne eines eigenen Lexikons versteht, worauf noch einzugehen ist.

Hierbei sieht der [X.] es insbesondere im Hinblick auf das Auslegungskriterium des Schutzzwecks der Norm als wesentlich an, dass mit zunehmender spezifischer arzneilicher Wirkung des zu Diskussion stehenden Wirkstoffs die Möglichkeit abnehmen muss, diesen durch einen weiten Oberbegriff oder eine funktionelle Umschreibung als ausreichend spezifiziert umschrieben anzusehen, wenn diese Umschreibung oder der Oberbegriff die spezifische arzneiliche Wirkung des konkreten Wirkstoffs nicht hinreichend spezifizieren bzw. repräsentieren.

Anders formuliert dürfen im Wege gedanklicher nachträglicher Konkretisierung einer allgemeinen funktionellen Umschreibung oder eines Oberbegriffs durch einen speziellen Wirkstoff gerade nicht die spezifischen arzneilichen Wirkungen eines konkreten Wirkstoffs als [X.] eingebracht und geltend gemacht werden können, die dem Fachmann nicht bereits mittels der in den Patentansprüchen des [X.] enthaltenen funktionellen Umschreibung oder eines Oberbegriffs bereits stillschweigend und notwendigerweise vermittelt werden. Alles andere würde aus Sicht des [X.] und auch des [X.]s die Verlängerung des durch das Grundpatent vermittelten Erzeugnisschutzes dadurch ermöglichen, dass für eine jegliche im Grundpatent geschützte allgemeine Lehre, wie die unter Schutz gestellte „pharmazeutische Zusammensetzung“ nach Patentanspruch 27 des [X.], im Nachhinein mittels einer nachgeschobenen Konkretisierung oder Auswahl die Voraussetzungen eines verlängerten Stoffschutzes geschaffen werden könnte, sei es durch Schutz eines Wirkstoffs oder einer [X.] als weiteres Erzeugnis. Das wäre mit dem auch in den Erwägungsgründen 3 bis 5, 7, 9 und 10 der [X.] zum Ausdruck kommenden Schutzzweck der Norm als nicht gerechtfertigt anzusehen.

Nach Auffassung des [X.]s beziehen sich deshalb Oberbegriffe oder funktionelle Umschreibungen nur dann stillschweigend, aber notwendigerweise und in spezifischer Art und Weise auf einen im Grundpatent nicht als erfindungsgemäß angesprochenen Wirkstoff, wenn zugleich ausgeschlossen ist, dass auch andere Wirkstoffe ebenfalls derartige Repräsentanten der in den Patentansprüchen des [X.] enthaltenen funktionellen Umschreibung oder des enthaltenen Oberbegriffs sein können. Es reicht nicht aus, dass ein im Grundpatent nicht als erfindungsgemäß angesprochenen Wirkstoff zwar unter einen Oberbegriff oder eine funktionelle Umschreibung subsumiert werden kann, dieser aber die spezifischen arzneilichen Eigenschaften bzw. Wirkweisen des in Rede stehenden Wirkstoffs des [X.]s trotz sonstiger Gemeinsamkeiten aber im weiteren Sinne gerade nicht teilt.

3.4. [X.] Grenzziehungen bedarf es allerdings nicht, wenn für die gebotene Auslegung darauf abzustellen ist, dass der Fachmann die Formulierung und funktionelle Umschreibung „andere therapeutische Bestandteile“ in Patentanspruch 27 im fachüblichen Sinne versteht und nicht als Umschreibung des Wirkstoffs [X.].

Maßgebliche Grundlage dafür, was durch das Streitpatent unter Schutz gestellt ist, ist gemäß Art. 69 Abs. 1 Satz 1 EPÜ der Inhalt der Patentansprüche in der jeweiligen [X.]. Die Frage, ob eine bestimmte Anweisung zum Gegenstand eines Anspruchs des Patents gehört, entscheidet sich danach, ob sie in dem betreffenden Patentanspruch Ausdruck gefunden hat ([X.]Rspr. vgl. z. B. [X.] [X.], 778 – [X.]; [X.], 959 – [X.] unter Hinweis auf [X.], 1023 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). So dürfen „in der Patentschrift enthaltene Angaben zur Aufgabe der Erfindung […] – ebenso wie der übrige Inhalt der Patentschrift – nicht zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortsinn des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen ([X.], Urteil vom 14. Juni 2016 – [X.], [X.], 921 Rn. 15 m. w. N. – Permetrexed). „Die Frage, ob eine bestimmte Anweisung zum Gegenstand eines Anspruchs des Patents gehört, entscheidet sich deshalb danach, ob sie in dem betreffenden Patentanspruch Ausdruck gefunden hat ([X.]Z 106, 84, 94 – [X.]). Das Protokoll zur Auslegung von Art. 69 EPÜ drückt dies durch seinen Hinweis aus, dass die Patentansprüche nicht lediglich als Richtlinie dienen dürften. Das verleiht dem in dem betreffenden Patentanspruch gewählten Wortlaut entscheidende Bedeutung. Was – bei sinnvollem Verständnis – mit ihm nicht so deutlich einbezogen ist, dass es vom Fachmann als zur Erfindung gehörend erkannt wird, kann den Gegenstand dieses Patentanspruchs nicht kennzeichnen. Auch die zur Erfassung des Sinngehalts eines Patentanspruchs vorgesehene Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen des betreffenden Patents darf weder zu einer inhaltlichen Erweiterung noch zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortlaut des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen.“ ([X.], Urteil vom 7. September 2004 – [X.] 255/01, [X.], 1023 Rn. 26).

Hierbei ist der Patentanspruch nicht wörtlich in philologischer Betrachtung, sondern seinem technischen Sinn nach aufzufassen, das heißt, der Erfindungsgedanke muss unter Ermittlung von Aufgabe und Lösung, wie sie sich in der Patentschrift ergeben, bestimmt werden ([X.] GRUR 1999, 909 – Spannschraube). Die Auslegung hat deshalb im Lichte der Gesamtoffenbarung der Patentschrift zu erfolgen ([X.] [X.], 1124 – [X.]; [X.], 868 – Polymerschaum II), wobei maßgeblich ist, was der angesprochene Fachmann – auch unter Einziehung seines [X.] ([X.] GRUR 2008, 878 – [X.]) – danach bei unbefangener Betrachtung den Patentansprüchen als [X.] entnimmt. Begriffe in Patentansprüchen sind danach so zu deuten, wie sie der angesprochene Fachmann nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift versteht ([X.] GRUR 2001, 232, 233 – [X.]), weshalb die Patentschrift im Hinblick auf die gebrauchten Begriffe ihr eigenes Lexikon darstellt ([X.] GRUR 1999, 909, 912 – Spannschraube; [X.] [X.]. 2000, 105, 106 – Extrusionskopf).

Im [X.]elanspruch 27 wird lediglich eine „pharmazeutische Zusammensetzung“ genannt, die eine Verbindung nach irgendeinem der Patentansprüche 1 bis 25 zusammen mit einem pharmazeutisch verträglichen Träger und gegebenenfalls anderen therapeutischen Bestandteilen enthält (vgl. auch Grundpatent NIK1, [X.], [X.], [X.]: [0047]). Während jedoch die „pharmazeutisch verträglichen Träger“ in der Beschreibung des [X.] (NIK1, [X.], [X.], [X.]: [0048]-[0061]) ausführlich dargestellt werden, findet sich zu den „anderen therapeutischen Bestandteilen“ keine einzige Bemerkung, obwohl zum [X.] des [X.] bereits zahlreiche antivirale Wirkstoffe bekannt waren.

Insoweit steht es außer Zweifel – und wird auch von der Beklagten nicht geltend gemacht –, dass die funktionelle Umschreibung „andere therapeutische Bestandteile“ auch nicht ansatzweise im Grundpatent vom Fachmann als eine spezifische Umschreibung des Wirkstoffs [X.] zu verstehen ist, zumal das Grundpatent auch ansonsten jegliche diesbezügliche Spezifizierung in den Patentansprüchen des Streitpatents vermissen lässt und diesen Wirkstoff auch weder in der Beschreibung thematisiert noch Hinweise auf diesen Wirkstoff enthält, die ein derart einengendes Verständnis der Bezeichnung „therapeutische Bestandteile“ rechtfertigen könnten.

Ein derart einschränkendes Verständnis im Sinne eines eigenen Lexikons stünde auch in augenscheinlichem Widerspruch zu der unbestrittenen arzneilichen Bedeutung und Wirkung von „[X.]“. Denn dieser Wirkstoff bildet gegenüber dem Monowirkstoff „Tenofovir [X.]“ ein eigenständiges Nukleosid-Analogon für die antivirale Therapie, insbesondere auch für die [X.]-Therapie, das nach den Ausführungen der Beklagten als [X.] (nucleosidischer Reverse-Transkriptase-Inhibitor) sogar eine gegenüber der Monotherapie vorteilhafte Kombinationstherapie begründen soll. Der Fachmann würde deshalb die ausdrückliche Nennung eines derartigen für den [X.] wesentlichen Wirkstoffs selbstverständlich erwarten und nicht durch die in höchstem Maße unspezifische funktionelle Bezeichnung „andere therapeutische Bestandteile“ als umschrieben ansehen. Danach ist der Wirkstoff [X.] nicht [X.] des [X.].

3.5. Das Ergebnis ist auch dann kein anderes, wenn man der Argumentation der Beklagten folgend davon ausgeht, dass der Fachmann Patentanspruch 27 unter Berücksichtigung seines Vorverständnis und dem im Grundpatent gesetzten Fokus der Therapie und Prophylaxe von viralen Infektionen bei Mensch und Tier (Grundpatent: [0044]), unter anderem auch von [X.], einengend als eine ausschließlich auf die Wirkstoffklasse der antiretroviralen Wirkstoffe bezogene Formulierung versteht. Denn hierunter fallen eine Vielzahl von Wirkstoffen und [X.] mit unterschiedlichen Wirkmechanismen.

3.5.1 Dabei beschränkt sich die Lehre des [X.] zudem keineswegs auf die Behandlung von [X.] alleine. Dies gilt entgegen der Argumentation der Beklagten gerade auch im Hinblick auf den in den Absätzen [0044] und [0045] des [X.] gesetzten allgemeinen Fokus möglicher Verwendungen zur Therapie und Prophylaxe von viralen Infektionen bei Mensch und Tier, die [X.] nur unter anderem erwähnt. Maßgeblich für das dem Patentanspruch 27 und dem Begriff des therapeutischen Bestandteils zugrunde zu legende Verständnis des Fachmanns ist das Grundpatent selbst und nicht, wie von der Beklagten argumentiert, der Hintergrund der arzneimittelrechtlichen Zulassung, welche eine Verwendung eines [X.]-Arzneimittel betrifft. Insoweit kann bereits dem Ansatz der Argumentation der Beklagten zum Fachwissen des Fachmanns und seinem Vorverständnis nicht gefolgt werden, dass hier auf das Gebiet der [X.]-Erkrankungen abzustellen sei, nämlich eine Kombinationstherapie zur Behandlung von [X.] mit der Kombination von Wirkstoffen aus jeweils antiretroviralen [X.], insbesondere anderen N(t)[X.], bei der die [X.] inhibiert wird.

Aber selbst in Bezug auf die Behandlung von [X.] war dem Fachmann zum Prioritätszeitpunkt eine Reihe von unterschiedlichen [X.]en mit unterschiedlichen Wirkmechanismen bekannt. So Kombinationen von zwei oder mehr Reversetranskriptase-Inhibitoren (N[X.], [X.]) oder die Kombination mit Proteaseinhibitoren ([X.]) (vgl. [X.] [X.], insbesondere [X.]/1: S. 17 bis 20, Abs. 4.5 bis 4.7).

3.5.2 Die Beklagte behauptet allerdings auch insoweit selbst nicht, der Fachmann habe den Begriff der „anderen therapeutischen Bestandteile“ notwendigerweise und in spezifischer Art und Weise als [X.] verstehen müssen. Sie hat nur hervorgehoben, dass zum Zeitpunkt der Priorität des [X.] für die Therapie von [X.] die Kombination zweier [X.]s in aller Munde gewesen sei und dass aufgrund dieser Vorbedingungen der Fachmann den Patentanspruch 27 wie auch den Patentanspruch 25 auf die Wirkstoffklasse der antiretroviralen Wirkstoffe gegen [X.] gelesen habe, was auch den Einsatz des Wirkstoffs [X.] umfasse. Dem Fachmann sei bewusst, dass sich Patentanspruch 27 auf eine Kombinationstherapie mit anderen antiviralen [X.]eln, insbesondere anderen N(t)[X.] beziehe, bei der die [X.] inhibiert werde.

In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte ergänzend ausgeführt, es sei zwar richtig, dass der Fachmann bei den in Frage kommenden antiretroviralen Wirkstoffen auch an die [X.] der Proteaseinhibitoren ([X.]) und nicht nur an [X.]s denke. Dies stehe aber den vom [X.] gesetzten Anforderungen für die erforderliche Konkretisierung nicht entgegen, weil die Gemeinsamkeit der antiretroviralen Wirkung der betroffenen [X.] (wie [X.], N[X.], [X.], [X.]) eine solche gemeinsame spezifische Eigenschaft sei, welche der [X.] für die Individualisierung fordere und als ausreichend ansehe.

3.5.3 Dieser Auffassung kann aus den genannten Kriterien für eine Abgrenzung nicht gefolgt werden, da die antiretroviral wirkenden Wirkstoffe der unterschiedlichen Klassen unbestritten unterschiedliche Wirkmechanismen aufweisen, wie insbesondere auch das im Grundpatent unter Schutz gestellte Virostatikum Tenofovir [X.], einem nukleotidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitor ([X.]), der zwar ebenso antiretroviraler Wirkstoff wie [X.] ist, jedoch einen gänzlich anderen Wirkmechanismus aufweist und deshalb ebenso wie Proteaseinhibitoren [X.] oder die Wirkstoffklasse der N[X.] gerade nicht die spezifische Eigenschaft der antiretroviralen Wirkung von [X.] aus der Wirkstoffklasse der [X.] teilen. Die Beklagte selbst hat insoweit auf die der gegenständlichen [X.] innewohnende Vorteilhaftigkeit bzw. Synergiewirkung der Wirkstoffe Tenofovir [X.] und [X.] für die aus unterschiedlichen [X.] gebildeten Kombinationspräparate hingewiesen.

Die bloße Gemeinsamkeit antiretroviraler Wirkung der unterschiedlichen [X.] erfüllt somit nicht die Forderung einer stillschweigenden Bezugnahme auf den Wirkstoff [X.], die der Fachmann notwendigerweise und in spezifischer Art und Weise in Patentanspruch 27 liest. Im Ergebnis würde deshalb selbst dann, wenn der [X.] der Auslegung durch die Beklagten folgen wollte, die nach Art. 3 Buch[X.]a [X.] geforderte Erteilungsvoraussetzung des durch das Grundpatent geschützten Wirkstoffs fehlen, da der Wirkstoff [X.] nicht Bestandteil der erfindungsgegenständlichen Lehre des [X.] ist.

4. Der [X.] sieht seine Rechtsauffassung durch das nach Schluss der mündlichen Verhandlung ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 25. Juli 2018 in der Rechtssache [X.]/17 zu dem das streitgegenständliche Grundpatent betreffenden Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV bestätigt, welches ein im Vereinigten Königreich erteiltes [X.] und eine „Zusammensetzung aus Tenofovir [X.], gegebenenfalls in Form eines pharmazeutisch verträglichen Salzes, [X.], [X.] oder Solvats, und [X.]“ betrifft.

4.1. Denn der Europäische Gerichtshof führt aus, dass es sich bei den Regeln, die zur Bestimmung dessen dienen, was im Sinne von Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009 „durch ein in [X.] befindliches Grundpatent geschützt“ ist, um jene handelt, die den Umfang der Erfindung betreffen, die Gegenstand eines solchen Patents ist, wie etwa im Ausgangsverfahren Art. 69 EPÜ und das Protokoll zu dessen Auslegung, wobei der Schutzbereich eines solchen Patents nach Art. 69 EPÜ durch die Patentansprüche bestimmt wird. Hierbei kann ein Wirkstoff durch ein in [X.] befindliches Grundpatent geschützt angesehen werden, wenn das Erzeugnis, das Gegenstand des [X.] ist, im Patentanspruch entweder ausdrücklich genannt wird oder sich die Patentansprüche notwendigerweise und in spezifischer Weise auf dieses Erzeugnis – im Falle einer funktionellen Definition - beziehen. Das ist durch Auslegung unter Berücksichtigung der Beschreibung und die Zeichnungen des [X.] zu ermitteln (vgl. [X.], Urteil vom 25. Juli 2018, Rn. 32, 35, 37, 38 – [X.]/17, abrufbar unter https://www.juris.de/r3/document).

Insoweit betont der [X.], dass dieses Erfordernis im Einklang mit dem Ziel des [X.] steht, eine ausreichende Dauer des wirksamen [X.]chutzes wiederherzustellen, indem dessen Inhaber nach Ablauf des Patents eine zusätzliche Ausschließlichkeitsfrist eingeräumt wird, die den Rückstand bei der wirtschaftlichen Verwertung seiner Erfindung, der aufgrund der Zeitspanne von der Einreichung der Patentanmeldung bis zur Erteilung der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der [X.] eingetreten ist, zumindest zum Teil ausgleichen soll. Der [X.] weist u. a. erneut darauf hin, dass das [X.] hingegen den durch das Patent gewährten Schutzbereich nicht über die von ihm geschützte Erfindung hinaus ausweiten soll und es dem Ziel der [X.] widerspräche, ein [X.] für ein Erzeugnis zu erteilen, das nicht von der durch das Grundpatent geschützten Erfindung erfasst ist, da ein solches [X.] nicht die mit diesem Patent beanspruchten Forschungsergebnisse beträfe (vgl. [X.] a. a. [X.] Rn. 39 und 40).

4.2. Unter Berücksichtigung des so herausgestellten [X.] folgert der Europäische Gerichtshof sodann, dass die Patentansprüche des [X.] bei der Anwendung von Art. 3 Buchst. a [X.] anhand der Grenzen dieser aus der Beschreibung und den Zeichnungen des Patents hervorgehenden Erfindung verstanden werden müssen und eine solche Auslegung durch Art. 4 [X.] gestützt wird, wonach sich der durch das [X.] gewährte Schutz allein auf das Erzeugnis erstreckt, das von der Genehmigung für das Inverkehrbringen des entsprechenden Arzneimittels erfasst wird, und der Gegenstand des Schutzes durch ein [X.] sich auf die technischen Merkmale der durch das Grundpatent geschützten Erfindung beschränken muss, wie sie nach diesem Patent beansprucht werden(vgl. [X.] a. a. [X.] Rn. 43 bis 46).

Für die danach unter Heranziehung des Standpunkts eines Fachmanns auszulegenden Patentansprüche bedeute dies, dass entscheidend sei, ob das Erzeugnis, das Gegenstand eines [X.] ist, notwendigerweise von der durch das Patent geschützten Erfindung erfasst wird. Zu prüfen sei, ob der Fachmann auf der Grundlage seiner allgemeinen Kenntnisse und im Licht der im Grundpatent enthaltenen Beschreibung und Zeichnungen der Erfindung eindeutig erkennen kann, dass das Erzeugnis, auf das sich die Patentansprüche des [X.] beziehen, ein für die Lösung des technischen Problems, das von dem Patent offengelegt wird, erforderliches Merkmal ist(vgl. [X.] a. a. [X.] Rn. 47 und 48).

In Anbetracht aller vorstehenden Erwägungen sei ein Erzeugnis im Sinne von Art. 3 Buch[X.]a der Verordnung Nr. 469/2009 „durch ein in [X.] befindliches Grundpatent geschützt“, sofern sich einer der Patentansprüche notwendigerweise und spezifisch auf dieses Erzeugnis beziehe, auch wenn es in den Patentansprüchen des [X.] nicht ausdrücklich erwähnt werde. Dazu müsse das Erzeugnis für den Fachmann im Licht der Beschreibung und der Zeichnungen des [X.] notwendigerweise von der durch das Patent geschützten Erfindung erfasst sein. Der Fachmann müsse in der Lage sein, das Erzeugnis im Licht aller durch das Patent offengelegten Angaben nach dem Stand der Technik bei der Einreichung oder am [X.] des Patents in spezifischer Weise zu identifizieren(vgl. [X.] a. a. [X.] Rn. 52).

4.3. Im vorliegenden Fall ergäbe die Beschreibung des [X.] keinen Hinweis darauf, dass die von ihm geschützte Erfindung speziell eine kombinierte Wirkung von Tenofovir [X.] und [X.] zur Behandlung des [X.] betreffen könne. Demnach dürfte der Fachmann nach dem Stand der Technik bei der Einreichung oder am Prioritätstag dieses Patents nicht in der Lage sein, zu verstehen, inwieweit [X.] notwendigerweise in Verbindung mit Tenofovir [X.] von der durch das Patent geschützten Erfindung erfasst wird. Es sei jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob dies tatsächlich der Fall sei. Zum anderen obliege es ihm die Klärung der Frage, ob [X.] vom Fachmann im Licht aller im Patent enthaltenen Angaben nach dem Stand der Technik bei der Einreichung oder am Prioritätstag des Patents in spezifischer Weise identifiziert werden kann (vgl. [X.] a. a. [X.] Rn. 56).

Der [X.] bestätigt deshalb in seiner Antwort eine durch den Schutzzweck der [X.] und auf den Schutzgegenstand nach Art. 4 [X.] bezogene Auslegung und wiederholt auf die Vorlagefrage die bereits in der Entscheidung „[X.]“ formulierte Forderung, dass „nach Art. 3 Buch[X.]a [X.] ein aus mehreren Wirkstoffen mit kombinierter Wirkung bestehendes Erzeugnis im Sinne dieser Bestimmung ‚durch ein in [X.] befindliches Grundpatent geschützt‘ ist, wenn sich die Patentansprüche des [X.] notwendigerweise und spezifisch auf die Kombination der Wirkstoffe, aus denen das Erzeugnis besteht, beziehen, auch wenn diese darin nicht ausdrücklich erwähnt wird“, wobei die Kombination der Wirkstoffe und jeder der Wirkstoffe durch das Patent geschützten Erfindung erfasst und im Licht aller durch das Patent offengelegten Angaben spezifisch identifizierbar sein muss(vgl. auch [X.] a. a. [X.] Rn. 57).

I[X.]

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht auf Grund von § 99 Abs. 1 i. V. m. § 709 Satz 1 und 2 ZP[X.]

Meta

4 Ni 12/17

15.05.2018

Bundespatentgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: Ni

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Urteil vom 15.05.2018, Az. 4 Ni 12/17 (REWIS RS 2018, 9204)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 9204


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. X ZR 172/18

Bundesgerichtshof, X ZR 172/18, 22.09.2020.


Az. 4 Ni 12/17

Bundespatentgericht, 4 Ni 12/17, 02.08.2019.

Bundespatentgericht, 4 Ni 12/17, 02.08.2019.

Bundespatentgericht, 4 Ni 12/17, 15.05.2018.


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