Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.12.2010, Az. IX ZB 160/10

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 823

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[X.]BESCHLUSS [X.] ZB 160/10 vom 2. Dezember 2010 in dem Insolvenzverfahren - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.], [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.] am 2. Dezember 2010 beschlossen: Der Schuldnerin wird wegen Versäumung der Fristen zur [X.] und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Be-schluss der 9. Zivilkammer des [X.] vom 10. Mai 2010 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Auf die Rechtsmittel der Schuldnerin werden der [X.]uss der 9. Zivilkammer des [X.] vom 10. Mai 2010 und der [X.]uss des [X.] vom 4. Februar 2010 aufgehoben. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 1.750 Euro festgesetzt. - 3 - Gründe: [X.] In dem am 3. November 2008 eröffneten Verbraucherinsolvenzverfahren, in dem der Schuldnerin die Verfahrenskosten gestundet waren, kündigte das Insolvenzgericht dieser am 4. Februar 2010 die Restschuldbefreiung an, sofern sie ihre Obliegenheiten während der Laufzeit der Abtretungserklärung erfüllte. Zur Überprüfung der Stundungsvoraussetzungen forderte das Gericht die Schuldnerin im September 2009 auf, ihre Bemühungen um Arbeitsaufnahme darzulegen. Für die in einer städtischen Obdachlosensiedlung lebende Schuld-nerin teilte daraufhin das sie betreuende Diakonische Werk mit, Bemühungen um eine Beschäftigung hätten während des gesamten Insolvenzverfahrens stattgefunden, diese seien jedoch wegen mehrerer Vermittlungshemmnisse wie mangelnder Schul- und fehlender Berufsausbildung bislang erfolglos geblieben. 1 Nach Erteilung dieser Auskunft hat das Insolvenzgericht die Stundung der Verfahrenskosten aufgehoben, weil die Schuldnerin keine angemessene Erwerbstätigkeit ausübe und sich auch nicht hinreichend um eine solche [X.] bemüht habe. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehrt die Schuldnerin Änderung des [X.]usses über die Aufhebung der Verfahrenskostenstundung. - 4 - I[X.] Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6 Abs. 1, § 4d Abs. 1 [X.] statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und der Ent-scheidung des [X.]. 2 1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die Schuldnerin könne nicht damit gehört werden, aufgrund ihrer [X.], persönlichen und bildungs-bezogenen Defizite und Schwierigkeiten (A[X.]ruch der Sonderschule für [X.] nach der 6. Klasse, keine weitere schulische oder beruflich Ausbil-dung nach Heirat) nicht in der Lage zu sein, einer geregelten Beschäftigung nachzugehen und Einkommen zu erzielen. Sie müsse zunächst einmal konkret schildern, seit wann, wie häufig, bei welchen Stellen und für welche Arten von Arbeitstätigkeit bislang überhaupt Vermittlungsversuche unternommen worden seien. 3 2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Insolvenz- und Beschwerdegericht hätten die der Schuldnerin gewährte [X.] nicht aufheben dürfen. Die Voraussetzungen des einzig in Betracht kommenden [X.] des § 4c Nr. 4 [X.] sind nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift kann das Insolvenzgericht die zuvor gemäß § 4a [X.] gewährte Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens aufheben, wenn der Schuldner keine angemessene Erwerbstätigkeit ausübt und, wenn er ohne [X.] ist, sich nicht um eine solche bemüht oder eine zumutbare Tätigkeit ablehnt. Infolge des gesetzlichen Verweises auf § 296 Abs. 2 Satz 2 und 3 [X.] ist die Stundung außerdem aufzuheben, wenn der Schuldner über die [X.] - 5 - füllung dieser Obliegenheit auch nach Fristsetzung keine Auskunft erteilt. Unter beiden Gesichtspunkten ist die Aufhebung nicht gerechtfertigt. a) Auf eine Verletzung der Auskunftspflicht hat das Beschwerdegericht die Aufhebung der Verfahrenskostenstundung nicht gestützt. Es hat zwar aus-geführt, die von der Schuldnerin vorgelegten Unterlagen reichten nicht aus, um von einer angemessenen Erwerbstätigkeit oder hinreichenden Bemühungen um eine solche Beschäftigung auszugehen. Dass die Schuldnerin auf Verlangen des Gerichts - wenn auch aus dessen Sicht unbefriedigend - Auskunft erteilt hat, steht aber außer Frage. 5 b) Die Stundung kann der Schuldnerin entgegen der Auffassung der [X.] nicht ohne weiteres entzogen werden, wenn die Schuldnerin zwar keine konkreten Angaben zu ihren Bemühungen um Aufnahme einer [X.] macht, sich aber mit hinreichender Substanz darauf beruft, auf Grund ihrer Ausbildung, ihrer Fähigkeiten, einer früheren Erwerbstätigkeit, ihres Le-bensalters oder ihres Gesundheitszustandes nicht in der Lage zu sein, eine Tä-tigkeit zu finden, mit der sie einen Verdienst erzielen kann, der zu pfändbaren Einkünften führt. 6 aa) Der [X.] hat wiederholt entschieden, dass die Stun-dung der Kosten des Verfahrens nicht schon deshalb aufgehoben werden kann, weil der [X.] Schuldner sich nicht um eine Beschäftigung [X.], wenn er nicht in der Lage ist, Einkünfte oberhalb der Pfändungsfreigrenze zu erzielen, und die Befriedigung der Insolvenzgläubiger somit nicht [X.] ist (vgl. dazu [X.], [X.]. v. 22. Oktober 2009 - [X.] ZB 160/09, Z[X.] 2009, 2210 Rn. 11 ff; v. 22. April 2010 - [X.] ZB 253/07, Z[X.] 2010, 1153 Rn. 8 f). Ebenso wie die Versagung der Restschuldbefreiung wegen Verletzung 7 - 6 - der in § 295 Abs. 1 Nr. 1 [X.] bestimmten Erwerbsobliegenheit setzt auch die Aufhebung der Stundung gemäß § 4c Nr. 4 [X.] wegen Verletzung der [X.], dass hierdurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt worden ist (§ 296 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Ist der Schuldner aufgrund seiner Ausbildung, seiner Fähigkeiten, einer früheren Erwerbstätigkeit, seines Lebensalters oder seines Gesundheitszustands (vgl. § 1574 Abs. 2 BGB) nicht in der Lage, eine Tätigkeit zu finden, mit der er einen Verdienst erzielt, der zu pfändbaren Einkünften führt, darf ihm die Stundung nicht entzogen werden. [X.]) Mit diesen Grundsätzen sind die Entscheidungen der Vorinstanzen nicht zu vereinbaren. Insolvenz- und Beschwerdegericht haben nicht [X.], dass die [X.] der Gläubiger durch nicht ausreichende Bemühungen der Schuldnerin, eine Erwerbstätigkeit zu finden, beeinträchtigt worden sind. Ob die Schuldnerin unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Verhältnisse und der Verhältnisse am Arbeitsmarkt überhaupt in der Lage ist, eine Arbeitsstelle zu finden, bei der sie pfändbare Einkünfte erzielen kann, scheint nach dem Inhalt der Schreiben des [X.] vom [X.] und vom 1. März 2010 ausgeschlossen zu sein. Auf bloß theoreti-sche, tatsächlich aber unrealistische Möglichkeiten, einen angemessenen Ar-beitsplatz zu erlangen, darf ein Schuldner nicht verwiesen werden (vgl. [X.], [X.]. v. 7. Mai 2009 - [X.] ZB 133/07, [X.], 482, 483; v. 22. April 2010 - [X.] ZB 253/07, aaO Rn. 9; MünchKomm-[X.]/Ehricke, aaO § 295 Rn. 38; FK-[X.]/[X.], 5. Aufl. § 295 Rn. 29). 8 - 7 - II[X.] Der angefochtene [X.]uss kann daher keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben. Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, weil die Aufhe-bung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sa-che zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO). Nach den bereits zitierten Schreiben des die Schuldnerin betreuenden [X.] kann ausgeschlossen werden, dass die Schuldnerin in der Lage ist, eine [X.] zu finden, die zu Einkünften führt, von denen ein Teilbetrag pfänd-bar ist. Andere Feststellungen haben die Vorinstanzen im Rahmen der ihnen obliegenden Pflicht zur Amtsermittlung nicht gewonnen. Weitere Erkenntnis- 9 - 8 - möglichkeiten, die zu einem anderen Ergebnis führen könnten, gibt es nicht. Deshalb kann die Entscheidung des [X.] keinen Bestand haben. [X.] Raebel Pape

[X.] [X.]
Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom [X.] - 253 [X.], Entscheidung vom 10.05.2010 - 9 T 168/10 -

Meta

IX ZB 160/10

02.12.2010

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.12.2010, Az. IX ZB 160/10 (REWIS RS 2010, 823)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 823

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