Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.05.2010, Az. 5 StR 51/10

5. Strafsenat | REWIS RS 2010, 6628

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

Nachschlagewerk: ja [X.]St: ja Veröffentlichung: ja StPO §§ 110a, 136, 161, 163 [X.] Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verwertungsverbot für verdecktes Verhör eines inhaftierten Beschuldigten durch einen als Besucher getarnten nicht offen ermittelnden Polizeibeamten unter Zwangseinwirkung. [X.], Beschluss vom 18. Mai 2010 - 5 StR 51/10

[X.] -

5 StR 51/10 [X.] vom 18. Mai 2010 in der Strafsache gegen wegen Versuchs der Beteiligung am Mord - 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 18. Mai 2010 beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 13. Februar 2009 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufge-hoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zu-rückverwiesen. G r ü n d e
1 Das Schwurgericht hat den Angeklagten wegen der Annahme des [X.] zur Begehung eines Mordes zu einer Freiheitsstrafe von sieben [X.] verurteilt. Die Revision des Angeklagten greift mit der erhobenen Verfah-rensrüge durch. 1. Das Schwurgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen: 2 a) Der 1950 geborene verheiratete Angeklagte verließ 1988 die [X.] und ging in [X.] eine Beziehung zu einer anderen Frau ein. Nachdem seine Ehefrau mit den Kindern über die [X.] Botschaft in [X.] zu dem Angeklagten ausgereist war, versuchten die Eheleute einen Neuanfang ihrer Beziehung, die sich wirtschaftlich erfolgreich gestaltete. Sie erwarben ein von ihnen betriebenes [X.]. Über die Jahre entwickelte sich zwi-schen den Eheleuten eine tiefe gegenseitige Abneigung. Der Angeklagte 3 - 3 - konnte sich zu einer Trennung auch deshalb nicht entschließen, weil er fürchtete, bei einer Scheidung finanziell übervorteilt zu werden und alles an seine Ehefrau zu verlieren. b) Aus Hass gegenüber seiner Ehefrau bot der Angeklagte in den [X.] 1998 bis 2005 mehreren Personen Geld, um sie dazu zu bewegen, seine Frau zu töten. [X.] wurde der Angeklagte am 1. März 2006 vom [X.] wegen versuchter Anstiftung zum Mord zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. 4 c) Zu Beginn der Verbüßung dieser Strafe in der Langstrafenstation der Justizvollzugsanstalt (JVA) [X.] traf der Angeklagte auf den zuletzt we-gen Anstiftung zum Mord und anderer Verbrechen im Jahr 1993 zu [X.] Freiheitsstrafe unter Feststellung der besonderen Schwere der Schuld verurteilten [X.]. Dieser berühmte sich wahrheitswidrig seiner Jahre als Fremdenlegionär, seiner Mitgliedschaft in der [X.] und seines aus [X.] gespeisten Reichtums. Der Angeklagte glaubte [X.]und ließ sich beeindrucken. Er berichtete ihm offen von [X.] und seinen Vermögensverhältnissen. [X.]war am Kauf des Wohnheims des Angeklagten interessiert und einigte sich mit diesem auf ei-nen Preis von 450.000 •. —S.

unterbreitete dem Angeklagten in dem Zeitraum von Anfang März 2007 bis zum 20. März 2007 das Angebot, durch [X.] Leute™ außerhalb der Haftanstalt die Tötung von Frau R.

W. durch einen fingierten Autounfall durchführen zu lassen, wenn ihm der Ange-klagte dafür 150.000 • von dem vereinbarten Kaufpreis für das Wohnheim erlasse. Der Angeklagte nahm den Vorschlag ernst und ging darauf ein. Er ging davon aus, dass [X.]die Tat begehen würde. Er benannte [X.]das Kennzeichen des von seiner Frau gefahrenen Autos, wobei er sich nicht sicher war, ob es B-EN oder B-ET

warfi ([X.] f.). Auf Wunsch des Angeklagten überwies dessen Bruder am 20. März 2007 2.500 • auf das Konto der Ehefrau des Gefangenen [X.]. 5 - 4 - d) Am gleichen Tag meldete [X.]

dem für ihn zuständigen Grup-penleiter der JVA, er hätte angeblich einen anderen Gefangenen geschla-gen, weil dieser ihn um die Vermittlung eines Auftragsmordes gebeten hätte. Am 22. März 2007 erklärte sich [X.]

zur Zusammenarbeit mit der Polizei bereit; er benannte den Angeklagten als den Auftraggeber des Mordes. 6 Am Tag vor einer Verlegung des Angeklagten in die [X.] wurde [X.]am 17. April 2007 für einen gemeinsamen Hofgang mit dem Angeklagten mit einem Aufzeichnungsgerät ausgestattet. —In diesem Gespräch war [X.]bemüht, von dem Angeklagten den erteilten Tötungs-auftrag ausdrücklich bestätigt zu bekommen. Der Angeklagte wunderte sich darüber, weil die Absprache bereits getroffen worden war, und reagierte misstrauisch, weil in dem früheren Strafverfahren von der Polizei mehrere Gespräche aufgezeichnet worden waren, die er mit dem in Aussicht genom-menen Täter geführt hatte. Er antwortete [X.], dass man darüber nicht weiter zu sprechen brauche, weil es ‡geklärt™ sei und es dabei bliebe, wie sie es besprochen hättenfi ([X.]). 7 e) Das Schwurgericht hat dem aufgezeichneten Gespräch die [X.] entnommen, dass die Tötung der Ehefrau vereinbart war. Ausgehend von der Einlassung des Angeklagten, S.

habe ihm die Tötung seiner Ehefrau angeboten, hat sich das Schwurgericht beweiswürdigend von einer Annahme dieses Angebots durch den Angeklagten überzeugt. Bekundungen des [X.]hat das Schwurgericht seiner Beweiswürdigung nur zu Grunde gelegt, soweit dessen Angaben durch andere Beweismittel bestätigt worden sind. Den Beweis dafür, dass die Tötung ernsthaft vereinbart worden war, hat die [X.] auch in der Zeugenaussage des [X.] [X.]über dessen verdecktes Verhör des Angeklagten am 24. Mai 2007 in der [X.] gefunden ([X.], 28 bis 30). 8 2. Deren Verwertung hat die Verteidigung in der Hauptverhandlung widersprochen. Die Nichtverwertbarkeit des Inhalts der Zeugenvernehmung 9 - 5 - macht die Revision mit ihrer Verfahrensrüge geltend und trägt im [X.] folgende Umstände vor: Gegen den Angeklagten als Beschuldigten erging am 29. März 2007 auf Antrag der St[X.]tsanwaltschaft ein Beschluss des Amtsgerichts [X.] in [X.] gemäß § 100f Abs. 2 StPO zur Aufzeichnung des gesprochenen Wortes zwischen dem Zeugen [X.]

und dem Angeklagten. Die ermitteln-den Polizeibeamten bewerteten das umfangreiche Gespräch am 27. [X.] 2007 dahingehend, dass der Beschuldigte eine eindeutige Aussage ver-meide. Sie schlugen als weitere Ermittlungshandlungen die Durchsuchung der Zelle des [X.] und die Überwachung und Aufzeichnung des [X.] für den [X.] des Bruders des Angeklagten vor. Diese von der St[X.]tsanwaltschaft aufgegriffenen Maßnahmen blieben ohne Erfolg. Für das polizeiliche Vorgehen wurde darüber hinaus Folgendes festgelegt: —Zur Verbesserung der bisherigen Beweislage ist von hier aus vorgesehen, dass ein nicht offen ermittelnder Polizeibeamter den Beschuldigten in der [X.] besucht (Besucherraum) und diesem unter der Vorgabe einer Legende zwei Bilder (eines mit der Ehefrau des Beschuldigten in ihrem Pkw sitzend und eines mit einer Frau vergleichbaren Alters, in bauähnlichem Pkw sitzend) vorlegt, um von diesem zu erfahren, welche der beiden Frauen die zu tötende seifi ([X.]). Zwei Kriminalbeamte versicherten sich am 22. Mai 2007 der Unterstützung und der Verschwiegenheit der maßgeblichen Beamten der [X.]. 10 Kurz vor 15.00 Uhr des übernächsten Tages teilte ein [X.] dem Angeklagten mit, dass dieser um 15.00 Uhr einen [X.] habe, der dringende Gründe für den Besuch geltend gemacht hätte. Im Besucherraum der JVA wartete bereits [X.] [X.] , —der zuvor in die [X.] nicht eingebunden war, aber aufgrund seiner langen H[X.]re und Tätowierungen dem äußeren Erscheinungsbild nach glaubhaft als Rocker auftreten konntefi ([X.]). Gegen 15.00 Uhr traf der Angeklagte auf den ihm nicht bekannten [X.] [X.] . Dieser —stellte sich als ‡Micha™ vor und 11 - 6 - erklärte, dass [X.]ihn schicke, weil es da offenbar ein Problem mit der Frau des [Angeklagten] [X.] ([X.]). Der Angeklagte erklärte, er würde mit ihm nicht über dieses Thema reden. —Der Beamte gab vor, dass es wegen der Autokennzeichen Probleme mit der Identifizierung der Ehefrau gebe, und legte dem Angeklagten die beiden Fotos vor. Der Angeklagte ging darauf nicht ein und gab wahrheitswidrig vor, auf den Fotos nichts erkennen zu können, weil er seine Brille nicht dabei habe. Er fügte hinzu, er habe [X.] doch gesagt, es sei ein grünes Auto. Auf Nachfrage weigerte er sich, seine Brille zu holen. [X.]

erklärte, dass vor den Häusern der bei-den abgebildeten Frauen seine Männer stünden, und fragte, ob der Ange-klagte seine Frau anhand körperlicher Merkmale beschreiben könne, bei-spielsweise die H[X.]rlänge. Der Angeklagte zeigte daraufhin mit seiner Hand in Schulterhöhe. [X.] erklärte, dass [X.] auch beide Frauen ‡weg-gemacht™ werden könnten. Der Angeklagte reagierte aufgebracht und sagte, dass das Ganze [X.]™ würde, wenn Unschuldige ‡reingezogen™ wür-den. Schließlich fragte ihn [X.] , ob es denn richtig sei, dass sie seine Frau wegmachen sollten. Darauf nickte der [X.] ([X.]). Der Angeklagte berief sich während seiner unmittelbar anschließen-den förmlichen Beschuldigtenvernehmung auf sein Schweigerecht. 12 3. Bei der vom Schwurgericht verwerteten Zeugenaussage des [X.] [X.]handelt es sich um den Inhalt eines verdeckten Verhörs eines Beschuldigten durch einen nicht offen ermittelnden Polizeibeamten (vgl. [X.] in [X.] 6. Aufl. § 110a [X.]. 6 und § 110c [X.]. 18 ff.) mit dem Ziel, eine selbstbelastende Äußerung des noch nicht förmlich vernommenen [X.] herbeizuführen. Diese Ermittlungsmaßnahme war in ihrer kon-kreten Ausgestaltung rechtswidrig. Das Schwurgericht hat die von dem [X.] [X.] [X.] bekundeten selbstbelastenden Äußerungen des Ange-klagten zu Unrecht verwertet. 13 - 7 - a) Die Rechtswidrigkeit folgt noch nicht aus den Umständen zur [X.] der Gelegenheit zur Durchführung des verdeckten Verhörs. 14 Auch wenn der Ermittlungsbeamte über kein Zugangsrecht zu dem Angeklagten verfügte (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.] 5. Aufl. § 24 [X.]. 3; Joester/Wagner in [X.], [X.] 5. Aufl. § 24 [X.]. 2; [X.]/Müller-Dietz, [X.] 11. Aufl. § 24 [X.]. 3), stellte der von den Vollzugsbeamten verschwiegene Umstand, dass kein Privatmann, son-dern ein (nicht offen ermittelnder) Polizeibeamter Besucher sei, im Rahmen einer kriminalistischen List noch keinen relevanten Eingriff in Rechte des [X.] dar (vgl. [X.]St 53, 294, 308 [X.]. 46). In das Grundrecht der Un-verletzlichkeit der Wohnung des Angeklagten wurde nicht eingegriffen; der Besucherraum der JVA unterfällt nicht dem Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG ([X.]St 44, 138; 53, 294, 300 [X.]. 17). Auch die geschützte Pri-vatsphäre des Angeklagten (vgl. [X.]St 50, 234, 240) wurde noch nicht tan-giert. 15 16 b) Ein Rechtsverstoß und ein daraus folgendes Verwertungsverbot ergeben sich auch nicht aus dem Umstand, dass eine Belehrung des Ange-klagten als Beschuldigter gemäß § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO unterblieben ist ([X.]St 42, 139, 145 ff. [X.]). Diese Vorschrift ist nur auf —offenefi Verneh-mungen anwendbar und will (lediglich) sicherstellen, dass der Beschuldigte vor der irrtümlichen Annahme einer Aussagepflicht bewahrt wird, zu der er möglicherweise eben durch die Konfrontation mit dem amtlichen Auskunfts-verlangen veranlasst werden könnte. Deshalb scheidet auch eine entspre-chende Anwendung und die Annahme einer Umgehung der Vorschrift aus. c) Inwieweit das verdeckte Verhör schon im Ansatz ohne Rechts-grundlage erfolgte und ob allein hieraus ein Beweisverwertungsverbot er-wüchse, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. 17 - 8 - [X.]) Es ist allerdings zweifelhaft, ob als Rechtsgrundlage die General-klausel aus § 161 Abs. 1, § 163 Abs. 1 Satz 2 StPO (vgl. dazu BT-Drucks. 14/1484 S. 17, 23 f.; [X.] in [X.] Lfg. § 163 [X.]. 1) ausreichte, die eine Ermächtigungsgrundlage für [X.] auch mit —weniger intensivenfi [X.] bietet (vgl. [X.]St 51, 211, 218 [X.]. 21; [X.] [X.] Kammer [X.], 1405, 1407; [X.] StPO 52. Aufl. § 161 [X.]. 1; vgl. für nicht offen ermittelnde Polizeibeamten als Scheinaufkäufer im Rahmen eines illegalen Rauschgift-ankaufs [X.]St 41, 64, 66; [X.]R StPO § 110a Ermittler 4; [X.]R StPO § 110b Abs. 2 Wohnung 1). Ein verdecktes Verhör mit dem Ziel, eine selbst-belastende Äußerung eines noch nicht förmlich vernommenen Beschuldigten herbeizuführen, erscheint als Ermittlungshandlung von nicht unerheblicher Eingriffsintensität. Sie wird auch nicht zu den eigentlichen Aufgaben eines nicht offen ermittelnden Polizeibeamten gerechnet (vgl. [X.] in [X.]. § 110a [X.]. 6). 18 19 [X.]) Das verdeckte Verhör durch [X.] H.

wurde nicht etwa zur Gefahrenabwehr eingesetzt und hatte zudem kaum gefahrabwehrende [X.], da tatsächlich gar keine Gefahr für das Leben der Ehefrau des Ange-klagten mangels [X.] von vornherein fehlender [X.] Tatbereitschaft zu dem von dem Mitgefangenen
[X.]initiierten vorgetäuschten [X.] [X.] hatte. Das Vorgehen war allein auf Ermittlung gegen den Angeklag-ten als bestimmten Beschuldigten gerichtet. d) Auch unter der Voraussetzung fehlender Rechtsgrundlage wäre [X.] zweifelhaft, ob das verdeckte Verhör verwertbar gewesen wäre (vgl. [X.] NStZ 1997, 294, 295; allgemein [X.]St 51, 285, 295 f. [X.]. 29 m.w.[X.]). Da selbst einem Verdeckten Ermittler ein verdecktes Verhör, wie es hier von [X.] [X.]vorgenommen und vom Schwurgericht verwertet worden ist, nicht gestattet gewesen wäre, liegt der Fall hier jedenfalls eindeutig anders. 20 - 9 - Das Vorgehen verstieß nämlich gegen das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 [X.]) unter besonderer Berücksichtigung des Grundsatzes, dass niemand verpflichtet ist, zu seiner eigenen Überführung beizutragen, insbesondere sich selbst zu belasten (nemo tenetur se ipsum accusare). Dabei schließt sich der Senat [X.] wie bereits der Sache nach der 4. Strafsenat in [X.], 225 [X.] den Darlegungen des 3. Strafsenats des [X.] in [X.]St 52, 11, 17 [X.]. 20 zur Genese, Verankerung und Bedeutung dieses Grundsatzes an (vgl. auch [X.]St 53, 294, 309 [X.]. 49). Da der Beamte so-gar eindeutig die Kompetenzen überschritten hat, die einem Verdeckten Er-mittler zugestanden hätten, stünden einem noch nicht formal als unzulässig bewerteten entsprechenden Vorgehen als nicht offen ermittelnder Polizeibe-amter identische durchgreifende Bedenken [X.] erst recht [X.] entgegen (vgl. [X.], 43, 44; [X.] [X.]O § 110a [X.]. 4; BT-Drucks 14/1484 S. 24). 21 22 [X.]) Die Aushorchung des Angeklagten unter Ausnutzung der beson-deren Situation seiner Inhaftierung begründet von vornherein Bedenken ge-gen die Zulässigkeit der heimlichen Ermittlungsmaßnahme. Nicht weniger als in anderen von der Rechtsprechung des [X.] beanstandeten Fällen heimlicher Informationsgewinnung unter Ausnutzung begleitender be-lastender [X.] (vgl. [X.]St 34, 362; 44, 129; 52, 11; 53, 294) lie-gen auch hier Umstände vor, die zur Bewertung des Vorgehens als unfaire Vernachlässigung der zu achtenden [X.] führt. Im Einklang mit der Auffassung des [X.] ([X.]St 42, 139, 152; vgl. auch [X.]St 49, 56, 58) und in Übereinstimmung mit der die [X.] auf Art. 6 Abs. 1 [X.] stützenden Recht-sprechung des [X.] ([X.], 257; NJW 2008, 3549; 2010, 213) sieht der Senat durch die Anwendung von Zwang den Kernbereich der Selbstbelas-tungsfreiheit des Angeklagten als verletzt an. Zwar sind Verdeckte Ermittler berechtigt, unter Nutzung einer Legende selbstbelastende Äußerungen eines 23 - 10 - Beschuldigten entgegenzunehmen und an die Ermittlungsbehörden [X.]. Sie sind aber nicht befugt, in diesem Rahmen den Beschuldigten zu selbstbelastenden Äußerungen zu drängen ([X.]St 52, 11, 15 [X.]. 14; vgl. auch [X.] [X.], 225, 226). [X.]) Dem Angeklagten wurde ein Bild seiner Ehefrau beim Einsteigen in deren Pkw und ein Bild, eine ähnliche Frau in gleicher Position an einem ähnlichen Pkw zeigend, vorgelegt, um ihn eine Auswahl der zu tötenden Frau mittels der durch die beiden Bilder aufgebauten Alternative vornehmen zu lassen. Aufgrund des nachfolgenden Hinweises, falls der Angeklagte diese Auswahl nicht treffen wolle, würden —[X.] beide Frauen, vor deren [X.] zur Tötung bereite Täter stünden, getötet, ist der Angeklagte in einen [X.] hinsichtlich der Benennung der zu tötenden Frau versetzt worden. Dies ist mittels eines als Nötigung mit einem empfindlichen Übel im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB zu qualifizierenden Eingriffs in die Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung geschehen. 24 25 Solches setzt voraus, dass der Täter dem Opfer ein bestimmtes [X.] aufzwingt, ihn also gegen seinen Willen dazu veranlasst (Fischer, StGB 57. Aufl. § 240 [X.]. 4). Der Angeklagte war entgegenstehenden Wil-lens; er hatte in dem Gespräch sofort erklärt, über das Thema nicht sprechen zu wollen, nach Ausflüchten gesucht und sich in seinen Äußerungen nicht festgelegt. Der Hinweis, eine unbeteiligte Dritte könnte zu Tode kommen, stellte eine Drohung im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB (vgl. [X.]R StGB § 240 Abs. 1 Übel 1; [X.]. 37) gegenüber dem Angeklagten mit einem empfindlichen Übel dar (vgl. [X.] NStZ 1987, 222, 223). Auf dessen Verwirklichung für den Fall des Bedingungseintritts, der [X.], schrieb [X.] [X.]sich den erforderlichen Einfluss zu (vgl. [X.]St 16, 386, 387; [X.] 240 [X.]. 31). Es liegt auf der Hand, dass [X.] bei fort-gesetzter Weigerung der Identifizierung des —Tatopfersfi [X.] eine dem Ange-klagten bevorstehende Verantwortlichkeit für ein zweites, nicht gewolltes [X.] diesem als ein gewichtiger Nachteil erscheinen musste. - 11 - cc) Ein gewisses Indiz für eigene polizeiinterne Bedenken gegen das hier zu beanstandende Vorgehen liegt im Übrigen im Unterlassen des Einho-lens einer richterlichen Anordnung der beweissichernden akustischen Über-wachung des Besuchsgesprächs nach § 100f StPO. Es ist schwer nachvoll-ziehbar, dass eine solche [X.] im Gegensatz zu dem Gespräch des gleichsam selbsternannten —agent [X.]

mit dem Angeklagten auf dem [X.], dessen Verwertung der Beschwerdeführer nicht widersprochen hat [X.] nicht erfolgt ist. Entsprechend kam es auch vor-hersehbar zum Dissens über den Inhalt des nicht aufgezeichneten verdeck-ten Verhörs (vgl. [X.] f.). 26 e) Die Beeinträchtigungen der Rechte des Angeklagten gebieten die Annahme eines [X.]. 27 28 In Fällen von [X.] wird in den Kernbereich der grundrecht-lich und konventionsrechtlich geschützten [X.] eines [X.] ohne Rechtsgrundlage eingegriffen (vgl. [X.]St 52, 11, 17 f. [X.]. 20 und 22 m.w.[X.]; [X.] [X.], 257, 259). Der gravierende Rechts-verstoß kann nicht anders als durch Nichtverwertung des hierdurch gewon-nenen Beweismittels geheilt werden (vgl. auch [X.]St 51, 285, 291 [X.]. 23; 52, 11, 23 f. [X.]. 36; 53, 294, 304 ff. [X.]. 32 ff., [X.] in [X.] für [X.] [2001] S. 1259, 1262, 1265 ff.).
Der hier vorliegende Zwang zur Abgabe selbstbelastender Äußerun-gen im Rahmen eines verdeckten Verhörs wiegt nicht leichter als das Entlo-cken solcher Äußerungen unter Ausnutzung einer Vertrauensstellung nach angekündigter Inanspruchnahme des Schweigerechts (vgl. [X.]St 52, 11, 18 f. [X.]. 26; 21 [X.]. 33; 23 [X.]. 36; [X.] [X.], 225, 226) oder die [X.] eines Aushorchers in die Zelle eines Untersuchungsgefangenen ([X.]St 34, 362). Sie übertrifft sogar die Eingriffsintensität im Vergleich mit zielgerichtet für erwartete Selbstbelastungen geschaffene [X.] von der Recht-sprechung des [X.] mit einem Beweisverwertungsverbot [X.] - 12 - legte [X.] andere Ermittlungssituationen ([X.]St 53, 294, 304 ff.; vgl. auch [X.]St 40, 66, 72).
4. Nachdem das Schwurgericht seine Beweisführung tragend auf die Bekundungen des nicht offen ermittelnden Polizeibeamten gestützt hat, kann der Senat ein Beruhen des Urteils auf dem Verfahrensfehler nicht ausschlie-ßen. Die Sache bedarf neuer Aufklärung und Bewertung. Ein Durchentschei-den auf Freispruch [X.] entsprechend dem Antrag der Verteidigung [X.] scheidet aus. Eine die Verurteilung tragende Beweiswürdigung auch ohne die Aussa-ge des Zeugen [X.] [X.] erscheint unter den gegebenen [X.] ungeachtet der begründeten massiven Vorbehalte gegen den [X.] [X.]nicht von vornherein ausgeschlossen. 30 31 Das neu berufene Tatgericht wird die Frage, ob der Angeklagte [X.] eine zur Erfüllung des § 30 Abs. 2 StGB ausreichende hinreichend konkrete Annahme eines ihm vorgetäuschten Morderbietens durch [X.]erklärt hat, auf der Grundlage des verbleibenden Beweisstoffs zu klären ha-ben. Dabei wird es maßgeblich auch zu bedenken haben, inwiefern der An-geklagte unter den Begleitumständen gemeinsamer Haft an ein [X.] Geschäft mit [X.]über die entgeltliche Übernahme des Wohnheims
- 13 - geglaubt haben kann, und wird in diesem Zusammenhang auch die [X.] veranlassten Zahlung an [X.]zu würdigen haben. [X.]

Brause Schneider Bellay

Meta

5 StR 51/10

18.05.2010

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.05.2010, Az. 5 StR 51/10 (REWIS RS 2010, 6628)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6628

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 StR 51/10 (Bundesgerichtshof)

Verdecktes Verhör eines inhaftierten Beschuldigten: Verwertungsverbot bei Zwang zur Abgabe selbstbelastender Äußerungen


5 StR 251/02 (Bundesgerichtshof)


1 StR 169/00 (Bundesgerichtshof)


5 StR 18/10 (Bundesgerichtshof)


5 StR 495/00 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

5 StR 51/10

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.