Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.11.2017, Az. 2 StR 377/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 2437

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:141117B2STR377.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS

2 StR 377/15
vom
14. November 2017
in der Strafsache
gegen

wegen sexueller Nötigung u.a.

-
2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 14.
November 2017
gemäß §
349 Abs.
2 und 4
StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 1.
April 2015 im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen aufrechterhalten.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.
3.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hatte den Angeklagten in einem ersten Urteil wegen se-xueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern in zwei tateinheitlichen Fällen, sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Miss-brauch von Kindern sowie sexuellen Missbrauchs von Kindern in 26 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt, das Verfahren hinsicht-lich einiger Tatvorwürfe eingestellt bzw. den Angeklagten freigesprochen. Auf dessen Revision hat der [X.] die landgerichtliche Entscheidung im [X.] aufgehoben und das Rechtsmittel im Übrigen verworfen. Nunmehr hat das [X.] den Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf 1
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3
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Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten führt erneut zur Aufhebung des Strafausspruchs.
1. Der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Das [X.] hat bei seiner Strafrahmenwahl wie auch bei der [X.] Strafzumessung zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass die Taten inzwischen 14 bis 23 Jahre zurückliegen, wenngleich dem langen Zeit-raum zwischen Tat und Urteil bei Fällen des sexuellen Missbrauchs oder sexu-ellen Nötigungen von Kindern nicht eine gleich hohe Bedeutung zukommt wie in anderen Fällen.
Dies gelte

so das [X.]

insbesondere in den Fällen, in denen, wie hier, ein Kind vom im selben Familienverband lebenden Stiefvater missbraucht werde und erst im Erwachsenenalter [X.] zu einer [X.] finde. Hierzu hat es sich auf eine Entscheidung des 1.
Strafsenats des [X.] berufen (Be-schluss vom 8.
Februar 2006

1
StR 7/06, [X.], 393).
Dies hält nach der Entscheidung des Großen [X.]s des Bundesge-richtshofs in Strafsachen vom 12.
Juni 2017

[X.], mit der dieser die
Rechtsprechung zur Frage des Zeitablaufs zwischen Tat und Urteil bei Taten, die den sexuellen Missbrauch von Kindern zum Gegenstand haben, modifiziert hat, rechtlicher Nachprüfung nicht (mehr) stand. Der [X.] hat be-schlossen, dass dem zeitlichen Abstand zwischen Tat und Urteil auch bei den genannten Straftaten die gleiche Bedeutung zukommt wie bei anderen Strafta-ten. Danach kann entgegen der früheren Entscheidung des 1.
Strafsenats des [X.] nicht mehr generell davon ausgegangen werden,
dass der Zeitablauf zwischen Tat und Urteil in Fällen sexuellen Missbrauchs von Kindern eine andere Bedeutung für die Strafzumessung hat, als sie bei anderen Delik-ten anzunehmen ist.
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4
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Daran ändert nach Ansicht des Großen [X.]s für Strafsachen die Rege-lung des §
78b Abs.
1 Nr.
1 StGB nichts, wonach die Verjährung der Strafver-folgung bis zur Vollendung des 30.
Lebensjahres des Opfers bei Straftaten nach den §§
174 bis 174c, 176 bis 178, 180 Abs.
3, §§
182, 225, 226a und 237 StGB ruht. Mit dieser verjährungsrechtlichen Regelung soll der besonderen Be-deutung des Anzeige-
und Aussageverhaltens von Opfern des sexuellen Miss-brauchs im Kindes-
oder Jugendalter Rechnung getragen werden, die sich bei der Tatbegehung im [X.] Nahbereich in einer Abhängigkeit vom
Täter be-finden und dadurch in ihrer Bereitschaft zur Strafanzeige und zur Aussage ge-gen den Beschuldigten gehemmt sein können. Jedoch wirkt sich die verjäh-rungsrechtliche Regelung nicht ohne Weiteres auf die Bewertung des Zeitab-laufs zwischen Tat und Urteil im Rahmen der Strafzumessung aus. Die Um-stände, die das gesetzgeberische Motiv für die besondere Regelung des Ru-hens der Verjährung der Strafverfolgung bilden, können zwar auch den Straf-zumessungsaspekt des langen Zeitablaufs zwischen Tat und Urteil beeinflus-sen. Dies bedarf aber einer Prüfung des Tatgerichts im Einzelfall. Es rechtfertigt nicht die generelle Annahme, dem Zeitablauf komme bei der Strafzumessung in Fällen des sexuellen Missbrauchs nicht die gleiche Bedeutung zu, wie bei ande-ren Delikten. Danach ist der zeitliche Abstand zwischen Tat und Urteil im Rah-men der Strafzumessung nicht mehr deliktsgruppenspezifisch, sondern einzel-fallbezogen zu würdigen (vgl. [X.], Urteil vom 4.
Oktober 2017

2 StR 219/15, Rn.
16 f.).
Das [X.] hat bei der
Strafrahmenwahl wie auch bei der konkreten Strafzumessung die Bedeutung des Zeitablaufs zwischen Tat und Urteil [X.] und deliktsbezogen bestimmt. Es hat sich bei der Gewichtung dieses Strafmilderungsgrundes entgegen den vom [X.] nicht mit den Umständen des Einzelfalls insbesondere mit Blick auf die Beziehung zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin 5
6
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5
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sowie auf die durch die Übergriffe hervorgerufenen Folgen für die Nebenkläge-rin auseinandergesetzt.
Auf diesem Rechtsfehler beruht der angegriffene Rechtsfolgenausspruch. Der [X.] kann die aufgrund des veränderten [X.] erforderliche Würdigung nicht selbst vornehmen und kann daher nicht ausschließen, dass der Tatrichter bei [X.] Würdigung zu einer an-deren Gewichtung des Zeitablaufs zwischen Tat und Urteil und damit auch zu einem für den Angeklagten günstigeren Strafausspruch gelangt wäre. Die Fest-stellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen; sie können bestehen bleiben.
2. Einer Kompensation wegen rechtsstaatswidriger [X.] bedarf es nicht. Die Dauer des Revisionsverfahrens beruht auf dem [X.], dass der [X.] mit Beschluss vom 12.
April 2016 die Beratung der Sa-che mit Blick auf den [X.] des 3.
Strafsenats, der zu der oben ge-nannten Entscheidung des Großen [X.]s für Strafsachen vom 12.
Juni 2017

[X.] geführt hat, zurückgestellt hatte und die Beratung erst nach deren 7
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6
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Bekanntmachung Ende September 2017 wieder aufnehmen konnte. Die [X.] des Vorlageverfahrens zum Großen [X.] für Strafsachen ist keine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung,
die Anlass zur
Kompensation gäbe (vgl. [X.] StV 2011, 407).
Appl

Krehl

Eschelbach

Grube

Schmidt

Meta

2 StR 377/15

14.11.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.11.2017, Az. 2 StR 377/15 (REWIS RS 2017, 2437)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 2437

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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2 StR 377/15

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