Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.07.2014, Az. 3 StR 262/14

3. Strafsenat | REWIS RS 2014, 4178

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 262/14
vom
10. Juli 2014
in der Strafsache
gegen

wegen
schweren Bandendiebstahls
u.a.

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Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] -
zu 2. auf
dessen Antrag -
am 10.
Juli 2014 gemäß § 349 Abs.
2 und 4 [X.] einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 11.
November 2013 im Ausspruch über die Verfallsentscheidung aufgehoben; dieser entfällt.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tra-gen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren Bandendieb-stahls in zehn Fällen und wegen versuchten schweren Bandendiebstahls in zwei Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten [X.] sich der Beschwerdeführer mit seiner auf zwei Verfahrensbeanstandungen sowie die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen, geringfügigen Teilerfolg, im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 [X.].
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1. Die Verfahrensrügen dringen nicht durch.
a) Die Beanstandung, die [X.] habe gegen die §§ 200, 201 [X.] sowie gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen, weil sie dem Angeklagten am zweiten Hauptverhandlungstag keine Übersetzung der Anklageschrift in einer für ihn verständlichen Sprache ([X.]) überlassen, son-dern ihn auf die mündliche Übersetzung der Anklageschrift verwiesen und zu-dem einen Antrag, ihm eine in die Sprache [X.] übersetzte Anklageschrift auszuhändigen sowie das Verfahren bis zur Übergabe der übersetzten Anklage auszusetzen, unter Hinweis auf eine mehrere Stunden dauernde Unter-brechung zurückgewiesen habe, ist jedenfalls unbegründet.
Allerdings hatte der Angeklagte nach Art. 6 Abs. 3 Buchst. a) [X.] das Recht, innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihm verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden. Dieses Recht beinhaltet für den der [X.] nicht hinreichend mächtigen Beschuldigten grundsätzlich die Übersendung [X.] der Anklageschrift in einer für ihn verständlichen Sprache; dies hat in aller Regel schon vor der Hauptverhandlung zu geschehen. Auch die Überlassung der in die [X.] übersetzten Anklageschrift war deshalb -
ungeachtet des Umstands, dass der Angeklagte diese Sprache eben-falls nicht beherrschte -
grundsätzlich zu spät. Die mündliche Übersetzung ge-nügt nur in Ausnahmefällen, namentlich dann, wenn der Verfahrensgegenstand tatsächlich und rechtlich einfach zu überschauen ist ([X.]/[X.], [X.], 57. Aufl., Art. 6 [X.] Rn.
18 mwN). Durch Gesetz zur Stärkung der [X.] von Beschuldigten im Strafverfahren vom 2. Juli 2013 ([X.] I, S. 1938) ist zudem zur Umsetzung der Richtlinie 2010/64/[X.] des [X.] und des Rates vom 20. Oktober 2010 über das Recht auf Dolmet-2
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scherleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren § 187 [X.] geändert worden. Die in Art. 3 der Richtlinie enthaltene inhaltliche Konkretisierung des Anspruches eines der Sprache des Strafverfahrens nicht mächtigen Beschul-digten auf schriftliche Übersetzung aller für seine Verteidigung und zur Gewähr-leistung eines fairen Verfahrens wesentlichen Unterlagen findet danach nun-mehr in § 187 Abs.
2 Satz
1 [X.] dahin ihren Niederschlag, dass in der Regel die schriftliche Übersetzung von freiheitsentziehenden Anordnungen sowie von Anklageschriften, Strafbefehlen und nicht rechtskräftigen Urteilen für die Aus-übung der strafprozessualen Rechte des Beschuldigten erforderlich ist. An die Stelle der schriftlichen Übersetzung kann nach §
187 Abs.
2 Satz 4 [X.] zwar eine mündliche Übersetzung oder eine mündliche Zusammenfassung treten, wenn dadurch die strafprozessualen Rechte des Beschuldigten gewahrt wer-den, was nach §
187 Abs.
2 Satz
5 [X.] regelmäßig der Fall sein soll, wenn der Beschuldigte einen Verteidiger hat (kritisch zu dieser Regelung [X.], [X.], 442, 445). Insoweit hatte der Gesetzgeber indes vor allem die Über-setzung von Urteilen im Blick; die Verpflichtung zur schriftlichen Urteilsüberset-zung sollte in der Regel dann nicht greifen, wenn eine effektive Verteidigung des nicht ausreichend sprachkundigen Angeklagten dadurch ausreichend ge-währleistet wird, dass der von Gesetzes wegen für die Revisionsbegründung verantwortliche Rechtsanwalt das schriftliche Urteil kennt (BT-Drucks. 17/12578, S. 12 mwN). Geht es um die Übersetzung der Anklageschrift, ist die Verfahrenslage aber eine andere, weil durch die Mitteilung der Anklageschrift gerade die durch Art. 6 Abs. 3 Buchst. a) [X.] gewährleistete Information des Beschuldigten über den Tatvorwurf "in allen Einzelheiten" bewirkt werden soll. Auch die Erklärungsrechte des § 201 Abs. 1 Satz 1 [X.] werden möglicher-weise beschnitten, wenn der Angeschuldigte über den [X.] nicht umfassend und zeitnah unterrichtet wird.
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Es kann im Ergebnis indes offen bleiben, ob das Vorgehen des Vorsit-zenden der [X.] gemessen an diesen Maßstäben rechtsfehlerfrei war. Denn der [X.] kann jedenfalls ausschließen, dass das Urteil, das nach 23 weiteren Hauptverhandlungstagen ergangen ist, in denen zu den Tatvorwürfen umfassend Beweis erhoben, der Sachverhalt somit umfassend aufgeklärt [X.] ist und der Angeklagte die ihm zur Last gelegten Taten am letzten [X.] auf Drängen seiner Verteidigung gestanden hat, auf einem etwaigen Informationsdefizit am zweiten Hauptverhandlungstag beruht, das durch die Ablehnung der Anträge der Verteidigung aufgetreten sein könnte.
b) [X.] der Verletzung des § 338 Nr. 3 [X.] durch die rechtsfehler-hafte Verwerfung eines Befangenheitsantrages als unzulässig ist ebenfalls un-begründet.
Der Beanstandung liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde: Nachdem die [X.] mit einem in der Hauptverhandlung verkündeten Beschluss das Verfahren gegen einen früheren Mitangeklagten entgegen dem Widerspruch der Verteidigung des Angeklagten am 14. Hauptverhandlungstag abgetrennt hatte, lehnte dieser "die Mitglieder der Kammer" wegen Besorgnis der Befangenheit ab und begründete dies damit, dass "die gesamte Kammer" den Beschluss nach [X.] gefällt habe, durch den sie den früheren Mitangeklagten zu einem Zeugen gegen den Angeklagten gemacht habe. Die [X.] verwarf das Gesuch durch die abgelehnten [X.] als unzuläs-sig, weil die Ablehnung eines Kollegialorgans als Ganzes unzulässig sei.
Dieses Vorgehen begegnet zwar rechtlichen Bedenken, weil die Begrün-dung des Gesuchs, die zur Auslegung des Begehrens des Angeklagten heran-zuziehen ist, hier ergibt, dass sich der Angeklagte nicht gegen ein Kollegialor-gan als Ganzes, sondern gegen alle [X.] eines solchen Organs wandte, die 5
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an einem bestimmten Beschluss mitgewirkt hatten. Ein solcher Befangenheits-antrag ist grundsätzlich zulässig ([X.], Urteil vom 16. Dezember 1969 -
5 StR 468/69, [X.]St 23, 200, 202; aA [X.]/[X.], aaO, § 24 Rn.
3).
Dies gefährdet den Bestand des Urteils jedoch nicht, denn das [X.] hätte das Gesuch jedenfalls deshalb nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 [X.] als unzulässig verwerfen müssen, weil dessen Begründung aus zwingenden recht-lichen Gründen zur Rechtfertigung eines [X.] völlig ungeeignet war; ein solcher Fall steht dem gänzlichen Fehlen einer Begründung nach §
26a Abs. 1 Nr.
2 [X.] gleich ([X.], Beschluss vom 25. April 2006 -
3 [X.], [X.], 644, 645 mwN). Bei der Prüfung, ob die für eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit gegebene Begründung in dem genannten Sinne völlig ungeeignet ist, muss allerdings Art. 101 Abs.
1 Satz
2 GG in den Blick genommen werden, weil von der richterlichen Beurteilung des [X.]s als zulässig oder unzulässig die Zusammensetzung der [X.]-bank abhängt: Während im Regelfall des Verfahrens nach § 27 [X.] der abge-lehnte [X.] nicht mitwirkt (§ 27 Abs. 1 aE [X.]), scheidet er im Falle der Zurückweisung als unzulässig nicht aus (§
26a Abs. 2 Satz 1 [X.]). Die Vor-schrift des § 26a [X.] ist deshalb eng auszulegen ([X.], Beschluss vom 2.
Juni 2005 -
2 BvR 625/01 und 2 [X.], [X.], 3410). Eine Be-gründung ist danach u.a. dann nicht völlig ungeeignet, wenn der abgelehnte [X.] zur Prüfung des [X.] sein eigenes Verhalten beurteilen und somit eine Entscheidung in eigener Sache treffen muss ([X.] aaO).
So verhielt es sich hier indes nicht. Der Angeklagte begründete das Ab-lehnungsgesuch damit, dass die abgelehnten [X.] an einer vorangegange-nen Entscheidung, dem [X.], mitgewirkt hatten. Ein [X.], das lediglich damit begründet wird, der [X.] sei an einer Vor-
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oder Zwischenentscheidung beteiligt gewesen, ist jedoch auch eingedenk des strengen [X.] nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 [X.] als unzulässig zu verwerfen. Da die Beteiligung an
solchen Entscheidungen im selben und in an-deren damit zusammenhängenden Verfahren von der Strafprozessordnung ausdrücklich vorgesehen ist, kann sie als solche aus normativen Gründen die Besorgnis der Befangenheit nicht begründen. Ein allein darauf gestütztes Ab-lehnungsgesuch ist aus zwingenden rechtlichen Gründen völlig ungeeignet, ein Ablehnungsgesuch zu rechtfertigen ([X.], Urteil vom 29. Juni 2005 -
5 [X.], [X.]R [X.] § 26a Unzulässigkeit 14 mwN; [X.], Beschluss vom 20.
März 2007 -
2 BvR 1730/06, juris Rn.
50). Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn besondere Umstände hinzutreten, die über die Befassung mit ei-ner Vor-
oder Zwischenentscheidung als solche hinausgehen, etwa bei damit verbundenen unnötigen und sachlich nicht gerechtfertigten Äußerungen des [X.]s über den Angeklagten (vgl. [X.] aaO; [X.] aaO, Rn.
52).
Solche Besonderheiten im Verhalten der abgelehnten [X.] sind von dem Ablehnungsgesuch nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich. Dass dem ehemaligen Mitangeklagten nach der Abtrennung in dem Verfahren gegen den verbleibenden Angeklagten formal eine Zeugenstellung zukam, war die zwingende Folge der Abtrennung und vermag damit für sich genommen eine Befangenheit nicht zu begründen. Außer der pauschalen Wertung, die Ab-trennung sei "willkürlich" erfolgt, werden konkrete Umstände, die eine solche Wertung oder auch nur das Beruhen der Abtrennung auf sachfremden Erwä-gungen begründen könnten, nicht dargelegt. Im Übrigen wird in dem [X.] umfänglich das Einlassungsverhalten des ehemaligen [X.] wiedergegeben und es werden Mutmaßungen dazu angestellt, wie die [X.] damit in dem weiteren Verfahren umgehen und welchen -
"abge-speckten" -
Maßstab sie für eine Glaubwürdigkeitsprüfung anlegen werde; tat-11
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sächliche Verhaltensweisen der Kammermitglieder und der [X.], die diese Mutmaßungen belegen könnten oder aus anderen Gründen ein für den Ange-klagten nachteiliges Vorgehen der abgelehnten [X.] nahe legen oder nur möglich erscheinen lassen könnten, teilt das Ablehnungsgesuch nicht mit. [X.] blieb als Ablehnungsgrund allein die Mitwirkung an der Abtrennungsent-scheidung, die indes aus zwingenden rechtlichen Gründen die Ablehnung nicht rechtfertigen kann; es lag mithin eine völlig ungeeignete Begründung des Ab-lehnungsgesuchs vor.
Nach alledem war das Ablehnungsgesuch gemäß § 26a Abs. 1 Nr.
2 [X.] als unzulässig zu verwerfen; der [X.] konnte im Revisionsverfahren den [X.] innerhalb des § 26a Abs.
1 [X.] austauschen ([X.],
Beschluss vom 25. April 2006 -
3 [X.], [X.], 644, 646; [X.]/[X.], aaO, § 26a Rn.
11 mwN).
2. Die umfassende Überprüfung des Urteils auf die allgemein erhobene Sachrüge hat zum Schuldspruch und zum Strafausspruch keinen Rechtsfehler zu Ungunsten des Angeklagten ergeben. Die Anordnung des Verfalls kann [X.] keinen Bestand haben, weil das [X.] offenbar den Anteil des [X.] vom 12. Oktober 2012 für verfallen erklären wollte und dabei nicht bedacht hat, dass der Verfallsanordnung zwingend Rückforde-rungsansprüche der Geschädigten im Sinne von § 73 Abs.
1 Satz
2 StGB ent-gegenstehen.
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Aufgrund des geringfügigen Teilerfolgs erscheint es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 [X.]).
Becker [X.]

Mayer

Gericke Spaniol
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Meta

3 StR 262/14

10.07.2014

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.07.2014, Az. 3 StR 262/14 (REWIS RS 2014, 4178)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4178

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