Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.07.2005, Az. StB 12/05

3. Strafsenat | REWIS RS 2005, 2692

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[X.][X.] StE 8/03-2 (1/04) StB 12/05 vom 7. Juli 2005 in dem Strafverfahren gegen

wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung u. a.; hier: Beschwerde des Zeugen S.

wegen Anordnung von Haft zur Erzwingung des Zeugnisses - 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 7. Juli 2005 gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 1 StPO beschlossen: Die Beschwerde des Zeugen S. gegen den [X.] vom 14. Juni 2005 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
[X.] Das [X.] hatte den Beschwerdeführer am 16. Dezember 2003 von dem Vorwurf freigesprochen, von Anfang August 2001 bis Ende Mai 2002 Mitglied einer terroristischen Vereinigung gewesen zu sein und sich in dieser [X.] an zwei vollendeten sowie zwei versuchten Brandstif-tungsdelikten beteiligt zu haben, die von Mitgliedern dieser [X.] worden seien. Gegen den damaligen Mitangeklagten [X.] war dagegen in demselben Urteil wegen Brandstiftung und versuchter Brandstiftung in je zwei Fällen auf eine Jugendstrafe von zwei Jahren erkannt worden. Der Freispruch des Beschwerdeführers ist rechtskräftig geworden. Die Verurteilung des ehemaligen Mitangeklagten
[X.]wurde dagegen auf dessen Revision wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das [X.] - 3 - handlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen ([X.], 46). Dieses hat den Beschwerdeführer nunmehr in dem Verfahren gegen den Angeklagten [X.] als Zeugen vernommen. Der Beschwer- deführer hat hierbei lediglich Angaben zu seiner Person gemacht, die Beant-wortung jeglicher weiterer Fragen dagegen umfassend verweigert, da er sich ansonsten der Gefahr erneuter Strafverfolgung nach Wiederaufnahme des ge-gen ihn gerichteten Verfahrens aussetzen würde. Das [X.] hat die einschränkungslose Auskunftsverweigerung als unberechtigt angesehen. Es hat daher dem Beschwerdeführer die durch seine Weigerung verursachten Kosten des Verfahrens auferlegt, gegen ihn ein Ordnungsgeld - ersatzweise Ordnungshaft - festgesetzt sowie zur Erzwingung des Zeugnisses Haft bis zur Beendigung des ersten [X.], jedoch nicht über sechs Monate hinaus, angeordnet. Der hiergegen vom Beschwerdeführer eingelegten Beschwerde, mit der er sich allein gegen die Anordnung der Erzwingungshaft wendet, hat das [X.] nicht abgeholfen.
I[X.] Das gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 1 StPO statthafte (vgl. [X.]St 36, 192 zu § 304 Abs. 5 StPO) und auch im übrigen zulässige [X.] bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zu Recht hat das [X.] ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht des Beschwerdeführers verneint und ihn daher zur Erzwingung des Zeugnisses gemäß § 70 Abs. 2 StPO in Haft genommen.
1. Gemäß § 55 Abs. 1 StPO ist ein Zeuge grundsätzlich nur berechtigt, die Auskunft auf einzelne Fragen zu verweigern, deren Beantwortung ihn oder - 4 - einen in § 52 Abs. 1 StPO genannten Angehörigen der Gefahr aussetzen wür-de, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden. Nur ausnahmsweise ist er zur umfassenden Verweigerung der Auskunft befugt, wenn seine gesamte in Betracht kommende Aussage mit einem möglicherweise strafbaren oder ordnungswidrigen Verhalten in so engem Zusammenhang steht, daß im Umfang der vorgesehenen Vernehmungsgegenstände nichts üb-rig bleibt, wozu er ohne die Gefahr der Verfolgung wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit wahrheitsgemäß aussagen könnte ([X.], 607; [X.], [X.]. vom 2. Juni 2005 - StB 8/05, zur [X.] bestimmt). Eine das Recht zur Auskunftsverweigerung begründende Verfolgungs-gefahr im Sinne des § 55 Abs. 1 StPO besteht indessen dann nicht mehr, wenn eine Strafverfolgung des Zeugen wegen des [X.], zu dem er befragt werden soll, zweifelsfrei ausgeschlossen ist, weil insoweit bereits ein rechtskräftiges Urteil gegen ihn vorliegt und die Strafklage daher verbraucht ist (vgl. [X.] NJW 1999, 1413). Stehen der Gegenstand, zu dem er befragt wer-den soll, und der von dem rechtskräftigen Urteil erfaßte Sachverhalt in einem Zusammenhang, ist daher abzugrenzen: Das Auskunftsverweigerungsrecht kann grundsätzlich nur in dem Umfang greifen, in welchem sich die Befragung auf Vorgänge richtet, die im Verhältnis zu dem von dem rechtskräftigen Urteil erfaßten Geschehen andere Taten im verfahrensrechtlichen Sinne des § 264 Abs. 1 StPO darstellen würden (vgl. [X.] NJW 1999, 1413, 1414; [X.], [X.]. vom 2. Juni 2005 - StB 8/05).
Dies gilt im Grundsatz auch dann, wenn der Zeuge von dem gegen ihn gerichteten Tatvorwurf rechtskräftig freigesprochen wurde. Zwar besteht ge-mäß § 362 StPO die Möglichkeit, das Verfahren zu Ungunsten des Freigespro-- 5 - chenen wiederaufzunehmen. Wird er zu dem ihm früher vorgeworfenen Sach-verhalt als Zeuge vernommen, darf er daher die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren wahrheitsgemäße Beantwortung die Gefahr einer Wieder-aufnahme seines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens begründen könnte (vgl. [X.] StV 1984, 408; [X.], StPO 48. Aufl. § 55 Rdn. 9; [X.] in [X.]. § 55 Rdn. 4; [X.] in [X.] - Stand Juli 2003 - § 55 Rdn. 41). Dies ist insbesondere etwa dann der Fall, wenn die wahrheitsgemäßen Antworten des Zeugen ein glaubhaftes Geständnis im Sinne des § 362 Nr. 4 StPO darstellen könnten. Ein weitergehendes Schweigerecht steht ihm dagegen nicht zu. 2. Nach diesen Maßstäben ist die Entscheidung des [X.]s nicht zu beanstanden. Zutreffend ist es davon ausgegangen, daß sich der [X.] hier nicht nach § 55 Abs. 1 StPO auf ein umfassendes Aus-kunftsverweigerungsrecht berufen kann, welches ihm gestatten würde, die [X.] auf sämtliche Fragen des Gerichts und der weiteren Prozeßbeteiligten - abgesehen von denjenigen zu seiner Person (§ 68 Abs. 1 Satz 1 StPO) - zu verweigern.
Das versteht sich zunächst von selbst, soweit das [X.] - wie sich dem angefochtenen [X.]uß entnehmen läßt - durch die Befragung des Beschwerdeführers die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten [X.] aufzuklären sucht, da dieser, wie dem [X.] aus dem Parallelverfahren StB 8/05 bekannt ist, auch hierzu keine Angaben macht. Es ist nicht ersichtlich, daß sich der Beschwerdeführer durch die Beantwortung entsprechender Fragen, die in keinerlei Zusammenhang mit dem ihm früher und dem Angeklagten [X.]weiterhin vorgeworfenen oder sonstigem denkbaren strafbaren Verhal-ten stehen, dem Risiko der Wiederaufnahme seines rechtskräftig abgeschlos-- 6 - senen Verfahrens oder der Einleitung neuer strafrechtlicher Ermittlungen we-gen solcher Taten aussetzen würde, deren Verfolgung durch die strafklagever-brauchende Wirkung des freisprechenden Urteils vom 16. Dezember 2003 nicht ausgeschlossen wäre. Aber auch bezüglich des dem Angeklagten [X.]angelasteten [X.] steht dem Beschwerdeführer ein Auskunftsverweigerungsrecht nur be-züglich solcher Fragen zu, deren wahrheitsgemäße Beantwortung entweder nach den Maßstäben des § 362 StPO die Gefahr der Wiederaufnahme des mit dem Freispruch abgeschlossenen Verfahrens oder die Einleitung eines neuen Ermittlungsverfahrens gegen den Beschwerdeführer wegen einer anderen Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO besorgen lassen könnte. Dies ist aber nicht etwa schon dann der Fall, wenn die Angaben des Beschwerdeführers Anhalts-punkte dafür ergäben, daß er Mitwisser der dem Angeklagten [X.]angelaste-ten Straftaten gewesen sein und sich daher nach § 138 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 2 StGB strafbar gemacht haben könnte; denn auch ein derartiger Tatvorwurf wä-re von dem durch den rechtskräftigen Freispruch bewirkten Strafklagever-brauch erfaßt (vgl. [X.] NStZ-RR 1998, 204; [X.]St 48, 183 ff.), so daß ent-sprechende Ermittlungen nicht mehr aufgenommen werden dürften. Der Beschwerdeführer ist daher weitgehend zur Beantwortung der Fra-gen verpflichtet, die das [X.] an ihn zur Aufklärung des [X.] gegen den Angeklagten [X.] und dessen persönlicher Verhältnisse zu richten beabsichtigt. Daß das [X.] die oben näher beschriebe-nen Grenzen der Auskunftspflicht des Beschwerdeführers respektieren will, hat es in dem angefochtenen [X.]uß sowie seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 20. Juni 2005 deutlich zum Ausdruck gebracht.
- 7 - Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen bemerkt der [X.] lediglich noch folgendes:
Ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht kann der Beschwerde-führer nicht daraus ableiten, daß die Ermittlungsbehörden - wie er ihnen unter-stellt - den Inhalt seiner Aussage zum Anlaß nehmen könnten, trotz Fehlens von [X.], also unter Mißachtung des Bestrafungs- oder Verfolgungshindernisses, erneute Ermittlungen gegen ihn wegen der [X.] einzuleiten, die von der [X.] des freisprechenden Urteils vom 16. Dezember 2003 erfaßt werden. Denn die Auslegung strafprozessualer Normen kann sich nicht an der Hypothese rechtswidrigen Verhaltens eines Verfahrensbeteiligten ausrichten.
Ob die Fragen, die an ihn gerichtet werden sollen, sachdienlich oder un-geeignet (vgl. § 241 Abs. 2 StPO) sind, obliegt nicht der Beurteilung des [X.]s, sondern allein derjenigen des [X.]s. Der [X.] kann daher nicht die Aussage mit der Begründung verweigern, die Beantwortung der an ihn gerichteten Fragen trage zur Klärung des [X.] gegen den Angeklagten [X.] nichts bei, da eine Überprüfung seiner - des Beschwerdeführers - Glaubwürdigkeit bzw. der Glaubhaftigkeit seiner Angaben nicht möglich sei, wenn er zu seiner eigenen Einbindung in das [X.] und damit zu der Grundlage seiner Erkenntnisse schweigen dürfe und schweigen werde.
Der [X.] erachtet es nicht als unverhältnismäßig, daß das Oberlan-desgericht die Höchstdauer der Erzwingungshaft auf sechs Monate festgesetzt und damit den durch § 70 Abs. 2 StPO eröffneten Rahmen voll ausgeschöpft hat. Maßgeblich für die Verhältnismäßigkeitsprüfung ist hier weniger der - 8 - Maßgeblich für die Verhältnismäßigkeitsprüfung ist hier weniger der Umstand, daß der Angeklagte [X.]wegen des Verschlechterungsverbots nicht zu mehr als zwei Jahren Jugendstrafe verurteilt werden kann. Entscheidend ist vielmehr - abgesehen davon, daß dem Angeklagten [X.]fünf Verbrechen angelastet werden (§ 358 Abs. 2 StPO stünde einer Verurteilung nach § 129 a Abs. 1 aF StGB nicht entgegen) - die zentrale Bedeutung, die der Aussage des [X.]s für die Klärung des [X.] zukommt. Wie dem [X.], der mit vorliegendem Verfahren schon mehrfach befaßt war, bekannt ist, beruht der dringende Tatverdacht gegen den Angeklagten [X.]maßgeblich auf [X.]. Demgegenüber spricht vieles dafür, daß der Beschwerdeführer, der nach dem Ermittlungsergebnis in so engem Kontakt zu dem Angeklagten [X.] und dem - weiteren - früheren Mitangeklagten [X.]sowie deren Aktivitäten stand, daß er selbst in den dringenden Verdacht der Tatbeteiligung geriet, aus eigener unmittelbarer Wahrnehmung Angaben zur Berechtigung der Tatvorwürfe gegen den Angeklagten [X.] machen kann. Er ist daher zentra-les Beweismittel sowohl für einen möglichen [X.] als auch für eine eventuelle Entlastung des Angeklagten [X.]. Die entscheidende Bedeutung, die seinen Angaben für den Ausgang des Verfahrens gegen den Angeklagten [X.]zukommen kann, rechtfertigt es daher, ihn - falls erforderlich - auch un-ter Ausschöpfung des durch § 70 Abs. 2 StPO zur Verfügung gestellten Höchstmaßes der Erzwingungshaft dazu zu bewegen, seinen Zeugenpflichten nachzukommen.

[X.]

[X.]

Meta

StB 12/05

07.07.2005

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.07.2005, Az. StB 12/05 (REWIS RS 2005, 2692)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 2692

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