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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1
StR
287/11
vom
29. November 2011
in der Strafsa[X.]he
gegen
1.
2.
3.
wegen versu[X.]hten besonders s[X.]hweren Raubes u.a.
-
2
-
Der 1.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom
29. November
2011, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Na[X.]k
und [X.] am [X.]
Dr. Wahl,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Oberstaatsanwältin beim [X.]
als Vertreterin
der Bundesanwalts[X.]haft,
[X.][X.]htsanwalt
(bei der Verhandlung),
[X.][X.]htsanwalt
als Verteidiger
des Angeklagten Dr. S.
,
[X.][X.]htsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten M.
,
[X.][X.]htsanwalt
[X.][X.]htsanwalt
[X.][X.]htsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten B.
,
[X.][X.]htsanwalt
[X.][X.]htsanwalt
als [X.],
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Ges[X.]häftsstelle,
für [X.][X.]ht erkannt:
-
3
-
Auf die [X.]visionen der Staatsanwalts[X.]haft und des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 4.
November 2010 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sa[X.]he wird zu neuer Verhandlung und Ents[X.]heidung, au[X.]h über die Kosten der [X.][X.]htsmittel, an eine andere Straf-kammer des [X.] zurü[X.]kverwiesen.
Von [X.][X.]hts wegen
Gründe:
Die [X.]visionen von Staatsanwalts[X.]haft und Nebenkläger wenden si[X.]h gegen die Freisprü[X.]he der Angeklagten von folgenden Anlagevorwürfen:
Der Angeklagte Dr. S.
, ein in [X.]
(
) tätiger [X.] Zahnarzt, hatte mit dem Nebenkläger [X.]
ges[X.]häftli[X.]he Beziehungen gehabt und stritt mit ihm um hohe Beträge. Er wusste, dass er keine Ansprü[X.]he mehr hatte, na[X.]hdem [X.]
zur Abgeltung aller Ansprü-
bezahlt hatte. Er erhob aber immer neue, höher werdende [X.]. Man erstattete in [X.] gegenseitig Strafanzeigen und prozes-sierte über eine Villa in [X.]. Dr. S.
nahm s[X.]hließli[X.]h Kontakt mit dem Angeklagten M.
auf,
der [X.]
bei einem seiner Aufenthalte in [X.].
, wo dessen To[X.]hter Gastronomiebetriebe führte, "mit Gewalt unter Dru[X.]k setzen" sollte, damit er zu Zahlungen und zur Beendigung des Prozesses im Sinne von Dr. S.
bereit würde. Dr. S.
und M.
nahmen Kontakt mit der "[X.]" auf, am Ende wurden
der Angeklagte B.
und ein weiteres Bandenmitglied "beauftragt". "M.
plante nun für ... Dr. S.
das 1
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weitere Vorgehen". Am 19. August 2009 versu[X.]hten B.
und sein "Team" -
in engem Kontakt mit M.
-
in [X.].
vergebli[X.]h, ihn mit der Lüge, man habe seinen [X.] angefahren, auf die Straße zu lo[X.]ken, um ihn zu überfal-len und Autos[X.]hlüssel und Bargeld wegzunehmen. Die Beute hätten B.
und sein Mittäter behalten sollen. Als [X.]
zwei Tage später zum Parkplatz seiner Pension kam, eilten B.
und sein Mittäter aus einer gegenüberliegen-den Pension hinzu, bes[X.]hossen ihn mit [X.]izgas, was ihn am Auge verletzte, s[X.]hlugen ihn mit einer S[X.]hre[X.]ks[X.]husspistole und versu[X.]hten, ihm Autos[X.]hlüs-sel und Brieftas[X.]he abzunehmen. Sie flü[X.]hteten ohne Beute, als Angehörige [X.]
zu Hilfe eilten.
Am 15. September 2009, so wird Dr. S.
und M.
weiter
vorgeworfen, seien an [X.]
, dessen Frau (na[X.]h [X.]) und dessen To[X.]hter (na[X.]h [X.].
) je eine Postkarte mit Motiven aus [X.].
ges[X.]hi[X.]kt wor-den, die Dr. S.
(auf [X.]) mit folgendem Text bes[X.]hrieben hatte: "Gebt zurü[X.]k, was ihr gestohlen habt, ihr Betrüger. Dies ist die letzte Warnung. [X.] Tepes.".
[X.] Tepes war ein au[X.]h als [X.] bekannter [X.] Fürst, der "Pfählung als Hinri[X.]htungsart bevorzugte". Die darin liegende [X.] hätte letztli[X.]h [X.]
dazu veranlassen sollen, do[X.]h no[X.]h auf die [X.] einzugehen. Wenige Tage später s[X.]hi[X.]kte Dr. S.
an [X.]
den Entwurf eines "Abkommens", mit dem dieser si[X.]h zur Übertragung von Geld und Wertgegenständen im Wert von jedenfalls weit über 1 Mio.
Dr.
S.
verpfli[X.]hten sollte. Er kam dieser Aufforderung ni[X.]ht na[X.]h.
Die Angeklagten wurden freigespro[X.]hen, die Täter des Überfalls und au[X.]h eine Verbindung von Dr. S.
und M.
zu dieser Tat seien ni[X.]ht fest-stellbar, die Postkarten hätten keinen strafbaren Inhalt, darüber hinaus sei eine Tatbeteiligung von M.
hinsi[X.]htli[X.]h der Postkarten ni[X.]ht festzustellen.
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Die [X.]visionen haben (s[X.]hon) mit der Sa[X.]hrüge Erfolg:
1. Bezügli[X.]h des Überfalls beruht dies darauf, dass das Urteil keine ge-nügende Grundlage einer revisionsgeri[X.]htli[X.]hen Überprüfung ist.
Bei einem Freispru[X.]h aus tatsä[X.]hli[X.]hen Gründen sind regelmäßig in [X.] ges[X.]hlossenen Darstellung die als erwiesen angesehenen Tatsa[X.]hen fest-zustellen, ehe in der Beweiswürdigung darzulegen ist, warum die für einen S[X.]huldspru[X.]h erforderli[X.]hen Feststellungen ni[X.]ht getroffen werden konnten (st. Rspr.;
vgl. zusammenfassend nur [X.], Urteil vom 24.
Juli 2008 -
3 [X.], [X.]/Zimmermann NStZ-RR 2011, 225, 232). Die [X.] teilt dagegen na[X.]h dem Anklageinhalt protokollartig das (wohl) gesamte [X.] in allen Details mit, au[X.]h soweit sie offenbar für die Ents[X.]heidung über Verurteilung oder Freispru[X.]h keine Bedeutung haben können, wie
etwa -
um nur ein Beispiel zu nennen -
Hinweise eines Sanitäters an einen Arzt zu einem mögli[X.]hen Sonnenbrand [X.]
s. Eingefügt in diese Darlegungen sind
immer wieder beweiswürdigende Überlegungen, die meist jeweils streng auf die zuvor ges[X.]hilderten Teile der Beweisergebnisse begrenzt sind. Die [X.]s[X.]haft und der [X.] haben zutreffend insgesamt (nur) et-wa zehn, auf mehr als fünfzig Urteilsseiten verstreute Passagen aufgezählt
-
meist ni[X.]ht mehr als ein Absatz, man[X.]hmal
nur einzelne Sätze -, die als Sa[X.]h-verhaltsfeststellungen zu bewerten sind. Abgesehen von der Notwendigkeit, diese Bru[X.]hstü[X.]ke aus den umfangrei[X.]hen Ausführungen herauszufiltern, ist es insgesamt kaum mögli[X.]h, sie zu einer in si[X.]h ges[X.]hlossenen, einer revisions-re[X.]htli[X.]hen Überprüfung zugängli[X.]hen Sa[X.]hverhaltsfeststellung [X.].
2. Ein weiterer [X.][X.]htsfehler liegt darin, dass die [X.] die erfor-derli[X.]he Gesamtwürdigung aller für und gegen eine [X.][X.]haft der Angeklag-5
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ten spre[X.]henden Indizien (vgl. [X.] aaO [X.]) unterlassen hat, die -
in ihrer Vielzahl vom [X.] zutreffend hinsi[X.]htli[X.]h sämtli[X.]her Angeklag-ter umfangrei[X.]h und im Detail dargelegt -
weitgehend allenfalls isoliert bewertet sind. Bei einer Gesamts[X.]hau könnte eine Vielzahl einzelner Gesi[X.]htspunkte auf Grund ihrer Häufung und gegenseitigen Dur[X.]hdringung mögli[X.]herweise die Überzeugung von der Ri[X.]htigkeit des Anklagevorwurfs vermitteln ([X.] aaO).
3. Der
Angeklagte B.
hat "im Laufe der Hauptverhandlung"
zunä[X.]hst mündli[X.]h und am zehnten Verhandlungstag s[X.]hriftli[X.]h über seinen Verteidiger folgendes erklärt:
Er sei von einem Mitglied der "[X.]"
beauftragt worden, in [X.].
bei einer
und erforderli[X.]henfalls einzugrei-fen. Der [X.] sei ihm genannt worden, sonst ni[X.]hts. Die Täter der Abreibung seien ihm ebenso unbekannt gewesen wie Dr. S.
und M.
. Er habe aus der Ferne beoba[X.]htet, wie zwei Männer [X.]
angriffen. Als diesem eine Frau zu Hilfe kam, seien die Männer geflü[X.]htet, worauf au[X.]h er (der Angeklagte) ge-flü[X.]htet
sei. Sonst wisse er ni[X.]hts.
a) Die [X.] hält für mögli[X.]h, dass der Angeklagte mit der Tat ni[X.]hts zu tun hatte und er si[X.]h mit diesen Angaben zu Unre[X.]ht belastet habe. Der Verteidiger habe vor Abgabe der Erklärung auf Gesprä[X.]he mit
der Staats-anwalts[X.]haft verwiesen, "über deren InhStills[X.]hweigen vereinbart worden sei". Der Angeklagte [X.] bald aus der Untersu[X.]hungshaft entlassen werden. Zumal, da der [X.] (in der Hauptverhandlung) erklärt habe, na[X.]h der bisherigen Beweisauf-nahme komme nur eine Bewährungsstrafe wegen Beihilfe zu gefährli[X.]her Kör-perverletzung in Betra[X.]ht, sei, so folgert die [X.], insgesamt eindeutig, dass die Staatsanwalts[X.]haft "eine Bewährungsstrafe in Aussi[X.]ht gestellt"
habe. Es liege daher ni[X.]ht fern, dass der Angeklagte, um das Verfahren gegen si[X.]h 9
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entspre[X.]hend zu beenden, wahrheitswidrig die genannten Angaben gema[X.]ht habe.
b) Hierzu bemerkt der [X.]:
(1) Verständigungen können außerhalb der Hauptverhandlung vorberei-tet werden, jedo[X.]h ist dann hierüber Transparenz in der Hauptverhandlung her-zustellen. Das Transparenzgebot kennzei[X.]hnet das Verfahren über eine Ver-ständigung im Strafverfahren insgesamt (vgl. zusammenfassend au[X.]h [X.]/S[X.]hlothauer/Weider, Verständigung im Strafverfahren D Rn.
49 ff.
[X.], au[X.]h aus den Gesetzgebungsmaterialien), wie si[X.]h aus einer [X.]ihe von [X.] über hieraus erwa[X.]hsende Pfli[X.]hten des Geri[X.]hts ergibt (vgl. §
202a Satz 2 StPO, § 212 StPO, § 243 Abs. 4 StPO,
§ 257[X.] Abs. 3 StPO, §
267 Abs.
3 Satz 5 StPO, § 273 Abs. 1a StPO).
Eine spezielle gesetzli[X.]he [X.]gelung
für nur zwis[X.]hen Staatsanwalts[X.]haft und Verteidigung im Rahmen des (Zwis[X.]hen-
oder) Hauptverfahrens außerhalb der Hauptverhandlung geführte Gesprä[X.]he, die letztli[X.]h das Ziel haben, die Hauptverhandlung abzukürzen, gibt es ni[X.]ht. Jedo[X.]h hat die Staatsanwalts[X.]haft im Ermittlungsverfahren zur Verfahrensförderung mit anderen Verfahrensbetei-ligten (naheliegend häufig der Verteidigung) geführte
Gesprä[X.]he aktenkundig zu ma[X.]hen (§ 160b Satz 2 StPO), besonders sorgfältig, wenn eine Verständi-gung i.S.d.
§ 257[X.] angestrebt wird (vgl. [X.],
StPO,
54. Aufl.,
§ 160b Rn.
8).
All dies spri[X.]ht dafür, dass au[X.]h derartige Gesprä[X.]he offen zu legen
sind, zumal das Geri[X.]ht sonst na[X.]h sol[X.]hen Gesprä[X.]hen abgegebene Erklä-rungen des Angeklagten ni[X.]ht auf umfassender Grundlage würdigen könnte. Dies würde im Übrigen in besonderem Maße gelten, wenn sol[X.]he Gesprä[X.]he 11
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bei einer gegen mehrere Angeklagte geführten Hauptverhandlung nur mit der Verteidigung eines Angeklagten geführt würden, dessen ans[X.]hließende [X.] dann die übrigen Angeklagten belasten (vgl. [X.]St 52, 78, 83; 48, 161, 168).
Dies ist hier aber ni[X.]ht eins[X.]hlägig, da B.
erklärt hat, Dr.
S.
und M.
ni[X.]ht zu kennen. Im Übrigen ist hier im Ergebnis dur[X.]h die genannte Er-klärung des Verteidigers die gebotene Klarstellung jedenfalls ansatzweise, wenn au[X.]h im Hinbli[X.]k auf das vereinbarte Stills[X.]hweigen über den näheren Inhalt des Gesprä[X.]hs ni[X.]ht in vollem Umfang (vgl. § 273 Abs. 1a StPO) erfolgt. Der [X.] brau[X.]ht alledem aber ni[X.]ht näher na[X.]hzugehen, weil in diesem Zu-sammenhang insgesamt die Mögli[X.]hkeit eines den Angeklagten begünstigen-den [X.][X.]htsfehlers ni[X.]ht zu erkennen ist.
(2) Unabhängig von alledem wäre bei der Einbeziehung der [X.] in die Würdigung der -
etwas lebensfremd ers[X.]heinenden -
Erklärung des Angeklagten ni[X.]ht nur die Mögli[X.]hkeit einer selbstbelastenden Erfindung eines Uns[X.]huldigen zu prüfen gewesen. Jedenfalls ni[X.]ht weniger naheliegend und daher erörterungsbedürftig ers[X.]heint au[X.]h die Mögli[X.]hkeit, dass zur Errei-[X.]hung einer milden Strafe zwar eine Tatbeteiligung grundsätzli[X.]h eingeräumt sein soll, die na[X.]h Art und Maß mit Entlastungstendenz aber (zu) gering ge-s[X.]hildert sein kann.
[X.]) Zudem, so führt die [X.] aus, sei der Angeklagte selbst bei Zugrundelegung seiner Angaben straflos. Sie ergäben nämli[X.]h ni[X.]ht zwingend, dass den Haupttätern die Anwesenheit des Angeklagten am [X.] bekannt gewesen sei. Der re[X.]htli[X.]he Ansatz dieser Ausführungen ist zutreffend, (au[X.]h) sie beruhen aber auf einer ni[X.]ht [X.] Beweiswürdigung.
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(1) Von Beihilfe, die objektiv die Tat fördert, brau[X.]ht der Haupttäter ni[X.]hts zu wissen ([X.], Urteil vom 8. Juli 1954
-
4 StR 350/54, [X.]St 6, 248, 249 f.). Die bloße, objektiv die Tat ni[X.]ht fördernde Anwesenheit am [X.] kann "psy[X.]his[X.]he"
Beihilfe sein ([X.],
Bes[X.]hluss
vom 17. März 1995 -
2 StR 84/95, [X.], 490, 491; zusammenfassend zur [X.][X.]htspre[X.]hung [X.] in v. [X.],
StGB,
§ 27 Rn.
9.4 [X.]), aber nur, wenn sie dem Haupt-täter bekannt ist.
Dies war hier ni[X.]ht der Fall. Andererseits war der Angeklagte ni[X.]ht nur anwesend, sondern er stand "S[X.]hmiere"
und war bereit, wenn nötig, zu helfen. Ob dies au[X.]h dann zu strafbarer Beihilfe führt, wenn der Haupttäter von der Anwesenheit und der ni[X.]ht realisierten Bereits[X.]haft zur Hilfe ni[X.]hts weiß, wird unters[X.]hiedli[X.]h beurteilt (dafür z.B. [X.] in SSW-StGB,
§ 27 Rn.
4; [X.]/[X.]/[X.],
[X.], 7. Aufl. § 52 Rn.
8; dagegen z.B. [X.] in [X.], 511 f.; [X.] 1972, 553, 557).
Na[X.]h Auffassung des [X.]s liegt keine strafbare Beihilfe vor. Die Tat ist in einem sol[X.]hen Fall ni[X.]ht objektiv gefördert, sondern eine sol[X.]he Förderung ist nur vorbereitet. Dass dadur[X.]h der Berei[X.]h strafbaren Verhaltens (no[X.]h) ni[X.]ht errei[X.]ht ist, folgt aus der Straflosigkeit der gegenüber einer Vorbereitung sogar weiter gehenden versu[X.]hten
Beihilfe ([X.] aaO 512).
(2) Die Annahme fehlender Kenntnis der
Haupttäter ist allerdings ni[X.]ht re[X.]htsfehlerfrei begründet. Ri[X.]hterli[X.]he Überzeugung erfordert ni[X.]ht, dass das gefundene Ergebnis "zwingend", ein anderes Ergebnis also denknotwendig ausges[X.]hlossen ist.
Dies wäre ein überspannter und daher re[X.]htli[X.]h unzutref-fender Maßstab (st. Rspr.;
vgl. zuletzt [X.], Urteil vom 20. September 2011
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1 [X.] [X.]). Darüber hinaus bes[X.]hränkt si[X.]h die [X.] allein auf die Bewertung der Erklärung des Angeklagten, was au[X.]h hier eine nur iso-lierte Würdigung der einzelnen Beweismittel besorgen lässt.
4. Die Annahme, der Inhalt der von Dr. S.
versandten Postkarten sei strafre[X.]htli[X.]h irrelevant, ist vor allem darauf gestützt, dass der historis[X.]he [X.] "einerseits als grausamer Tyrann, der seine Feinde pfählen ließ,
und ande-rerseits als fanatis[X.]her Kämpfer für die Gere[X.]htigkeit"
gelte. Daher sei
ni[X.]ht "zwingend", dass Dr. S.
die Familie [X.]
bedrohen wollte, mögli[X.]her-weise habe er nur ankündigen wollen, "dass er mit Na[X.]hdru[X.]k für Gere[X.]htigkeit kämpfen werde". Hierfür spre[X.]he au[X.]h, dass er sie "Betrüger"
genannt habe. Gegen die Annahme, dass er sein Verhalten selbst als strafbar werte, spre[X.]he, dass er als Akademiker dann kaum offene Postkarten vers[X.]hi[X.]ken würde, da er auf diese Weise lei[X.]ht überführt werden könne. Dass die Empfänger si[X.]h na[X.]h ihren Aussagen bedroht gefühlt hätten -
ohne dass dies die [X.] als unzutreffend bewertet hätte, bedeute, so ein Zeuge, "[X.] Tepes" in [X.] "Tod" -
sei irrelevant. Ob eine
Drohung i.S.d.
§§
240, 241, 255 StGB vorliege, ri[X.]hte si[X.]h ni[X.]ht dana[X.]h, ob der Bedrohte die Ankündigung des Übels ernst nehme, abzustellen sei allein auf den [X.]. Au[X.]h sei ni[X.]ht klar genug, was überhaupt angedroht sei.
Diese Ausführungen halten weder zur objektiven no[X.]h zur subjektiven Seite re[X.]htli[X.]her Überprüfung stand.
a) Eine Drohung im Sinne der genannten Vors[X.]hriften ist die Ankündi-gung eines künftigen Übels, auf dessen Eintritt der Täter Einfluss hat oder [X.] zu haben vorgibt [X.],
StGB,
59. Aufl., §
240 Rn.
31 [X.]). An der Ankündigung eigenen künftigen Verhaltens hat die 22
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[X.] zu [X.][X.]ht keinen Zweifel. Ob ein empfindli[X.]hes Übel angekündigt ist, ri[X.]htet si[X.]h na[X.]h dem Inhalt der Erklärung, der na[X.]h dem [X.] zu bestimmen ist (Vogel in LK,
12. Aufl.,
§ 253 Rn. 7).
Hier haben die Empfänger der Postkarten, so die [X.], deren Inhalt in dem für sie landläufigen Sinn als Bedrohung mit dem Tod oder [X.] mit s[X.]hwerer körperli[X.]her Misshandlung verstanden und ernst genommen.
Ni[X.]ht tragfähig ist die in diesem Zusammenhang -
hilfsweise -
angestellte Erwägung der [X.], wenn eine Drohung vorläge, sei sie zu unpräzise. Dass hier eine (etwaige) Drohung auf etwas anderes geri[X.]htet sein könnte als Tod oder jedenfalls s[X.]hwere körperli[X.]he Misshandlung, ist ni[X.]ht erkennbar. [X.] sol[X.]he Drohung bedarf aber keiner präzisierenden Erläuterung.
b) Der Vorsatz des [X.] muss darauf geri[X.]htet sein, dass der [X.] die Äußerungen als Drohung versteht und ernst nimmt. Anhaltspunkte für die -
eher fern liegend ers[X.]heinende -
Annahme, Dr. S.
hätte geglaubt, der Karteninhalt würde von den Empfängern entgegen seinem für sie landläufigen Sinn wegen uneindeutiger historis[X.]her Überlieferungen nur als Streben na[X.]h Gere[X.]htigkeit bewertet, sind weder genannt no[X.]h erkennbar. Offenbar kommt die [X.] deshalb zu dieser Annahme, weil anderes ni[X.]ht "zwingend" sei; wie dargelegt, ist dies jedo[X.]h ein re[X.]htsfehlerhafter Maßstab.
[X.]) In subjektiver Hinsi[X.]ht kann im Übrigen allein der Hinweis, dass die Empfänger der Karten als "Betrüger"
bezei[X.]hnet wurden, ni[X.]ht tragfähig bele-gen, ob Dr. S.
(anders als ihm vorgeworfen) überhaupt glaubte, no[X.]h (im Einzelnen wiederholt we[X.]hselnde) Ansprü[X.]he zu haben. Andernfalls wäre für 25
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Überlegungen zu besonderem Einsatz für die Gere[X.]htigkeit ohnehin kein Raum.
d) Es wäre au[X.]h zu erörtern gewesen, dass der Angeklagte kurz na[X.]h der Versendung der Postkarten ohne erkennbare weitere Begründung neue hohe Forderungen erhob. Dies könnte dagegen spre[X.]hen, dass er nur künftiges
Bemühen um Gere[X.]htigkeit ankündigen wollte.
e) Ni[X.]ht re[X.]htsfehlerfrei begründet ist die Annahme, gegen eine auf strafbares Verhalten geri[X.]htete Vorstellung
von Dr. S.
spre[X.]he au[X.]h, dass er als Zahnarzt (Akademiker) dann s[X.]hwerli[X.]h für "jeden lesbare"
offene Karten vers[X.]hi[X.]kt und so die Gefahr strafre[X.]htli[X.]her Verfolgung erhöht hätte. Es fehlt die Erörterung des offensi[X.]htli[X.]h gegenläufigen Gesi[X.]htspunkts, dass er die Karten ni[X.]ht mit seinem Namen unters[X.]hrieben hat. Soweit die Karten in Deuts[X.]hland gelesen werden konnten, kommt hinzu, dass wohl die wenigsten potentiellen Leser [X.] können.
5. Hinsi[X.]htli[X.]h des Angeklagten M.
stützt si[X.]h die allein getroffene Feststellung, insoweit hätten si[X.]h keinerlei Anhaltspunkte ergeben, nur auf [X.] Angabe, er habe zwar den Inhalt der Postkarten gekannt und gewusst, dass sie Dr. S.
abs[X.]hi[X.]ken wollte, damit jedo[X.]h ni[X.]hts zu tun gehabt. Ni[X.]ht erörtert ist jedo[X.]h in diesem Zusammenhang die festgestellte
Aussage einer Freundin von M.
, [X.]
hätte gezwungen werden sollen, anzuerkennen, "dass irgendein Grundstü[X.]k in [X.] Dr. S.
gehöre"; dies, so die [X.] mitgeteilte Aussage [X.]
s, de[X.]kt si[X.]h mit Forderungen, die bald na[X.]h den Postkarten an ihn gestellt wurden. M.
und seine Leute, so die Freundin, hätten diese Unters[X.]hrift erzwingen wollen. S[X.]hon dieses [X.] ist -
unabhängig davon, wie es letztli[X.]h tatri[X.]hterli[X.]h zu werten ist -
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vereinbar mit der Annahme, ni[X.]hts deute auf eine Mitwirkung von M.
an der Drohung mit den Postkarten hin.
6. Da die Sa[X.]hrüge dur[X.]hgreift, kann der in der Hauptverhandlung [X.] gestellte Aussetzungsantrag eines Verteidigers auf si[X.]h beruhen. Zu Grunde liegt, dass ein am 22.
Februar 2011 an das Landgeri[X.]ht geri[X.]hteter Akteneinsi[X.]htsantrag dort unbearbeitet blieb; au[X.]h die Staatsanwalts[X.]haft hat bei der Aktenweiterleitung am 22. März 2011 hierauf ni[X.]ht hingewiesen. [X.] wurde der Antrag ni[X.]ht (vgl. insoweit [X.], Bes[X.]hluss vom 1. Februar 2000 -
4 [X.], [X.], 326 [X.]). Der Aussetzungsantrag war [X.] nur für den Fall gestellt, "e-deutung beimessen und die dort in Bezug genommenen Verfahrenstatsa[X.]hen n will". Dies ist ni[X.]ht der Fall.
7. Die sofortige Bes[X.]hwerde der Staatsanwalts[X.]haft gegen die Zuerken-nung von Ents[X.]hädigung für uns[X.]huldig erlittene Untersu[X.]hungshaft ist mit der Aufhebung des Urteils gegenstandslos ([X.],
Urteil vom 24. Januar 2006
-
1 [X.] [X.]).
8. Wie au[X.]h im Urteil mitgeteilt ist, bewertet die (unverändert [X.]) Anklage die Versendung der Postkarten als versu[X.]hte besonders s[X.]hwere räuberis[X.]he Erpressung (§§ 253, 255, § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB), die in Tatein-heit mit den dur[X.]h den ges[X.]heiterten Überfall in [X.].
verwirkli[X.]hten Tatbeständen stehe. Dies veranlasst folgende vorsorgli[X.]he Hinweise:
a) Es bedarf der Klärung, ob die
Postkarten an Frau und To[X.]hter nur Dru[X.]k auf den Nebenkläger ausüben sollten
oder ob au[X.]h diese zur Zahlung 32
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aufgefordert werden sollten, wofür die Formulierung "gebt zurü[X.]k ihr Betrüger"
spre[X.]hen könnte.
Sollte nur auf den Nebenkläger Dru[X.]k ausgeübt werden -
au[X.]h [X.] in Aussi[X.]ht gestellte Übel können genügen (vgl. [X.]/Sinn in [X.] Rn. 82 [X.]) -
könnte hier letztli[X.]h eine tatbestandli[X.]he Handlungseinheit vorliegen (vgl. Vogel aaO Rn.
51).
Sollten dagegen au[X.]h Frau und To[X.]hter zur Zahlung aufgefordert wer-den, wäre (versu[X.]hte) Erpressung mehrfa[X.]h erfüllt, selbst wenn si[X.]h die [X.], jedenfalls wirts[X.]haftli[X.]h, nur gegen ein Vermögen ri[X.]htete, da § 253 StGB au[X.]h das hö[X.]hstpersönli[X.]he [X.][X.]htsgut Willensfreiheit s[X.]hützt ([X.],
Ur-teil vom 28. April 1992 -
1 [X.] [X.]). Allein dadur[X.]h, dass, wie die [X.] festgestellt hat, die Postkarten -
sei es au[X.]h glei[X.]hzeitig -
(von [X.]
etwa 45 km entfernt) im selben Briefpostzentrum in Ko.
auf-gegeben wurden, wären diese Taten ni[X.]ht zu einer natürli[X.]hen Handlungsein-heit verbunden ([X.],
Urteil vom 24. November 2004 -
5 [X.], [X.], 56, 57).
b) Räuberis[X.]he Erpressung (§ 255 StGB) erfordert eine Drohung mit ge-genwärtiger Gefahr für Leib oder Leben. Genaue zeitli[X.]he Grenzen dafür, wann eine für die Zukunft angedrohte Gefahr no[X.]h gegenwärtig ist, lassen si[X.]h ni[X.]ht allgemein festlegen. Gegenwärtigkeit kann grundsätzli[X.]h au[X.]h dann no[X.]h [X.], wenn dem Opfer eine -
ni[X.]ht zu lang bemessene -
Zahlungsfrist gesetzt ist. Ents[X.]heidend sind die ni[X.]ht zuletzt na[X.]h Maßgabe der vom Täter für mög-li[X.]h gehaltenen Opfersi[X.]ht zu beurteilenden Umstände des Einzelfalls, wobei das [X.]visionsgeri[X.]ht im Wesentli[X.]hen nur den vom Tatri[X.]hter angelegten Maß-stab überprüfen kann (vgl. [X.], Urteil vom 27. August 1998 -
4 StR 332/98, 36
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NStZ-RR 1999, 266, 267; Bes[X.]hluss vom 4. September 1997 -
1 [X.], [X.], 135; Urteil vom 28. August 1996 -
3 [X.]/96,
[X.]R StGB §
255 Drohung 9 jew. [X.]).
[X.]) Wieso dur[X.]h die Versendung von Postkarten eine Waffe oder ein an-deres gefährli[X.]hes Werkzeug verwendet sein könnte (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB), ist ni[X.]ht ersi[X.]htli[X.]h.
d) Tateinheit zwis[X.]hen dem ges[X.]heiterten Überfall und der versu[X.]hten
Erpressung dur[X.]h die Postkarten läge ni[X.]ht vor, au[X.]h wenn, wie die [X.] erwägt, die Motive von [X.].
auf den Karten auf den dort versu[X.]hten Überfall hinweisen und so die neue Drohung unterstrei[X.]hen sollten. Au[X.]h wenn im Rahmen einer (versu[X.]hten) Erpressung mehrere Einzelakte auf den Willen des Opfers einwirken sollen und somit nur die ursprüngli[X.]he Drohung dur[X.]hge-halten
wird, liegt Tateinheit im Bli[X.]k auf einen einheitli[X.]hen Lebenssa[X.]hverhalt nur bei engem räumli[X.]hen und zeitli[X.]hen Zusammenhang dieser Einzelakte vor ([X.], Urteil vom 30. November 1995 -
5 [X.], [X.]St 41, 368, 369). Dies ist im Verhältnis zwis[X.]hen einem versu[X.]hten Überfall in [X.].
und Wo[X.]hen später von Ko.
mit der Post
na[X.]h [X.] und [X.].
ge-s[X.]hi[X.]kten Drohungen ni[X.]ht der Fall. Hinzu kommt, dass die erste Tat die [X.] nur vorbereiten sollte, ohne dass der Erpresser am unmittelbaren Taterfolg wirts[X.]haftli[X.]hes Interesse hatte. [X.] aber ni[X.]ht einmal zwei unmit-telbare Erpressungsversu[X.]he unter den gegebenen Umständen tateinheitli[X.]h verbunden, kann für einen Erpressungsversu[X.]h und den vorangegangenen Versu[X.]h, die Aussi[X.]hten dieses Erpressungsversu[X.]hs dur[X.]h die eins[X.]hü[X.]htern-de Wirkung einer anderen Straftat zu vergrößern, erst re[X.]ht ni[X.]hts anderes gel-ten.
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9. Die Hauptverhandlung, die si[X.]h, naheliegend wegen der s[X.]hwierigen Beweislage, über 21 Verhandlungstage hinzog, fand mit reduzierter Geri[X.]hts-besetzung statt. Die na[X.]h der Zurü[X.]kverweisung einer Sa[X.]he mögli[X.]he Ände-rung der Besetzungsents[X.]heidung ers[X.]heint hier erwägenswert.
Na[X.]k
Wahl Graf
Jäger Sander
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Meta
29.11.2011
Bundesgerichtshof 1. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.11.2011, Az. 1 StR 287/11 (REWIS RS 2011, 973)
Papierfundstellen: REWIS RS 2011, 973
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
1 StR 235/15 (Bundesgerichtshof)
2 StR 640/11 (Bundesgerichtshof)
3 StR 389/05 (Bundesgerichtshof)
4 StR 347/05 (Bundesgerichtshof)
2 StR 319/15 (Bundesgerichtshof)
Verletzung des Fairnessgrundsatzes im Strafverfahren: Anforderungen an die Entpflichtung eines Verteidigers aufgrund eines Interessenkonflikts