Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.11.2019, Az. I ZR 217/18

1. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 1576

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Gegenstand

Markenrechtsverletzung im Internet-Versandhandel: Kennzeichenmäßige Verwendung eines Zeichens im Modebereich; Verwendung eines weiteren Zeichens als Modellbezeichnung neben der Herstellerangabe


Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 21. Juni 2018 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin ist Inhaberin der am 3. Mai 1991 angemeldeten und am 27. September 1991 eingetragenen [X.] Wortmarke Nr. 2004517 "[X.]" (Klagemarke), die Schutz für Bekleidungsstücke beansprucht.

2

Die Beklagte betreibt zwei Internetverkaufsshops, über die sie in [X.] Bekleidungsstücke zum Kauf anbietet. Dort bot sie im August 2015 eine Hose unter der Überschrift "[X.]" an. Im Angebotstext wird die Hose mit "ALBERTO Slim Fit Hose [X.]" beschrieben. Nachfolgend sind Ausschnitte aus dem Angebot eingeblendet:

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3

Die Klägerin mahnte die Beklagte wegen einer Verletzung der Klagemarke mit Schreiben vom 17. September 2015 ab und forderte sie auf, Abmahnkosten auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 75.000 € in Höhe von 1.752,90 € zu bezahlen. Die Beklagte gab eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, lehnte jedoch die Erstattung der Abmahnkosten ab.

4

Das [X.] hat der Klage auf Erstattung der Abmahnkosten nebst Zinsen stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren auf Abweisung der Klage gerichteten Antrag weiter.

Entscheidungsgründe

5

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Abmahnung nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag zu. Die Abmahnung sei berechtigt gewesen, weil der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung der Verwendung der Bezeichnung "[X.]" aus § 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 [X.] unter dem Gesichtspunkt der Doppelidentität zugestanden habe.

6

Die [X.] sei rechtserhaltend benutzt worden. Die Beklagte habe ein mit der [X.] identisches Zeichen für Waren benutzt, die mit denjenigen identisch seien, für die die [X.] Schutz beanspruche. Das Zeichen "[X.]" werde vom angesprochenen Verkehr neben "[X.]" als eigenständiger Herkunftshinweis und damit als Zweitmarke wahrgenommen. Die beanstandete Verwendung verletze die Herkunftsfunktion der [X.]. Die Beklagte verwende das Zeichen "[X.]" nicht als rein interne Artikelbezeichnung oder als Bestellzeichen. Dem stehe nicht entgegen, dass der Verkehr das Zeichen "[X.]" als Modellbezeichnung wahrnehme. Eine unterscheidungskräftige Bezeichnung, die als Name eines Produkts eingesetzt werde, werde als Herkunftshinweis aufgefasst.

7

II. Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten gemäß § 683 Satz 1, § 670 BGB nebst Zinsen zu, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann nicht angenommen werden, dass die Abmahnung der Klägerin berechtigt war.

8

1. Für den Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten ist das zum Zeitpunkt der Abmahnung geltende Recht maßgeblich ([X.], Urteil vom 28. Januar 2016 - [X.], [X.], 803 Rn. 14 = [X.], 1135 - Armbanduhr; Urteil vom 25. April 2019 - [X.], [X.], 754 Rn. 12 = [X.], 883 - [X.]). Die Frage der Berechtigung der mit Schreiben vom 17. September 2015 ausgesprochenen Abmahnung ist mithin nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 5 [X.] in der bis zum 13. Januar 2019 geltenden Fassung (im Folgenden: [X.] aF) zu beantworten.

9

2. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die von der Beklagten erhobene Einrede mangelnder Benutzung der [X.] nach § 25 Abs. 1 [X.] aF unbegründet ist.

a) Das Berufungsgericht hat angenommen, die [X.] sei in dem maßgeblichen Zeitraum von fünf Jahren vor der Abmahnung vom 17. September 2015 rechtserhaltend benutzt worden. Die Klägerin habe einen zwischen der früheren Markeninhaberin und der [X.] geschlossenen Lizenzvertrag vorgelegt, der bis zum 30. November 2016 gegolten habe. Die M.  F.   GmbH habe bestätigt, dass sie in den Jahren 2010 bis 2012 unter der Marke "[X.]" Bekleidungsstücke im Wert von rund 100.000 € verkauft habe. Bei einem jährlichen Auftragsvolumen von rund 33.000 € könne nicht von einer bloßen Scheinbenutzung ausgegangen werden.

b) Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision nicht. Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich.

3. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Beklagte mit der Benutzung des Zeichens "[X.]" ohne Zustimmung des Markeninhabers im geschäftlichen Verkehr ein mit der [X.] identisches Zeichen für Waren benutzt hat, die mit denjenigen identisch sind, für die sie Schutz genießt.

a) Wer ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren benutzt, die mit denjenigen identisch sind, für die sie Schutz genießt, kann nach § 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 [X.] aF vom Inhaber der Marke bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Die Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 1 [X.] aF setzt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Buchst. a [X.] aF um. Sie ist daher richtlinienkonform auszulegen. Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Buchst. a [X.] aF gewährt die eingetragene Marke ihrem Inhaber das ausschließliche Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie eingetragen ist.

b) Die Beklagte hat das Zeichen "[X.]" ohne Zustimmung des Inhabers der [X.] benutzt.

c) Die Beklagte hat das Zeichen "[X.]" im geschäftlichen Verkehr benutzt. Eine Benutzung im geschäftlichen Verkehr liegt vor, wenn die Benutzung im Zusammenhang mit einer auf einen wirtschaftlichen Vorteil gerichteten kommerziellen Tätigkeit und nicht im privaten Bereich erfolgt ([X.], Urteil vom 23. März 2010 - [X.]/08 bis [X.]/08, [X.]. 2010, [X.] = [X.], 445 Rn. 50 - [X.] und [X.]). Im Streitfall wird das Zeichen "[X.]" im Zusammenhang mit einer auf einen wirtschaftlichen Vorteil gerichteten kommerziellen Tätigkeit benutzt, weil es auf der [X.]seite angezeigt wird, auf der die Beklagte [X.] zum Verkauf anbietet.

d) Die Beklagte hat das Zeichen "[X.]" für Waren ([X.]) benutzt, die mit den Waren identisch sind, für die die [X.] (Bekleidungsstücke) Schutz genießt.

e) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Beklagte ein mit der [X.] identisches Zeichen verwendet hat.

aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, die streitgegenständliche Zeichenfolge "[X.] Slim fit Hose [X.]" stelle sich nicht als Gesamtzeichen dar, in dem das Zeichen "[X.]" ein nur unselbständiger Bestandteil wäre.

bb) Diese Beurteilung wird von der Revision nicht angegriffen. Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich. Erkennt der Verkehr aufgrund der zwischen die beiden Zeichen "[X.]" und "[X.]" eingeschobenen beschreibenden Angabe "Slim fit Hose" in der angegriffenen Gesamtbezeichnung zwei selbständige Zeichen, ist in den [X.] nicht die Gesamtbezeichnung, sondern allein das eigenständige, mit der [X.] identische Zeichen "[X.]" einzubeziehen.

4. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Benutzung des Zeichens "[X.]" durch die Beklagte habe die Herkunftsfunktion der [X.] beeinträchtigt, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] kann der Inhaber einer Marke der Benutzung eines mit dieser Marke identischen Zeichens für Waren oder Dienstleistungen, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke eingetragen ist, nur widersprechen, wenn diese Benutzung eine der Funktionen der Marke beeinträchtigen kann. Zu den Funktionen der Marke gehören neben der Hauptfunktion, der Gewährleistung der Herkunft der Ware oder Dienstleistung, auch ihre anderen Funktionen wie unter anderem die Gewährleistung der Qualität der mit ihr gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung oder die Kommunikations-, Investitions- oder Werbefunktion (vgl. [X.], Urteil vom 18. Juni 2009 - [X.]/07, [X.]. 2009, [X.] = [X.], 756 Rn. 58 - [X.] u. a.; [X.], [X.], 445 Rn. 76 f. - [X.] und [X.]; [X.], Urteil vom 8. Juli 2010 - [X.]/08, [X.]. 2010, [X.] = [X.], 841 Rn. 29 f. - [X.]). Kann die Benutzung des mit der Marke identischen Zeichens keine der Funktionen der Marke beeinträchtigen, kann der Markeninhaber ihr auf der Grundlage von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a [X.] aF nicht widersprechen ([X.], [X.], 841 Rn. 29 - [X.]). Die Benutzung zu rein beschreibenden Zwecken verwirklicht keinen der [X.]. 5 Abs. 1 [X.] aF ([X.], Urteil vom 12. November 2002 - [X.]/01, [X.]. 2002, [X.] = [X.], 55 Rn. 54 - [X.]), genauso wenig wie eine Verwendung, bei der es ausgeschlossen ist, dass die benutzte Marke im Verkehr als betriebliches Herkunftszeichen aufgefasst wird ([X.], Urteil vom 14. Mai 2002 - C-2/00, [X.]. 2002, [X.] = [X.], 692 Rn. 17 - Hölterhoff).

Nach der Rechtsprechung des [X.]s liegt eine beeinträchtigende Benutzung des Zeichens vor, wenn es durch den [X.] oder - was dem entspricht - als Marke verwendet wird und diese Verwendung die Funktionen der Marke und insbesondere ihre wesentliche Funktion, den Verbrauchern die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann ([X.], Urteil vom 11. April 2013 - [X.], [X.], 1239 Rn. 20 = [X.], 1601 - [X.]/Volks.Inspektion; Urteil vom 23. September 2015 - [X.], [X.], 1201 Rn. 68 = [X.], 1487 - [X.]/[X.]; Urteil vom 15. Februar 2018 - I ZR 138/16, [X.], 924 Rn. 25 = [X.], 1074 - ORTLIEB I).

Bei der Beurteilung, ob der Verkehr eine Bezeichnung als Herkunftshinweis versteht und in der konkret in Rede stehenden Verwendung eines Zeichens einen Herkunftshinweis sieht, ist auf die Kennzeichnungsgewohnheiten in dem maßgeblichen Warensektor abzustellen (vgl. [X.], Urteil vom 22. Juli 2004 - [X.], [X.], 865, 866 [juris Rn. 33] = WRP 2004, 1281 - [X.]). Von einer kennzeichenmäßigen Verwendung ist auszugehen, wenn ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs in einem Zeichen den Hinweis auf die Herkunft einer Ware oder Dienstleistung aus einem bestimmten Unternehmen sieht ([X.], Urteil vom 5. Februar 2009 - I ZR 167/06, [X.], 484 Rn. 61 = [X.], 616 - [X.]). Diese Beurteilung obliegt im Wesentlichen dem Tatgericht. Im Revisionsverfahren ist daher nur zu prüfen, ob das Tatgericht den Rechtsbegriff zutreffend erfasst und ohne Widerspruch zu Denkgesetzen und [X.] geurteilt hat und ob das gewonnene Ergebnis von den getroffenen Feststellungen getragen wird (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 21. Oktober 2015 - [X.], [X.], 197 Rn. 28 = [X.], 199 - [X.]; Urteil vom 28. April 2016 - I ZR 254/14, [X.], 1301 Rn. 36 = [X.], 1510 - Kinderstube; Urteil vom 10. November 2016 - [X.], [X.], 730 Rn. 23 = [X.], 811 - Sierpinski-Dreieck).

b) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Benutzung des Zeichens "[X.]" durch die Beklagte habe die Herkunftsfunktion der [X.] beeinträchtigt. Das Zeichen "[X.]" werde in dem beanstandeten Angebot innerhalb der Gesamtbezeichnung "[X.] Slim fit Hose [X.]" vom Verkehr als eigenständiger Herkunftshinweis neben "[X.]", mithin als Zweitmarke verstanden. Es stelle sich aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs nicht als rein interne Artikelbezeichnung oder als bloßes Bestellzeichen dar. Der Verkehr sei daran gewöhnt, dass bestimmte Modelle einer Produktpalette mit eigenen Marken gekennzeichnet würden und dass im [X.] Hersteller [X.] und andere Kleidungsstücke mit Vornamen als Modellbezeichnungen versähen. Nur wenn dem Verkehr bekannt wäre, dass derselbe Vorname nicht nur von einem, sondern von mehreren Herstellern als Modellbezeichnung verwendet werde, sei davon auszugehen, dass solche Bezeichnungen nicht als Herkunftshinweis aufgefasst würden. Hierfür gebe es jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte. Eine unterscheidungskräftige Bezeichnung, die als Name eines Produkts eingesetzt werde, werde als Herkunftshinweis aufgefasst. Dies gelte auch bei Vornamen, die als Modellbezeichnungen im [X.] verwendet würden. Dagegen, dass der Verkehr in der Modellbezeichnung "[X.]" ein Bestellzeichen ohne Herkunftsfunktion sehe, spreche im Bereich des Onlinehandels, dass der Bestellvorgang nicht durch das Ausfüllen eines Bestellformulars durchgeführt werde, sondern durch Anklicken des Buttons "Warenkorb".

c) Gegen diese Beurteilung des Berufungsgerichts wendet sich die Revision mit Erfolg.

aa) Nach der noch zum Warenzeichenrecht ergangenen Rechtsprechung des [X.]s kommt es für die Frage der zeichenmäßigen Benutzung eines Zeichens nicht auf dessen Zweckbestimmung durch den Verwender, sondern allein darauf an, ob der angesprochene Verkehr das Zeichen auch als Hinweis auf die Herkunft der Ware aus einem bestimmten Betrieb versteht ([X.], Urteil vom 19. Dezember 1960 - [X.], GRUR 1961, 280, 281 [juris Rn. 8] - [X.]). Ob dies der Fall ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ([X.], Urteil vom 26. November 1987 - [X.], [X.], 307 [juris Rn. 16] - [X.]). Diese Grundsätze gelten weiterhin. Dabei wird die Verkehrsauffassung auch durch die konkrete Aufmachung bestimmt, in der die angegriffene Bezeichnung dem Publikum entgegentritt (vgl. [X.], Urteil vom 12. Juni 2008 - [X.]/06, [X.]. 2008, [X.] = [X.], 698 Rn. 64 - [X.] und [X.] [[X.]]; [X.], Urteil vom 20. Dezember 2001 - [X.], [X.], 809, 811 [juris Rn. 37 bis 39] = WRP 2002, 982 - [X.]; Urteil vom 14. Januar 2010 - [X.], [X.], 838 Rn. 20 = [X.], 1043 - [X.]; Urteil vom 9. Februar 2012 - [X.], [X.], 1040 Rn. 19 = [X.], 1241 - [X.]/pure; Urteil vom 3. November 2016 - [X.], [X.], 520 Rn. 26 = [X.], 555 - MICRO COTTON). Abzustellen ist auf die Kennzeichnungsgewohnheiten in dem maßgeblichen Warensektor, insbesondere die Art und Weise, in der Kennzeichnungsmittel bei den betreffenden Waren üblicherweise verwendet werden. Im [X.] gibt es verschiedene Kennzeichnungsgewohnheiten. Ob der Verkehr ein auf einem Bekleidungsstück angebrachtes Zeichen als Hinweis auf die Herkunft des Bekleidungsstücks oder als bloßes dekoratives Element auffasst, kann nach der Art und der Platzierung des Zeichens variieren. Dagegen wird der Verkehr in Zeichen, die sich auf eingenähten Etiketten auf der Innenseite von Bekleidungsstücken befinden, regelmäßig einen Herkunftshinweis sehen ([X.], Beschluss vom 21. Juni 2018 - [X.]/17, [X.], 932 Rn. 18 = [X.], 1196 - #darferdas?). Wird ein Zeichen auf der Verpackung oder in der Werbung für Bekleidungsstücke verwendet, kann seine blickfangmäßige Herausstellung für eine markenmäßige Verwendung sprechen (vgl. [X.], [X.], 1040 Rn. 19 - [X.]/pure; [X.], 520 Rn. 26 - MICRO COTTON). Erforderlich ist jedoch in jedem Einzelfall die Feststellung, dass der angesprochene Verkehr in der konkret in Rede stehenden Art der Verwendung einen Hinweis auf einen bestimmten Hersteller des in Rede stehenden Kleidungsstücks erblickt.

bb) Die Revision rügt mit Erfolg, dass die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen die Annahme einer herkunftshinweisenden markenmäßigen Verwendung des Zeichens "[X.]" nicht tragen.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts genügt für die Annahme einer kennzeichenmäßigen Verwendung eines Zeichens nicht, dass das Zeichen originär unterscheidungskräftig ist und die konkrete Verwendung nicht glatt beschreibend erfolgt. Die Tatsache, dass ein Zeichen vom angesprochenen Verkehr als Herkunftshinweis für die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen und damit als Marke erkannt wird, muss anhand der Umstände des Einzelfalls positiv festgestellt werden. An solchen Feststellungen fehlt es.

(1) Die Gewöhnung des Verkehrs an die Verwendung von Zweitkennzeichen spricht für sich allein nicht dafür, dass im konkreten Fall das Zeichen "[X.]" als Zweitmarke aufgefasst wird (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 8. Februar 2007 - [X.], [X.], 592 Rn. 14 = [X.], 958 - bodo Blue Night; Beschluss vom 11. Mai 2017 - [X.], [X.], 1043 Rn. 30 = [X.], 1209 - Dorzo).

(2) Zwar kommt insbesondere bei bekannten Dachmarken oder bekannten Modellbezeichnungen in Betracht, dass der angesprochene Verkehr in einer Modellbezeichnung einen Herkunftshinweis sieht ([X.], Urteil vom 7. März 2019 - [X.], [X.], 522 Rn. 49 = [X.], 749 - [X.]). So ist für Jeanshosen das Modell "501" bekannt und wird vom Verkehr als Herkunftshinweis auf den Hersteller "[X.]" verstanden. Dass ein solches Verkehrsverständnis auch für die hier in Rede stehende Modellbezeichnung "[X.]" besteht, hat das Berufungsgericht jedoch nicht festgestellt.

5. Eine Vorlage an den Gerichtshof der [X.] nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, [X.]. 1982, 3415 = NJW 1983, 1257 Rn. 21 - [X.] u. a.; Urteil vom 1. Oktober 2015 - [X.]/14, [X.]. 2015, 1152 Rn. 43 - [X.], mwN). Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt oder nicht zweifelsfrei zu beantworten ist. In der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ist geklärt, dass bestimmte Arten der Benutzung zu rein beschreibenden Zwecken keine Verletzung der Marke darstellen ([X.], [X.], 692 Rn. 16 - Hölterhoff). Die Prüfung, ob im Einzelfall die Benutzung eines mit einer Marke identischen Zeichens eine der Funktionen der Marke beeinträchtigen kann, obliegt den Gerichten der Mitgliedstaaten ([X.], [X.], 756 Rn. 63 - [X.] u. a.).

III. Danach ist auf die Revision der Beklagten das angegriffene Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der [X.] kann in der Sache nicht selbst entscheiden. Sie ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO), weil weitere tatsächliche Feststellungen zum maßgeblichen Verkehrsverständnis zu treffen sind. Das Berufungsgericht wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren erneut zu prüfen haben, ob der angesprochene Verkehr in der von der Klägerin angegriffenen Verwendung des Zeichens "[X.]" einen Hinweis auf die Herkunft der zum Verkauf angebotenen Hose sieht. Dabei wird es alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen haben.

1. Ist eine Modellbezeichnung als solche bekannt wie etwa das Zeichen "501" für Jeanshosen, spricht viel dafür, dass der Verkehr eine entsprechende Modellbezeichnung auch ohne zusätzliche Nennung eines Herstellerkennzeichens oder einer Dachmarke als Marke auffasst. Ist eine Modellbezeichnung bekannt, wird der Verkehr sie in einem Verkaufsangebot außerdem auch dann als Herkunftshinweis auffassen, wenn sie darin nicht in besonderer Weise hervorgehoben ist ([X.], [X.], 522 Rn. 53 - [X.]).

2. Kann von einer Bekanntheit der Modellbezeichnung nicht ausgegangen werden, muss bei der Prüfung, ob ihre Verwendung herkunftshinweisend verstanden wird, die Gestaltung des in Rede stehenden Angebots in den Blick genommen werden. Dabei kann die Art der Verwendung der Modellbezeichnung dafür sprechen, dass der Verkehr sie als Marke auffasst. Dies kann insbesondere dann angenommen werden, wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Hersteller- oder Dachmarke verwendet wird. Dagegen wird der angesprochene Verkehr in der Verwendung einer nicht als Marke bekannten Modellbezeichnung an einer unauffälligen Stelle in der Angebotsbeschreibung regelmäßig keine markenmäßige Verwendung sehen ([X.], [X.], 522 Rn. 54 - [X.]).

3. Wird eine Modellbezeichnung verwendet, die mit einer bekannten Marke identisch ist, spricht dies dafür, dass der angesprochene Verkehr die Modellbezeichnung in einem Angebot im [X.] oder in einem Verkaufsprospekt, unabhängig von der Art ihrer Verwendung innerhalb dieses Angebots, als Marke auffassen wird ([X.], [X.], 522 Rn. 55 - [X.]).

4. Wird eine nicht bekannte Modellbezeichnung zusammen mit einer Herstellermarke oder einer Dachmarke verwendet, hängt die Beantwortung der Frage, ob der Verkehr die Modellbezeichnung als Herkunftshinweis auffasst, von den Umständen des Einzelfalls ab. Insoweit kommt es maßgeblich darauf an, welche besonderen Gegebenheiten der Zeichengestaltung vorliegen und welche Kennzeichnungsgewohnheiten auf dem maßgeblichen Warensektor üblich sind.

Im Modebereich wird der angesprochene Verkehr häufig in der Herstellerangabe den Herkunftshinweis sehen ([X.], Beschluss vom 14. März 1996 - [X.], [X.], 406, 407 [juris Rn. 21] = WRP 1997, 567 - [X.]; Beschluss vom 18. April 1996 - [X.], [X.], 774, 775 [juris Rn. 21] - falke-run/[X.]; Beschluss vom 2. Juli 1998 - [X.], [X.], 1014, 1015 [juris Rn. 23] = WRP 1998, 988 - [X.]; [X.], [X.], 865, 866 [juris Rn. 37] - [X.]). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Herstellerangabe vorangestellt ist ([X.], [X.], 774, 775 [juris Rn. 21] - falke-run/[X.]) oder in besonderer Weise hervorgehoben ist. Wird in einem Angebot für Bekleidungsstücke neben der Herstellerangabe ein weiteres Zeichen als Modellbezeichnung verwendet, kann deshalb nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass eine solche Modellbezeichnung ebenfalls als Herkunftshinweis verstanden wird ([X.], Urteil vom 11. April 2019 - [X.], juris Rn. 38).

Koch     

      

Löffler     

      

Schwonke

      

Feddersen     

      

Schmaltz     

      

Meta

I ZR 217/18

14.11.2019

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 21. Juni 2018, Az: 6 U 125/17

§ 14 Abs 2 Nr 1 MarkenG, § 14 Abs 5 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.11.2019, Az. I ZR 217/18 (REWIS RS 2019, 1576)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 1576

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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