Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.05.2020, Az. 4 StR 23/20

4. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1803

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Konkurrenzrechtliche Bewertung von Beihilfehandlungen zum Straßenhandel mit Kokain


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 27. Juni 2019 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Ferner hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

I.

2

Nach den Urteilsfeststellungen war der Angeklagte Mitglied einer Gruppierung, die in [X.] unter Einsatz einer Vielzahl von „Läufern“ mit einem festen Schichtbetrieb rund um die Uhr einen schwunghaften Straßenhandel mit Kokain betrieb. Der Angeklagte fungierte gegen eine Entlohnung von 20 Euro täglich als sog. Bunkerhalter der Gruppierung. Das Kokain wurde zunächst von [X.] in einem anderen Bunker portioniert und in Beutel mit jeweils 35 Bubbles verpackt, sodann dem Angeklagten zur Lagerung in einem Versteck überbracht, bevor es von anderen [X.] zum gewinnbringenden Verkauf wieder abgeholt wurde. Im Tatzeitraum zwischen dem 5. und dem 21. Januar 2018 versteckte der Angeklagte sechs ihm in kurzen zeitlichen Abständen zur vorübergehenden Lagerung überbrachte [X.] zwischen 14,8 Gramm und 35 Gramm mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 80 % [X.] in [X.].

II.

3

1. Die konkurrenzrechtliche Bewertung der Gehilfentätigkeit des Angeklagten als sechs selbständige Taten der Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das [X.] hat die naheliegende Möglichkeit, dass die [X.] zu einer Tat im Rechtssinne zusammenzufassen sind, nicht erörtert.

4

a) Sind an mehreren Taten ‒ insbesondere an einer Deliktserie ‒ mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, so ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] zwar für jeden Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Dies gilt wegen der Akzessorietät der Beihilfe aber dann nicht, wenn mehrere an sich selbstständige [X.] eine Haupttat fördern. In einem solchen Fall werden die [X.] zu einer Handlungseinheit und damit zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst. Fördert ein Gehilfe das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, bestimmt sich die Frage, ob insoweit eine oder mehrere Taten im Rechtssinne vorliegen, nach den Grundsätzen zur tatbestandlichen Bewertungseinheit, also danach, ob verschiedene Betätigungen des [X.] auf die Förderung ein und desselben Güterumsatzes abzielen ([X.], Urteil vom 13. Dezember 2012 - 4 StR 99/12 Rn. 12; [X.], Beschluss vom 5. August 2014 - 3 [X.] Rn. 5).

5

b) Es bleibt unklar, welche Haupttat oder welche Haupttaten der Angeklagte gefördert hat. Es liegt jedoch nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils nahe, dass die an den Angeklagten gelieferten und von ihm gelagerten [X.] aus einem einheitlichen Gesamtvorrat der Haupttäter stammten, die Lieferungen an den Angeklagten sich somit auf Seiten der Haupttäter nach den Grundsätzen der tatbestandlichen Bewertungseinheit als eine Tat im Rechtssinne darstellten und der Angeklagte deshalb nur eine Haupttat förderte. Hierfür spricht bereits der enge zeitliche Zusammenhang der Lieferungen, die zum Teil nur einige Stunden [X.]. Auch der festgestellte Umfang des von der Gruppierung betriebenen [X.] legt nahe, dass die Haupttäter über einen größeren Kokainvorrat verfügten, aus dem sie die „Läufer“ fortlaufend versorgten.

6

Der Senat kann deshalb nicht ausschließen, dass die konkurrenzrechtliche Bewertung der [X.] des Angeklagten rechtlich unzutreffend und er hierdurch beschwert ist. Der neue Tatrichter wird daher Feststellungen zu der bzw. den vom Angeklagten geförderten Haupttat(en) zu treffen und die [X.] des Angeklagten diesen zuzuordnen haben.

7

c) Es kommt deshalb nicht mehr entscheidend darauf an, dass nach den Urteilsfeststellungen auch unklar bleibt, ob die am 21. Januar 2018 sichergestellte Betäubungsmittelmenge eine Restmenge aus einer früheren Lieferung war und dieser Fall schon deshalb einer Verurteilung als selbstständige Tat nicht zugänglich war.

8

2. Der neue Tatrichter wird zu beachten haben, dass eine Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB nur insoweit in Betracht kommt, als der Angeklagte die wirtschaftliche (Mit-)Verfügungsgewalt erlangt hat. Nach den bisherigen Feststellungen gilt das nur hinsichtlich seiner täglichen Entlohnung, nicht jedoch in Bezug auf die Erlöse aus der Veräußerung der von ihm gelagerten Betäubungsmittel.

Sost-Scheible     

        

Roggenbuck     

        

Bender

        

Bartel     

        

Rommel     

        

Meta

4 StR 23/20

20.05.2020

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Dortmund, 27. Juni 2019, Az: 35 KLs 5/19

§ 52 StGB, § 53 StGB, § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.05.2020, Az. 4 StR 23/20 (REWIS RS 2020, 1803)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1803

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 StR 251/20 (Bundesgerichtshof)

Beihilfe: Konkurrenzrechtliche Bewertung der Gehilfentätigkeit zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln


5 StR 428/23 (Bundesgerichtshof)


5 StR 61/23 (Bundesgerichtshof)

Handlungseinheit bei der Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln; Voraussetzungen der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


2 StR 186/14 (Bundesgerichtshof)

Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Bandenmitgliedschaft und Beteiligung an Bandentaten; …


4 StR 297/20 (Bundesgerichtshof)

Strafverurteilung wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Erforderliche Feststellungen zu den geförderten Haupttaten


Referenzen
Wird zitiert von

4 StR 251/20

Zitiert

4 StR 99/12

3 StR 340/14

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.