Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.11.2000, Az. 1 StR 300/00

1. Strafsenat | REWIS RS 2000, 452

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[X.] DES VOLKESURTEIL1 StR 300/00vom21. November 2000in der [X.] Betrugs- 2 -Der 1. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 21. [X.], an der teilgenommen haben:[X.] am [X.]. [X.] [X.] am [X.]. Wahl,[X.],[X.],[X.],Oberstaatsanwalt beim [X.],[X.]als Vertreter der [X.],Rechtsanwalt als Verteidiger,Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 3 -Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 7. Februar 2000 in den [X.] und [X.] mit den Feststellungen aufgehoben.In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Ent-scheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine an-dere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.Von Rechts wegenGründe:1. Die [X.] hat festgestellt:a) Der Angeklagte hat zwischen 1991 und 1994 als verantwortlicher Ge-schäftsführer einer Baufirma [X.] mit Vertretern anderer Bau-firmen an Verabredungen über die Abgabe von Angeboten auf Ausschreibun-gen von Bauleistungen durch Gemeinden und Zweckverbände teilgenommen.Nach den im wesentlichen auf die Angaben des Angeklagten gestützten Fest-stellungen dienten diese [X.] vor allem dazu, "eine gleichmäßige Aus-lastung der beteiligten Bauunternehmen sicherzustellen, sogenannte Außen-seiter ... fernzuhalten und einen ruinösen Wettbewerb im Rahmen der [X.] zu verhindern".Absprachegemäß wurden dann jeweils ein Bieter oder eine Bieterge-meinschaft herausgestellt, der (die) das niedrigste Angebot einreichte, währenddie übrigen an der Absprache beteiligten Firmen durch die Abgabe höherer- 4 -Angebote Schutz gewährten. Auf dieser Grundlage wurden die Aufträge an [X.] vorgesehenen Firmen zu dem zuvor intern abgesprochenen Preis er-teilt. Ausgleichszahlungen an die übrigen Bieter hat der jeweilige Auftragneh-mer nicht geleistet.b) Zu den [X.] gehörte auch eine solche über die jährlich vonder [X.]beschränkt öffentlich ausgeschriebenen Reparaturarbeiten [X.] und Fahrbahnen, die dort im Laufe des Jahres anfielen. [X.] die [X.] auf Grund einer Zeugenaussage festgestellt, daß der [X.] und später bezahlte Preis von knapp 240.000 DM, zu dem [X.] 1993 der Auftrag erteilt wurde, ohne die Absprache um 5 % niedrigergewesen wäre. Sie hat den Angeklagten deshalb wegen Betruges zu einerGeldstrafe verurteilt.c) In den übrigen Fällen hat die [X.] einen Schaden der [X.] durch die Zahlung des angebotenen Preises nicht feststellen [X.]; sie hat den Angeklagten deshalb wegen fünf Ordnungswidrigkeiten [X.] 1 Ziffer 1 GWB a.F. jeweils mit einer Geldbuße belegt.Diese [X.] betrafen unter anderem auch die Vergabe hinsichtlichder Abwasseranlage von [X.](Auftragsvolumen ca. 3,98 Millionen DM)und hinsichtlich der Kanalisationsarbeiten in [X.] ([X.] ca. 1,02 Millionen DM). Die Aufträge wurden (am 6. Juni 1991 in [X.],am 8. Juli 1993 in [X.]) entsprechend den vorangegangenen [X.] jeweils an eine Bietergemeinschaft erteilt, der auch die vom Ange-klagten vertretene Firma angehörte. Beide Aufträge enthielten die Vereinba-rung, daß der Auftragnehmer 5 % der Auftragssumme als Schadensersatz zubezahlen habe, wenn er aus Anlaß der Vergabe eine unzulässig den Wettbe-werb beschränkende Absprache getroffen habe und eine andere [X.] -he nicht nachweisbar sei. Diese Ansprüche machten die Auftraggeber in [X.] der vorangegangenen [X.] nicht geltend.2. Die auf diese beiden Fälle beschränkte, auf die Sachrüge gestützteRevision der Staatsanwaltschaft zum Nachteil des Angeklagten hat im ErgebnisErfolg.a) Die Beschwerdeführerin führt zur Begründung des Rechtsmittels imeinzelnen aus, durch das (nunmehr von dem zur Tatzeit noch nicht geltenden§ 298 StGB n.F. erfaßte) Verhalten des Angeklagten hätten die [X.] deshalb Schäden i.S.d. § 263 StGB erlitten, weil sie in Unkenntnis der[X.] die für diesen Fall vereinbarten Schadenseratzansprüche von je-weils 5 % der Auftragssumme nicht geltend gemacht hätten.Diese Rechtsauffassung trifft nicht zu. Nach der Rechtsprechung des[X.] handelt es sich insoweit nur um eine mittelbare Folge derauf das [X.] des Auftrags gerichteten Tat. Daher fehlt es an der [X.] zwischen dem (angestrebten) Vermögensvorteil und [X.] ([X.], 61, 62 = [X.], 260). In Übereinstimmung mitdem Generalbundesanwalt sieht der Senat auch unter Berücksichtigung [X.] keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung, auf die die[X.] zutreffend verwiesen hat, abzuweichen.b) Die Revision hat aber deshalb Erfolg, weil die Erwägungen, die derAnnahme der [X.] zu Grunde liegen, die [X.] hätten nicht zuhöheren Preisen geführt, rechtlicher Überprüfung nicht standhalten. Sie führthierzu aus, Preisabsprachen dienten nicht stets und ausschließlich der Erlan-gung einer über dem [X.] liegenden Vergütung, sondern könntenauch den Zweck haben, öffentliche Aufträge "gerecht" zu verteilen und ruinö-- 6 -sen Wettbewerb zu verhindern. Die entsprechende Einlassung des Angeklag-ten werde daher nicht durch einen allgemeinen Erfahrungssatz widerlegt, wo-nach [X.] in [X.] stets dazu führen, daß der [X.] einen über dem [X.] liegenden Preis anbiete. [X.] dafür, daß hier derartige Preise erzielt worden seien, seien [X.], zumal da keine Ausgleichszahlungen geflossen seien.Diese Würdigung ist nicht erschöpfend.aa) Der Wert ausgeschriebener Bauarbeiten bestimmt sich nach [X.], der bei Beachtung der für das Ausschreibungsverfahren geltenden [X.] im Wettbewerb erzielbar ist (BGHSt 38, 186, 190 ff.; [X.] 1997,336, 340 m.w.[X.]). Da es nach Auffassung der [X.] bei den Abspra-chen darum ging, "ruinösen" Wettbewerb zu verhindern, liegt die Annahme na-he, daß ohne die [X.] niedrigere Angebote abgegeben worden wären.bb) Ein Schaden der Auftraggeber wäre unter diesen Umständen nurdann zu verneinen, wenn sie diesen niedrigeren ("ruinösen") Angeboten [X.] nicht hätten erteilen dürfen. Voraussetzung hierfür wäre nicht nur ein(offensichtliches) Mißverhältnis zwischen Preis und Leistung (BGHSt aaO, 195;[X.] 1995, 737), sondern es müßte darüber hinaus zu erwarten sein, daßder Auftragnehmer wegen dieses [X.] in wirtschaftliche Schwie-rigkeiten gerät und den Auftrag deshalb nicht oder nicht ordnungsgemäß aus-führt. Dagegen besteht für die öffentliche Hand kein Hindernis, auch soge-nannte Unterkostenpreise zu akzeptieren, sofern der Anbieter zu diesen [X.] zuverlässig leisten kann ([X.] aaO m.w.[X.]). Daß danach hier [X.] die offenbar auch nach Auffassung der [X.] ohne die[X.] zu erwartenden niedrigeren Angebote hätten zurückweisen müs-sen, ist weder dargelegt noch sonst [X.] -cc) Abgesehen davon spricht aber eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür,daß [X.] nicht gebildet und am Leben erhalten werden, wennsie ihren Kartellmitgliedern keine höheren als den sonst erzielbaren Marktpreis([X.]) bringen (BGHSt aaO, 194; [X.] aaO). [X.] es sich hierbei nur um eine Wahrscheinlichkeitsaussage, die [X.] erst anhand weiterer Beweisanzeichen darauf überprüfen muß, ob [X.] konkreten Fall zur Gewißheit wird (vgl. [X.] in [X.]. § 261Rdn. 48). Dies hat die [X.] an sich auch nicht verkannt (vgl. [X.] a)). Sie hat sich jedoch nicht hinlänglich mit der möglichen indiziellen Be-deutung des Umstandes auseinandergesetzt, daß bei dem im Grunde weitge-hend gleich gelagerten Fall des in [X.]erteilten Auftrags ein überhöhterPreis erzielt wurde (vgl. oben 1 b), wobei der Auftrag an eine Firma fiel, [X.] sonst an [X.] beteiligt war. Zwar ist festgestellt, daß in [X.],wo die Ausschreibung nur innerhalb eines festen Kreises interessierter Bau-unternehmen erfolgte, ein "gut auskömmlicher Preis" möglich war, während inden anderen Fällen nach den von der [X.] als unwiderlegt angesehe-nen Angaben des Angeklagten "schärfer kalkuliert" wurde. Der Senat kann [X.] nicht überprüfen, ob diese Angaben mit den Feststellungen zur Höhe derin Rede stehenden Angebote vereinbar sind. Ohne nähere Darlegungen istnicht nachzuvollziehen, warum es sich nicht auch hierbei jeweils um einen "gutauskömmlichen Preis" gehandelt [X.] -3. Im angefochtenen Umfang bedarf die Sache daher neuer Verhand-lung und Entscheidung (vgl. aber auch [X.] aaO, 738, 739). Dabei ist [X.] einer Schadenshöhe - mit allen ihren praktischen Schwierigkei-ten - Sache der tatrichterlichen Beweiswürdigung des Einzelfalls (BGHSt aaO,193 f. m.w.[X.]).Schäfer Wahl Boetticher [X.] Kolz

Meta

1 StR 300/00

21.11.2000

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.11.2000, Az. 1 StR 300/00 (REWIS RS 2000, 452)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 452

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