Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.08.2003, Az. 1 StR 282/03

1. Strafsenat | REWIS RS 2003, 1851

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[X.]/03vom26. August 2003in der [X.] zum schweren Raub- 2 -Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 26. August 2003 beschlos-sen:Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 6. März 2003 wird als unbegründet verworfen, [X.] Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtferti-gung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergebenhat (§ 349 Abs. 2 StPO).Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tra-gen.Ergänzend bemerkt der Senat:Wie der [X.] vermag auch der Senat weder eine [X.] der "Waffengleichheit" (Art. 6 Abs. 3 lit. d 2. Alt. [X.]) nocheinen Verstoß gegen das Beweiserhebungsrecht (§ 244 Abs. 2 und 3 StPO) zuerkennen.Der Angeklagte wurde wegen Anstiftung zum schweren Raub in Tatein-heit mit unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe zuder Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Sein der [X.] dringend verdächtiger, ins Ausland geflohener Bruder war nach derZusicherung freien Geleits (§ 295 StPO) zu seiner Vernehmung in der [X.] erschienen. Tags zuvor hatte der Zeugenbeistand des [X.] der Staatsanwaltschaft "im Hinblick auf das freie Geleit"angefragt, ob mit der Verhaftung seines Mandanten wegen einer [X.] zu rechnen sei, wenn dieser Angaben mache. Der Staatsanwalterwiderte, das sichere Geleit schütze nicht vor der Verfolgung wegen neuer,nach der Einreise begangener Straftaten und erklärte, die Staatsanwaltschaftkönne keine Zusagen machen und müsse sich vorbehalten, im Falle des drin-genden Verdachts einer Falschaussage entsprechend zu reagieren. Vor der[X.] berief sich der Zeuge dann auf sein - hier umfassendes - [X.] nach § 55 Abs. 1 StPO (jedoch ausdrücklich nichtauf sein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO) und begabsich wieder ins Ausland. Einige Tage später stellte der Verteidiger einen Antragauf kommissarische oder audiovisuelle Vernehmung dieses und eines weiterenZeugen in deren Aufenthaltsstaat vor folgendem Hintergrund: Beim [X.] war auch hinsichtlich des Angeklagten von Bedeutung, daß an einer [X.] [X.] seines Bruders gefunden worden war. Dazu trug der [X.] des Angeklagten unter Bezugnahme auf zwei schriftliche Erklärungen [X.] vor: Etwa drei Monate vor der Tat traf der Bruder des Angeklagten zu-fällig beider Freund [X.], der eine von einem Franzosen - weitere [X.] waren [X.] Staatsangehörige - ausgeliehene Handfeuer-waffe bei sich trug, um damit zu prahlen. Mit dieser Pistole, wohl die spätereTatwaffe, spielte auch der Bruder des Angeklagten ein paar Minuten undkonnte so seine Spuren (Hautpartikel) auf ihr hinterlassen haben. [X.]gab die Waffe kurze Zeit später wieder zurück und keiner der beiden sah sie jewieder. Zum Beweis dieses Vorgangs beantragte der Verteidiger die Verneh-mung der beiden als Zeugen im Ausland. Sie seien bereit, dort bei einer kom-missarischen (im nächsten [X.] Generalkonsulat) oder audiovisuellen (§247a Satz 1 Halbs. 2 StPO) Vernehmung Angaben zu machen. Auch [X.]weigerte sich, vor der [X.] in [X.] auszusagen, wie erdem Vorsitzenden der [X.] am Telefon nochmals erklärt hatte. Die- 4 -[X.] lehnte den Beweisantrag ab. Die kommissarische oder audiovisu-elle Vernehmung der - zur Vernehmung unmittelbar vor der [X.] uner-reichbaren - Zeugen im Land ihres derzeitigen Aufenthalts sei als Beweismittelvöllig ungeeignet (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO). Angesichts der engen Verbun-denheit beider Zeugen mit dem Angeklagten, deren Tatnähe, deren bisherigenwidersprüchlichen Angaben sowie insbesondere vor dem Hintergrund dermangelnden effektiven Sanktionierbarkeit einer etwaigen Falschaussage be-dürfe es zur Bewertung der Aussagen eines persönlichen Eindrucks, wie [X.] die Vernehmung in körperlicher Anwesenheit der Zeugen zu vermittelnvermöge.Dies ist frei von Rechtsfehlern.1. Die Zurückweisung des Beweisantrags ist revisionsrechtlich nicht zu [X.]. Zur unmittelbaren Vernehmung in der Hauptverhandlung warendie Zeugen unerreichbar im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO (vgl. [X.] 2000, 443 [447]). Im übrigen - im Rahmen einer kommissarischenoder audiovisuellen Vernehmung - bewertete sie die [X.] rechts-fehlerfrei als völlig ungeeignete Beweismittel. Ob nur eine Vernehmung ei-nes Zeugen unmittelbar vor dem erkennenden Gericht zur Wahrheitsfin-dung beizutragen vermag, hat der Tatrichter nach seinem pflichtgemäßenErmessen zu entscheiden. Dies hat die [X.] getan und die für ihreErmessensausübung maßgeblichen Gesichtspunkte dargelegt. Diese Ent-scheidung, die notwendig eine gewisse Vorauswürdigung des Beweismittelserfordert, unterliegt - vergleichbar der tatrichterlichen Beweiswürdigung -nur in eingeschränktem Umfang der revisionsrechtlichen Überprüfung, [X.] nur bei Widersprüchen, Unklarheiten, Verstößen gegen Denk- und Er-- 5 -fahrungssätze oder damit vergleichbaren Mängeln vom [X.] werden. Derartige Mängel sind hier nicht erkennbar. Damit istdie Entscheidung des Tatrichters vom Revisionsgericht hinzunehmen, [X.] sein Ermessen an die Stelle des tatrichterlichen Ermessens setzenkann ([X.], 443 [447] m.w.[X.]). Insbesondere durfte die [X.] in Anbetracht der Scheu der Zeugen, vor der [X.] in[X.] Angaben zu machen - augenscheinlich aus Furcht vor straf-rechtlicher Verfolgung wegen Falschaussage, wie das Verhalten des [X.] des Angeklagten zeigte -, den minderen Wert einer kommissarischenoder Videovernehmung im Ausland hier in ihre Abwägung einbeziehen.Denn solange die Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für eineFalsch- oder pflichtwidrige Nichtaussage im konkreten zwischenstaatlichenVerhältnis nicht im Sinne einer effektiven Sanktionierbarkeit geklärt ist, istauch dieses Defizit in Betracht zu nehmen ([X.], 3788 [3790]).2. Die Vorgänge im Zusammenhang mit dem gescheiterten Versuch, den [X.] des Angeklagten als Zeugen zu hören, verstießen nicht gegen das inArt. 6 Abs. 3 lit. d 2. Alt. [X.] normierte Gebot der "Waffengleichheit". [X.] unterliegen bei ihrer Aussage vor Gericht der Wahrheitspflicht. Diesdurchzusetzen dienen die Strafbestimmungen über die [X.] ff. StGB) auch bei einem unter Gewährung freien Geleits erschie-nen "Entlastungszeugen". Die bloße Erläuterung dieser Rechtslage seitensder Staatsanwaltschaft, allein der Hinweis auf dessen Wahrheitspflicht so-wie auf die zu erwartenden strafprozessualen Folgen bei dringendem Ver-dacht einer Falschaussage verletzten das Recht des Angeklagten auf einfaires Verfahren nicht. Daß die Staatsanwaltschaft die Absicht hatte, so ei-ne den Angeklagten entlastende Aussage zu verhindern, ist schon deshalb- 6 -ausgeschlossen, da der [X.] der Staatsanwaltschaft hier alleindurch die gezielte Frage des [X.] - einem anderen Rechtsan-walt aus dem Büro des Verteidigers des Angeklagten - zu der entsprechen-den Auskunft veranlaßt wurde. Häufig wird jedoch das Gebot der Fairnessgegenüber dem Zeugen einen entsprechenden Hinweis seitens der [X.] oder des Gerichts - etwa im Rahmen der Belehrung gemäߧ 57 StPO - auch von Amts wegen gebieten, etwa dann, wenn sich bei vor-läufiger Bewertung früherer Angaben des [X.] abzeichnet,dieser könnte in Verkennung des Umfangs des Schutzes durch das [X.] freie Geleit unbesonnen falsch aussagen. Über den Antrag auf [X.] des Angeklagten im Ausland - sei es kommissarisch,sei es audiovisuell - entschied das Gericht rechtsfehlerfrei aufgrund [X.] rechtlichen Vorgaben der Strafprozeßordnung, wie sie für jeden ande-ren Zeugen auch gelten. Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 3 lit. d 2. Alt. [X.](Gebot der "Waffengleichheit") scheidet deshalb auch insoweit aus (vgl.[X.] in Löwe/[X.] StPO 24. Aufl. [X.] Art. 6 Rdn. 210 ff.). [X.] Dr. [X.] ist in Urlaub und kann deshalb nicht unterschreiben.[X.] Kolz Hebenstreit Elf

Meta

1 StR 282/03

26.08.2003

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.08.2003, Az. 1 StR 282/03 (REWIS RS 2003, 1851)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 1851

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