Bundessozialgericht, Urteil vom 29.07.2015, Az. B 12 KR 4/13 R

12. Senat | REWIS RS 2015, 7358

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Krankenversicherung der Rentner - Versicherungspflicht bzw -freiheit - Rentenbezug - selbstständige Erwerbstätigkeit - Hauptberuflichkeit - keine strikte rechtliche Bindung an Entscheidungen der Finanzbehörden bei Ermittlung des Arbeitseinkommens


Leitsatz

1. Auch bei Rentnern, die neben dem Rentenbezug keiner Beschäftigung nachgehen, führt nur eine "hauptberuflich" ausgeübte selbstständige Tätigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung zum Ausschluss von der Versicherungspflicht als Rentner.

2. Ob eine Tätigkeit hauptberuflich ist, bestimmt sich auch in solchen Fällen danach, ob sie in vorausblickender Gesamtschau nach ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und ihrem zeitlichen Aufwand die übrigen "Erwerbstätigkeiten" zusammen deutlich übersteigt.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 20. Dezember 2012 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung der Feststellung der Versicherungspflicht als Rentner in der gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) wegen hauptberuflich selbstständiger Erwerbstätigkeit .

2

Der 1941 geborene Kläger war [X.] der L.-GmbH, die an drei Standorten mit bis zu 21 Arbeitnehmern Modegeschäfte betrieb. Er verzichtete auf ein Geschäftsführergehalt. Stattdessen wurde ein Gesellschafterdarlehen mit monatlich 1000 [X.] getilgt. Bei [X.] von mehreren hunderttausend [X.] erzielte die GmbH von 2006 bis 2011 lediglich im [X.] einen Überschuss in Höhe von 64 980,59 [X.], in allen anderen Jahren ergaben sich Fehlbeträge (2006 in Höhe von 30 239,06 [X.]; 2007 in Höhe von 917,99 [X.]; 2009 in Höhe von 27 000,87 [X.]; 2010 in Höhe von 38 526,94 [X.] und 2011 in Höhe von 47 848,31 [X.]). Laut Einkommensteuerbescheid hatte er Kläger im Jahr 2006 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 33 507 [X.], aus Kapitalerträgen in Höhe von 2729 [X.] und aus Renten in Höhe von 8892 [X.].

3

Seit 1966 war der Kläger Mitglied der beklagten Krankenkasse, ab April 2000 wegen hauptberuflich selbstständiger Erwerbstätigkeit nicht mehr als Versicherungspflichtiger, sondern als freiwillig Versicherter. Ab 1.5.2006 bezog er Regelaltersrente und eine Witwerrente. Er beantragte am [X.], seinen Versicherungsstatus und die Beiträge zu überprüfen. Daraufhin lehnte die Beklagte die Feststellung seiner Versicherungspflicht als Rentner in der [X.] ab 1.5.2006 aufgrund hauptberuflich selbstständiger Erwerbstätigkeit und eine Anpassung der Beiträge ab (Bescheid vom 13.7.2009). Auf den Widerspruch des [X.] bestätigte die Beklagte nochmals den Ausschluss dessen von der Versicherungspflicht als Rentner (Widerspruchsbescheid vom 28.10.2009).

4

Das [X.] hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 1.6.2011). Das L[X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen: Eine gewichtete Abgrenzung der Tätigkeiten des [X.] ergebe dessen hauptberuflich selbstständige Erwerbstätigkeit, weshalb er von der seit 1.5.2006 grundsätzlich bestehenden Krankenversicherungspflicht als Rentner ausgeschlossen sei. Angesichts der Umsätze der GmbH überwiege die wirtschaftliche Bedeutung dieser Tätigkeit die des [X.], auch wenn der Kläger als deren Geschäftsführer kein Einkommen beziehe und die GmbH keinen Gewinn erwirtschafte. Auch der zeitliche Aufwand spreche für eine hauptberuflich selbstständige Erwerbstätigkeit. Entgegen der eigenen Einschätzung des [X.], 12 bis 14 Stunden pro Woche für die GmbH zu arbeiten, hätten ihn die Aufgaben im Zusammenhang mit der Verlegung zweier Geschäfte in den Jahren 2009 und 2010 nach der allgemeinen Lebenserfahrung mehrere Tage in der Woche beansprucht. Für eine hauptberufliche selbstständige Erwerbstätigkeit spreche schließlich auch die Qualität der Tätigkeit. Zu berücksichtigen seien hierbei insbesondere die erwähnten Umsätze, die Zahl der Beschäftigten der GmbH und deren verschiedene Standorte. Ob auch die Vermietung und Verpachtung zum Ausschluss von der Versicherungspflicht führe, könne daneben offenbleiben (Urteil vom 20.12.2012).

5

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 5 Abs 5 [X.]B V. Bei der Prüfung einer hauptberuflichen selbstständigen Erwerbstätigkeit müsse auch der [X.]aufwand für Vermietung und Verpachtung berücksichtigt werden. Bezüglich der wirtschaftlichen Bedeutung seiner Tätigkeit für die GmbH dürfe nicht auf deren Umsätze abgestellt werden. Zudem verleihe ihr die Anzahl der Arbeitnehmer der GmbH keine besondere Qualität, die für die Hauptberuflichkeit spreche.

6

Der Kläger beantragt,

        

1.    

die Urteile des [X.] vom 20. Dezember 2012 und des [X.] vom 1. Juni 2011 sowie den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 28. Oktober 2009 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 13. Juli 2009 insoweit, als darin die Feststellung seiner Versicherungspflicht als Rentner in der gesetzlichen Krankenversicherung ablehnt wird sowie

        
        

2.    

festzustellen, dass er in der [X.] vom 1. Mai 2006 bis zum 20. Dezember 2012 als Rentner versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung war.

        

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision des [X.] zurückzuweisen.

8

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des [X.] ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen [X.] und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an dieses Gericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet.

Der [X.] selbst kann nicht abschließend entscheiden, ob das [X.] die Berufung des [X.] gegen das seine [X.]lage abweisende Urteil des [X.] zu Unrecht zurückgewiesen hat. Zwar ergibt sich aus den tatsächlichen Feststellungen des [X.] noch hinreichend, dass beim [X.]läger die Voraussetzungen für das Bestehen der Versicherungspflicht als Rentner nach § 5 Abs 1 [X.] 11 [X.]B V (hier anzuwenden idF des [X.]es <[X.]> vom 20.12.1988, [X.] 2477, sowie ab [X.] idF des [X.] des [X.] in der gesetzlichen [X.]rankenversicherung vom [X.], [X.] 378) vorlagen. Allerdings kann der [X.] auf der Grundlage der vom [X.] festgestellten Tatsachen nicht abschließend entscheiden, ob der [X.]läger nach § 5 Abs 5 [X.]B V (idF des [X.] vom 20.12.1988, [X.] 2477) wegen hauptberuflich selbstständiger Erwerbstätigkeit von der Versicherungspflicht ausgeschlossen war. Deshalb ist das Urteil des [X.] insgesamt aufzuheben und der Rechtsstreit an dieses Gericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 S 2 [X.]G).

1. Gegenstand des Rechtsstreits in der Revision ist der Bescheid der Beklagten vom 13.7.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2009 nur noch insoweit, als die Beklagte darin die Feststellung von Versicherungspflicht des [X.] als Rentner in der [X.] ab 1.5.2006 abgelehnt hat. Der entscheidungserhebliche Zeitraum umfasst den Zeitraum bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem [X.] am 20.12.2012 (zum insoweit maßgebenden Endzeitpunkt vgl allgemein zB B[X.]E 110, 62 = [X.]-2500 § 240 [X.], Rd[X.] 19; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 11. Aufl 2014, § 55 Rd[X.] 21).

2. Ob der [X.]läger im streitigen Zeitraum nach § 5 Abs 5 [X.]B V wegen hauptberuflich selbstständiger Erwerbstätigkeit von der Versicherungspflicht als Rentner nach § 5 Abs 1 [X.] 11 [X.]B V ausgeschlossen war, kann der [X.] auf der Grundlage der vom [X.] festgestellten Tatsachen nicht abschließend entscheiden. Zwar hat das [X.] in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass der [X.]läger in der Tätigkeit als [X.] der Loose-Fashion-GmbH selbstständig erwerbstätig war (dazu a). Es kann jedoch nicht abschließend beurteilt werden, ob diese Tätigkeit hauptberuflich ausgeübt worden ist (dazu b).

a) Bei der Tätigkeit des [X.] als [X.] der Loose-Fashion-GmbH handelt es sich um eine sozialversicherungsrechtlich relevante Erwerbstätigkeit, die der [X.]läger selbstständig ausgeübt hat.

Die vom [X.]läger konkret ausgeübte Tätigkeit als [X.] ist eine sozialversicherungsrechtlich relevante Erwerbstätigkeit. Bei [X.] juristischer Personen kann die sozialversicherungsrechtliche Relevanz ihrer gesellschaftsrechtlichen Funktionen ausgeschlossen sein, wenn ein Gesellschafter nicht aktiv im Unternehmen mitarbeitet, sondern allein die mit der gesellschaftsrechtlichen Stellung verbundenen Pflichten wahrnimmt (vgl B[X.]E 110, 122, 124 = [X.]-2500 § 10 [X.], Rd[X.] 14; für [X.] vgl B[X.] [X.]-2500 § 10 [X.] Rd[X.] ff). Zugleich kann eine Erwerbstätigkeit nur angenommen werden, wenn die fragliche Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt wird (dazu B[X.] [X.]-2500 § 10 [X.] Rd[X.]). Nach den Feststellungen des [X.] war der [X.]läger als Geschäftsführer in einem Umfang von mehr als 12 bis 14 Stunden je Woche aktiv leitend für die GmbH tätig und kümmerte sich zB auch um die Verlegung zweier Geschäfte. Dabei hatte er Gewinnerzielungsabsicht, wie sich aus den bestehenden Vergütungsvereinbarungen (dazu B[X.] [X.]-2500 § 10 [X.] Rd[X.]) ergibt. Dass der [X.]läger auf die Auszahlung des [X.] verzichtet hat, ist insoweit unschädlich. Es kommt für das Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht nicht darauf an, dass tatsächlich Arbeitseinkommen iS des § 15 [X.]B IV erzielt wird. Entscheidend ist vielmehr, dass die Tätigkeit - wie hier - auf die Erzielung positiver Einkünfte gerichtet ist und nicht etwa nur der Liebhaberei dient (vgl B[X.] [X.] 3-2200 § 1227 [X.] f). Diese Erwerbstätigkeit übte der [X.]läger selbstständig aus und nicht etwa als (abhängig) Beschäftigter. Dies folgt schon aus seiner Stellung als Alleingesellschafter der GmbH und der damit verbundenen Rechtsmacht (vgl nur B[X.] [X.]-2500 § 10 [X.] Rd[X.] mwN).

b) Über die Frage der Hauptberuflichkeit der vom [X.]läger ausgeübten Tätigkeit kann der [X.] nicht abschließend selbst entscheiden.

Ob eine Tätigkeit hauptberuflich ist oder nicht, ist nach der ständigen Rechtsprechung des B[X.] (zB B[X.] [X.] 3-5420 § 3 [X.] ff) in Anknüpfung an die Entwurfsbegründung des [X.] zu § 5 Abs 5 [X.]B V (Gesetzentwurf der Fraktionen der [X.] und [X.] zum [X.] , BT-Drucks 11/2237 [X.]) in vorausschauender Betrachtung (vgl B[X.], [X.]O, [X.]) danach zu bestimmen, ob diese Tätigkeit in einer Gesamtschau von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her die übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich übersteigt (vgl B[X.], [X.]O, [X.]). Dies gilt entsprechend auch im vorliegenden Fall.

Insoweit gilt allgemein, dass auch neben dem Bezug von Rente, nur eine "hauptberuflich" ausgeübte selbstständige Erwerbstätigkeit zum Ausschluss von der Versicherungspflicht führt (dazu [X.]). Für eine abschließende Entscheidung über die Frage der Hauptberuflichkeit der selbstständigen Tätigkeit des [X.] fehlen vorliegend ausreichende Feststellungen des [X.] zur wirtschaftlichen Bedeutung der Geschäftsführertätigkeit für den [X.]läger (dazu [X.]) und insbesondere zu dessen zeitlichem Aufwand hierfür (dazu [X.]). Der Qualität der Tätigkeit kommt für die Feststellung der Hauptberuflichkeit - entgegen der Auffassung des [X.] - vorliegend keine Bedeutung zu (dazu dd).

[X.]) Auch in der vorliegenden [X.]onstellation, in der neben der selbstständigen Erwerbstätigkeit keine Beschäftigung, sondern nur ein Rentenbezug besteht, führt nur eine "hauptberuflich" ausgeübte selbstständige Erwerbstätigkeit zum Ausschluss von der Versicherungspflicht.

Dass sich die Bedeutung des [X.] "hauptberuflich" nicht in der gewichtenden Abgrenzung gegenüber parallel ausgeübten Beschäftigungen erschöpft, hat der [X.] zur Frage einer hauptberuflich selbstständigen Erwerbstätigkeit iS von § 240 Abs 4 S 2 [X.]B V und iS von § 10 Abs 1 S 1 [X.] 4 [X.]B V bereits entschieden. So hat er für den Fall einer ausschließlich einen Einzelhandel betreibenden freiwillig in der [X.] Versicherten nicht auf die (alleinige) Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit, sondern auf deren Umfang abgestellt (B[X.] Urteil vom 10.3.1994 - 12 R[X.] 3/94 - Die Beiträge 1994, 479). Dem ist der [X.] auch in einem Fall gefolgt, in dem es um den Ausschluss einer alleinigen [X.]ommanditistin und Alleingesellschafterin der [X.]omplementär-GmbH einer GmbH & Co [X.]G von der Familienversicherung ging (B[X.]E 110, 122 = [X.]-2500 § 10 [X.], Rd[X.] 15 f). In gleicher Weise ist auch das Merkmal "hauptberuflich" iS von § 5 Abs 5 [X.]B V nicht allein auf die Abgrenzung einer selbstständigen Tätigkeit gegenüber einer Beschäftigung bezogen. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Norm, wonach die hauptberuflich selbstständige Erwerbstätigkeit nicht nur zum Ausschluss von der Versicherungspflicht wegen Beschäftigung nach § 5 Abs 1 [X.] 1 [X.]B V führt, sondern auch zum Ausschluss von der Versicherungspflicht nach den Nummern 5 bis 12 des § 5 Abs 1 [X.]B V. Die Vorschrift nimmt gerade auch mit § 5 Abs 1 [X.] 11 [X.]B V Personen in Bezug, die neben der zu betrachtenden selbstständigen Erwerbstätigkeit nicht notwendig eine weitere Beschäftigung ausüben. Bezüglich dieser Versicherten, zu denen wegen des [X.] auch der [X.]läger gehört, wäre das Merkmal "hauptberuflich" regelmäßig funktionslos, wenn es tatsächlich nur dann zum Tragen käme, soweit neben der selbstständigen Tätigkeit auch eine Beschäftigung ausgeübt würde. Im Hinblick auf eine funktionserhaltende Auslegung des Merkmals "hauptberuflich" kann auch bei diesen [X.] nicht die bloße Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit zum Ausschluss von der Versicherungspflicht führen, sondern erst deren Hauptberuflichkeit. Gegenteiliges verlangen auch nicht Sinn und Zweck dieser der Missbrauchsabwehr dienenden Vorschrift (dazu Gesetzentwurf zum [X.], BT-Drucks 11/2237 [X.]). Zwar sollte insbesondere ausgeschlossen werden, dass ein versicherungsfreier (hauptberuflich) Selbstständiger durch Aufnahme einer - nach § 5 Abs 1 [X.] 1 [X.]B V - versicherungspflichtigen Nebenbeschäftigung versicherungspflichtig wird und damit den umfassenden Schutz der [X.] erhält (Gesetzentwurf zum [X.], [X.]O). Dass in Bezug auf andere Versicherungspflichttatbestände als § 5 Abs 1 [X.] 1 [X.]B V wegen jedweder selbstständigen Tätigkeit ein Ausschluss von der Versicherungspflicht erfolgen sollte, kann daraus nicht gefolgert werden.

[X.]) Aufgrund der Feststellungen des [X.] lässt sich bereits die wirtschaftliche Bedeutung der Geschäftsführertätigkeit des [X.] für diesen nicht abschließend beurteilen. Hierfür ist auf das Arbeitseinkommen iS von § 15 [X.]B IV, also auf den nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelten Gewinn abzustellen (dazu <1>). Allerdings kann vorliegend nicht uneingeschränkt auf die Feststellungen im Einkommensteuerbescheid 2006 zurückgegriffen werden (dazu <2>).

(1) Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Bedeutung einer selbstständigen Tätigkeit ist im Hinblick auf die Frage nach deren Hauptberuflichkeit auf das Arbeitseinkommen des Selbstständigen iS von § 15 [X.]B IV und - entgegen der Auffassung des [X.] - nicht auf den Umsatz des Unternehmens abzustellen, der allerdings ggf für die Frage des zeitlichen Umfangs der Tätigkeit (dazu [X.]) relevant sein kann. Dies hat das B[X.] bereits wiederholt entschieden (B[X.] [X.] 3-5420 § 3 [X.]; B[X.] [X.] 3-2500 § 240 [X.]). Ebenso kann weder auf den Gewinn noch auf den Verlust der Gesellschaft abgestellt werden. Eine andere Betrachtungsweise würde insbesondere bei "Tätigkeiten" von Gesellschaftern die Rechtspersönlichkeit von juristischen Personen unzulässig hinwegfingieren (zur Unzulässigkeit eines solchen Vorgehens vgl B[X.]E 95, 275 = [X.]-2600 § 2 [X.], Rd[X.] 18 ff; vgl auch B[X.] [X.]-5420 § 3 [X.] Rd[X.] 22). Vielmehr ist auf das persönliche Arbeitseinkommen des Selbstständigen, also regelmäßig auf den nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelten Gewinn aus der selbstständigen Tätigkeit (§ 15 Abs 1 [X.]B IV) abzustellen (vgl B[X.], [X.]O). Dabei ist Einkommen als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist. Zwar kann der Gewinn durch betriebliche Investitionen oder sonstige unternehmerische Entscheidungen willkürlich gemindert werden. Dies spricht jedoch - entgegen der Auffassung des [X.] - nicht gegen die Anknüpfung an das Arbeitseinkommen. Auswirkungen solcher kurzzeitiger Effekte auf die Entscheidung über die Versicherungspflicht werden vermieden, wenn - wie das B[X.] bereits mehrfach entschieden hat - die tatsächlichen Verhältnisse auf Grundlage der vorangegangenen Verhältnisse in einer vorausschauenden Betrachtungsweise unter Einbeziehung absehbarer Entwicklungen beurteilt werden (vgl nur B[X.] [X.]-5420 § 3 [X.] Rd[X.] 21 mwN).

(2) Vorliegend ist trotz des Verweises des § 15 Abs 1 [X.]B IV auf das Einkommensteuerrecht für die Ermittlung des Arbeitseinkommens nicht uneingeschränkt auf die Feststellungen im Einkommensteuerbescheid 2006 zurückzugreifen. Eine strikte rechtliche Bindung hieran besteht nicht (dazu ). Das [X.] wird daher aufzuklären haben, ob die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung richtig im Einkommensteuerbescheid zugeordnet wurden oder ob eine Zuordnung zum Gewerbebetrieb des [X.] erfolgen muss (dazu ).

(a) Eine strikte rechtliche Bindung an Entscheidungen der Finanzbehörden im Sinne einer Feststellungswirkung besteht bei der Ermittlung des Arbeitseinkommens nicht.

Eine eigene Beurteilung der Einkünfte müssen die Sozialversicherungsträger und die Sozialgerichte bei möglicher falscher Einordnung der Einkünfte im Einkommensteuerbescheid nicht nur dann vornehmen, wenn der Versicherte/Steuerpflichtige gegen die Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen oder die steuerrechtliche Bewertung des [X.] schlüssige und erhebliche Einwendungen erhebt (zu dieser Fallkonstellation vgl B[X.] [X.] 3-2400 § 15 [X.]; B[X.]E 73, 77 = [X.] 3-2200 § 1248 [X.] mwN). Umgekehrt muss dies aber auch dann gelten, wenn konkrete Anhaltspunkte für Unrichtigkeiten der Feststellungen bzw Bewertungen des [X.] bestehen und der Versicherte/Steuerpflichtige keine Einwendungen gegen die Einordnung der Einkünfte erhebt, weil die (falsche) Einordnung sich für ihn nicht nachteilig auswirkt bzw sogar günstig ist. Soweit sich hieraus für die Beurteilung der Hauptberuflichkeit iS von § 5 Abs 5 [X.]B V ein Unterschied zur Anknüpfung an die Feststellungen des Einkommensteuerbescheids in der Rechtsprechung des [X.]s zur Ermittlung des Arbeitseinkommens freiwillig in der [X.] Versicherter nach § 240 [X.]B V (vgl zB B[X.]E 104, 153 = [X.]-2500 § 240 [X.], Rd[X.] 15 ff; B[X.] [X.]-2500 § 240 [X.] Rd[X.] 24, jeweils mwN) ergibt, ist dieser durch die besondere Bedeutung gerechtfertigt, die der Gesetzgeber der Abwehr missbräuchlicher Inanspruchnahme günstigen Pflichtversicherungsschutzes durch Selbstständige beimisst (vgl Gesetzentwurf zum [X.], BT-Drucks 11/2237 [X.] zu § 5 Abs 5 [X.]B V).

(b) Vor diesem Hintergrund wird das [X.] die Zuordnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Einkommensteuerbescheid zu prüfen und die hierfür maßgeblichen Tatsachen festzustellen haben.

Vorliegend gibt es konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ein Teil der Mieteinnahmen dem Gewerbebetrieb des [X.] hätte zugeordnet werden müssen. Eine solche Zuordnung ist vorzunehmen, wenn die Vermietung als unselbstständiger Teil der selbstständigen Tätigkeit anzusehen und davon nicht zu trennen ist (vgl B[X.] [X.] 3-2400 § 15 [X.] 4; B[X.]E 58, 277, 280 = [X.] 2100 § 15 [X.] 8; vgl auch B[X.] [X.]-2500 § 10 [X.] Rd[X.] 13). Die wegen § 2 Abs 1 [X.] 6 Einkommensteuergesetz (EStG) grundsätzlich nicht von dem Begriff des Arbeitseinkommens in § 15 Abs 1 S 1 [X.]B IV ("Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit") umfassten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (B[X.]E 53, 242, 244 = [X.] 2200 § 1248 [X.]6; vgl auch B[X.] [X.] 3-2600 § 243 [X.]) können im Hinblick auf § 21 Abs 3 EStG dann sozialversicherungsrechtliches Arbeitseinkommen sein, wenn sie ihrerseits den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb oder aus selbstständiger Arbeit zuzuordnen sind (vgl B[X.] [X.] 3-2400 § 15 [X.] 4; B[X.]E 58, 277, 280 = [X.] 2100 § 15 [X.] 8). Dies hat das B[X.] bei Einnahmen aus der Vermietung und Verpachtung einem Versicherten gehörender Grundstücke an eine GmbH angenommen, deren Betriebsleiter, Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Versicherte war (vgl B[X.] [X.] 3-2400 § 15 [X.]). Anhaltspunkte für eine solche [X.]onstellation ergeben sich vorliegend aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem [X.]. Danach erzielte der [X.]läger die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung aus einem Geschäftshaus auf S. und einem in M. Vor dem Hintergrund, dass ein Ladengeschäft der GmbH in S. 2009 geschlossen worden ist und die GmbH ein weiteres Ladengeschäft im Haus des [X.] und seines [X.] in M. betreibt, wird das [X.] hier aufzuklären haben, in welchem Umfang die Einnahmen des [X.] aus Vermietung und Verpachtung aus Mietverhältnissen mit der GmbH stammen.

[X.]) Einer Entscheidung des [X.]s über die Frage der Hauptberuflichkeit der Geschäftsführertätigkeit des [X.] steht aber in erster Linie der Mangel an konkreten Feststellungen des [X.] zu dem hierfür regelmäßig anfallenden zeitlichen Aufwand entgegen.

Die Berücksichtigung des zeitlichen [X.]riteriums ist auch bei Rentnern sachgerecht ([X.] [X.]/[X.], [X.]B V, [X.] § 5 Rd[X.] 492a, Stand der [X.]/15). Zwar üben Rentner - wie hier der [X.]läger - üblicherweise keine mit der Selbstständigkeit zeitlich konkurrierende Beschäftigung aus. Jedoch spricht es für Hauptberuflichkeit, wenn neben dem Rentenbezug eine selbstständige Tätigkeit mehr als halbtags ausgeübt wird (B[X.] Urteil vom 10.3.1994 - 12 R[X.] 3/94 - Die Beiträge 1994, 479; dem folgend [X.] in [X.]rauskopf, Gesetzliche [X.]rankenversicherung/Pflegeversicherung, § 240 [X.]B V Rd[X.] 40; vgl auch [X.] in [X.]/[X.], [X.]B V, [X.] § 10 Rd[X.] 69, Stand der [X.]/10).

In welchem regelmäßigen zeitlichen Umfang der [X.]läger seine Geschäftsführertätigkeit tatsächlich ausgeübt hat, hat das [X.] nicht festgestellt. Dem angegriffenen Urteil ist lediglich zu entnehmen, dass das [X.] der Selbsteinschätzung des [X.] von 12 bis 14 Arbeitsstunden wöchentlich nicht gefolgt ist und von einem unbestimmt höheren zeitlichen Aufwand ausging. Wie hoch der zeitliche Aufwand des [X.] tatsächlich war, wird das [X.] im Rahmen der erneuten Verhandlung und Entscheidung des Rechtsstreits feststellen müssen. Hierbei genügt es, dass das [X.] die aufgewandte Arbeitszeit so genau bestimmt, dass es sich im Rahmen der notwendigen Gesamtschau (vgl B[X.] [X.] 3-5420 § 3 [X.] [X.]) unter Einbeziehung der wirtschaftlichen Bedeutung der Geschäftsführertätigkeit eine sichere Überzeugung über das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Hauptberuflichkeit bilden kann.

Bei seinen Ermittlungen hierzu wird das [X.] insbesondere auch den mit der Leitungsfunktion (Direktionsgewalt) bezüglich der abhängig Beschäftigten - vorliegend bis zu 21 - notwendig verbundenen Zeitaufwand berücksichtigen müssen, der anders als deren Arbeitszeit dem Unternehmer zuzurechnen ist (dazu bereits B[X.] [X.] 3-5420 § 3 [X.] S 21). Dass eine Hauptberuflichkeit - anders als von der Beklagten im Verwaltungsverfahren vertreten - nicht allein aus der Arbeitgeberstellung als solcher folgt, hat der [X.] bereits entschieden (B[X.]E 110, 122 = [X.]-2500 § 10 [X.], Rd[X.] 19 ff; beachte ab 23.7.2015 aber § 5 Abs 5 S 2 [X.]B V eingefügt durch Art 1 [X.] 1 Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen [X.]rankenversicherung vom [X.], [X.] 1211, 1213). Sollte das [X.] zu dem Ergebnis gelangen, dass die Vermietung als unselbstständiger Teil der selbstständigen Tätigkeit des [X.] für die GmbH zu betrachten ist (so 2.b)[X.])<2>), wird zudem der zeitliche Aufwand hierfür zu berücksichtigen sein.

dd) Die Qualität der Tätigkeit kann vorliegend nicht zur Begründung der Hauptberuflichkeit herangezogen werden.

Soweit der [X.] in einer besonderen Fallkonstellation (B[X.]E 110, 122 = [X.]-2500 § 10 [X.], Rd[X.]) die Qualität einer Tätigkeit angesprochen hat, kann hieraus nichts für die Beurteilung der fraglichen Hauptberuflichkeit der Geschäftsführertätigkeit des [X.] hergeleitet werden. Dies folgt vorliegend schon daraus, dass die vom [X.] in diesem Rahmen angesprochenen Umstände (Alleingeschäftsführer, Umsatzzahlen, Beschäftigtenanzahl, Standorte der GmbH und deren Verlegung, Fachkenntnisse, Fähigkeit zu unternehmerischem Handeln, Vergütungsverzicht) sämtlich bereits bei der wirtschaftlichen Bedeutung oder dem zeitlichen Umfang der Tätigkeit zu berücksichtigen sind.

3. Die [X.]ostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung des [X.] vorbehalten.

Meta

B 12 KR 4/13 R

29.07.2015

Bundessozialgericht 12. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Kassel, 1. Juni 2011, Az: S 12 KR 294/09, Urteil

§ 5 Abs 1 Nr 11 SGB 5 vom 20.12.1988, § 5 Abs 5 SGB 5 vom 20.12.1988, § 15 Abs 1 SGB 4

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 29.07.2015, Az. B 12 KR 4/13 R (REWIS RS 2015, 7358)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 7358

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