Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.07.2010, Az. II ZR 160/09

2. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 4975

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Gegenstand

Widerruf eines Fonds-Beitritts: Anwendbarkeit der EWG-Haustürgeschäfte-Richtlinie und der Lehre über die fehlerhafte Gesellschaft


Tenor

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der [X.] beabsichtigt, die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] vom 3. Juni 2009 durch Beschluss nach § 552 a ZPO zurückzuweisen.

Der Streitwert wird auf 6.135,50 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Rechtsfrage, deretwegen das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat und zu der sich die Revisionsbegründung verhält, ist durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 15. April 2010 ([X.]/08, [X.], 772 ff.) geklärt und hat damit keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO mehr.

2

1. Es kann dahinstehen, ob der Beklagte in einer von § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG (jetzt: § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB) vorausgesetzten Situation beigetreten ist. Selbst wenn er seine Gesellschaftsbeteiligung widerrufen konnte, richten sich die Rechtsfolgen nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft und wird die Beteiligung nur ex nunc rückabgewickelt.

3

a) Der [X.] hat auf die Vorlagefragen des erkennenden Senats ausgeführt, dass die Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den [X.] im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen zwar auf den Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds in der Form einer Personengesellschaft anwendbar ist, wenn der Zweck des Beitritts nicht vorrangig darin besteht, Mitglied dieser Gesellschaft zu werden, sondern Kapital anzulegen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Fonds in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder einer OHG bzw. KG errichtet ist (acte claire). Der Gerichtshof stellt auf die Erklärung des Beitritts zum Zweck der Kapitalanlage ab; nach seiner Auffassung kommt es für die Frage der Anwendbarkeit der Richtlinie in erster Linie auf die Umstände des Vertragsschlusses und nicht auf die Rechtsform der Anlagegesellschaft an.

4

Die Richtlinie schließt es nach Ansicht des Gerichtshofs in diesen Fällen aber keineswegs aus, dass der Verbraucher gegebenenfalls gewisse Folgen tragen muss, die sich aus der Ausübung seines Widerrufsrechts ergeben ([X.], 772 [X.]. 45). Wie der Gerichtshof ausdrücklich festgestellt hat, darf das nationale Recht bei der Regelung der Rechtsfolgen des Widerrufs einen vernünftigen Ausgleich und eine gerechte Risikoverteilung zwischen den einzelnen Beteiligten herstellen (aaO [X.]. 48). Es ist insbesondere zulässig, dem widerrufenden Verbraucher und nicht den Drittgläubigern die finanziellen Folgen des Widerrufs des Beitritts aufzuerlegen, zumal diese an dem Vertrag, der widerrufen wird, nicht beteiligt waren (aaO [X.]. 49).

5

b) Die Ausführungen des Gerichtshofs zur Vereinbarkeit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft mit Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie gelten wegen der identischen Interessenlage bei einer Personenhandelsgesellschaft ebenso wie bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Entgegen der Auffassung der Revision schließt Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie damit auch nicht aus, die widerrufenden Verbraucher auf ihre [X.] gem. § 171 Abs. 1 HGB in Anspruch zu nehmen.

6

Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft trägt der Besonderheit des Gesellschaftsrechts Rechnung, dass - nachdem die Organisationseinheit erst einmal, wenn auch auf fehlerhafter Grundlage in Vollzug gesetzt worden ist - die Ergebnisse dieses Vorgangs, der regelmäßig mit dem Entstehen von Verbindlichkeiten verbunden ist, nicht ohne weiteres rückgängig gemacht werden können. Diese Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, der der fehlerhafte Gesellschaftsbeitritt gleichsteht ([X.]Z 26, 330, 334 ff.; [X.], 214, 221; [X.], Urteil vom 14. Oktober 1991 - II ZR 212/90, [X.], 490, 491; vom 2. Juli 2001 - [X.], [X.], 1364, 1366), gehört zum "gesicherten Bestandteil des Gesellschaftsrechts" ([X.]Z 55, 5, 8). Die gegenläufigen Interessen des [X.], der Mitgesellschafter und der Gläubiger der Gesellschaft werden gleichmäßig berücksichtigt. Darin liegt die Eigenheit der gesellschaftsrechtlichen Konstellation. [X.] der Aussagen der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft bzw. von dem fehlerhaften Betritt besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, der die Literatur einmütig folgt, darin, dass der [X.] - bis zum Austritt infolge der geltend gemachten Fehlerhaftigkeit durch Widerruf/Kündigung - Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten ist, und zwar sowohl im Innen- (siehe bereits [X.]Z 26, 330, 334) als auch im Außenverhältnis (so zu §§ 128 ff. HGB: [X.]Z 44, 235, 236; [X.], Urteil vom 12. Oktober 1983 - [X.], [X.], 512, 513; [X.]Z 177, 108 [X.]. 22; siehe zur Literatur [X.]/[X.], HGB 5. Aufl., § 130 Rn. 7 mwN). Ist der fehlerhaft Beigetretene bis zum Zeitpunkt seines Ausscheidens Kommanditist mit allen Rechten und Pflichten, ist er das auch in Bezug auf seine Außenhaftung nach § 171 HGB.

7

2. Sonstige Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht.

8

II. Die Revision hat auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg.

9

Dass die [X.] zur Befriedigung der Gläubiger der insolventen Fondsgesellschaft benötigt wird, steht nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts fest.

[X.]                               Strohn                                Caliebe

                  Reichart                               [X.]

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.

Meta

II ZR 160/09

12.07.2010

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Celle, 3. Juni 2009, Az: 9 U 171/08, Urteil

§ 312 BGB, § 171 Abs 1 HGB, Art 1 EWGRL 577/85, Art 5 Abs 2 EWGRL 577/85, Art 7 EWGRL 577/85, § 1 HTürGG, § 3 HTürGG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.07.2010, Az. II ZR 160/09 (REWIS RS 2010, 4975)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4975

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