Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.08.2012, Az. 5 StR 295/12

5. Strafsenat | REWIS RS 2012, 3648

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5 [X.]/12

BUNDESGERICHTSHOF

IM [X.] DES VOLKES

URTEIL

vom 28. August
2012
in der Strafsache
gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.

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2
-
Der 5. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 28.
Au-gust
2012, an der teilgenommen haben:

[X.] Dr. Raum als Vorsitzender,

[X.]in [X.],
[X.] [X.],
[X.] Prof. Dr. König,
[X.] Bellay

als beisitzende [X.],

[X.]

als Vertreter der [X.]schaft,

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

-
3
-
für Recht erkannt:

Auf die Revision des Angeklagten wird
das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 30. November 2011 mit den Fest-stellungen im [X.] aufgehoben.
[X.] bleiben jedoch die Feststellungen zu den [X.]; insoweit wird seine Revision als unbegründet verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an eine andere Strafkammer des Landge-richts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

[X.] n d e

Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Körperverlet-zung, der gefährlichen Körperverletzung sowie der Beleidigung freigespro-chen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus [X.]. Mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision wendet sich der An-geklagte gegen die Anordnung der Maßregel gemäß § 63 StGB. Das Rechtsmittel hat im Wesentlichen
Erfolg.

1. Nach den Feststellungen des [X.] leidet der Angeklagte seit langen Jahren an einer paranoiden Schizophrenie mit schweren inhaltli-chen und formalen Denkstörungen, Beeinträchtigung der Realitätswahrneh-mung und hirnorganischen Leistungsminderungen. Bereits im Jahre 2003 diagnostizierte
ein aus
Anlass eines Ermittlungsverfahrens erstelltes foren-1
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sisch-psychiatrisches Gutachten bei ihm paranoide Psy-. Seit jenem Jahr steht der An-schenzeitlich für alle Lebensbereiche bestimmt und zudem mit einem generellen Einwilli-

2. Im Zustand der krankheitsbedingten Schuldunfähigkeit beging der Angeklagte folgende Taten:

Am 26. Mai 2009 kam es an einem bekannten Randständigentreff in [X.] zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen H.

. Als der Zeuge die Auseinandersetzung mit schlichtenden Worten beenden wollte, nahm der Angeklagte zwei volle Bierflaschen und schlug damit in Richtung des Kopfes des Zeugen. Eine der Flaschen traf den Zeugen am Hinterkopf und zerbrach. Der Zeuge erlitt eine blutende Kopfver-letzung (Tat 1). Die im [X.] an diesen Vorfall erschienenen [X.] beschimpfte der Angeklagte mit beleidigenden Worten (Tat 2).

Am 7. Dezember 2009 geriet der Angeklagte an einem anderen Rand-ständigentreff in [X.] mit dem Zeugen

W.

in Streit. Der Angeklagte schubste den stark alkoholisierten W.

zunächst gegen ein Geländer, so dass dieser zu Boden fiel. Danach trat er den am Boden [X.] noch mindestens einmal in den Bauch und zweimal ins Gesicht. Der Geschädigte erlitt einen Nasenbeinbruch und eine Gehirnerschütterung
(Tat
3).

3. Die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB hält revisions-rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maß-nahme, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Be-3
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troffenen darstellt und daher nur unter sorgfältiger Beachtung der gesetzli-chen Voraussetzungen angeordnet werden darf. Dies gilt auch für die Fest-stellung der tatsächlichen Voraussetzungen der Gefährlichkeitsprognose ([X.], Beschluss vom 8. November 2006

2 [X.], [X.], 73).
Deshalb ist es grundsätzlich erforderlich, dass in die Prüfung länger währende Straffreiheit als gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger gefährlicher Straftaten in die Prognoseentscheidung
einzubeziehen ist ([X.], Beschluss vom 13. Dezember 2011

5 [X.],
[X.],
107).

Das Landgericht stellt hier nur die [X.] dar, verhält sich im Üb-rigen aber nicht zum delinquenten Vorleben
des Angeklagten. Weder werden die gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahren näher benannt noch deren Ausgang mitgeteilt. Es wird lediglich ausgeführt, dass gegen den Angeklag-ten im Jahre 2004 ein Verfahren wegen Schuldunfähigkeit gemäß §
170 Abs.
2 StPO eingestellt wurde, ohne aber auch hier die Umstände der Tat zu schildern. Ebenso wird nicht dargelegt, wie sich
der Angeklagte, der bis zu seiner Aburteilung
nicht nach §
126a StPO vorläufig untergebracht war, im Nachgang zu den [X.] verhalten und ob er gegebenenfalls strafrecht-lich relevante
und gefährliche Handlungen begangen
hat.

Im Hinblick darauf, dass der nicht vorbestrafte 53-jährige Angeklagte hier nur wegen zweier im Bereich der mittleren Kriminalität
angesiedelter Ta-ten
in Erscheinung getreten ist, ist die
Begründung
der Strafkammer
für die Prognoseentscheidung zu seiner Gefährlichkeit unzulänglich. Sie hätte die Zeiträume
nicht unerörtert lassen dürfen, in denen der Angeklagte unauffällig geblieben ist ([X.], Urteil
vom 2. März 2011

2 StR 550/10 Rn.
11,
[X.], 240, 241).
Dies liegt aber für den zweijährigen Zwischen-raum zwischen Tatbegehung und der Hauptverhandlung nahe, dem
für die Gefährlichkeitsprognose
naturgemäß
ein erhebliches Gewicht zukommt (vgl. [X.], Beschluss vom 13. Dezember
2011

5 [X.], [X.], 107). Allein der zeitlich nicht näher eingegrenzte Hinweis, der Angeklagte sei 8
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Mitglied der [X.] in [X.] und es komme dort öfters zu polizeilichen Einsätzen
unter anderem wegen Körperverletzungen,
an denen der Angeklagte beteiligt war, belegt in diesem Zusammenhang nicht das Ge-genteil. Es bleibt nämlich offen, ob der Angeklagte überhaupt von sich aus aggressiv geworden und gegebenenfalls in welchem Umfang dies gesche-hen ist.

3. Die von dem Rechtsfehler unberührt gebliebenen Feststellungen zu den [X.] können aufrechterhalten bleiben. Dagegen bedarf die Frage seiner Gefährlichkeit nochmals umfassender Prüfung. Soweit der neue Tatrichter erneut die Voraussetzungen des § 63 StGB bejahen sollte, wird unter Würdigung des Verhaltens des Angeklagten in der seit Ende Novem-ber
2011 vollzogenen vorläufigen Unterbringung zu prüfen sein, ob die [X.] nach § 67b StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann.

Raum

Schneider

[X.]

König Bellay

10

Meta

5 StR 295/12

28.08.2012

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.08.2012, Az. 5 StR 295/12 (REWIS RS 2012, 3648)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3648

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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