Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.09.2013, Az. 5 StR 318/13

5. Strafsenat | REWIS RS 2013, 3100

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Gegenstand

Revision in Strafsachen: Verfahrensrüge wegen unterlassener Mitteilung einer sog. Sanktionsschere vor einer Verständigung


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 5. März 2013 wird verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

– Von Rechts wegen –

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in vier Fällen, Besitzes kinderpornographischer Schriften sowie öffentlichen Zugänglichmachens kinderpornographischer Schriften in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt und hierauf gut sieben Monate Auslieferungshaft in [X.] im Maßstab 1:2 angerechnet. Die auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten bleibt erfolglos.

2

1. Mit der Verfahrensrüge wird „ein Verstoß gegen § 257c [X.]“ geltend gemacht. Nach dem (durch das [X.] belegten) [X.] sei dem Angeklagten „bei einem voll umfassenden Geständnis … im Sinne der Anklage“ lediglich „eine [X.] von drei Jahren und neun Monaten“ zugesichert, nicht aber eine Strafobergrenze „für den Fall des Bestreitens“ genannt worden. Die [X.] hat keinen Erfolg.

3

a) Zu ihrer Begründung wird ausgeführt, ein Angeklagter könne „seinen strafprozessualen Vorteil für den Fall eines Geständnisses nur erkennen, wenn (er) die sogenannte Sanktionsschere zwischen der Untergrenze im geständigen Fall und der Obergrenze im Bestreitensfalle vor Augen“ habe.

4

Der Senat kann offen lassen, ob das [X.] nach dem Inkrafttreten des [X.] im Strafverfahren vom 29. Juli 2009 eine derartige Strafobergrenze überhaupt hätte nennen dürfen (zu dieser Frage s. [X.] in [X.], [X.], 26. Aufl., § 257c Rn. 50 mwN). Es stellt jedenfalls keinen Rechtsfehler dar, dass es dies nicht getan hat. Zwar sieht § 257c Abs. 3 Satz 2 [X.] die Angabe einer Unter- und einer Obergrenze der Strafe vor. Damit ist nach dem Regelungsgehalt der Vorschrift aber nicht die Mitteilung der sogenannten Sanktionsschere gemeint, sondern allein der für den Fall einer erfolgreichen Verständigung – deren Bestandteil in aller Regel ein Geständnis ist (vgl. § 257c Abs. 2 Satz 2 [X.]) – konkret in Betracht kommende Strafrahmen ([X.], [X.], 56. Aufl., § 257c Rn. 19; [X.], aaO, § 257c Rn. 49).

5

b) Dass das [X.] vorliegend neben der [X.] nicht auch eine -obergrenze für den Fall eines Geständnisses angegeben habe (vgl. [X.], Urteil vom 17. Februar 2011 – 3 [X.], [X.], 648), macht die [X.] – auch unter Berücksichtigung des in § 300 [X.] enthaltenen Rechtsgedankens (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Februar 2008 – 1 [X.], [X.], 418) – nicht geltend. Ihr Angriff richtet sich eindeutig nur auf die seitens des [X.]s unterlassene Mitteilung einer Strafobergrenze „im Bestreitensfalle“; sie erweist sich daher als nicht auslegungsfähig.

6

Damit aber ist dem Senat eine Prüfung verwehrt, ob das [X.] durch [X.] einer Strafobergrenze im Sinne des § 257c Abs. 3 Satz 2 [X.] rechtsfehlerhaft gehandelt haben könnte (vgl. [X.], Beschluss vom 14. Juli 1998 – 4 [X.], [X.], 636; s. auch [X.], Urteil vom 26. August 1998 – 3 StR 256/98, [X.], 94). Denn die Angriffsrichtung bestimmt den Prüfungsumfang seitens des [X.] ([X.], Beschluss vom 29. August 2006 – 1 [X.], [X.], 161; s. auch [X.], Beschluss vom 12. September 2007 – 1 [X.], [X.], 229; [X.], aaO, § 344 Rn. 20; [X.] in [X.], aaO, § 344 Rn. 78). Einem Revisionsführer steht es wegen seiner Dispositionsbefugnis zu, ein Prozessgeschehen nur unter einem bestimmten Gesichtspunkt zu rügen, einen etwa zusätzlich begangenen [X.] aber hinzunehmen (vgl. [X.], Urteil vom 28. Mai 2003 – 2 [X.], [X.], 268, 269; § 352 Abs. 1 [X.]).

7

c) Soweit der Vertreter der [X.] in der Hauptverhandlung darüber hinaus einen Verstoß gegen § 243 Abs. 4 [X.] in Betracht gezogen hat, lässt sich der Revision eine entsprechende [X.] nicht entnehmen; sie etwa tragende Tatsachen sind nicht vorgetragen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 [X.]). Im Übrigen zwänge auch diese Bestimmung nicht zur Mitteilung einer Strafobergrenze für den Fall des Tatnachweises ohne Geständnis und ohne Verständigung.

8

2. Dem auf die Sachrüge zu prüfenden Urteil lässt sich in diesem Zusammenhang lediglich entnehmen, dass ihm eine Verständigung nach § 257c [X.] vorausgegangen ist ([X.]). Näheres zu ihrem Inhalt brauchte es nicht mitzuteilen (vgl. [X.], Beschluss vom 13. Januar 2010– 3 [X.], [X.], 348). Die sich über fast drei Seiten erstreckenden Ausführungen zur Strafzumessung erweisen sich als abgewogen und entsprechen den Grundsätzen namentlich des § 46 StGB. Der Senat besorgt daher nicht, sie könnten „nicht ernst gemeint“ sein und sollten lediglich das Verhängen einer zuvor vereinbarten „Punktstrafe“ begründen (vgl. hierzu [X.], Beschlüsse vom 1. März 2011 – 1 StR 52/11, NJW 2011, 1526, 1527, vom 28. September 2010 – 3 [X.], [X.], 231, 232, und Urteil vom 17. Februar 2011 – 3 [X.], [X.], 648).

9

Auch die weitere Prüfung des Urteils hat keinen den umfassend geständigen, darüber hinaus durch gewichtige Beweismittel (Computerdateien, Videoaufnahmen) belasteten Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben.

Insbesondere ist der von der Revision ausdrücklich gerügte Maßstab von 1:2 für die Anrechnung der in [X.] erlittenen Haft rechtlich nicht zu beanstanden. Das [X.] hat eine Vielzahl für dessen Bestimmung relevanter Kriterien (z.B. Belegung, Ausstattung und Sauberkeit der Zelle, Kontaktmöglichkeiten etwa durch Nutzung eines Handys mit Internetzugang, Quantität und Qualität der Verpflegung, medizinische Versorgung, Existenz von [X.] und [X.]) festgestellt und auf dieser Basis sein – durch das Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüfbares – Ermessen (§ 51 Abs. 4 Satz 2 StGB) beanstandungsfrei ausgeübt. Eine ergänzende Erörterung der Arbeitsmöglichkeiten sowie der „Raucherproblematik“ war danach nicht mehr geboten.

[X.]

                  König                       [X.]

Meta

5 StR 318/13

03.09.2013

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hamburg, 5. März 2013, Az: 632 KLs 25/12

§ 257c Abs 2 S 2 StPO, § 257c Abs 3 S 2 StPO, § 344 Abs 2 StPO, StVVerstG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.09.2013, Az. 5 StR 318/13 (REWIS RS 2013, 3100)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3100

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