Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.04.2014, Az. 2 StR 626/13

2. Strafsenat | REWIS RS 2014, 6263

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln: Strafzumessung für den Besitz von 0,5 g Marihuana


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten [X.]     wird das Urteil des [X.] vom 14. Mai 2013, soweit es ihn betrifft und soweit er verurteilt wurde, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Auf die Revision des Angeklagten A.    wird vorgenanntes Urteil, soweit es ihn betrifft und soweit er verurteilt wurde, im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

4. Die weitergehende Revision des Angeklagten A.    wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]     - unter Freisprechung im Übrigen - wegen unerlaubten "gewerbsmäßigen" Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 12 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten und die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Den Angeklagten A.    hat es wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt und im Übrigen freigesprochen. Die Revision des Angeklagten [X.]     hat in vollem Umfang Erfolg, diejenige des Angeklagten A.    ist hinsichtlich des Strafausspruchs erfolgreich; im Übrigen sind sie offensichtlich unbegründet.

2

I. Die Revision des Angeklagten [X.]     hat in vollem Umfang Erfolg. Die Verurteilung wegen unerlaubten "gewerbsmäßigen" Handeltreibens mit Betäubungsmitteln hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

3

Die Beweiswürdigung, mit der das [X.] entgegen der Einlassung des Angeklagten [X.]     zu der für das Handeltreiben erforderlichen Annahme von Eigennützigkeit gelangt, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Sie ist lückenhaft, soweit das [X.] davon ausgeht, dass der Angeklagte die Betäubungsmittel nicht zum Einkaufspreis an die Mitangeklagte S.    weiter- verkaufte, sondern hierdurch selbst - in der Höhe allerdings nicht näher bestimmten - Gewinn erzielte. Die [X.] zieht aus den dargelegten Einkommensverhältnissen des Angeklagten und seinen Verbindlichkeiten den Schluss, dass er mit dem ihm zur Verfügung stehenden Geld seinen Kokainkonsum nicht hätte finanzieren können, und nimmt deshalb an, dass die abgeurteilten Verkäufe der Gewinnerzielung zur Finanzierung der Drogenkäufe dienten. Jedoch tragen die in den Urteilsgründen mitgeteilten Zahlen den Schluss der Kammer nicht. Zum einen fehlen - wie die Kammer selbst mitteilt - nähere Einzelheiten zu den vom Einkommen abzuziehenden Aufwendungen für sich, den Unterhalt für seine Töchter und einen abzuzahlenden Kredit, so dass letztlich offen bleibt, wieviel an Mitteln der Angeklagte tatsächlich zur Verfügung hatte. Hinzu kommt, dass Feststellungen zu den Einkommensverhältnissen der Lebensgefährtin des Angeklagten fehlen, der mit ihr und einer seiner Töchter in einem Reihenhaus zusammen lebt. So enthalten die Urteilsgründe keine Erkenntnisse dazu, ob die Lebensgefährtin des Angeklagten - was im Rahmen des Zusammenlebens nahe liegt oder jedenfalls möglich ist - im Tatzeitraum finanzielle Leistungen im Rahmen des Lebensunterhaltes erbrachte. Um einen vollständigen Überblick über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Angeklagten zu erlangen, hätte die [X.] deshalb auch ihre möglichen Einkünfte und Ausgaben in den Blick nehmen müssen.

4

Soweit das [X.] die Eigennützigkeit der Drogenverkäufe nicht hinreichend belegt hat, entzieht dies dem Schuldspruch wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln die Grundlage.

5

II. Die Revision des Angeklagten A.    führt zur Aufhebung des Strafausspruchs; im Übrigen bleibt sie ohne Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).

6

Das [X.] hat für den Besitz von 0,5 Gramm Marihuana eine Freiheitsstrafe von drei Monaten verhängt und deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Angeklagte einschlägig vorbestraft ist und unter Bewährung stand, bleibt die [X.] den Nachweis schuldig, dass diese Strafe noch einen gerechten Schuldausgleich für das begangene Tatunrecht darstellt. Bewegt sich ein Konsumentenfall, um den es hier augenscheinlich geht, im untersten Bereich der geringen Menge, sind der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Übermaßverbot (vgl. [X.] 90, 145, 188 ff.) besonders zu beachten. Bei einem derartigen Bagatelldelikt mag zwar die Ablehnung eines Absehens von Strafe gemäß § 29 Abs. 5 BtMG hinzunehmen sein, wenn der Angeklagte wie hier ca. neun Monate zuvor wegen eines Betäubungsmitteldelikts zu einer längeren Freiheitsstrafe verurteilt worden war. Die Verhängung einer nicht zur Bewährung ausgesetzten kurzfristigen Freiheitsstrafe steht aber in keinem angemessenen Verhältnis zu dem abgeurteilten Tatunrecht (vgl. [X.], in: [X.]/[X.]/[X.], BtMG, 7. Aufl., § 29 Teil 13, Rn. 74), wenn nicht besondere Umstände gerade auch die Anordnung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe unter sechs Monaten, die eingehend auch unter Berücksichtigung des § 47 StGB zu begründen wäre, rechtfertigen ([X.], a.a.[X.], Rn. 75). Solche Umstände aber hat das [X.] nicht dargetan. Dass der Angeklagte "dreist und unbelehrbar" ([X.]) sein soll, wird von den kargen Feststellungen zur abgeurteilten Tat nicht belegt. Allein der (erneute) Verstoß gegen Vorschriften des BtMG neun Monate nach einer Verurteilung, der sich offensichtlich in dem Eigenkonsum geringer Mengen (die auf dem Wohnzimmertisch aufgefunden wurden) erschöpft, rechtfertigt diese moralisierende Einschätzung des [X.]s nicht. Zusätzliche Gesichtspunkte, die diese Wertung tragen könnten, hat das [X.] nicht vorgebracht. Soweit es anführt, der Angeklagte sei auch nicht dadurch entlastet, dass er, wie es sonst oft der Fall sei, drogenabhängig gewesen wäre und es sich nicht um einen geringfügigen Rückfall gehandelt habe, stellt dies keinen strafschärfenden Umstand dar. Vielmehr lassen diese Formulierungen besorgen, das [X.] habe das Fehlen strafmildernder Umstände nachteilig zu Lasten des Angeklagten gewichtet. Hinzu kommt, dass die [X.] jede Erklärung dafür schuldig bleibt, warum es sich angesichts einer am untersten Rand bewegenden Menge von Betäubungsmitteln nicht um einen "geringfügigen" Rückfall handeln sollte.

Fischer                            Schmitt                          Krehl

               Eschelbach                          Zeng

Meta

2 StR 626/13

15.04.2014

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Erfurt, 14. Mai 2013, Az: 801 Js 19212/12 - 2 KLs

§ 29 BtMG, § 46 StGB, § 47 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.04.2014, Az. 2 StR 626/13 (REWIS RS 2014, 6263)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6263

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 StR 626/13 (Bundesgerichtshof)


2 StR 46/17 (Bundesgerichtshof)

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Mittäterschaft bei Sammeleinkauf und hälftiger Teilung


2 StR 46/17 (Bundesgerichtshof)


2 StR 433/20 (Bundesgerichtshof)

Strafurteil wegen gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln: Voraussetzungen der Gewerbsmäßigkeit; strafschärfende Berücksichtigung des Merkmals der Gewerbsmäßigkeit …


4 StR 42/16 (Bundesgerichtshof)

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Eigennützigkeit bei Erwartung mittelbarer Vorteile


Referenzen
Wird zitiert von

1 StR 16/23

2 StR 626/13

11 CS 15.1203

203 StRR 594/19

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.