Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.08.2006, Az. 3 StR 246/06

3. Strafsenat | REWIS RS 2006, 2020

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 246/06 vom 31. August 2006 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen versuchten schweren Raubes u. a. - 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 31. August 2006, an der teilgenommen haben: Vorsitzender [X.] am [X.] Prof. Dr. [X.], die [X.] am [X.] Dr. Miebach, von [X.], [X.], [X.]als beisitzende [X.], Staatsanwalt als Vertreter der [X.], Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten [X.], Rechtsanwalt als Vertreter des Nebenklägers [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 3 - Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 5. Dezember 2005 mit den zuge-hörigen Feststellungen aufgehoben, a) soweit die Angeklagten wegen versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt [X.] sind, b) im [X.]. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die den [X.] dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des [X.] zu-rückverwiesen. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat die Angeklagten jeweils wegen gemeinschaftlichen versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (erster Tatkomplex) und wegen Nötigung (zweiter Tatkomplex) zu einer Ge-samtfreiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten verurteilt. 1 Mit ihrer wirksam auf den ersten Tatkomplex beschränkten, mit der [X.] sachlichen Rechts begründeten Revision erstrebt die [X.] - 4 - schaft eine Verurteilung der Angeklagten auch wegen erpresserischen [X.] (§ 239 a Abs. 1 [X.]). Das Rechtsmittel hat Erfolg. [X.] Nach den Feststellungen zum ersten Tatkomplex überfielen die Ange-klagten maskiert und mit einer funktionsfähigen, geladenen Schreckschusspis-tole bewaffnet nach Ladenschluss Angestellte eines Verbrauchermarktes, um den Inhalt des dort im Büro befindlichen Tresors zu erbeuten. 3 Zunächst schlug der Angeklagte [X.]den Angestellten [X.]mit zwei kräftigen Schlägen gegen dessen Kopf zu Boden, unmittelbar nachdem dieser den Markt verlassen hatte. Anschließend zerschlug er die durchsichtige Glasscheibe der Eingangstür, wobei er die dahinter stehende Verkäuferin [X.]

verletzte, und drang in das Gebäude ein. Im Aufenthaltsraum traf er auf die Verkäuferin [X.], der er sofort einen heftigen Schlag gegen die Stirn [X.] und sie flüchtig nach dem [X.] durchsuchte. In der Zwischenzeit hatte der Angeklagte [X.] den Angestellten [X.]in den Markt zurückge-schleift. Beide Angeklagte fragten die Geschädigten [X.]und [X.] erfolglos nach dem [X.] und sperrten sie in den Vorraum der Toilette ein. 4 Nachdem sie anschließend selbst einige Zeit im Büro vergeblich nach dem Schlüssel gesucht hatten, brachte der Angeklagte [X.] die Ange-stellte [X.] unter Schlägen aus dem Toilettenvorraum in das Büro, wo beide Angeklagte von ihr nochmals die Herausgabe des [X.]s verlangten. Als Frau [X.] angab, sie wisse nicht, wo sich der Schlüssel befinde, drohte der Angeklagte [X.] sie umzubringen, wenn sie nicht die Wahrheit sage. Die Angeklagten, die erfuhren, dass die Angestellte [X.] geflüchtet war, verließen aus Angst vor der Polizei alsbald den Verbrauchermarkt ohne Beute. 5 - 5 - I[X.] Das [X.] hat eine Verurteilung der Angeklagten wegen erpres-serischen [X.] (§ 239 a Abs. 1 [X.]) abgelehnt und hierzu ausge-führt: Die Herausgabe des [X.]s habe nicht durch die eigenständige Wirkung einer stabilisierten Bemächtigungssituation durchgesetzt werden [X.]. Die Angeklagten hätten, als sie die Geschädigten [X.]und [X.] im Vorraum der Toilette einsperrten, um im Büro ungestört nach dem Schlüssel suchen zu können, keine erpresserischen Ziele verfolgt. Als sie die Verkäuferin [X.] unter Gewaltanwendung aus dem Toilettenvorraum in das [X.] und dort unter Todesdrohung nochmals nach dem Schlüssel befragt [X.], sei von ihnen die durch eine eigenständige [X.] veranlasste Sorge der Geschädigten um ihr Wohl nicht zu einer Erpressung ausgenutzt worden, weil sie keinen neuen [X.] gefasst hätten. Die Angeklagten hätten vielmehr lediglich ihren von vorneherein auf Raub bzw. räuberische [X.] gerichteten [X.] fortgesetzt, nachdem ihre vorausgegangenen Versuche, in den Besitz des Schlüssels zu gelangen, gescheitert seien. [X.] dürfte ihnen nicht bewusst gewesen sein, die Schwelle zum erpresseri-schen Menschenraub zu überschreiten. 6 II[X.] Die Begründung, mit der das [X.] einen vollendeten erpresse-rischen Menschenraub verneint hat, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. 7 1. Im Hinblick auf den Anwendungsbereich klassischer Delikte mit [X.] wie § 177, §§ 249 ff., §§ 253 ff. [X.] ist der Tatbestand des § 239 a Abs. 1 [X.] im [X.], insbesondere für Fälle des Sichbemächtigens, allerdings einschränkend auszulegen. Der Täter muss durch die Anwendung von Gewalt oder durch Drohungen gegen das Opfer eine [X.] schaffen und beabsichtigen, diese Lage für sein weiteres Vorgehen auszunutzen, wobei dieser mit Blick auf die erstrebte Erpressung ei-8 - 6 - ne eigenständige Bedeutung zukommen muss. Mit der eigenständigen Bedeu-tung der [X.] ist - insbesondere in Abgrenzung zu den [X.] - lediglich gemeint, dass sich über die in jeder mit Gewalt verbundenen Nötigungshandlung liegende Beherrschungssituation hinaus eine weitergehen-de Drucksituation auf das Opfer gerade auch aus der stabilen [X.] ergeben muss. Der erforderliche funktionale Zusammenhang liegt daher nicht vor, wenn sich der Täter des Opfers durch [X.] bemächtigt, die zugleich unmittelbar der beabsichtigten Erpressung dienen, wenn also [X.] und [X.] zusammenfallen (vgl. BGHSt 40, 350 ff., 359; BGHR [X.] § 239 a Abs. 1 Anwendungsbereich 1 und [X.], 8; [X.], 1082 f. und [X.], 448 f.). 2. Nach diesen Maßstäben sind die Voraussetzungen des erpresseri-schen [X.] bis zum Einsperren der Geschädigten [X.] und [X.] in der Toilette nicht gegeben. Durch die bis dahin erfolgten Gewaltan-wendungen hatten die Angeklagten zwar eine andauernde physische Herrschaft über ihre Opfer erlangt. Sie forderten jedoch bereits im unmittelbaren, engen Zusammenhang mit dem gewaltsamen Sichbemächtigen die Herausgabe des [X.]s. Eine stabile [X.] als Basis einer weiteren [X.] bestand deshalb noch nicht (vgl. BGHR [X.] § 239 a Abs. 1 [X.]; Tröndle/[X.], [X.] 53. Aufl. § 239 a Rdn. 7). 9 3. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen liegt es indes nahe, dass sich die Angeklagten wegen eines vollendeten erpresserischen [X.] in der Form der 2. Alternative des § 239 a Abs. 1 [X.] strafbar gemacht haben, als sie - um in den Besitz des [X.]s zu gelangen - die unter Schlägen in das Büro gebrachte Verkäuferin [X.]mit dem Tode bedrohten. Zu diesem Zeitpunkt bestand bereits über einen längeren Zeitraum 10 - 7 - als Basis für eine Erpressung eine stabile [X.], in der die Ge-schädigte - unabhängig von der Gewaltanwendung beim Sichbemächtigen - dem ungehemmten Einfluss der beiden Angeklagten wegen deren physischen Übermacht und der fortwirkenden Einschüchterung als Folge der vorangegan-genen Misshandlungen ausgesetzt war. Unter diesen Umständen drängt es sich auf, dass die Angeklagten bei ihrer mit der Todesdrohung verbundenen Forderung nach Herausgabe des [X.]s auch die durch die Bemäch-tigungslage entstandene besondere Drucksituation der bedrohten Frau [X.], um diese zu veranlassen, aus Sorge um ihr Wohl ihrem Begehren nachkommen, zumal sie dabei die Gaspistole nicht als Drohmittel verwendeten. [X.] legt § 239 a Abs. 1 [X.] zu eng aus, wenn sie meint, der Tatbestand dieser Vorschrift scheide aus, weil die Angeklagten mit der ver-suchten Erpressung der Angestellten [X.]

lediglich ihren ursprünglichen Raub- bzw. Erpressungsvorsatz weiter verfolgt und keinen neuen [X.] gefasst hätten. Entscheidend ist demgegenüber, dass sie die von ihnen ge-schaffene [X.] tatsächlich für die Fortsetzung ihres erpresseri-schen Vorhabens ausnutzten. Entgegen der Meinung der Verteidigung wider-spricht es auch nicht der Annahme einer stabilen [X.], dass die Tat insgesamt nur ca. sechseinhalb Minuten dauerte und die Zeugin [X.] lediglich eine kurze Zeit eingesperrt war. Von ausschlaggebender Bedeutung sind vielmehr die Gesamtumstände der Tat, vor allem die Intensität der [X.], die hier wesentlich durch das Einsperren herbeigeführt wurde. 11 Der Vollendung des erpresserischen [X.] steht nicht entge-gen, dass die Erpressung im Versuchsstadium steckengeblieben ist. Anders als bei der [X.]. des § 239 a Abs. 1 [X.] genügt für § 239 a Abs. 1 2. Alt. zwar 12 - 8 - nicht die bloße Erpressungsabsicht des [X.]; dieser muss vielmehr auch tat-sächlich in erpresserischer Richtung tätig werden und zumindest in das [X.] der Erpressung eintreten (vgl. BGHSt 26, 309, 310; Träger/ Schluckebier in [X.]. § 239 a Rdn. 20; [X.] in [X.]/[X.], [X.] 26. Aufl. § 239 a Rdn. 24; aA: [X.] in MünchKomm-[X.] § 239 a Rdn. 68; [X.]/[X.] in SK-[X.] § 239 a Rdn. 15). Ist dies - wie hier - der Fall, so ist der Tatbestand des § 239 a Abs. 1 2. Alt. verwirklicht. [X.] Miebach von [X.] [X.] [X.]

Meta

3 StR 246/06

31.08.2006

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.08.2006, Az. 3 StR 246/06 (REWIS RS 2006, 2020)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 2020

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