Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2005, Az. XII ZB 33/04

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 3634

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[X.][X.]/04
vom 11. Mai 2005 in der Familiensache

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

BGB § 1671 Abs. 2 Nr. 2 Zur Frage, inwieweit die Uneinigkeit der Eltern über die religiöse Erziehung des Kindes die Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil allein [X.]. [X.], Beschluß vom 11. Mai 2005 - [X.] 33/04 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 11. Mai 2005 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und [X.], [X.], Prof. Dr. Wagenitz und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluß des 2. Zivilsenats - Familiensenat - des [X.] vom 14. Januar 2004 aufgehoben. Die Sache wird zu erneuter Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des [X.] - an das [X.] zurückverwiesen. Wert: 3.000 •

Gründe: [X.] Die Parteien streiten um die elterliche Sorge für ihren gemeinsamen Sohn [X.] Sandro Habib H. , geboren am 12. April 2002. [X.] (Antragstellerin) ist [X.] Staatsangehörige und katho-lisch; der Vater (Antragsgegner) ist [X.] Staatsangehöriger und dem Islam zugehörig. Das Amtsgericht hat durch Verbundurteil vom 17. Juli 2003 die Ehe der Parteien geschieden (insoweit rechtskräftig) und die elterliche Sorge für das Kind der Mutter übertragen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das - 3 - [X.] zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Vater sein Begehren, es bei der gemeinsamen Sorge für das Kind zu belassen, weiter. I[X.] Das Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.]. 1. Nach Auffassung des [X.]s entspricht die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf die Mutter dem Wohl des Kindes am besten. Das [X.] stützt sich dabei auf die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts, die unverändert fortgelten würden. Die Parteien seien heftig zerstritten; eine Kommunikation finde zwischen ihnen nicht mehr statt. [X.] seien die Parteien über die religiöse Erziehung des Kindes uneins. Während die Mutter das Kind taufen lassen und im [X.] erziehen möchte, wolle der Vater diese Entscheidung zu einem späte-ren Zeitpunkt dem Kind vorbehalten. Solange könne indes nicht zugewartet werden; denn die Vermittlung einer glaubensmäßigen Grundeinstellung sei eine der grundlegenden Erziehungsaufgaben der Eltern. Ethische Wertvorstellungen trügen wesentlich zur charakterlichen Entwicklung eines Kindes, insbesondere zu seinem Sozialverhalten, bei. Schon dies mache es notwendig, daß das Kind in diesem Bereich eine feste Orientierung erhalte. Deshalb sei es erforderlich, der Mutter das alleinige Sorgerecht zu übertragen, damit sie über die Religions-zugehörigkeit des Kindes abschließend entscheiden könne. Insoweit sei zu be-achten, daß das Kind [X.] in einem christlich geprägten Umfeld aufwachse und auch das Kind aus erster Ehe der Mutter, zu dem [X.] aufgrund eines von der - 4 - Mutter an den Wochenenden ausgeübten Umgangsrechts Kontakt habe, katho-lisch erzogen werde. 2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. a) Leben die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern, wie hier, nicht nur vo-rübergehend getrennt, ist gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB einem Elternteil auf seinen Antrag - auch ohne Zustimmung des anderen Elternteils - die elterliche Sorge allein zu übertragen, wenn dies dem Kindeswohl am besten entspricht. Diese Regelung bedeutet nicht, daß dem Fortbestand der gemeinsamen Sorge ein Vorrang vor der [X.] eines Elternteils eingeräumt wird. Ebensowenig besteht eine gesetzliche Vermutung dafür, daß die gemeinsame Sorge im Zwei-fel die beste Form der Wahrnehmung der elterlichen Verantwortung ist. Einer solchen Regelung stünde, wie der Senat dargelegt hat, bereits entgegen, daß sich elterliche Gemeinsamkeit in der Realität nicht verordnen läßt (Senatsbe-schluß vom 29. September 1999 - [X.] 3/99 - FamRZ 1999, 1646, 1647). Wenn sich die Eltern bei Fortbestehen der gemeinsamen Sorge fortwährend über die das Kind betreffenden Angelegenheiten streiten, kann dies zu Bela-stungen führen, die mit dem Wohl des Kindes nicht vereinbar sind. In solchen Fällen, in denen die gemeinsame elterliche Sorge praktisch nicht "funktioniert" und es den Eltern nicht gelingt, zu Entscheidungen im Interesse des Kindes zu gelangen, ist, wie der Senat (aaO) weiter ausgeführt hat, der [X.] eines Elternteils gegenüber dem Fortbestand der gemeinsamen Sorge der Vorzug zu geben. Die Übertragung der [X.] setzt allerdings konkrete tatrichterliche Feststellungen voraus, aus denen sich ergibt, daß diese Voraussetzung vorliegt und die Übertragung der [X.] auf einen Elternteil erfordert. Formelhafte Wendungen, nach denen den Eltern die Kontakt- und Kooperationsbereitschaft fehlt, können das Ergebnis solcher Feststellungen zwar zusammenfassen; sie können aber solche Feststellungen nicht ersetzen. Ebenso wenig entheben sie - 5 - den Tatrichter der gebotenen Prüfung, ob dem Wohl des Kindes nicht in glei-cher oder vergleichbarer Weise auch durch Maßnahmen Rechnung getragen werden kann, die weniger in das Elternrecht einschneiden als der mit der Über-tragung der [X.] auf den einen Elternteil einhergehende Entzug des Sorgerechts des anderen Elternteils. b) Das Oberlandsgericht hat keine konkreten Tatsachen festgestellt, aus denen sich ergibt, daß die Übertragung der [X.] auf die Mutter im vorlie-genden Fall geboten ist. Der vom Amtsgericht angeführte Umstand, daß die Parteien "tief zerstrit-ten" seien, besagt noch nichts über deren Unfähigkeit, in Angelegenheiten ihres gemeinsamen Kindes zu gemeinsamen kindeswohlverträglichen Lösungen zu gelangen. Die Annahme des [X.]s, eine Kommunikation finde zwischen den Parteien (schlechthin) nicht mehr statt, wird durch die vom [X.] in Bezug genommenen Feststellungen des Amtsgerichts nicht getragen und auch sonst durch keine konkreten Tatsachen belegt. Auch die Meinungsverschiedenheit der Eltern über die religiöse Erzie-hung des Kindes ist - jedenfalls für sich genommen - nicht angetan, die Allein-sorge der Mutter als die für das Kindeswohl beste Lösung erscheinen zu [X.]. Zwar ist es eine wichtige Aufgabe der Eltern, ihrem Kind ethische Wertvor-stellungen zu vermitteln und es zu einem angemessenen Sozialverhalten zu erziehen. Dies kann, muß aber nicht notwendig durch eine frühzeitige und feste Orientierung in einem bestimmten Glauben oder an einer bestimmten [X.] erfolgen. Zudem könnte dem Anliegen, das Kind - etwa im Hinblick auf seine vom [X.] betonte christlich-katholische Umgebung - bereits [X.] zu lassen, durch eine Entscheidung nach § 1628 BGB Rechnung getragen werden. Daß der Vater sich darüber hinaus der Integration des Kindes in seine - 6 - [X.] Umgebung widersetzt, ist nicht festgestellt. Das amtsgerichtliche Ur-teil gibt insoweit nur bestrittene Behauptungen der Mutter wieder. Das gilt auch für das angebliche Verbot des Genusses von Schweinefleisch, das in der [X.] Entscheidung als unstreitig behandelt, in dem darin ausdrücklich in Bezug genommenen amtsgerichtlichen Urteil aber als streitig dargestellt wird (vgl. insoweit [X.] Urteil vom 9. März 2005 - [X.] - zur Veröffentli-chung bestimmt). Im übrigen könnten auch solche weitergehenden ("Alltags-") Probleme, die in der unterschiedlichen religiösen Ausrichtung der Eltern [X.] sind, durch eine Teilübertragung des Sorgerechts gelöst werden. Einer generellen Übertragung der [X.] auf die Mutter bedarf es dazu nicht. Der Umstand, daß das Kind der Mutter aus erster Ehe, mit dem die Mutter am [X.] hat und das deshalb auch zum Kind [X.] Kontakte unter-hält, katholisch erzogen wird, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Hahne [X.] [X.] Wagenitz [X.]

Meta

XII ZB 33/04

11.05.2005

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2005, Az. XII ZB 33/04 (REWIS RS 2005, 3634)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 3634

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