Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.11.2021, Az. II R 39/19

2. Senat | REWIS RS 2021, 1029

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Gegenstand

Erbfall nach italienischem Recht


Leitsatz

Erwirbt ein inländischer Erbe nach italienischem Erbrecht, entsteht inländische Erbschaftsteuer mit dem Zeitpunkt des Todes des Erblassers und nicht erst mit der nach italienischem Recht notwendigen Annahme der Erbschaft durch den Erben.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 22.08.2019 - 10 K 1539/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) besitzt ausschließlich die [X.] Staatsangehörigkeit. Am 24.08.2015 verstarb ihr Vater, ein [X.]r Staatsangehöriger mit letztem Wohnsitz in [X.] und dort belegenem Nachlass. Die Klägerin, die zu jenem Zeitpunkt noch in der [X.] ([X.]) lebte, war aufgrund gesetzlicher [X.]rbfolge zu 1/3 als [X.] berufen. Sie informierte im November 2015 den Beklagten und [X.] (Finanzamt --[X.]--) über den Sachverhalt, aber auch darüber, dass sie die [X.]rbschaft noch nicht angenommen habe, wie es das [X.] Recht für einen [X.]rwerb erfordere.

2

Im September 2016 teilte die Klägerin mit, sie habe ihren Wohnsitz Anfang Juli 2016 in [X.] aufgegeben und sei nach [X.] verzogen. Danach habe sie in drei Teilakten am 19., 26. und 29.07.2016 in [X.] die Annahme der [X.]rbschaft erklärt. Auf Aufforderung des [X.] gab sie zwar eine [X.]rbschaftsteuererklärung ab, verwahrte sich aber gegen die [X.] Besteuerung. Das [X.] setzte mit Bescheid vom 12.04.2017 [X.]rbschaftsteuer fest und wies ihren [X.]inspruch am 24.07.2017 zurück. Die Steuer sei bereits am 24.08.2015 und damit zu einem Zeitpunkt entstanden, an dem die Klägerin einen inländischen Wohnsitz gehabt hätte.

3

In ihrer Klage vertrat die Klägerin weiterhin die Auffassung, der [X.]rbfall sei nicht in [X.] steuerpflichtig. Das Finanzgericht ([X.]) hat die Klage in diesem Streitpunkt abgewiesen. Der nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Alternative 3, Satz 2 Buchst. a des [X.]rbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes ([X.]rbStG) maßgebende Steuerentstehungszeitpunkt sei nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 [X.]rbStG der Zeitpunkt des Todes des [X.]rblassers, nicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a [X.]rbStG der Zeitpunkt der Annahme der [X.]rbschaft. Die Klägerin sei zwar gemäß Art. 459 Satz 1 des [X.]n Zivilgesetzbuches (Codice Civile --CC--) erst nach einem Zustand der Schwebe durch die konstitutiv wirkende Annahme der [X.]rbschaft [X.]rbin geworden. Die Annahme sei aber nicht als aufschiebende Bedingung zu qualifizieren. Sie wirke gemäß Art. 459 Satz 2 CC erbrechtlich auf den Zeitpunkt der [X.]röffnung der [X.]rbfolge zurück. Das sei nach Art. 456 CC der Todeszeitpunkt. Das Urteil des [X.] ist in [X.]ntscheidungen der Finanzgerichte ([X.][X.]) 2019, 1848 veröffentlicht.

4

Mit der Revision macht die Klägerin sinngemäß einen Verstoß gegen § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Alternative 3, Satz 2 Buchst. a [X.]rbStG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a [X.]rbStG geltend. [X.]in der [X.] 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und des § 9 Abs. 1 Nr. 1 [X.]rbStG vergleichbarer [X.]rwerb verlange einen Von-Selbst-[X.]rwerb, den das [X.] [X.]rbrecht nicht kenne. Der Tod des [X.]rblassers führe dort zunächst zu einer Schwebephase mit rechtsträgerlosem Nachlass. Der potentielle [X.]rbe sei nur zur [X.]rbschaft berufen und werde erst mit der Annahmeerklärung [X.]rbe. Die Annahme entspreche einer Bedingung i.S. des § 158 BGB und des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a [X.]rbStG. Maßstab der Rechtsvergleichung seien allein die tatbestandlichen Voraussetzungen der zu vergleichenden Rechtsfiguren, während die Rückwirkungsfiktion des [X.]n Zivilrechts die nicht maßgebende Rechtsfolgenebene betreffe. [X.]ine steuerliche Rückwirkung müsse ausdrücklich geregelt sein, woran es in § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a [X.]rbStG gerade fehle. [X.]s sei auch zu bedenken, dass Zweifel hinsichtlich der Qualifikation eines ausländischen [X.] zur Wahl der für den Steuerpflichtigen günstigeren Variante führen müsse.

5

Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil des Hessischen [X.] und den [X.]rbschaftsteuerbescheid der [X.] vom 12.04.2017 in Gestalt der [X.]inspruchsentscheidung vom 24.07.2017 aufzuheben.

6

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

[X.]s schließt sich der Auffassung des [X.] an und weist zudem darauf hin, dass der [X.]rblasser keine Bedingung gesetzt habe. Im Übrigen gebe es auch im [X.]n [X.]rbrecht rechtliche und wirtschaftliche Ungewissheiten, die das [X.] nicht aufweichten.

Entscheidungsgründe

II.

8

Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zurückzuweisen. Das [X.] hat zu Recht erkannt, dass der Erwerb der Klägerin als Erbin nach ihrem Vater der Erbschaftsteuer nach dem [X.] unterliegt. Die Steuer ist auf den Todestag des [X.] entstanden. Zu diesem [X.]punkt hatte die Klägerin wenigstens ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

9

1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.] unterliegt der Erbschaftsteuer der Erwerb von Todes wegen. Dazu gehört gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 [X.] u.a. der Erwerb durch Erbanfall [X.] von § 1922 [X.].

a) Nach § 1922 Abs. 1 [X.] geht mit dem Tode einer Person (Erbfall) deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über. Der Erbfall kann auf gesetzlicher (§§ 1924 bis 1936 [X.]) oder gewillkürter Erbfolge (§ 1937 [X.]) beruhen. Nach § 1942 Abs. 1 [X.] geht die Erbschaft auf den berufenen Erben unbeschadet des Rechts über, sie auszuschlagen (Anfall der Erbschaft). Der durch Ausschlagung bewirkte Anfall an den [X.] gilt als mit dem Erbfall erfolgt (§ 1953 Abs. 2 [X.]).

b) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 [X.] tritt Steuerpflicht für den gesamten [X.] (unbeschränkte Steuerpflicht) in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 [X.] ein, wenn u.a. der Erwerber zur [X.] der Entstehung der Steuer (§ 9 [X.]) ein Inländer ist. Als Inländer gelten nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a [X.] u.a. natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.

c) Die Steuer entsteht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 [X.] bei Erwerben von Todes wegen grundsätzlich mit dem Tode des Erblassers, jedoch für den Erwerb des unter einer aufschiebenden Bedingung Bedachten nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Alternative 1 [X.] mit dem [X.]punkt des Eintritts der Bedingung.

aa) Der Begriff der "Bedingung" in § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Alternative 1 [X.] knüpft an den zivilrechtlichen Begriff der Bedingung in § 158 Abs. 1 [X.] an (Urteil des [X.] --[X.]-- vom 22.01.2020 - II R 41/17, [X.], 460, [X.], 459, Rz 28). Bedingung [X.] des § 158 Abs. 1 [X.] ist die einem Rechtsgeschäft beigefügte Bestimmung, dass dessen Wirkungen von einem zukünftigen, ungewissen Ereignis abhängen ([X.]-Urteil vom 06.05.2020 - II R 11/19, [X.], 424, [X.], 746, Rz 14). Ob in § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Alternative 1 [X.] eine Beschränkung auf Bedingungen geboten ist, die der Erblasser gesetzt hat (so Urteil des [X.] --RFH-- vom 02.12.1930 - I e A 395/397/30, [X.] 1931, 122, 123), bedarf hier keiner Entscheidung.

bb) Wird ein Rechtsgeschäft unter einer aufschiebenden Bedingung vorgenommen, tritt nach § 158 Abs. 1 [X.] die von der Bedingung abhängig gemachte Wirkung mit dem Eintritt der Bedingung ex nunc ein. Der Eintritt der Bedingung hat [X.] ex tunc (Urteil des [X.] vom [X.], [X.], 69, unter [X.]). Solange die Bedingung nicht eingetreten ist, liegt die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts im Ungewissen bzw. schwebt ([X.]-Urteil in [X.], 424, [X.], 746, Rz 14). Die Parteien können nur schuldrechtlich nach § 159 [X.] die Folgen des Bedingungseintritts auf einen früheren [X.]punkt zurückbeziehen ([X.]/Bork (2020) [X.] § 159 Rz 6; [X.]/Armbrüster, [X.], 16. Aufl., § 159 Rz 1; MüKo[X.]/[X.], 8. Aufl., § 159 Rz 1; [X.] in: jurisPK-[X.], Aufl. 2020, § 159 [X.] Rz 8).

2. Vollzieht sich ein Erwerb von Todes wegen nach ausländischem Zivilrecht, kann er im Inland der Erbschaftsteuer unterliegen, soweit der [X.] in seiner wirtschaftlichen Bedeutung einem durch das [X.] erfassten Erwerb gleichkommt (vgl. [X.]-Urteil vom [X.], [X.], 216, [X.], 782, Rz 20 bis 23).

a) Soweit das [X.] auf Rechtsfiguren des Erbrechts Bezug nimmt, ist im Falle eines ausländischen Erbstatuts dessen Bedeutungsgehalt maßgebend. Entsprechen die Institutionen des ausländischen Erbrechts nicht denen des [X.] Erbrechts, ist anhand des [X.] Rechts zu prüfen, ob und welche Bedeutung den ausländischen Rechtsvorgängen bei der [X.] Besteuerung beizulegen ist. Maßgebend ist nicht die formale Gestaltung des ausländischen Rechts. Vielmehr müssen sowohl die Rechtsfolgen als auch das wirtschaftliche Ergebnis dem inländischen Tatbestand entsprechen. Stellt das [X.] bürgerliche Recht für das wirtschaftliche Ergebnis des nach ausländischem Recht verwirklichten Sachverhalts mehrere Strukturen zur Verfügung, greift die mildere Besteuerung (vgl. [X.] in [X.] 1931, 122; [X.]-Urteil in [X.], 216, [X.], 782, Rz 23, 28).

b) In die rechtsvergleichende Qualifikation sind die Rechtsfolgen von Vorschriften einzubeziehen. Diese bestimmen den rechtlichen und wirtschaftlichen Gehalt eines [X.]. Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Rechtsvorschrift allein sagen über Inhalt und Bedeutung der Vorschrift nichts aus (vgl. bereits [X.]-Urteile vom 15.05.1964 - II 177/61 U, [X.], 481, [X.]I 1964, 408, sowie vom 07.05.1986 - II R 137/79, [X.], 70, [X.] 1986, 615, jeweils zur Rechtsstellung eines ausländischen Vermögensverwalters im Vergleich zum Testamentsvollstrecker). Das [X.]-Urteil vom 08.06.1988 - II R 243/82 ([X.], 422, [X.] 1988, 808) hat diese [X.] nicht geändert. Soweit der [X.] dort möglicherweise missverständlich geäußert hat, in dem ausländischen Sachverhalt müssten die "Voraussetzungen" des inländischen [X.] (z.B. für eine aufschiebende Bedingung) erfüllt sein, waren damit nicht allein die tatbestandlichen Voraussetzungen, sondern alle gesetzlichen Merkmale der Vorschrift einschließlich der Rechtsfolgen gemeint, denn der [X.] hatte zugleich die wirtschaftliche Bedeutung des ausländischen [X.] weiterhin für maßgebend erachtet.

c) Diese allgemeinen rechtsvergleichenden Grundsätze gelten nicht nur für den Erwerbstatbestand selbst, sondern auch für die Bestimmung des Steuerentstehungszeitpunkts und die Beantwortung der damit zusammenhängenden Frage, ob ein Rechtsinstitut des ausländischen Rechts einer aufschiebenden Bedingung [X.] des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Alternative 1 [X.] entspricht. Entscheidend ist demnach, ob die Rechtsfolgen und das wirtschaftliche Ergebnis dieses [X.] denen der aufschiebenden Bedingung nach [X.]m Recht entsprechen. Die rechtsvergleichende Betrachtung kann damit nicht auf die tatbestandlichen Voraussetzungen der Bedingung nach § 158 Abs. 1 [X.] beschränkt werden.

d) [X.] ist für die rechtsvergleichende Qualifikation zu differenzieren. Nach § 155 Satz 1 [X.]O i.V.m. § 293 der Zivilprozessordnung (ZPO) ist es Aufgabe des [X.] als Tatsacheninstanz, das maßgebende ausländische Recht von Amts wegen zu ermitteln (vgl. etwa [X.]-Urteile vom 22.03.2018 - X R 5/16, [X.]E 261, 132, [X.] 2018, 651, Rz 22, und vom [X.] - I R 33/16, [X.]/NV 2020, 201, Rz 53). Die Feststellungen über Bestehen und Inhalt des ausländischen Rechts sind nach § 155 Satz 1 [X.]O i.V.m. § 560 ZPO grundsätzlich bindend und revisionsrechtlich wie Tatsachen zu behandeln (vgl. im Einzelnen [X.]-Urteil in [X.]E 261, 132, [X.] 2018, 651, Rz 23). Hingegen besteht keine revisionsrechtliche Bindung hinsichtlich der Frage, ob das vom [X.] festgestellte ausländische Recht im Einzelfall mit dem inländischen Recht vergleichbar ist. Dies ist eine auf den Inhalt des ausländischen Rechts und damit auf die Feststellungen des [X.] gestützte Rechtsanwendung.

3. Für den Erwerb eines Erben nach [X.] Erbrecht entsteht inländische Erbschaftsteuer mit dem [X.]punkt des Todes des Erblassers und nicht erst mit der Annahme durch den Erben. Der [X.] kann für diese Beurteilung Text und Inhalt der maßgebenden Vorschriften des [X.] zugrunde legen. Die diesbezüglichen Feststellungen des [X.] reichen aus und sind für sich genommen auch nicht angegriffen.

a) Der Erbschaftserwerb nach Art. 456 ff. [X.] ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 [X.] steuerbar. Er ist als Erbanfall [X.] des § 1922 [X.] zu qualifizieren.

aa) Der Erwerb aufgrund eines ausländischen Erbstatuts kann dem Anfall der Erbschaft nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 [X.] i.V.m. § 1922 [X.] entsprechen, wenn nach dem maßgebenden ausländischen Recht der Tod einer Person unmittelbar kraft Gesetzes zu einer Gesamtrechtsnachfolge in ihr Vermögen führt. Auf Unterschiede im Detail kommt es nicht an (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 216, [X.], 782, Rz 29 f.). Erbanfall kann aber auch ein Erwerb sein, dessen Wirksamkeit rechtsgeschäftlicher Erklärungen bedarf, so wie es im [X.] Recht beim Erwerb des testamentarischen, des durch Ausschlagung berufenen sowie des [X.] ist (§§ 1937, 1953, 1941 [X.]).

bb) Nach diesen Maßstäben tritt bei einem Erbfall nach [X.] Erbrecht mit der Annahme ein Erwerb durch Erbanfall [X.] von § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 [X.] ein. Es handelt sich um eine vergleichbare Vermögensnachfolge. Gemäß Art. 456 [X.] wird die Erbfolge im [X.]punkt des Todes am Ort des letzten Domizils des Verstorbenen eröffnet. Nach Art. 457 [X.] erfolgt die Berufung zur Erbschaft durch Gesetz oder durch Testament, nach Art. 459 [X.] der Erwerb der Erbschaft durch Annahme. Zwar kann wegen der Annahmebedürftigkeit der Erwerb im [X.] Erbrecht nicht allein kraft Gesetzes stattfinden. Die Annahme bewirkt jedoch auch keinen Erwerb allein kraft Rechtsgeschäfts, sondern stellt nur ein neben andere Erwerbsvoraussetzungen tretendes rechtsgeschäftliches Element dar.

b) Entstehungszeitpunkt der Steuer ist nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 [X.] der Tod des Erblassers. Die Annahme der Erbschaft nach [X.] Recht ist nicht als aufschiebende Bedingung entsprechend § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Alternative 1 [X.] i.V.m. § 158 Abs. 1 [X.] zu qualifizieren, sondern als rückwirkendes Ereignis entsprechend § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung.

aa) Es ist rechtliches und wirtschaftliches Wesensmerkmal der Bedingung, dass das bedingte Rechtsgeschäft seine Wirkung erst mit Eintritt der Bedingung ex nunc entfaltet. Im Falle der aufschiebend bedingten Erbeinsetzung wird der Erbe erst mit Eintritt der Bedingung ex nunc Eigentümer des Nachlasses. Hierin liegt der innere Grund für den Aufschub der Steuerentstehung in § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] ([X.] vom 24.09.1935 - III e A 37/35, [X.] 38, 225, 231).

bb) Die Erbschaftsannahme nach Art. 459 [X.] ist der Bedingung rechtlich und wirtschaftlich nicht vergleichbar. Die Erbschaft wird zwar erst mit der Annahmeerklärung erworben, sie wirkt aber nach Art. 459 Satz 2 [X.] ex tunc auf den [X.]punkt der Eröffnung der Erbfolge zurück. [X.] fällt die Erbschaft daher mit dem [X.]punkt des Erbfalls an.

cc) Dieses Ergebnis lässt keine [X.] erkennen.

Allein der Umstand, dass wie im Falle der Bedingung ein Schwebezustand existiert, bewirkt keine Vergleichbarkeit. Entscheidend ist, dass die Beendigung des Schwebezustands unterschiedliche Rechtswirkungen zeitigt - im Falle der Bedingung allein für die Zukunft, im Falle der Annahmeerklärung rückwirkend auch für die Schwebephase.

Unerheblich ist, dass eine zivilrechtliche Rückwirkung an einem tatsächlichen Geschehensablauf nichts ändert und deshalb für eine an den realen Sachverhalt anknüpfende Besteuerung keine Bedeutung hat (vgl. dazu [X.]-Urteil vom 27.04.2005 - II R 52/02, [X.]E 210, 507, [X.] 2005, 892, unter [X.]), denn die Besteuerung des [X.] knüpft an einen Rechtsvorgang an.

Für den Streitfall ist schließlich die Frage nicht entscheidend, ob nach [X.] Erbrecht eine Annahme mit Wirkung für einen bereits Verstorbenen erklärt werden könnte. Auch nach [X.]m Recht kann im Übrigen der Erbe nach § 1952 Abs. 2 [X.] die Erbschaft ausschlagen und so dem Erben nach dessen Tode die Erbschaft entziehen.

dd) Der Grundsatz, dass bei mehreren zur Verfügung stehenden Strukturen des [X.] Rechts die mildere Besteuerung gelten müsse, ändert an dieser Beurteilung nichts. Der Erbschaftserwerb durch Annahme nach [X.] Recht lässt sich nicht wahlweise als bedingter oder unbedingter Erwerb qualifizieren, sondern ist eindeutig kein bedingter Erwerb.

4. Nach diesen Maßstäben hat das [X.] zu Recht erkannt, dass die Annahmeerklärungen der Klägerin bezüglich des Nachlasses ihres [X.] auf dessen Todestag, den 24.08.2015, zurückwirkten und die Erbschaftsteuer an jenem Tage entstanden ist. Zu diesem [X.]punkt war die Klägerin noch unbeschränkt steuerpflichtig, da sie zumindest ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte. Die Bewertung des Nachlasses sowie die weiteren Parameter der Besteuerung stehen nicht im Streit.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

II R 39/19

17.11.2021

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 22. August 2019, Az: 10 K 1539/17, Urteil

§ 1 Abs 1 Nr 1 ErbStG 1997, § 2 Abs 1 Nr 1 ErbStG 1997, § 3 Abs 1 Nr 1 ErbStG 1997, § 9 Abs 1 Nr 1 Buchst a ErbStG 1997, § 158 BGB, § 159 BGB, § 1922 BGB, § 1937 BGB, § 1941 BGB, § 1942 BGB, § 1952 BGB, § 1953 BGB, Art 456 CC ITA, Art 457 CC ITA, Art 459 CC ITA, § 175 Abs 1 S 1 Nr 2 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.11.2021, Az. II R 39/19 (REWIS RS 2021, 1029)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 1029

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